L 1 BA 76/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 278/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 76/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 8/22 R
Datum
-
Kategorie
Urteil


Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. September 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen. 

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hinsichtlich der für den Kläger erbrachten Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Arzt.

Der 1988 geborene Beigeladene zu 1 war in der Zeit vom 29.01.2016 bis 15.07.2016 für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) als Arzt auf der Grundlage zweier, jeweils als „Vereinbarung“ überschriebener Verträge tätig. Er übernahm Aufgaben im Bereich der Durchführung von Erstuntersuchungen bzw. der Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden. 

Mit Vertrag vom 29.01.2016 wurde geregelt:
㤠1 Vertragsgegenstand und Status des Vertragspartners
(1) Der/Die Vertragspartner/in übernimmt die Aufgabe der Beurteilung von Erstuntersuchungen und von Röntgenbefunden des Thorax.
(2) Er ist nicht in die Arbeitsorganisation der HEAE eingegliedert.
(3) Die Dienstleistungen unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung).
(4) Die nachfolgende Vereinbarung regelt für den Fall eines Einsatzes die Rahmenbedingungen.

§ 2 Nachweise über die Zulassung zur Berufsausübung
Der/Die Vertragspartner/in legt als Nachweis über die Zulassung zur Berufsausübung eine Kopie der Approbationsurkunde vor.

§ 3 Leistungen der HEAE
Die HEAE stellt zur Durchführung der Befundungen folgendes zur Verfügung: Eine namentliche Liste der Personen, deren Röntgenaufnahmen befundet werden sollen sowie die entsprechenden Röntgenbilder.

§ 4 Befundungsort und Zeiten
Die Befundungen finden in der HEAE/in C-Stadt statt. Die Zeiten werden einvernehmlich zwischen der HEAE und dem Vertragspartner abgestimmt. 

§ 5 Entgelt
Für die Leistung wird folgendes Entgelt erbracht: Stundensatz i.H.v. 50 €. Die Abrechnung erfolgt monatlich.

§ 6 Haftung
Der Vertragspartner/in haftet für Schäden, die durch ihr/sein vorsätzliches Verhalten der HEAE oder Dritten entstanden sind. Die HEAE stellt den/die Vertragspartner/in für fahrlässig verursachte Schäden frei, soweit diese nicht durch ein privates Versicherungsverhältnis abgedeckt sind. § 7 Datenschutz und Schweigepflicht. Der/Die Vertragspartner/in verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die HEAE zur Kenntnis kommen, Stillschweigen zu bewahren. Insbesondere ist er/sie nicht berechtigt, Auskünfte an die Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Dienststellenleiters der HEAE zu erteilen. Weiterhin sichert er/sie einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Datenschutz für die bei sich oder Dritten in seinem Auftrag gespeicherten Daten zu.

§ 8 Vertragsdauer, Nebenabreden, Salvatorische Klausel 
(1) Da die Einsätze zeitlich befristet erfolgen und diese Vereinbarung nur die gegenseitigen Verpflichtungen während der Einsatzzeiten regeln, bedarf es bei Nichtinanspruchnahme des/der Vertragspartners/in durch die HEAE keiner Kündigung.
(2) Nebenabreden sowie Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
(3) Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam oder unzulässig sein, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht beeinträchtigt. Anstelle der unwirksamen oder unzulässigen Bestimmung gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

Mit Vertrag vom 14.02.2016 wurde geregelt:
㤠1 Vertragsgegenstand und Status des Vertragspartners
(1) Der Vertragspartner erbringt medizinische Dienstleistungen im Auftrag der HEAE im C-Straße, C-Stadt und in der Außenstelle D-Straße, C-Stadt in freiberuflicher Tätigkeit im Bedarfsfalle. Er ist nicht in die Arbeitsorganisation der HEAE eingegliedert. Die Dienstleistungen unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (Arbeitslosen-, Kranken-und Rentenversicherung).
(2) Die nachfolgende Vereinbarung regelt für den Fall eines Einsatzes die Rahmenbedingungen.
(3) Der Vertragspartner legt als Nachweis über die Zulassung zur Berufsausübung eine Kopie der Approbationsurkunde vor.

§ 2 Leistungen des Vertragspartners während der vereinbarten Einsatzzeit
(1) Der/Die Vertragspartner/in übernimmt die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht sind, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (Anlage 1).
Dazu gehört
• die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist,
• Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken
• Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes.
(2) Er übernimmt zudem Aufgaben, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu jeweils getroffenen Erlassregelungen des Hess. Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit (zurzeit Erlass vom 04.02.2009 Az.: IV 6 A 58 a 0101-0002/2008/001 - StAnz. 2009 S. 544-Anlage 2) zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ergeben.
Die Erstuntersuchung beinhaltet gemäß beigefügtem Erlass über die ärztliche Untersuchung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und anderen Personen nach Einreise in Hessen vom 04.02.2009 (siehe Anlage 2)
1. Aufnahme und Dokumentation der bestehenden Medikation
2. Rezeptur der notwendigen Medikation
3. Anamnese, Diagnostik und Dokumentation einer akut beklagten Erkrankung.
Während der Erstuntersuchung erbrachte Ambulanzleistungen werden nicht zusätzlich vergütet. Ausgenommen von der Erstuntersuchung sind die Röntgenuntersuchungen. Erforderlichenfalls hat der/die Vertragspartner/in alle erforderlichen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz einzuleiten.
(3) Der Vertragspartner führt die vertraglichen Leistungen zeitlich nach Vereinbarung durch.
(4) Ein Not- oder Bereitschaftsdienst des Vertragspartners außerhalb der vereinbarten Präsenzzeiten ist nicht vorgesehen.

