L 21 AS 1978/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 683/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 1978/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.9.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 9.3.2020 und den Widerspruchsbescheid vom 29.6.2020 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

 

Der 1957 geborene Kläger bewohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau eine 46,5 qm große 2-Zimmer-Wohnung in der F-Straße 1 in L. Für diese Wohnung waren in 2019 eine Grundmiete i.H.v. 216 € und eine Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 115 € zu zahlen. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte über Strom (dezentrale Warmwassererzeugung), die Beheizung über einen Mix aus Strom und Gas. Angemietet hat der Kläger zusätzlich Räumlichkeiten von 60 qm im Haus H-Straße 66 in L (Mietvertrag für gewerbliche Räume mit Mietbeginn am 15.8.1992), wobei Näheres zu den diesbezüglichen Kosten und der Art und Intensität der Nutzung nicht bekannt ist. Im Weiterbewilligungsantrag vom 17.8.2018 für die Zeit ab 1.10.2018 gab der Kläger neben der Grundmiete Heizkosten in Höhe von 200 € monatlich und „weitere Wohnkosten“ i.H.v. ebenfalls 200 € monatlich an. Seine Ehefrau erziele ein monatliches Einkommen i.H.v. 200 € (brutto wie netto).

 

Mit Bescheid vom 18.9.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger sowie seiner in Bedarfsgemeinschaft (BG) lebender Ehefrau für die Zeit vom 1.10.2018 bis 30.9.2019 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.001,20 € monatlich. Anerkannt wurden hierbei auf Bedarfsseite neben den Regelbedarfen ein Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung und Kosten der Unterkunft i.H.v. 316 €, wobei der Beklagte hier noch ausgehend von der Mietbescheinigung vom 12.6.2017 Nebenkosten i.H.v. lediglich 100 € ansetzte. Die Vorläufigkeit wurde mit dem noch nicht endgültig feststehenden anzurechnenden Einkommen begründet. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

 

Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2018 bewilligte der Beklagte der BG für die Zeit vom 1.1.2019 bis 30.9.2019 – weiterhin vorläufig - Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.017,58 € monatlich. Ab 1.1.2019 seien die Leistungen wegen der Neufestsetzung der Regelbedarfe neu zu berechnen. Der Bewilligungsbescheid vom 18.9.2018 werde insoweit aufgehoben.

 

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 18.12.2018 Widerspruch ein. Der Bescheid sei fehlerhaft. Es würden nicht alle gesetzlich zustehenden Leistungen in vollem Umfang gewährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.1.2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis 30.9.2019 sei die vorangegangene Leistungsbewilligung wegen der Erhöhung der Regelbedarfssätze angepasst worden. Die Entscheidung sei geprüft worden. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt worden noch aus den Unterlagen ersichtlich. Insbesondere seien auch trotz Aufforderung zur Mitwirkung keine Nachweise zu ggf. geänderten Kosten für Unterkunft und Heizung eingereicht worden, so dass die Leistungen korrekt seien.

 

Hiergegen hat der Kläger am 15.2.2019 Klage bei dem SG Köln erhoben. Er habe dem Beklagten alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen zu Wohn- und Heizkosten vorgelegt. Kostennachweise für das Jahr 2019 könne er erst ab 2020 beibringen. Es gehe ihm auch nicht nur um das Jahr 2019, sondern auch um den Zeitraum vor 2019.

 

Nach Mitwirkungsaufforderung des Beklagten vom 4.4.2019 hat der Kläger (teils geschwärzte) Kontoauszüge seines Kontos ab 1.11.2018 bis 1.4.2019 bei der Postbank und die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2017 für die Wohnung F-Straße 1 vorgelegt. Hiernach hat sich die Nebenkostenvorauszahlung ab Januar  2019 von 100 € auf 115 € erhöht und es sind 88 € als Nachzahlung gefordert worden. Mit Änderungsbescheid vom 8.4.2019 hat der Beklagte – weiterhin vorläufig – für Januar bis September 2019 höhere Leistungen zuerkannt und dabei die anerkannten laufenden Nebenkosten auf 115 € erhöht und für April 2019 zusätzliche Betriebskosten i.H.v. 263,03 € (Nachzahlung aus Betriebskostenabrechnung für 2017) anerkannt. Gegen diesen Bescheid (und einen weiteren Bescheid gleichen Datums) hat der Kläger am 18.4.2019 Widerspruch eingelegt.

