S 30 U 106/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 30 U 106/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 130/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 bzw. des Folgeunfalls vom 7. April 2011 über den 30. September 2010 hinaus.

Der als selbständiger Kfz-Sachverständiger tätige Kläger stieß sich am 11. November 2007 am Boden liegend eine Messerklinge in den linken Oberarm und zog sich dadurch einen ca. 3-4 cm tiefen Einstich mit Verletzung von Nerven, Sehnen und Muskeln zu. Als Diagnose stellte der Durchgangsarzt eine Läsion des Nervus ulnaris. Aus dem neurologischen Befundbericht von Herrn D. vom 5. Dezember 2007 gehen als weitere Diagnosen eine Ulnarisparese sowie eine traumatische Nervus medianus-Läsion hervor, die bei der Nachuntersuchung am 9. Januar 2008 eine deutliche Besserungstendenz aufwiesen. Allerdings beschrieb Dr. D. die ausgeprägte Ulnarisparese in seinen Befundberichten vom 28. April und 6. Juni 2008 als unverändert. Der Kläger wurde mehrfach operiert.

Am 9. September 2008 erstattete Dr. K. ein Erstes Rentengutachten und am 3. Dezember 2008 Herr D. ein neurologisches Zusatzgutachten im Auftrag der Beklagten. Basierend auf diesen Gutachten bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18. Februar 2009 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls an: Eine erhebliche Kraftminderung des linken Arms und der linken Hand mit hierdurch verminderter Gebrauchsfähigkeit des linken Arms und der linken Hand, Sensibilitätsstörungen im linken Unterarm, der linken Hand und der Finger der linken Hand nach traumatischer Durchtrennung des nervus ulnaris und hierdurch verursachter Teillähmung des Nervus ulnaris links.

Am 12. Oktober 2009 erstattete Dr. E. ein Rentengutachten zur Nachprüfung der MdE. Daraus gingen als Unfallfolgen – über die im Ersten Rentengutachten vom 9. September 2008 genannten hinaus – eine Schwellneigung der axillären Lymphknoten mit Schmerzen in die Halswirbelsäule ausstrahlend hervor. Die MdE wurde weiterhin mit 20 v.H. bewertet.

Am 5. August 2010 erstattete der Neurologe Dr. G. ein Nervenärztliches Zusatzgutachten, wonach als Unfallfolgen noch eine leicht- bis zum Teil mittelgradige sensomotorische Nervus- Ulnarisparese links bestehe, welche eine MdE von 10 v.H. bedinge. Überschneidungen mit dem chirurgischen Fachgebiet seien möglich.

Außerdem erstatteten Prof. Dr. H. und Dr. P. am 17. August 2010 ein Zweites Rentengutachten. Danach betrage die MdE auf unfallchirurgischem Gebiet 10 v.H. und die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung des neurologischen Fachgebietes ebenfalls 10 v.H.

Mit Bescheid vom 21. September 2010 entzog die Beklagte dem Kläger daraufhin die bisherige Rente mit Ablauf des Monats September 2010 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab. Als Folgen des Versicherungsfalles bestünden noch eine Kraftminderung im Bereich der linken Hand, Sensibilitätsstörungen im linken Unterarm, der linken Hand und der Finger der linken Hand nach traumatischer Durchtrennung des Nervus ulnaris mit dessen hierdurch verursachter Teillähmung. Es bestehe keine rentenberechtigende MdE. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte Beschwerden in Form von Krämpfen in der linken Hand sowie eine Schwellneigung durch Rückstau in der linken Achselhöhle mit starken Einschränkungen geltend. Aus einer vorgelegten Bescheinigung von Dres. K. und E. geht die Verordnung einer Lymphdrainage hervor. Auf Anraten des Beratungsarztes holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. H. ein, wonach diese Beschwerden im Gutachten bereits berücksichtigt seien. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2011 zurück. Die dagegen erhobene Klage (S 12 U 52/11) nahm der Kläger zurück.