§ 3 Leistungen der HEAE
(1) Die HEAE stellt adäquate Räumlichkeiten, Geräte, Inventar, Verbandsstoffe u. ä. sowie Medikamente und Impfstoffe zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und der medizinischen Versorgung kostenfrei bereit.
(2) Die HEAE trägt neben den Mietkosten für die Räume auch die Kosten der Instandhaltung, der Energieversorgung und der Müllentsorgung sowie der Reinigung.
(3) Ebenso stellt die HEAE Hilfspersonal zur Vor- und Nachbereitung sowie zur Durchführung der Sprechstunden.
(4) Die HEAE besorgt nach Ausstellen einer ärztlichen Verordnung durch den/die Vertragspartner/in nicht vorrätige notwendige Medikamente und Verbandsmittel zur Behandlung von Patienten.
(5) Die HEAE übernimmt eventuell entstehende Kosten für zusätzliche externe ärztliche oder technische Untersuchungs- und Behandlungsleistungen (z. B. Röntgen).

§ 4 Entgelt und Abrechnung
Zur Vereinfachung der Abrechnung wird für die Erbringung der in § 2 genannten ärztlichen Leistungen ein Stundensatz i.H.v. 75,00 € vereinbart. Die Abrechnung erfolgt bei Nichtableistung einer vollen Stunde entsprechend prozentual anteilig.

§ 5 Haftung
Der Vertragspartner/in haftet für Schäden, die durch ihr/sein vorsätzliches Verhalten der HEAE oder Dritten entstanden sind. Die HEAE stellt den/die Vertragspartner/in für fahrlässig verursachte Schäden frei, soweit diese nicht durch ein privates Versicherungsverhältnis abgedeckt sind.

§ 6 Datenschutz und Schweigepflicht
Der Vertragspartner verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die HEAE zur Kenntnis kommen, Stillschweigen zu bewahren. Insbesondere ist er nicht berechtigt, Auskünfte an die Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Dienststellenleiters der HEAE zu erteilen. Weiterhin sichert er einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Datenschutz für die bei sich oder Dritten in seinem Auftrag gespeicherten Daten zu.

§ 7 Vertragsdauer, Nebenabreden, Salvatorische Klausel
(1) Da die Einsätze zeitlich befristet erfolgen und diese Vereinbarung nur die gegenseitigen Verpflichtungen während der Einsatzzeiten regeln, bedarf es bei Nichtinanspruchnahme des/der Vertragspartners/in durch die HEAE keiner Kündigung.
(2) Nebenabreden sowie Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
(3) Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam oder unzulässig sein, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht beeinträchtigt. Anstelle der unwirksamen oder unzulässigen Bestimmung gelten die gesetzlichen Vorschriften.“ 

Die HEAE wurde nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums des lnnern und für Sport vom 30.09.2016, mit Wirkung zum 18.11.2016 als selbstständige Behörde im nachgeordneten Bereich des Regierungspräsidiums Gießen aufgelöst und mit ihrem Aufgabenbestand als Abteilung VII „Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und lntegration" in das Regierungspräsidium Gießen eingegliedert. Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung mit der HEAE sind ab dem 18.11.2016 auf das Regierungspräsidium Gießen übergegangen.

Der Beigeladene zu 1 stellte am 18.03.2016 einen Antrag auf Statusfeststellung. 

Die Beklagte hörte den Kläger und den Beigeladenen zu 1 zu ihrer beabsichtigten Entscheidung an, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 beim Kläger zu erlassen.

Der Kläger trug unter anderem vor, dass der Beigeladene zu 1 frei habe entscheiden können, ob er tätig werden wolle oder nicht. Hinsichtlich Zeit, Ort und lnhalt seiner Tätigkeit habe er keinen Weisungen des Landes Hessen unterlegen. Die Ärzte hätte entweder mitgeteilt, an welchem Tag und in welchem zeitlichen Umfang sie für die HEAE tätig werden können und wollen oder die Ärzte seien bei Bedarf entsprechend angefragt worden. Der Beigeladene zu 1 habe seine Einsatzzeiten selbst bestimmen können. Bei der Erstellung des Einsatzplanes habe sich der Kläger an den von dem Beigeladenen zu 1 genannten Einsatzzeiten orientiert. Wenn der Einsatz im Einsatzplan erschienen sei, sei dies auf seinen ausdrücklichen Wunsch erfolgt. Der Beigeladene zu 1 habe keinen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl an Aufträgen gehabt.

Mit Bescheiden vom 18.11.2016 bzw. 19.11.2016 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1 jeweils fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Arzt beim Kläger an den im Einzelnen aufgeführten Tagen bzw. Zeiträumen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht habe am 29.01.2016 begonnen. Die zu beurteilende Tätigkeit als Arzt bei der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in C-Stadt habe in der Durchführung der körperlichen Erstuntersuchung und in der Dateneingabe von medizinischen Befunden (ärztliche Erstaufnahmen Untersuchung) bestanden.

Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Leistungen persönlich zu erbringen sei, der Auftragnehmer hinsichtlich des Tätigkeitsortes gebunden sei, da er auf die Nutzung der am Sitz der Erstaufnahmeeinrichtung zur Verfügung stehenden Infrastruktur für die medizinische Versorgung (z.B. Behandlungs- und Praxisräume) angewiesen gewesen sei und die Koordination der Einsätze durch den Medizinischen Dienst der HEAE erfoglt sei. Ferner seien die Arbeitszeiten verbindlich in einem Dienstplan festgelegt und die Anwesenheit kontrolliert worden. Die zu untersuchenden Flüchtlinge und Asylsuchenden seien durch das Personal der HEAE zugewiesen worden. Am Einsatzort sei eine Zusammenarbeit mit dem Personal (z.B. medizinische Fachangestellte, Krankenpfleger und -schwestern, ggf. Sprachvermittler) erfolgt. Auch habe gegenüber dem medizinischen Personal ein fachliches Weisungsrecht bestanden. Festangestellte Ärzte seien im gleichen Aufgabengebiet beschäftigt worden. Bei Abwesenheit oder Verhinderung habe der Auftraggeber eine Ersatzkraft organisiert. Das fachliche Letztentscheidungsrecht habe der leitende Arzt der HEAE gehabt. Die Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen sei auf dem vorgegebenen Dokumentationsbogen erfolgt. Die Teilnahme an Dienstbesprechungen sei in Form eines morgendlichen Briefings erfolgt, welches medizinische und organisatorische Inhalte zum Gegenstand gehabt habe. Die Tätigkeit sei mit einer festen Stundenpauschale vergütet worden. Die benötigten Arbeitsmittel und Verbrauchsmaterialien seien zur Verfügung gestellt worden. Ein Einsatz eigener Betriebsmittel im erheblichen Umfang sei nicht erfolgt. Die Haftung für fahrlässig verursachte Schäden habe beim Auftraggeber gelegen. Ein unternehmerisches Risiko oder eine unternehmerische Chance habe in der Ausübung der Tätigkeit nicht bestanden. Die Tätigkeit sei in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt worden. Demgegenüber spräche für eine selbstständige Tätigkeit, dass der Beigeladene zu 1 Aufträge habe ablehnen können und dass er teilweise eigene Betriebsmittel genutzt habe.

Den hiergegen von dem Kläger eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21.07.2017 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass bereits in der Vorbemerkung der Vereinbarung im zweiten Absatz geregelt sei, dass der ärztliche Dienst keinen fachlichen Weisungen der Dienststelle unterliegt. Noch deutlicher werde dies durch § 1 Abs. 1 der Vereinbarung, wonach der Dienstleister seine medizinischen Dienstleistungen ausdrücklich in freiberuflicher Tätigkeit erbringen und dabei nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen sollte. Darüber hinaus regele die Vereinbarung, die nicht als Arbeitsvertrag überschrieben sei, die Rahmenbedingungen ausweislich des § 1 Abs. 2 der Vereinbarung überhaupt nur „für den Fall eines Einsatzes". Dementsprechend sollten nach § 2 Abs. 3 der Vereinbarung die vertraglichen Leistungen der Vertragspartnerin zeitlich nach Vereinbarung durchgeführt werden. Dem Beigeladenen zu 1 habe es daher nach der Vereinbarung freigestanden, ob und in welchem Umfang er für den Kläger im Einzelfall als Arzt tätig werde. Schließlich sei in § 7 Abs. 1 der Vereinbarung geregelt, dass es bei Nichtinanspruchnahme des/der Vertragspartner/in durch die HEAE keiner Kündigung bedürfe, da die Einsätze zeitlich befristet erfolgten und die Vereinbarung nur die gegenseitigen Verpflichtungen während der Arbeitszeiten regele. Eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 ergebe sich im Übrigen nicht daraus, dass gemäß § 2 der Vereinbarung die Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), des Asylgesetzes (AsylG) und/oder des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) zu beachten seien. Denn eine Weisungsbefugnis bedürfe einer gesonderten rechtlichen Grundlage. Dafür reiche nicht aus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten seien (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2015 - L 1 KR 105/13; BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R - Rn. 19). Der Beigeladene zu 1 habe seine Vorabplanung per Email oder Telefon vorgenommen. Die so organisierte Disposition der Einsatzzeiten habe dem Beigeladenen zu 1 ermöglicht, Einsätze nur zu den ihm passenden Zeiten verrichten zu müssen. Erst wenn er seine Einsätze zu bestimmten Zeiten per SMS/E-Mail/Telefonat angeboten habe, sei er in den Organisationsplan übernommen worden. Der Beigeladene zu 1 habe damit zeitliche Souveränität über seine Einsätze gehabt und sei hinsichtlich des „ob" der Einsätze keinen Weisungen des Klägers unterlegen. Damit habe sich die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses fundamental von den Vertragsverhältnissen der beim Kläger festangestellten Ärzte unterschieden, die verpflichtet seien, die vertraglich festgelegten Wochenstunden an den festgelegten Wochentagen zu verrichten. Der Beigeladene zu 1 habe teilweise eigene Betriebsmittel eingesetzt. Die Benutzung der Räumlichkeiten und der Betriebsmittel des Klägers stehe der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen. Da die HEAE die Anlaufstelle für Flüchtlinge sei, in der sie verpflichtet seien, zunächst zu bleiben, könnten sie grundsätzlich nach ihrer Ankunft auch nur dort direkt medizinisch untersucht werden. Um ihre Fürsorgepflicht zu erfüllen, habe die HEAE die für die medizinische Erstuntersuchung erforderlichen Betriebsmittel vor Ort bereithalten müssen. Wegen der plötzlich ansteigenden Flüchtlingszahlen sei es allerdings nicht immer möglich gewesen, alle notwendigen Betriebs- und Arbeitsmittel überall vorzuhalten. Dies habe dazu geführt, dass die Arbeitsmittel teilweise von den Auftragnehmern selbst mitgebracht und teilweise durch die Hilfsorganisationen oder durch die HEAE gestellt worden seien. Das Zurverfügungstellen der Betriebsmittel sei nicht zur Bindung des Auftragnehmers an die HEAE oder zwecks seiner Integration in die Organisation erfolgt. Die Mitbenutzung der Räumlichkeiten und der Betriebs- und Arbeitsmittel der HEAE ergäbe sich aus der Eigenart der übernommenen Tätigkeit und sei als ein neutrales Kriterium zu werten (vgl. auch BSG, Entscheidung vom 12.02.2004 - B 12 KR 26/02 R und BAG, Urteil vom 21.07.2015 - 9 AZR 484/14). Im Gegensatz zu den beim Kläger angestellten Ärzten unterliege der Beigeladene zu 1 keinen tariflichen Bedingungen und seine Einsätze seien nur freiwillig und befristet erfolgt, wobei die Honorarvereinbarungen nur für die Einsatzzeiten gelten (siehe § 6 bzw. § 7 der Vereinbarung). Das Honorar sei unabhängig von tarifvertraglichen Vorgaben vereinbart worden. Auch das Fehlen eines Anspruchs des Beigeladenen zu 1 auf Entgeltzahlung im Krankheitsfall sei als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit zu werten. Für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spreche schließlich auch das von dem Beigeladenen zu 1 getragene Unternehmerrisiko. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12.02.2004 (B 12 KR 26/02 R) könne das unternehmerische Risiko durchaus darin gesehen werden, dass die Fortsetzung der Tätigkeit oder die Anzahl der Einsätze von der Zahl der ankommenden Flüchtlinge abhänge. Zu den vergleichbaren Tätigkeiten von Notärzten gäbe es umfangreiche Rechtsprechung.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht den Beigeladenen zu 1 zu seiner Tätigkeit befragt. Dieser hat u.a. ausgeführt, dass er von erfahrenen Kollegen eingearbeitet worden sei. Für die Erstuntersuchungen sei ihm ein Sanitäter zur Seite gestellt worden. Das Stundenhonorar habe festgestanden und sei nicht ausgehandelt worden. Es sei nicht vorgekommen, dass er trotz Zusage seinerseits nicht habe arbeiten können.