 

Nach Vorlage der Jahresabrechnungen der S AG für Strom und Erdgas vom 16.4.2019 (Strom: 11.4.2018 bis 1.4.2019) und 10.4.2019 (Erdgas: 28.3.2018 bis 2.4.2018) bezogen auf die F-Straße 1 erließ der Beklagte drei Bescheide vom 15.5.2019. Dabei handelt es sich zum einen um einen Änderungsbescheid, der die bisher für 2019 erfolgten vorläufigen Bewilligungen ab Mai 2019 änderte und der BG – weiterhin vorläufig – für Mai 2019 einmalig Heizkosten von 264,42 € (auf der Grundlage der Jahresabrechnung für die Vergangenheit) gewährte und laufend ab Mai bis September 2019 Heizkosten i.H.v. 43,54 € monatlich. Vom laufend zu zahlenden Abschlag an den Versorger hat der Beklagte hierbei den Mehrbedarf für Warmwasser und den in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Haushaltsenergie abgezogen. Mit dem weiteren Bescheid vom 15.5.2019 genehmigte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 18.4.2019 (wohl der Widerspruch gegen den / die Bescheide vom 8.4.2019) auf Übernahme weiterer Heizkosten teilweise i.H.v. 264,42 € und verwies auf den Änderungsbescheid vom gleichen Tag. Darüber hinaus hob der Beklagte ausweislich des dritten Bescheides vom 15.5.2019 „den Bescheid vom 8.4.2019“ auf. Nach Vorlage der Nachweise von Propangas und Öl seien die Kosten, soweit angemessen, berücksichtigt worden. Alle Bescheide vom 15.5.2019 enthielten als Rechtsbehelfsbelehrung die Widerspruchsmöglichkeit.

 

Nach Vorlage einer Rechnung über 20,96 € für den Kauf einer Propangasflasche im Januar 2019 hat der Beklagte zudem mit weiterem (vorläufigem) Änderungsbescheid vom 17.5.2019 für Januar 2019 einen weiteren Bedarf an Heizkosten in Höhe von 20,96 €.

 

Der Kläger hat gegen die drei Bescheide vom 15.5.2019 und den Bescheid vom 17.5.2019 Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.9.2019 hat der Beklagte die Widersprüche gegen die beiden Änderungsbescheide vom 15.5.2019 und 17.5.2019 sowie gegen den Abhilfebescheid vom 15.5.2019 als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Kläger Klage bei dem SG Köln erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 37 AS 4270/19 (jetzt: LSG NRW L 21 AS 1229/20) geführt worden ist. Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 17.9.2019 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15.5.2019, mit dem weitere Heizkosten genehmigt worden sind, als unbegründet zurückgewiesen.

 

Am 19.9.2019 hat bei dem SG Köln ein Verhandlungstermin stattgefunden.

 

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

 

den Bescheid vom 24.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.1.2019, geändert durch Änderungsbescheide vom 8.4.2019, 15.5.2019 und 17.5.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, höhere Leistungen nach dem SGB II ab dem Beginn des Leistungsbezugs zu gewähren.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er hat auf die erlassenen Änderungsbescheide verwiesen.

 

Mit Urteil vom 19.9.2019, dem Kläger zugestellt am 29.10.2019, hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger höhere Leistungen auch für Zeiträume vor dem 1.1.2019 begehre, sei die Klage unzulässig, da er sich ausweislich der Klageschrift ausdrücklich gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.1.2019 gewandt habe. Dass er sich auch gegen frühere Bescheide habe wenden wollen, sei nicht erkennbar. Die Leistungen für frühere Zeiträume seien zudem auch Gegenstand zahlreicher weiterer Verfahren.

 

