L 13 AS 1045/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 2876/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1045/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Koten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Weiterbildung zum Data Scientist und zum IT-Security-Auditor.

Der im Jahr 1980 geborene Kläger schloss im Jahr 2010 ein Studium der Volkswirtschaftslehre als Bachelor ab. Im Jahr 2013 hat er einen Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre erworben. Seitdem ist er arbeitslos und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 12. November 2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger die Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme „Fachinformatiker/in – Systemintegration/Anwendungsentwicklung“ vom 13. November 2018 - 9. November 2020 bei der L AG. Der Kläger brach die Teilnahme an der Maßnahme ab, wechselte daraufhin zu einem anderen Bildungsträger, der U GmbH (Bewilligungsbescheid vom 12. Februar 2019), in eine Umschulungsmaßnahme im selben Berufsfeld und nahm an dieser Maßnahme bis zum abermaligen Abbruch im Mai 2019 teil.

Im Januar 2021 wandte sich der Kläger erneut wegen einer Weiterbildung an den Beklagten und schlug die Teilnahme an Maßnahmen des alfatraining Bildungszentrums zum Data Scientist vom 13. Juni - 28. Oktober 2022 (Lehrgangskosten: 12.608,- €) und zum IT-Security-Auditor vom 19. April – 13. Mai 2022 (Lehrgangskosten: 2.337,60 €) vor.

Der Beklagte veranlasste im Hinblick auf von ihm ausgemachte psychische Probleme beim Kläger eine psychologische Untersuchung des Klägers durch die H. Diese führte in ihrem, nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers am 23. September 2021 erstellten psychologischen Gutachten vom 29. September 2021 aus, dass dem Kläger die Bewältigung anspruchsvoller intellektueller Aufgaben zuzutrauen sei und er zudem eine hohe Anstrengungsbereitschaft erkennen lasse. Die Motivation, die angestrebte Qualifizierung erfolgreich zu beenden, sei hoch. Es sei jedoch in den sozialen Interaktionen immer wieder zu Konflikten gekommen, weil der Kläger mitunter emotional und nicht situationsangemessen reagiere. Die begrenzte Bereitschaft, sich an vorgegebene Bildungsrahmen anzupassen, berge das Risiko eines abermaligen Abbruchs der Maßnahme, wenn der Inhalt der begehrten Maßnahme und deren Vermittlung nicht seinen Vorstellungen entspreche.

Per E-Mail vom 2. Dezember 2021 informierte der Beklagte den Kläger, dass er, der Beklagte, die Kosten für die Weiterbildungen aus Gründen, die in der Person des Klägers liegen, nicht übernehmen werde.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Dezember 2021 – sinngemäß – Widerspruch, mit dem er vorbrachte, die Annahme des Beklagten, es bestehe im Hinblick auf eine (unterstellte) fehlenden Anpassungsfähigkeit ein Risiko, sei nach sieben Jahren an einer Hochschule juristisch nicht haltbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2022 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Begründend führte er aus, obschon die begehrten Weiterbildungsmaßnahmen zugelassen seien und ein zugelassener Träger die Maßnahmen anbiete, seien die Maßnahmen nicht geeignet, um den Kläger in Arbeit zu bringen. Nach dem berufspsychologischen Gutachten bestünden Zweifel daran, ob der Kläger die begehrten Weiterbildungen beenden werde, seine Anpassungsbereitschaft sei begrenzt. Die ins Auge gefassten Weiterbildungen hätten Tätigkeiten zum Ziel, die hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz stellten. Die hierfür erforderliche Kommunikationsfähigkeit könne beim Kläger nicht erkannt werden. Der Vorschlag, ihn über einen Eingliederungszuschuss zu fördern, erscheine erfolgsversprechender. Da die Weiterbildung jedenfalls nicht geeignet und damit notwendig sei, um den Kläger in Arbeit einzugliedern, sei der Widerspruch zurückzuweisen.