Mit Urteil vom 02.09.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 18.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2017 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für den Kläger in der Zeit vom 29.01.2016 bis 15.07.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei und Versicherungspflicht in der Kranken- Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV könnten die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliege, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger habe im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Versicherungspflichtig seien in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung sei nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV seien Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setze eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Diese Weisungsgebundenheit könne - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hänge davon ab, welche Merkmale überwögen (BSG, Urteil vom 30.12.2013 - B 12 KR 17/11 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Bei der Feststellung des Gesamtbilds komme dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012, a.a.O.; ebenso Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R). Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen seien die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlaubten. Ob eine "Beschäftigung" vorliege, ergebe sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden sei. Ausgangspunkt sei daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergebe oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lasse. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gingen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich sei. Umgekehrt gelte, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich sei, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen sei. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehöre daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gelte, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag gäben, wenn sie von Vereinbarungen abwichen. Maßgeblich sei die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert werde, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig sei (BSG, Urteil vom 28.09.2011 - B 12 R 17/09 R).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei der Beigeladene zu 1 abhängig beschäftigt gewesen. Für die Beurteilung sei auf die jeweiligen Einzeleinsätze des Beigeladenen zu 1, mithin die durchgeführten Erstuntersuchungen und die Auswertung der Erstuntersuchungsbefunde abzustellen. Die einzelnen Dienste seien auf freiwilliger Basis individuell vereinbart worden. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art sei für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestünden (BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 29 Rn. 17 <Physiotherapeutin>; BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 19 <Rackjobbing II>; BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris Rn. 26 <Verkehrspilot>; BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R). Die diesen Tätigkeiten zugrunde liegenden „Vereinbarungen“ zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1 vom 29.01.2016 und 14.02.2016 wiesen zwar darauf hin, dass formal nicht die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses gewollt sei, wenn etwa vereinbart worden sei, dass die medizinischen Dienstleistungen in freiberuflicher Tätigkeit im Bedarfsfalle erbracht würden, keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der HEAE erfolge und die Dienstleistungen nicht der Sozialversicherungspflicht unterlägen. Auch sei davon auszugehen, dass Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich handelten, woraus indes nicht ohne weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden könne. Umgekehrt könne nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln, etwa des Krankenhauses, zwingend auf eine abhängige Beschäftigung der Ärztin bzw. des Arztes geschlossen werden (vgl. BSG, Urteile vom 04.06.2019 - B 12 R 12/18 R; - B 12 KR 14/18 R; - B 12 R 22/18 R). Für den Beigeladenen zu 1, dem im Rahmen der gegenständlichen Tätigkeit für den Kläger keine originär medizinische oder therapeutische Behandlung der vorgestellten Geflüchteten oblegen habe, sondern der Erstuntersuchungen durchzuführen bzw. deren Befunde auszuwerten gehabt habe, gelte grundsätzlich nichts Abweichendes. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung kämen den der Tätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarungen - hier den Verträgen vom 29.01.2016 und 14.02.2016 - aber keine überragende Bedeutung zu, wenn die übrigen Indizien tatsächlich für eine abhängige Beschäftigung sprächen. 
So liege es hier. Die Verpflichtung für den Kläger zur Durchführung von Erstuntersuchungen ergebe sich aus dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit vom 31.12.2008, wonach die Aufnahmeeinrichtung die Ausländerinnen und Ausländer unmittelbar nach ihrer Einreise nach Hessen auffordere, sich vom ärztlichen Dienst der Einrichtung oder einem ärztlichen Dienst nach § 62 AsylVfG bzw. § 36 Abs. 4 IfSG untersuchen zu lassen. Die Untersuchung umfasse u.a. eine allgemeine orientierende körperliche Untersuchung, eine Röntgenthorax-Aufnahme zum Ausschluss einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose, eine weitergehende Untersuchung auf übertragbare Krankheiten im Verdachtsfall oder Abklärung eines klinischen Krankheitsbildes nach Maßgabe des/der untersuchenden Arztes/Ärztin im Einzelfall, die Überprüfung des Impfstatus, Impfempfehlung und gegebenenfalls Impfung. Die Untersuchungsergebnisse würden auf dem „Untersuchungsbogen für Asylbewerber und andere Personen" dokumentiert. Dadurch, dass