Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 5.04.2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Herausgabe von Originalunterlagen für die von dem Vater der Klägerin im Jahre 2000 und 2002 angemieteten Wohnungen in H sowie die Vornahme von bautechnischen Untersuchungen zur Klärung der Ursache seiner Erkrankung und die der Klägerin bzw um die Übernahme der Kosten hierfür.
Die Eltern der am 00.00.2011 geborenen Klägerin üben das Sorgerecht gemeinsam aus, leben jedoch getrennt. Die Klägerin wohnt bei der Kindesmutter. Im April 2017 stürzte die Klägerin von einer (U-3) Rutsche und erlitt Deckplattenbrüche an der Wirbelsäule. In einem von der Staatsanwaltschaft Köln in Auftrag gegebenen Gutachten vom 09.05.2018 führten Dr. S und Dr. C hierzu aus, es sei ausgesprochen ungewöhnlich, dass bei einer Sturzhöhe von ca einen Meter Verletzungen an der Wirbelsäule mit dem festgestellten Verletzungsbild aufträten. Das eingetretene Verletzungsbild könnte darauf hindeuten, dass bei der Klägerin eine Knochenstoffwechselstörung vorliege.
Der Vater der Klägerin leidet ua unter einer positiven Psoriasisarthritis, sekundäre Fibromyalgie, Allergisches Asthma bronchiale, M. Crohn Grad 1, Diabetes mell. Typ 2, Chronisches HWS/BWS/LWS-Syndrom.
Am 14.12.2018 hat der Vater der Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Köln erhobenen. Er trägt vor, er und die Klägerin litten unter eine durch Umweltgifte hervorgerufene Erbkrankheit. Hauptursache seien industrielle Toxine, welche in den in H gelegenen Häusern D-Straße 35 und N-Straße 31 existierten. Eine richtige Therapie setze die Ermittlung der Ursache des Gendefekts voraus. Weitere gutachterliche Untersuchungen seien erforderlich, um die Schwermetallbelastung und die Belastung mit Giftstoffen festzustellen. Es müsse ein Gutachten eingeholt werden, um die Ursache der Erkrankung der Klägerin aufzuklären.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin sei in L geboren und habe bei ihr nie Leistungen beantragt. Verwaltungsvorgänge seien wegen der fehlenden Zuständigkeit auch nicht vorhanden. Der Vater der Klägerin führe allerdings selbst verschiedene Verfahren gegen sie.
Das Sozialgericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 06.02.2019, zugegangen am 08.02.2019, dazu angehört, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 5.04.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine öffentlich rechtliche Streitigkeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG sei gegeben und damit der Rechtsweg zu der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Soweit seitens der Klägerin die Herausgabe von Unterlagen und noch weitere Ermittlungen gefordert würden, bestehe ein noch ausreichender Sachzusammenhang zu den von dem beklagten Sozialhilfeträger wahrzunehmenden Sachaufgaben, als dieser gerade durch angebliches Nichthandeln im Rahmen des Leistungsbezugs des Vaters gesundheitliche Beeinträchtigung sowohl bei ihm als auch der Klägerin verursacht haben solle. Es könne offenbleiben, ob die Klage zulässig sei; jedenfalls sei sie unbegründet, da die Klägerin zu keiner Zeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gewohnt habe und dort auch nicht wegen Sozialhilfeleistungen vorstellig geworden sei. Insofern fehle es an jeglichem sozialhilferechtlichen Berührungs- bzw. Bezugspunkt und bestehe denklogisch kein irgendwie gearteter Anspruch nach dem SGB XII. Darüber hinaus bestehe kein Anhalt dafür, dass die in Rede stehenden Unterlagen existieren bzw im Besitz der Beklagten seien.