Am 7. April 2011 erlitt der Kläger erneut einen Arbeitsunfall, als ihm bei der Demontage eines Kfz-Rades dieses infolge eines Krampfanfalls abrutschte und hinfiel und er sich dabei den linken Unterarm verletzte und das rechte Bein verdrehte. Der Durchgangsarzt stellte als Erstdiagnose eine Zerrung des linken Oberarms und Ellenbogens. 

Bereits am 24. Oktober 2002 war am rechten Kniegelenk des Klägers eine Arthroskopie mit Glättung des Innenmeniskushinterhorns durchgeführt und eine Schleimhautfalte entfernt worden.

Am 15. Juni 2011 wurde wegen fortbestehender Beschwerden ein MRT des rechten Kniegelenks erstellt. Es fanden sich neben degenerativen Veränderung des Kniegelenks auch eine komplexe Meniskushinterhornschädigung mit eher Fragmentation als eigentlicher Rissbildung und eine eher frische Knorpeldefektbildung im Bereich des Tibiaplateaus. Das darunterliegende Bone bruise sei als Zeichen vermehrter Belastung zu werten. 

Die Beklagte holte ein weiteres neurologisches Sachverständigengutachten bei Herrn D. vom 6. Februar 2013 ein. Danach bestehe infolge des Unfalls vom 17. November 2007 eine leichtgradige sensomotorische Nervus- ulnaris- Parese links. Der Unfall vom 7. April 2011 habe keine Verschlimmerung der neurologischen Ausfälle verursacht und es seien keine weiteren neurologischen Defizite hinzugekommen. Die neurologische MdE betrage weiterhin 10 v.H. Am 21. Mai 2013 wurde erneut ein MRT des rechten Kniegelenks erstellt.

Außerdem holte die Beklagte ein weiteres unfallchirurgisches Gutachten bei Dres. K. und E. vom 12. August 2013 ein. Danach habe der Unfall vom 7. April 2011 zu keiner Verschlimmerung der Unfallfolgen vom 17. November 2007 geführt. Es bestehe aber die Gefahr, dass das Verdrehtrauma des rechten Knies vom 7. April 2011 bei bestehender Vorschädigung zu einem frühzeitigeren Verschleiß führen könne (Arthrosebeschleunigung), als dies ohne den Unfall vom 4. April 2011 der Fall wäre. Die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der Kniegelenksbeschwerden und der neurologischen MdE betrage 15 v.H., wenn man den Unfall vom 7. April 2011 als Folge des Unfalls vom 17. November 2007 anerkenne. Es sei eher mit einer Verschlechterung des Befundes zu rechnen.

Nach Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten Dr. N. zeige das MRT vom 15. Juni 2011 eindeutig, dass die Kniegelenks-Veränderungen keine Unfallfolgen seien. Da keine begleitende Bandverletzung als Zeichen des Überschreitens der physiologischen Gelenksbeweglichkeit nachweisbar gewesen sei, seien die Meniskusveränderungen keine Unfallfolge.

Mit Bescheid vom 4. September 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab, für den Versicherungsfall vom 17. November 2007 bzw. dem Folgeunfall vom 7. April 2011 eine Rente festzustellen. Wie bisher liege wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine rentenberechtigende MdE über den 30. September 2010 hinaus nicht vor. Als Unfallfolgen wurden die bereits im Bescheid vom 21. September 2010 genannten wiederholt, wobei die Lähmung des nervus ulnaris nunmehr als leichtgradig qualifiziert wurde. Im Bereich des rechten Beines wurde eine ohne wesentliche Folge verheilte Kniedistorsion als Unfallfolge anerkannt. Nicht als Folge des Versicherungsfalles wurden die Folgen der degenerativen Veränderungen im rechten Kniegelenk anerkannt.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und legte ein von Prof. Dr. T. und PD Dr. Q. für seine private Unfallversicherung erstattetes unfallchirurgisches Gutachten vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 zurück. Die Auswertung der bei der letzten Begutachtung erhobenen Befunde zeige, dass die auf den Versicherungsfall zu beziehende Behinderung keine MdE von mindestens 20 v.H. bedinge.