im Rahmen der verpflichtend vor einer Freigabe an die Kommune und der weiteren Unterbringung der Geflüchteten durchzuführenden Erstuntersuchungen sowohl von dem Beigeladenen zu 1 als auch von den daneben beim Kläger angestellten Ärzten bestimmte Daten sowie Befunde im Hinblick auf das Asylverfahrensgesetz und das Impfschutzgesetz zu erheben und zu dokumentieren gewesen seien, sei der Beigeladenen zu 1 während seiner Dienste auch tatsächlich weisungsabhängig und in „ein fremdes Unternehmen“ eingegliedert, ohne dass er selbst ein erhebliches Unternehmerrisiko zu tragen gehabt habe. Auch wenn die Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1 bei der Durchführung der jeweiligen Dienste eingeschränkt gewesen sei, sei sie vorliegend nicht völlig entfallen. Er habe in seiner Tätigkeit bereits aufgrund der Regelung in § 1 des Vertrages zumindest einem Weisungsrecht des Klägers im Hinblick auf die Ausführung seiner Tätigkeiten unterlegen. Ergäben sich etwa Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus vertraglichen Vereinbarungen oder mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten, komme es darauf an, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit bestehe oder aber ausgeschlossen sei, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittele (BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, Rn. 30 <Rackjobbing II>). Der konkrete Inhalt folge aus § 2, wonach die Erstuntersuchung gemäß beigefügtem Erlass über die ärztliche Untersuchung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und anderen Personen nach Einreise in Hessen vom 04.02.2009 die Aufnahme und Dokumentation der bestehenden Medikation, Rezeptur der notwendigen Medikation und Anamnese, Diagnostik und Dokumentation einer akut beklagten Erkrankung beinhalte. Der Beigeladene zu 1 habe dem Weisungsrecht des Klägers unterlegen. Er sei verpflichtet gewesen, die vorgegebenen Befunde zu erheben und zu dokumentieren und sei nicht frei gewesen in der Wahl seiner „Patienten“, sondern habe die von den Helfern zwecks Erstuntersuchung zugewiesenen Geflüchteten im Hinblick auf Infektionskrankheiten zu untersuchen gehabt. Er sei im Rahmen dieser ärztlichen Tätigkeit in ein fremdes Unternehmen - die Erstaufnahmeeinrichtung - eingegliedert und nicht berechtigt gewesen, die Untersuchungen an einem anderen Ort durchzuführen. Unschädlich sei, dass kein umfassendes Weisungsrecht bestanden habe, sondern dieses vielmehr „zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“ gewesen sei (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 2/18 R). Denn mit der Einbestellung der Geflüchteten in die Räumlichkeiten der Erstaufnahmeeinrichtung zum Zweck der Erstuntersuchung sei die Tätigkeit vollständig fremdbestimmt innerhalb des von der Erstaufnahmeeinrichtung vorgegebenen organisatorischen Betriebsablaufs entsprechend den auch von den angestellten Ärztinnen und Ärzten durchgeführten Erstuntersuchungen erfolgt. Der Beigeladene zu 1 habe, wie jene, die vorhandene Infrastruktur genutzt und dem nichtärztlichen Personal bzw. dem jeweiligen Helfer, im Rahmen seiner Tätigkeit Anweisungen gegeben. Er habe die Räumlichkeiten und nicht wiederverwendbaren Mittel, wie Handschuhe, Mundschutz und Kanülen genutzt, die ihm gestellt worden seien. Der Beigeladene zu 1 sei danach zur Überzeugung der Kammer in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen. Die Aufgabe des Beigeladenen zu 1 habe dabei in der Durchführung von Erstuntersuchungen bzw. deren Auswertung bestanden. Dies stelle einen wesentlichen Bestandteil der Arbeitsorganisation des Klägers im medizinischen Management für Flüchtlinge dar. Die Einschränkung auf einen bestimmten Aufgabenbereich spreche dabei nicht gegen die Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Vielmehr habe der Beigeladene zu 1 mit der Durchführung der Erstuntersuchungen bzw. deren Auswertung in den Räumlichkeiten in C-Stadt einen wesentlichen Bestandteil im Rahmen der von dem Kläger durchzuführenden Schritte bei der Organisation der Unterbringung der Flüchtlinge übernommen. Anknüpfend an die Erstuntersuchungen sei das Einscannen der Unterlagen durch weitere Mitarbeiter in den Räumlichkeiten in C-Stadt erfolgt. Diese Unterlagen hätten sodann wiederum Ärzte, wie vorliegend der Beigeladene zu 1, ausgewertet und entschieden, ob gesundheitliche Gründe einer Freigabe in die Kommune entgegenstünden. Über die Freigabe an sich sei wiederum an anderer Stelle entschieden worden. Der Beigeladene zu 1 sei somit in eine Organisationsstruktur eingebunden gewesen. Ein erhebliches unternehmerisches Risiko habe für den Beigeladenen zu 1 nicht bestanden. Er habe einen festen Lohn für geleistete Stunden erhalten und nicht das Risiko des Zahlungsausfalls trotz erbrachter Leistung getragen. Er habe Dokumente von Erstuntersuchungen ausgewertet bzw. die Geflüchteten auf Infektionskrankheiten untersucht und habe keine Möglichkeit gehabt, durch unternehmerisches Geschick seinen Verdienst zu erhöhen. Da es lediglich auf die Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankomme, sei das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen zu 1, vom Kläger keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R). Er sei schließlich nicht an laufenden Kosten hinsichtlich der Einrichtung beteiligt gewesen, die im Sinne von Vorhaltekosten trotz gegebenenfalls ausbleibender Aufträge zu tragen gewesen wären. Folge des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 sei die Versicherungspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum, ohne dass eine Ausnahme- oder Befreiungsvorschrift eingreife. Der Beigeladene zu 1 habe neben der gegenständlichen Beschäftigung im Streitzeitraum keine weitere Tätigkeit ausgeübt. 

