L 9 SO 769/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 62 SO 199/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 769/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 30/21 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.11.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Kläger begehren von der Beklagten die Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung.

 

Die 1936 und 1941 geborenen Kläger beziehen von der Beklagten laufende Leitungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Sie bewohnten zunächst eine Wohnung an der Anschrift U-Straße 11 in B. Dieses Mietverhältnis wurde von den Vermietern mit Schreiben vom 02.07.2015 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Mit Bescheid vom 28.09.2016 bewilligte die Beklagte die Leistungen für den Zeitraum Oktober 2016 bis September 2017. Die Kläger legten gegen den Bescheid mit Schreiben vom 03.10.2016 Widerspruch ein. Dieser wurde vom Hochsauerlandkreis mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2016 zurückgewiesen. Die Kläger erhoben daraufhin eine Klage bei dem Sozialgericht Dortmund (ursprüngliches Aktenzeichen S 62 SO 5/17, nach Wiederaufnahme S 90 SO 36/19 WA), die noch anhängig ist.

 

Die Kläger schlossen am 07.11.2016 einen neuen Mietvertrag über eine Wohnung in der L-Straße 10 in B ab. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2017. Die Kaltmiete betrug 400 € und die Zahlung für kalte Nebenkosten 70 €. Die Kläger teilten der Beklagten mit Schreiben vom 25.11.2016 mit, sie hätten eine neue Wohnung angemietet und würden im Januar 2017 umziehen. Gleichzeitig beantragten sie die Übernahme der Umzugskosten und der Kosten für neue Einrichtungsgegenstände und Haushaltsgeräte iHv 3.000 €.

 

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.12.2016 ab. Die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung könne nicht erteilt werden, da die Unterkunftskosten nicht angemessen seien. Weitere Kosten, die in Zusammenhang mit dem Umzug stünden, könnten daher ebenfalls nicht übernommen werden.

 

Der Hochsauerlandkreis wies den am 05.12.2016 eingelegten Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2017 zurück. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der neuen Wohnung, da diese nicht angemessen seien. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich in der Wohnung ein Büro befinde, denn ein solches sei sozialhilferechtlich nicht angemessen. Die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnungen sei nicht erteilt worden und die Kläger hätten auch nicht nachgewiesen, dass es nicht möglich gewesen sei, eine günstigere Wohnung zu finden.

 

Die Kläger haben am 29.03.2017 Klage erhoben. Die Kosten für die neue Wohnung seien angemessen und daher zu übernehmen.

 

Die Kläger haben sinngemäß beantragt,

 

den Bescheid vom 01.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die tatsächlichen Unterkunftskosten der Wohnung an der Anschrift L-Straße 10 in B anzuerkennen und der Anmietung der Wohnung zuzustimmen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Zustimmung zum Umzug, da die Kosten der neuen Wohnung nicht angemessen seien.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2018 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig geworden, denn der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid nicht die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten abgelehnt, sondern lediglich die Zustimmung zum Umzug verweigert. Insoweit sei durch den erfolgten Umzug Erledigung eingetreten. Die Kläger könnten ihren Anspruch auf höhere Unterkunftskosten nur in dem Verfahren S 62 SO 5/17 geltend machen, in dem um die Höhe der laufenden Leistungen gestritten werde.

 

Das Urteil wurde den Klägern am 01.12.2018 zugestellt. Dagegen richtet sich die Berufung vom 17.12.2018, mit der die Kläger ihr Begehren weiterverfolgen.

 

Die Kläger beantragen sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.11.2018 zu ändern, den Bescheid vom 01.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die tatsächlichen Unterkunftskosten der Wohnung an der Anschrift L-Straße 10 in B anzuerkennen und der Anmietung der Wohnung zuzustimmen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

 

Die Kläger haben sich bereits in der Berufungsschrift vom 17.12.2018 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Sie haben dies in dem Schriftsatz vom 03.02.2021 nochmals wiederholt. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 02.09.2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Der Senat hat die Kläger mit Verfügung vom 21.09.2020 darauf hingewiesen, dass ab dem 10.09.2020 ein neuer Berichterstatter (RiLSG T) für das Verfahren zuständig ist, der im Jahr 2014 bereits als Richter des SG Dortmund über eine Klage der Kläger entschieden hat. Die Kläger haben daraufhin mit Schriftsatz vom 03.10.2020 erklärt, mit einem Antrag auf Ablehnung des gesamten Spruchkörpers sei dem Bemühen und Begehren nach einer endlichen korrekten und gerechten Entscheidung nicht gedient.

 

Der Senat hat den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens mit Beschluss vom 27.01.2021 abgelehnt. Die Kläger haben dagegen am 19.02.2021 eine Anhörungsrüge erhoben, die der Senat mit Beschluss vom 05.05.2021 als unzulässig verworfen hat. Daraufhin haben die Kläger am 20.05.2021 eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. In einem weiteren Schreiben an den Präsidenten des LSG vom 02.08.2021 haben sie RiLSG T als befangen abgelehnt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

 

II. Der Senat konnte in der geschäftsplanmäßigen Besetzung über die Berufung entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zu verstoßen. Das in dem Schreiben an den Präsidenten des LSG vom 02.08.2021 enthaltene Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Berichterstatter des Senates ist unzulässig. Es hindert den Senat daher nicht, unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden (BVerfG Beschluss vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06; BSG Beschlüsse vom 19.10.2018 - B 8 SO 54/17 BH und vom 19.01.2018 - B 11 AL 13/09 C; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 06.12.2018 – L 7 AS 2151/17).