Gegen das am 09.04.2019 zugestellte Urteil hat der Vater der Klägerin am 06.05.2019 Berufung eingelegt. Die Beklagte sei zuständig für den Nachweis der Ursachen für die Stoffwechselerkrankung der Klägerin, die durch Umweltgifte hervorgerufen worden sei. Er sei damals im Oktober 2000 in seinem Wohnumfeld schweren Giften ausgeliefert gewesen. Damals trat im Grundwasser eine Infektion mit Keimbefall auf, die durch zwei Mitarbeiter des Gesundheitsamtes nachgewiesen worden sei. Durch dieses Grundwasser sei es zu den genetischen Veränderungen mit den Folgeerkrankungen der Klägerin gekommen. Es sei ein großer Schaden an seinem und an dem Körper des Kindes entstanden und die Krankheiten nähmen zu. Die Sozialgerichte seien für solche Fälle nicht zuständig. Das Landessozialgericht solle die Streitsache an die zuständige Behörde und das Amtsgericht Köln verweisen.
Der Senat hat das Berufungsverfahren nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 5 SGG durch Beschluss vom 22.07.2019 auf den Berichterstatter übertragen.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 11.08.2021 hat der Senat den Vater der Klägerin gebeten, nachzuweisen, dass er das Sorgerecht über seine Tochter alleine ausübt.
Daraufhin übersandte der Vater der Klägerin unter anderem ein Anschreiben des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.05.2021 aus dem dort unter dem Az: L 13 SB 128/21 B geführten Verfahren, in dem dieses ausführte, das Sozialgericht habe die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil eine Vertretung der Tochter allein durch den Vater nicht möglich und die Klage daher unzulässig sei. Außerdem fügte der Vater der Klägerin ein Anschreiben des Sozialgerichts Köln aus dem Verfahren mit dem Az: S 5 SB 1660/20 bei, in dem dieser unter Hinweis auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.06.2021 (Az: L 13 SB 128/21 B) aufgefordert wurde, die Einleitung der Herbeiführung einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB für die Klage der Tochter bis zum 09.08.2021 anzuzeigen und zu belegen.
Der Senat hat mit gerichtlicher Verfügung vom 24.08.2021 bei der Kindesmutter angefragt, ob diese mit der Erhebung der Klage einverstanden sei. Daraufhin hat die Kindsmutter mit Schreiben vom 31.08.2021 mitgeteilt, sie sei mit der Führung des Gerichtsverfahrens vor dem LSG nicht einverstanden. Die Klägerin sei zehn Jahre alt und lebe bei ihr. Das Amtsgericht Köln habe per Gerichtsbeschluss vom 28.09.2020 einen Umgangsausschluss der Klägerin mit dem Kindsvater bis zum 31.12.2021 ausgesprochen. Die Klage gegen die Stadt H sei von ihm selbst im Namen der Klägerin und ohne deren und ihrer eigenen Kenntnis anhängig gemacht worden.
Mit weiterem Schreiben vom 02.09.2021 hat der Senat den Kindesvater gebeten, binnen fünf Wochen mitzuteilen, ob dieser mit Blick auf die Klage der Klägerin die Herbeiführung einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB beabsichtige. Hierauf hat dieser mit Schreiben vom 06.09.2021 mitgeteilt, nur er habe das Recht, die Ansprüche geltend zu machen. Es gehe nicht um die Mutter der Klägerin und auch nicht um deren Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 5 SGG durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem die Beteiligten über diese beabsichtigte Vorgehensweise angehört worden sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 21.09.2017 – B 8 SO 3/16 R) und der Senat mit Beschluss vom 22.07.2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat.
Die Berufung ist bereits unzulässig. Der Senat brauchte nicht mehr zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs. 1 SGG eröffnet war und das Verfahren, wie von der Klägerin beantragt, an das Amtsgericht zu verweisen ist, weil das Sozialgericht bereits in der Hauptsache entschieden hat, § 17a Abs. 5 GVG. Die Unzulässigkeit der Berufung ergibt sich daraus, dass die prozessunfähige Klägerin (dazu unter a) im Rechtmittelverfahren gegen die als unbegründet abgewiesene Klage des Sozialgerichts (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 71 Rn. 8d mwN) durch ihren Vater allein nicht ordnungsgemäß vertreten wird (dazu unter b).