Der Kläger hat gegen das ihm am 20.09.2021 zugestellte Urteil am 13.10.2021 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat sein Vorbringen vertieft und ergänzend vorgetragen, dass aufgrund der Vielzahl von Flüchtlingen in 2015/2016 Ärztinnen und Ärzte zu deren Untersuchung und Versorgung hätten herangezogen werden müssen. Der Beigeladene zu 1 sei im Verhältnis zu dem jeweils betroffenen Flüchtling „Behandler“ im Sinne von § 630a BGB gewesen. Er sei dem Flüchtling gegenüber nicht einem Krankenhaus vergleichbar aufgetreten. § 36 Abs. 4 IfSG bestätige, dass es sich bei dem „Ärztlichen Zeugnis“ über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der ansteckungsfähigen Lungentuberkulose um ein Dokument handele, welches gerade nicht in der Behörde generiert werde, die das IfSG durchführe. Der Beigeladene zu 1 habe vollkommen frei über die zu beurteilenden Einzelaufträge entscheiden können. Er habe auch keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt und eine persönliche Haftung getragen. Als Arzt habe er gemäß § 2 der Hessischen Berufsordnung keine Weisungen entgegennehmen dürfen. Der Beigeladene zu 1 habe nicht eine Aufgabe des Klägers erfüllt. „Schuldner“ der medizinischen Nachweise sei vielmehr der jeweilige Flüchtling gewesen. Die vom Kläger zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten stellten auch kein „fremdes Unternehmen“ dar, sondern allenfalls einen „Arbeitsplatz“, wie ihn Selbstständige ebenso wie abhängige Beschäftigte benötigten. Wenn überhaupt könnte man die Erstaufnahmeeinrichtung als ein „Unternehmen“ bezeichnen. Der Beigeladene zu 1 sei nicht Teil dieses Unternehmens gewesen. Weder der Kläger noch der Beigeladene zu 1 hätten Patienten „ausgewählt“. Geflüchtete seien nicht zugewiesen worden, sie hätten sich vielmehr der Untersuchung gestellt. Ihre Einwilligung sei maßgeblich gewesen. Dass der Beigeladene zu 1 die von dem Kläger zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten genutzt habe, sei vorliegend nicht relevant. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu den Honorarärzten beträfen Sachverhalte, die mit dem hiesigen nicht zu vergleichen seien. Das Bayerische Landessozialgericht habe zudem mit Entscheidung vom 12.11.2020 den Status einer Notärztin als selbstständig eingestuft. Auch die immer wieder betone „Organisationsstruktur“, die seitens des Klägers etabliert worden sei, rechtfertige die Einstufung als Beschäftigung nicht. Das Gesetz differenziere eindeutig zwischen der Organisation der Erstaufnahmeeinrichtung einerseits und der medizinischen Versorgung bzw. Betreuung der Flüchtlinge andererseits. Dies sei auch in der Sache geboten - so wie es das Bundessozialgericht in Bezug auf die Familienhelfer entschieden habe (Urteil vom 31.03.2017, B 12 R 7/15 R).