Der Beklagte habe für den streitgegenständlichen Zeitraum zu Recht einen Regelbedarf von 382 € und einen Mehrbedarf für Warmwasseraufbereitung von 8,79 € für den Kläger zu Grunde gelegt. Auch die Kosten der Unterkunft seien mit einer Grundmiete von 216 € monatlich und Nebenkosten von 115 € zutreffend angesetzt worden. Dahinstehen könne, ob der Beklagte zu Recht den Bedarf der BG im Monat April 2019 angesichts der im April vorgelegten Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 2.11.2018 (mit Fälligkeit einer Nachzahlung im November 2018) um einen weiteren Betrag i.H.v. 263,06 € erhöht habe, da es sich dabei um eine den Kläger lediglich begünstigende Regelung handele. Eine Beschwer sei insoweit nicht festzustellen. Hinsichtlich der Heizkosten sei auf Bedarfsseite für die BG und den Monat Januar allenfalls der Betrag von 20,96 € (Propangasflasche) anzuerkennen. Dass diese Kosten tatsächlich zur Beheizung der Wohnung in der F-Straße angefallen seien, lasse die Kammer angesichts der Anerkennung durch den Beklagten und der daher fehlenden Beschwer offen. Weitergehende Heizkosten seien lediglich in dem vom Beklagten anerkannten Umfang ab Mai 2019 von monatlich 43,54 € anzuerkennen, wobei zu Recht die in der Regelleistung enthaltenen Anteile für Haushaltsenergie und die Bedarfe für die Warmwasseraufbereitung abgezogen worden seien. Für die Einzelheiten der zutreffenden Berechnung werde auf den Änderungsbescheid vom 15.5.2019 Bezug genommen. Anzuerkennen gewesen seien darüber hinaus die Heizkosten resultierend aus den Jahresabrechnungen des Energieversorgers mit Fälligkeit im Mai 2019. Ob insoweit lediglich ein Bedarf in Höhe der Nachzahlungsforderung von 145,41 € anzuerkennen gewesen sei oder die höheren Gesamtkosten, könne offen bleiben, da der Beklagte im Bescheid vom 15.5.2019 auf die höheren Gesamtkosten abgestellt und daher die für den Kläger günstigere Betrachtungsweise umgesetzt habe, indem er 264,42 € im Monat Mai 2019 als weiteren Bedarf für Heizkosten gewährt habe. Auch insoweit sei zu Recht ein Anteil für Haushaltsenergie und der Warmwassermehrbedarf in Abzug gebracht worden. Ein weitergehender Bedarf sei nicht nachgewiesen. Soweit sich aus den Kontoauszügen ergebe, dass möglicherweise monatlich (weitere) 13 € für einen Gasversorgungsvertrag gezahlt werden, sei nicht feststellbar, ob diese Kosten im Zusammenhang mit der Beheizung der Wohnung F-Straße 1 anfielen. Ein entsprechender Abschlagsplan sei nicht vorgelegt worden. Auch die geltend gemachten „sonstigen Wohnkosten“ seien nicht anzuerkennen. Insoweit werde auf das Urteil der Kammer in dem Verfahren S 25 AS 2516/14 und des LSG NRW zu L 19 AS 698/16 Bezug genommen. Den monatlichen Bedarfen stehe auf Einkommensseite lediglich das Einkommen der Ehefrau des Klägers i.H.v. 200 € gegenüber, das der Beklagte unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II zu Recht i.H.v. 80 € - also beim Kläger i.H.v. 40 € -, in Ansatz gebracht habe.

 

Der Kläger hat am 27.11.2019 Berufung eingelegt, die er nicht weiter begründet hat.

 

Mit Bescheid vom 9.3.2020 hat der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 1.10.2018 bis 30.9.2019 abschließend bewilligt. Änderungen in der Leistungshöhe haben sich im Vergleich zu den zuletzt vorläufig bewilligten Leistungen nicht ergeben. Gegen die abschließende Bewilligung hat der Kläger am 7.4.2020 Widerspruch eingelegt, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.6.2020 als unzulässig verworfen hat. Klage ist – soweit ersichtlich – nicht erhoben worden. Mit Schreiben vom 8.7.2020 hat der Kläger mitgeteilt, dass er auf eine komplette Akteneinsicht zu seinen Händen bestehe.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.9.2019 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 9.3.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2020 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 1.1.2019 bis 30.9.2019 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

 

Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

 

Der Senat hat den Kläger im Hinblick auf sein Akteneinsichtsgesuch mit Schreiben vom 21.7.2020 darauf hingewiesen, dass eine Übersendung von Akten an Privatpersonen ausgeschlossen sei, Akteneinsicht aber weiterhin nach Terminvereinbarung bei der Geschäftsstelle des 21. Senats genommen werden könne. Mit Schreiben vom 8.10.2020 hat der Kläger mitgeteilt, dass er weiterhin Akteneinsicht begehre, aber eine Einsichtnahme im LSG nicht nur wegen der aktuellen Corona-Pandemie keine Option sei. Mit Schreiben vom 25.11.2020 hat das Gericht mitgeteilt, dass die Akten des Beklagten aktualisiert und vervollständigt worden seien und nunmehr wieder vorlägen. Akteneinsicht könne genommen werden. Nach Terminierung auf den 1.10.2021 hat der Kläger um Verschiebung des Termins gebeten. Er habe keine Akteneinsicht erhalten, wegen Corona wisse er nicht, ob überhaupt eine Nutzung von Bus und Bahn möglich sei. Zudem sei ihm ausdrücklich die Übernahme von Reisekosten versagt worden. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, dass eine Entsendung eines Sitzungsvertreters nicht möglich sei, ist der Verhandlungstermin aufgehoben worden. Mit Schreiben vom 28.9.2021 hat das Gericht erneut auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in den Räumen des LSG hingewiesen. Mit einem weiteren gerichtlichen Schreiben vom 6.4.2022 ist dem Kläger angeboten worden, Akteneinsicht in den Räumen des SG Köln zu nehmen. Er ist gebeten worden, bis zum 30.4.2022 mitzuteilen, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle. Eine Reaktion ist nicht erfolgt.