Der Kläger, der bereits am 3. Dezember 2021 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben hatte, hat zu deren Begründung vorgetragen, die Bewilligung sei wegen der vermuteten bzw. unterstellten fehlenden persönliche Eignung bzw. Sozialkompetenz abgelehnt worden. Dies sei haltlos. Die begehrte Maßnahme, ein kaufmännisch angepasster Kurs mit IT- Anteilen, passe genau zu seinen Abschlüssen. Die vorangegangenen Abbrüche der Bildungsmaßnahmen gründeten zum einen in einem sexuellen Übergriff auf ihn, der zur Anzeige gebracht worden sei, und darin, dass der zweite (Online-) Kurs mangelhaft gewesen sei und realzeitliche Sicherheitsprobleme beinhaltet habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2022 zulässige Klage sei nicht begründet. Der Bescheid vom 2. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2022 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Weiterbildungsmaßnahmen zum Data Scientist und zum IT-Security-Auditor. Nach § 16 Abs.1 Nr. 4 SGB II könnten als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit u.a. alle Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem vierten Abschnitt des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) erbracht werden.
Nach § 81 SGB III könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist (Nr. 1), die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat (Nr. 2) und die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind (Nr. 3). Die Notwendigkeit einer Weiterbildung sei im Wege einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Es müsse die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser seien als zuvor. Auch individuelle Vermittlungshemmnisse der oder des Arbeitslosen seien zu berücksichtigen. Hierbei stehe der Behörde, so das SG unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Juli 2003 (- B 7 AL 66/02 R -, in juris, dort Rn. 24), ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der gerichtlichen Kontrolle unterliege lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden sei. Dies sei vorliegend anzunehmen, als der Beklagte insb. ein psychologisches Gutachten eingeholt habe. Auch habe er unter Berücksichtigung der individuellen Vermittlungshemmnisse des Klägers nachvollziehbar dargelegt, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme voraussichtlich nicht besser seien als zuvor. Er, der Beklagte habe insofern zutreffend angeführt, dass nicht die Qualifikation des Klägers für dessen Arbeitslosigkeit verantwortlich sei, sondern eher die Persönlichkeit des Klägers. Dem Kläger fehle insofern das Problembewusstsein. Ferner erforderten die vom Kläger ins Auge gefassten Weiterbildungen hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz. Die hierfür erforderliche Kommunikationsfähigkeit für beratende Aufgaben bestehe jedoch nicht, wie von der H erkannt worden sei. Die vom Beklagten hierauf gestützte (negative) Prognose sei daher nicht fehlerhaft.

Hiergegen hat der Kläger am 6. April 2022 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe aufgrund einer unbegründeten Vermutung des Beklagten entschieden und die Umstände, die zu der Situation geführt hätten, ignoriert. Es, das SG, habe ignoriert, dass sein Bildungsniveau hoch genug sei und stattdessen auf unterstellte Persönlichkeitsmerkmale abgestellt. Tatsächlich gründe seine Arbeitslosigkeit darin, dass er bereits nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sei. Wenn er diese Hürde aber überschritten gehabt habe, sei die Stelle nicht passgenau gewesen. Für den Bereich, in dem er die Weiterbildung begehre, werde händeringend nach Personal gesucht.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Februar 2022 zu verurteilen, ihm Weiterbindungsmaßnahmen zum Data Scientist und zum IT-Security-Auditor zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung ihres Antrages auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Mit Schriftsatz vom 28. April 2022 hat der Beklagte, mit solchem vom 2. Mai 2022 der Kläger das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die elektronisch geführten Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1,124 Abs. 2 SGG) ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung des Klägers führt für diesen jedoch inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.


Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung des Beklagten vom 2. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Februar 2022, die Teilnahme des Klägers an den Weiterbildungsmaßnahmen zum Data Scientist und zum IT-Security-Auditor nicht zu fördern.

Der Kläger, ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 SGB II, hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderung der Teilnahme an den Weiterbildungsmaßnahmen zum Data Scientist und zum IT-Security-Auditor.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden können, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern (Nr. 1), sie vor Beginn der Maßnahme vom Jobcenter beraten wurden (Nr. 2) und wenn Maßnahme und Träger für die Förderung zugelassen sind (Nr. 3).

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt, dass die Frage der Notwendigkeit i.S.d. § 81 Nr. 1 SGB III vom Beklagten anhand einer Prognoseentscheidung zu treffen war, die vom Beklagten unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist und der Beklagte zu der nicht zu beanstandenden Einschätzung gelangt ist, dass die Teilnahme des Klägers an den begehrten Weiterbildungsmaßnahmen nicht notwendig ist, um ihn aus der Arbeitslosigkeit heraus in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid und sieht von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Das Vorbringen des Klägers zur Begründung der Berufung bedingt keine abweichende Beurteilung. Der klägerische Vortrag, in den Fällen, in denen er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, seien die Stellen nicht passgenau gewesen, bestätigt vielmehr die Ausführungen der H in deren psychologischem Gutachten vom 29. September 2021 die Grundlage der Prognoseentscheidung des Beklagten gewesen ist.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 31. März 2022 ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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