Mit Schreiben vom 10.05.2022 hat der Kläger darüber hinaus auf den Wortlaut der Vereinbarungen bzw. Verträge verwiesen, welcher den übereinstimmenden Willen der Vertragsunterzeichner hinsichtlich einer selbstständigen Tätigkeit deutlich mache. Hauptmerkmal einer anhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV sei zunächst allein die persönliche Abhängigkeit, wie das Bundessozialgericht grundlegend mit Urteil vom 29.03.1962 (3 RK 74/57) entschieden habe. Aus § 1 der Vereinbarungen ergebe sich keine Weisungsabhängigkeit. Es sei unzutreffend, dass vorgegebene Befunde zu erheben gewesen seien. Vielmehr habe der Beigeladene zu 1 die freie Wahl gehabt, in welchem Bereich er tätig sein wolle. Bei der ambulanten Versorgung Geflüchteter seien jedenfalls keine zu erhebenden Befunde vorgegeben worden. Diese gelte gleichermaßen für die Erstuntersuchungen. Röntgenuntersuchungen seien gemäß § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 14.02.2016 (zutreffend § 2 Abs. 2) ohnehin ausgenommen gewesen. Die Befundung von Erstuntersuchungen habe hingegen lediglich einen von zwei Tätigkeitsbereichen des Beigeladenen zu 1 dargestellt. Nur insoweit habe es eine gewisse Eingrenzung der zu erhebenden Befunde gegeben. Von umfassenden Vorgaben könne nicht gesprochen werden. Rahmenvorgaben hätten sich nicht durch innerdienstliche Einzelanordnungen des Klägers, sondern durch generell-abstrakte Normen ergeben. Dies stehe einer Selbstständigkeit nicht entgegen. Entgegen der Ausführungen im angegriffenen Urteil habe der Beigeladene zu 1 durchaus originär medizinische Behandlungen vorgenommen (Anamnese und Diagnostik akut beklagter Erkrankungen, Rezeptur von Medikamenten). Die HEAE habe die Patienten nicht im Sinne eines gezielten Auswahlprozesses zugewiesen. Der Beigeladene zu 1 hätte vielmehr jederzeit und ohne drohende Konsequenzen die Untersuchung einzelner Patienten ablehnen können. Ebenso sei er gänzlich frei in der Auswahl der Erstuntersuchungsbefunde gewesen. Er habe sich aus einem Stapel der an diesem Tag zu bearbeitenden Fälle komplett selbstständig diejenigen Patienten heraussuchen können, deren Befunde er habe auswerten wollen. Die Vorgabe des Arbeitsortes entspringe den mit der Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Erstuntersuchungen hätten auch in den diversen Arztpraxen der niedergelassenen Ärzte stattfinden können. Dass sie in der HEAE durchgeführt worden seien, sei lediglich als Service der selbstständigen Ärztinnen und Ärzte für die Geflüchteten zu verstehen. Der Beigeladene zu 1 habe keinen Weisungen unterlegen. Soweit das Sozialgericht ausführe, dass die Durchführung von Erstuntersuchungen und deren Auswertung ein wesentlicher Bestandteil der Arbeitsorganisation des Klägers „im medizinischen Management für Flüchtlinge“ sei, bleibe völlig unklar, was diese darstelle. Keinesfalls gehörten medizinische Dienstleistungen zu den Kernaufgaben der Erstaufnahmeeinrichtung. Diese könnten vielmehr vollständig ausgelagert werden. Das AsylbLG regele lediglich die Kostenübernahme durch die zuständigen Kostenträger. Allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmittel sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zwingend eine abhängige Beschäftigung anzunehmen. Dies gelte auch für das Fehlen größerer Investitionen in Arbeitsmaterialien bei reinen Dienstleistungen. Für anhängig beschäftigt Ärzte sei es unüblich, wiederverwendbare Schlüsselwerkzeuge wie Stethoskope selbst zu beschaffen. So sei dies aber bei dem Beigeladenen zu 1 gewesen. Im Kernbereich seiner Tätigkeit sei der Beigeladene zu 1 nicht auf die Infrastruktur der HEAE angewiesen gewesen. Auch sei er bei der Durchführung der Erstuntersuchungen und deren Auswertungen nicht in einem arbeitsteiligen Prozess - mit anderen Ärzten - eingebunden gewesen. Das Letztentscheidungsrecht der angestellten Ärzte habe sich allein auf Kostenübernahmen weitergehender Behandlungen bezogen, die mit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 nichts mehr zu tun gehabt hätten. Der Beigeladene zu 1 hätte seine Tätigkeit ebenso in eigenen Praxisräumen ausführen können. Einen verbindlichen Dienstplan habe es nicht gegeben. Der erstellte Übersichtsplan der HEAE habe nicht einem verbindlichen Schichtplan (wie etwa in Krankenhäusern) entsprochen. Bei Nichtwahrnehmung zugesagter Termine habe er nicht für Ersatz sorgen müssen. Die Tätigkeit des Beigeladene zu 1 sei nicht mit der Tätigkeit eines Rettungsarztes zu vergleichen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2.September 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die von dem Beigeladenen zu 1 für den Kläger ausgeübte Tätigkeit als Arzt in der Zeit vom 29. Januar 2016 bis 15. Juli 2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die vom Kläger aufgeführten Entscheidungen zu Familienhelfer und Notärzten seien in Einzelfällen ergangen und nicht auf den hiesigen Fall zu übertragen. Das Urteil des Bayerischen Landessozialgericht vom 12.11.2020 sei aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung überholt. 