 

Mit Schreiben vom 12.9.2022, eingegangen am 13.9.2022, hat der Kläger in diesem und sechs weiteren Verfahren um Aufhebung des Verhandlungstermins mit der Begründung gebeten, er bestehe auf Akteneinsicht zu seinen Händen und nicht in Räumlichkeiten der Justiz. Ihm eine Fahrtkostenerstattung anzubieten, damit er sich u.U. rechtliches Gehör verschaffen könne, sei offensichtlich zu kostenintensiv. Er bitte um Übersendung der Verfahrensakten, gerne auch digital auf einem gesicherten und verschlüsselten Datenträger. Die angemessenen Kosten, z.B. für einen DVD-Rohling, übernehme er. Mit Schreiben vom 13.9.2022 hat der Vorsitzende des Senats den Antrag auf Terminsverlegung abgelehnt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

A. Der Senat konnte in der Streitsache entscheiden, obwohl für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist, denn der Kläger ist mit Postzustellungsurkunde, die am 26.8.2022 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Sein Antrag auf Terminsverlegung vom 13.9.2022 ist durch den Vorsitzenden des Senats mit Schreiben vom 13.9.2022, dem Kläger zugestellt am 14.9.2022, abgelehnt worden.

 

Dem Kläger ist auch ausreichend Gelegenheit gegeben worden, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör durch Akteneinsicht zu verwirklichen. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 SGG haben die Beteiligten das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dies nicht ausschließt. Die Beteiligten können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen (§ 120 Abs. 1 Satz 2 SGG).

 

Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen gewährt, § 120 Abs. 3 Satz 1 SGG. Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in Papierform an eine Privatperson scheidet grundsätzlich aus, es sei denn, diese ist selbst Rechtsanwalt oder zählt zu dem Personenkreis des § 120 Abs. 3 Satz 3 SGG (Wehrhahn, in: jurisPK-SGB X, § 120 (Stand: 15.6.2022) Rn. 22ff.).

 

Die Prozessakten im vorliegenden Verfahren werden bei Gericht in Papierform geführt. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Gerichtsakte als auch bezogen auf die Verwaltungsakten des Beklagten. Diese Papierakten sind Grundlage der Entscheidung des Gerichts. Dem Kläger ist die Gelegenheit zur Akteneinsicht sowohl in den Räumen des LSG NRW (Schreiben vom 21.7.2020, 24.9.2020, 25.11.2020 und 28.9.2021) als auch in den Räumen des SG Köln (Schreiben des LSG vom 6.4.2022) angeboten worden. Diese Möglichkeiten hat er nicht wahrgenommen. Eine Digitalisierung der Papierakten durch das Gericht ist nicht erfolgt, so dass auch eine Bereitstellung der Papierakten zum Abruf oder auf einem sicheren Übermittlungsweg, wie in § 120 Abs. 3 Satz 2 SGG vorgesehen, nicht möglich war. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Räume des LSG NRW oder des SG Köln nicht hat aufsuchen können, sind nicht ersichtlich.

 

Soweit der Kläger in seinem Schreiben vom 12.9.2022 darauf hingewiesen hat, dass der Senat ihm eine Fahrkostenerstattung nicht angeboten habe, ist dies zutreffend. Ein entsprechender ausdrücklicher Antrag wird in dieser Formulierung nicht gesehen. Das Gericht ist auch grundsätzlich nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, etwa durch Anordnung der Übernahme der Fahrtkosten, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann (BSG vom 13.11.2017 – B 13 R 152/17 B, Rn. 11). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann aber im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten undurchführbar ist (vgl. BSG, a.a.O.). Dafür sind vorliegend bei dem sehr prozesserfahrenen Kläger keine Anhaltspunkte ersichtlich.

 

B. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Auch die Klage gegen den Bescheid vom 9.3.2020 hat keinen Erfolg.  