a. Eine Vertretung der Klägerin ist erforderlich, weil diese nicht prozessfähig ist. Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozessfähigkeit natürlicher Personen knüpft an die Geschäftsfähigkeit nach § 104 ff BGB an und umfasst daher grundsätzlich nur alle Volljährigen. Nach § 2 BGB tritt die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Die zehnjährige Klägerin ist jedoch nicht volljährig, sondern lediglich beschränkt geschäftsfähig und kann sich nicht vollständig alleine durch Verträge verpflichten. Denn gem. §§ 106,108 BGB bedarf der Minderjährige, der das siebte Lebensjahr vollendet hat, zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Die Geltendmachung eines Leistungsanspruches vor Gericht ist stets nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil die Leistungsgewährung zu seinem Erlöschen führt (vgl BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R Rn. 20).
Eine Prozessfähigkeit der Klägerin ergibt sich auch nicht über die Ausnahme des § 71 Abs. 2 SGG, wonach Minderjährige in eigener Sache prozessfähig sind, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Denn die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 SGB I setzt die Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres voraus, das die Klägerin im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht erreicht hat.
b. Der Vater kann die Klägerin nicht allein im Gerichtsprozess gesetzlich vertreten.
aa. Nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgt die gesetzliche Vertretung des Kindes gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen worden ist, vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB. Keiner dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt. Die elterliche Sorge für die Klägerin wird von ihrem Vater gemeinsam mit der Kindsmutter ausgeübt. Die Kindsmutter hat der Klageerhebung durch den Vater für die Klägerin ausdrücklich mit Schreiben vom 31.08.2021 widersprochen. Daher scheitert auch eine zulässige Bevollmächtigung des einen durch den anderen Elternteil oder die nachträgliche Genehmigung des vollmachtlosen Handelns durch den Vater. Eine Alleinvertretungsbefugnis des Vaters ergibt sich auch nicht aus § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB (vgl. hierzu im ausführlich BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R Rn. 24 ff).
bb. Eine Vertretungsbefugnis des Vaters für das gerichtliche Verfahren folgt auch nicht in vermuteter Vertretung der Klägerin nach § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG. Zwar kann gemäß § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie die Bevollmächtigung unterstellt werden. Die Vorschrift ist jedoch bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie nur die gewillkürte Stellvertretung ("Bevollmächtigung") betrifft und nicht Fälle der gesetzlichen Vertretung (vgl BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R Rn. 23).
cc. Eine Vertretungsbefugnis des Vaters lässt sich auch nicht auf § 1628 Satz 1 BGB stützen. Danach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, nicht einigen können. Der Elternteil, dem die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist, vertritt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Kind allein. Auf diese Weise kann auch im laufenden (fach-)gerichtlichen Verfahren die mangels Einvernehmens der sorgeberechtigten Eltern fehlende gesetzliche Vertretung nur durch ein Elternteil - ggf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - hergestellt werden (vgl. BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R Rn. 27). Ob einem allein nicht vertretungsberechtigten Elternteil im Interesse des Prozessunfähigen die Gelegenheit gegeben werden soll, die Zulässigkeit des Rechtsmittels durch eine ausdrückliche Fristsetzung herbeizuführen, kann hier offen gelassen werden. Denn der Vater der Klägerin ist nicht von der Absicht getragen, eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen. Dies entnimmt der Senat einem Schriftsatz des Vaters auf seine ausdrückliche Anfrage vom 02.09.2021, in dem dieser mitteilt, es gehe nicht um die Mutter des Kindes oder um deren Entscheidungen. Nur er als Vater habe das Recht, den Anspruch geltend zu machen. Dieser Erklärung versteht der Senat dahingehend, dass der Vater der Klägerin ein Verfahren nach § 1628 BGB nicht durchführen will. Erklärt ein Elternteil, eine familiengerichtliche Entscheidung nicht herbeiführen zu wollen, so ist eine ausdrücklich Fristsetzung nicht mehr erforderlich (vgl. hierzu BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 Rn. 28).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.
III. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.