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. 

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 02.09.2021 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für den Kläger in der Zeit vom 29.01.2016 bis 15.07.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgte und Versicherungspflicht in der Kranken- Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen. Zutreffend hat das Sozialgericht aufgrund der hiernach zu beachtenden Maßstäbe eine abhängige Tätigkeit festgestellt. 

Ergänzend wird ausgeführt, dass die Durchführung von Erstuntersuchungen bzw. der Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden grundsätzlich sowohl im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit als auch einer abhängigen Beschäftigung erfolgen können. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 ist vorliegend allerdings von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

Aufgrund der umfangreichen Ausführungen des Klägers zu rechtlichen Rahmenbedingungen zum Umgang mit Flüchtlingen und der Untersuchungspflicht stellt der Senat fest, dass es für die rechtliche Einordnung der streitigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 nicht ausschlaggebend ist, aufgrund welcher rechtlichen Vorgaben der Kläger den Beigeladenen zu 1 mit medizinischen Dienstleistungen im Rahmen der Erstuntersuchung und der Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden beauftragt hat. Ebenso wenig kommt es auf die (politische) Dimension des Zustroms von Flüchtlingen im maßgeblichen Zeitraum an. Maßgeblich ist nicht das „Warum“ der Beauftragung, sondern das „Wie“ der Beauftragung und der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit. Hierbei ist - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - von besonderer Bedeutung, ob der Beschäftigte in den fremden Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht unterliegt. Der Wille der Vertragsparteien ist dabei nachrangig. 

Hinsichtlich des Weisungsrechts hat der Bundessozialgericht wiederholt festgestellt, dass insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (so genannten Diensten höherer Art) das Weisungsrecht auf das Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (zuletzt Urteil vom 19.10.2021, B 12 KR 29/19 R, juris, Rn. 20 ff mwN). 
Zudem gilt, dass für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts maßgebend sind. „Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit besteht vielmehr dann, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit "ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil der Auftrag- oder Arbeitgeber nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. So ist in der Regel auch die strikte Weisungsunterworfenheit klassischer "Fabrikarbeiter" der Eigenart ihrer Tätigkeit geschuldet. Gerade dies begründet aber ihre Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht infrage“ (BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 KR 29/19 R, m.w.N.). 

Zutreffend hat das Sozialgericht die Eingliederung des Beigeladenen zu 1 in den Dienstbetrieb des Klägers, mit dem dieser u.a. die Erstuntersuchungen und die Beurteilung der Erstuntersuchungsbefunde organisierte und durchführte, festgestellt. Dieser Eingliederung findet ihre Entsprechung am vereinbarten Vergütungsmodell. Denn der Kläger bezahlte den Beigeladenen zu 1 für die von ihm geleisteten Dienste. Eine unmittelbare Abrechnung zwischen dem Beigeladenen zu 1 und den Flüchtlingen oder aber Krankenkassen oder anderen Kostenträgern fand nicht statt. 
Darüber hinaus bestehen - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - keine Anhaltspunkte, die mit einem derartigen Gewicht für Selbstständigkeit sprechen, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1 auch nur annähernd auf- oder überwiegen können. Insbesondere war der Beigeladene zu 1 keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Er erhielt einen festen Lohn für geleistete Einsatzstunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Für ihn bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen zu 1, vom Kläger keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 KR 29/19 R, mwN). 

Die vom Kläger zitierte Entscheidung zu Familienhelfer ist vorliegend nicht einschlägig, da die Tätigkeit eines Familienhelfers in keiner Weise mit der eines Arztes in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu vergleichen ist.

Ob zwischen den Flüchtlingen und dem Beigeladenen zu 1 – wie vom Kläger vorgetragen - Behandlungsverträge gemäß § 630a BGB zustande gekommen sind, erscheint bereits fraglich (vgl. Rehborn/Gescher in: Ermann, § 630a BGB, Rn 7 zur Tätigkeit z.B. des Amtsarztes und des Impfarztes mit Verweis auf BGHZ 63,265 und BGH NJW 1990, 2311). Jedenfalls aber ist dies für die hier streitige Statusentscheidung nicht Ausschlag gebend, da das Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen 1 sowie die insoweit erbrachte Tätigkeit zu beurteilen war.  

Für die Beurteilung als abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 in der HEAE spricht zudem die gesetzliche Regelung zu Ärztinnen und Ärzten in einem Impfzentrum. Für diese wurde in § 130 SGB IV (eingef. durch Gesetz vom 24.02.2021 BGBl I, 274. Eine vergleichbare Regelung für die in Corona-Testzentren tätigen Ärzte findet sich in § 131 SGB IV.) geregelt, dass ihre Einnahmen aus Tätigkeiten in einem Impfzentrum oder einem angegliederten mobilen Impfteam in der Zeit vom 15.12.2020 bis 30.05.2022 nicht der Beitragspflicht unterliegen. Die entsprechenden Tätigkeiten sind demnach auch nicht versicherungspflichtig. Dem liegt die gesetzgeberische Einschätzung zugrunde, dass die entsprechenden Einnahmen grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegen, viele der Ärzte aber entweder selbstständig im Rahmen einer Praxis tätig sind, einem berufsständischen Versorgungswerk angehören und/oder bereits pensioniert sind und daher nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallen (s. BT-Drs. 19/26249, S. 92; BR-Drs 83/1/21, S. 4; Dankelmann in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 130 SGB IV; Knospe in Hauck/Noftz SGB IV, § 130). Hiermit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass die Tätigkeit von Ärzten in Impf- oder Testzentren nicht als selbstständige Tätigkeit zu betrachten ist. Deren Tätigkeit ist aber in gewisser Weise durchaus vergleichbar mit der vorliegenden streitigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (s. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 13. Aufl., § 197a Rn. 28 f. m.w.N.).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Klärung der Rechtsfragen ist für eine unbestimmte Anzahl ähnlicher Fälle relevant.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist der Streitwert auf 5.000,00 € festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).
 

Rechtskraft
Aus
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