 

I.  Soweit der Kläger mit der Klage für die Zeit vor dem 1.1.2019 höhere Leistungen begehrt und insoweit eine (isolierte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erhoben hat, ist diese unzulässig. Der Senat verweist hierzu auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Köln, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

II. Im Hinblick auf den Zeitraum vom 1.1.2019 bis 30.9.2019 – angefochten war alleine der Änderungsbescheid vom 24.11.2018, der eine Regelung nur ab 1.1.2019 enthielt -  haben sich mit Erlass des abschließenden Bewilligungsbescheides vom 9.3.2020 durch den Beklagten die vorläufigen Bewilligungen für den genannten Zeitraum auf andere Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt (vgl. BSG vom 11.7.2019 – B 14 AS 44/18 R, Rn. 33). Die abschließende ersetzt die vorläufige Bewilligung und wird Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens nach § 96 SGG (BSG vom 19.8.2015 – B 14 AS 13/14 R, Rn. 16; vom 5.7.2017 – B 14 AS 36/16 R, Rn. 15). Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG wird auch der Widerspruchsbescheid vom 29.6.2020, mit dem der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die abschließende Bewilligung vom 9.3.2020 als unzulässig verworfen hat. Der Senat hat über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 9.3.2020 und den Widerspruchsbescheid vom 29.6.2020 nach § 96 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG erstinstanzlich „auf Klage“ zu entscheiden (vgl. die stRspr; aus jüngerer Zeit BSG vom 23.9.2020 – B 5 RE 7/20 B, Rn. 6 m.w.N.). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für eine Überprüfung der vorläufigen Bescheide durch den Senat nach § 131 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG ist nicht ersichtlich, da die abschließende Bewilligung der vorläufigen hinsichtlich der Leistungshöhe und der zu Grunde liegenden Berechnungselemente entspricht.

 

Die insoweit statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die abschließende Bewilligung vom 9.3.2020, die den vorläufigen Bewilligungen vom 15.5.2019 und 17.5.2019 hinsichtlich der festgesetzten Leistungshöhe entspricht, ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Er hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis 30.9.2019. Auch insoweit verweist der Senat auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Köln im Hinblick auf die vorläufigen Bewilligungen, der er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Mit der Berufung sind keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht worden. Eine Berufungsbegründung, die sich inhaltlich mit der Sach- und Rechtslage, die dem Urteil zu Grunde liegt, auseinandersetzt, ist nicht erfolgt. Anhaltspunkte, die eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen erfordern oder geeignet sind, eine dem Kläger günstigere Entscheidung zu rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Der Widerspruch des Klägers gegen die abschließende Bewilligung durfte von dem Beklagten auch mit Widerspruchsbescheid vom 29.6.2020 als unzulässig verworfen werden. Denn da die abschließende Bewilligung die vorläufige nach obigen Ausführungen ersetzt hat und nach § 96 SGG Gegenstand des laufenden Verfahrens geworden ist, kann sie nicht durch einen gesonderten Widerspruch angefochten werden. Der dennoch eingelegte Widerspruch ist unstatthaft und konnte deshalb als unzulässig verworfen werden. Dies gilt auch, wenn – wie hier – der Bescheid als statthaften Rechtsbehelf den Widerspruch vorsieht. Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist zwar fehlerhaft, führt aber nicht zur Zulässigkeit des Widerspruchs.

 

Soweit der Kläger im Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 15.5.2019 vorgetragen hat, es sei nicht ausführlich und klar verständlich erläutert worden, wie und auf welcher Grundlage die Berechnung (der übernommenen Heizkosten) erfolgt sei, und er Einkunfts- und Verbrauchsstichproben für seinen konkreten Einzelfall für irrelevant und völlig bedeutungslos erachtet, wird erklärend ergänzt: 

§ 20 Abs. 1a SGB II schreibt vor, dass der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 SGB XII i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) zu ermitteln ist. Ausgangspunkt der Regelbedarfsermittlung ist die durch das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre erhobene Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Sie bildet die Einkommens- und Verbrauchssituation in Deutschland ab. Die Berechnung der Regelbedarfe anhand statistisch nachgewiesener Verbrauchsangaben (Statistikmodell) hat das BVerfG im Jahr 2014 als sachgerecht und verfassungskonform bestätigt (BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 10/12, Rn. 86ff., juris). Der so ermittelte Regelbedarf und seine Aufschlüsselung nach den regelbedarfsrelevanten Verbrauchausgaben ist in § 5, 8 RBEG niedergelegt und wird durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung jährlich angepasst. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte auch den in der Partnerregelleistung enthaltenen Stromanteil an der Haushaltsenergie bestimmt und in Abzug gebracht, um den auf die Heizung entfallende Teil der Haushaltsenergie zu ermitteln (ausführlich zur methodischen Herleitung der einzelnen Bedarfe BSG vom 12.7.2012 – B 14 AS 153/11, Rn. 20ff.).

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

 

D. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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