 

Gemäß § 60 Abs. 1 SGG, § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch unverzüglich anzubringen. Die seit dem 01.01.2020 geltende Regelung ist auch in laufenden Verfahren anzuwenden (vgl. BT-Drs. 19/13828, S. 24). Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs (OLG Hamburg Beschluss vom 25.02.2020 – 12 UF 27/19; Vollkommer in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020 § 44 Rn. 11a).

 

Die Kläger haben ihr Ablehnungsgesuch nicht unverzüglich im Sinne der Vorschrift angebracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ablehnungsgesuche unverzüglich, das heißt ohne prozesswidriges Verzögern nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden. Weiter soll die Vorschrift die Regelung in § 43 ZPO, welche einen Verlust des Ablehnungsrechts bei einer rügelosen Einlassung vorsieht, ergänzen und verhindern, dass Ablehnungsanträge von einer Partei aus taktischen Gründen zur Verfahrensverzögerung erst dann gestellt werden, wenn sich im Verlauf des Verfahrens eine für sie ungünstige Verhandlungsposition ergibt. So liegt der Fall hier, denn die Kläger wussten bereits aufgrund der Verfügung vom 21.09.2020, dass ab dem 10.09.2020 ein neuer Berichterstatter für das Verfahren zuständig ist. Da sie ihren Ablehnungsantrag ausschließlich mit der Zuständigkeit dieses Berichterstatters begründen, hätten sie diesen unverzüglich nach Erhalt der Verfügung stellen müssen. Dies ist nicht erfolgt, vielmehr haben sie darauf ausdrücklich verzichtet. Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob der Verzicht auf die Geltendmachung des (vermeintlichen) Ablehnungsgrundes auch allein zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs führt (hierzu OVG Berlin Brandenburg Beschluss vom 24.06.2020 – OVG 4 N 14/20).

 

III. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zurecht abgewiesen, denn sie ist unzulässig.

 

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 01.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2017, mit dem die Beklagte die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung an der Anschrift L-Straße 10 in B verweigert hat. Der Bescheid trifft keine Regelung zur Angemessenheit der Unterkunftskosten, sondern es handelt sich bei den diesbezüglichen Ausführungen lediglich um eine Begründung der Ablehnung der Zustimmung. Eine Regelung zu den monatlich zustehenden Unterkunftskosten erfolgt in den jeweiligen Bewilligungsbescheiden. Soweit die Kläger im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten geltend machen wollen, ist die Klage daher unzulässig, weil dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

 

Nicht Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Übernahme von Umzugskosten und weiterer Kosten, die mit dem Umzug in Zusammenhang stehen. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte in dem Bescheid vom 01.12.2016 auch hierzu eine Regelung iSv 31 SGB X getroffen hat, denn die Kläger machen einen solchen Anspruch im vorliegenden Verfahren nicht geltend.

 

Im Hinblick auf die begehrte Zustimmung zum Umzug ist die Klage unzulässig geworden, nachdem die Kläger in die neue Wohnung gezogen sind. Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis, das eine allgemeine Prozessvoraussetzung ist, weil niemand die Gerichte grundlos in Anspruch nehmen darf. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht nicht mehr, wenn die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht erreicht werden kann (vgl. BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R). Das Rechtsschutzbedürfnis auf Erteilung einer gesonderten Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung für die Übernahme angemessener Unterkunftskosten wegen grundsätzlicher Erforderlichkeit eines Umzuges entfällt, wenn aufgrund eines zwischenzeitlich vollzogenen Wohnungswechsels nunmehr in einem anderen Verfahren wegen der Höhe der Unterkunftskosten über den Gegenstand einer möglichen Zusicherung selbst zu befinden ist (vgl. BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R). Ein Bescheid, mit dem die Erteilung einer Zusicherung abgelehnt worden ist, erledigt sich in diesem Fall auf andere Weise gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 189). So liegt der Fall auch hier, denn die Kläger sind bereits in die neue Wohnung umgezogen. Hinsichtlich der Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten haben Sie ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund anhängig gemacht.

 

Auch ein etwa in Betracht zu ziehender Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG wäre nicht zulässig. Es fehlt an dem berechtigten Interesse an dieser Feststellung, denn die Kläger können sich gegen die Bewilligungsbescheide wenden, mit denen die Unterkunftskosten festgesetzt worden sind, und das haben sie auch getan. Dann besteht kein Interesse an einer gesonderten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides, mit dem die begehrte Zusicherung abgelehnt worden ist (vgl. LSG Hamburg Urteil vom 23.02.2017 – L 4 AS 14/15; Krauß in Hauck/Noftz, SGB, 10/12, § 22 SGB II, Rn. 253).

 

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. V. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben. 

 

Rechtskraft
Aus
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