Daraufhin hat der Kläger am 4. Juni 2014 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und begehrt die Gewährung einer Rente über den 30. September 2014 hinaus nach einer MdE von 20 v.H. Der zweite Unfall habe nicht nur Auswirkungen auf das rechte Knie gehabt, sondern außerdem auf das linke Kniegelenk. Beides sei bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen.

Das Gericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. F. nebst neurologischem Zusatzgutachten bei Dr. R. eingeholt. Aus dem Gutachten von Dr. R. vom 6. Oktober 2015 geht als Unfallfolge auf neurologisch- psychiatrischem Gebiet lediglich die unvollständig rückgebildete Läsion des Nervus ulnaris links durch den ersten Unfall vom 17. November 2007 hervor, die sich im Vergleich zu den Voruntersuchungen im August 2010 und Februar 2013 nicht verändert habe. Allerdings sei es im Verlauf zwischen 2008 und 2010 zu einer Besserung der Beschwerden und Konsolidierung der neurologischen Ausfälle an der linken Hand gekommen, daher sei die neurologische MdE in diesem Zeitraum von 20 v.H. auf 10 v.H. zurückgegangen. Bei dem zweiten Unfall sei es nicht zu neurologischen Störungen gekommen. Prof. Dr. F. beschreibt in seinem Gutachten vom 18. Januar 2016 im Rahmen der klinischen Untersuchung eine seitengleiche Beweglichkeit der Kniegelenke und Stabilität. Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 seien die Schnittverletzungen im Bereich des linken Oberarmes mit der daraus resultierenden Läsion des Nervus ulnaris linksseitig. Folge des Unfalls vom 7. April 2011 sei mit großer Wahrscheinlichkeit der viertgradige Knorpelschaden im Bereich des lateralen Tibiaplateaus. Hierfür sprächen die kernspintomographische Darstellung vom 15. Juni 2011 mit subchondralem Ödem und die intraoperative Dokumentation bei der Arthroskopie am 21. November 2011, wonach bei der Vorarthroskopie das laterale Kompartiment völlig unauffällig gewesen sei. Allerdings sei nicht sicher zu beurteilen, inwieweit das Unfallereignis geeignet gewesen sei, eine solche lokalisierte Verletzung hervorzurufen. Die zeitgleich sowohl kernspintomographisch als auch arthroskopisch festgestellte Ruptur bzw. Degeneration im Bereich des Innenmeniskushinterhornes sei eher als unfallunabhängig anzusehen, da sich deutliche degenerative Hinweise sowohl im MRT vom 5. Juni 2011 als auch im OP- Bericht vom 21. November 2011 gefunden hätten. Im Bereich des rechten Kniegelenks bestehe eine geringgradige Funktionsminderung, d.h. Schmerzhaftigkeit bei endgradiger Beugung, verminderter Belastungsfähigkeit mit aktuell noch Muskeldefizit funktionell und Knorpelregeneratbildung im Bereich des lateralen Tibiaplateaus strukturell. Ebenfalls die degenerativen Veränderungen im Bereich des linken Schultergelenks (AC-Gelenksarthrose und degenerative Supraspinatussehnenruptur) seien als unfallunabhängig zu werten. Die MdE hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 sei auf neurologischem und orthopädischem Fachgebiet bei inhaltlicher Überschneidung auf 10 v.H. einzuschätzen. Die MdE der auf den Folgeunfall vom 7. April 2011 entfallenden Unfallfolgen werde mit 5 v.H. eingeschätzt, da sich keine spürbare Bewegungseinschränkung und daneben auch keine wesentliche Gelenkinstabilität finde. Insgesamt betrage die MdE 15 v.H.

Nach Auffassung des Klägers sei die MdE mit 15 v.H. zu niedrig bemessen und die Verletzungsfolgen am linken Arm nur unzureichend berücksichtigt. Bei dem Arbeitsunfall am 7. April 2011 sei er mit einer Felge von der Leiter gestürzt und habe sich den linken Oberarm gezerrt (Vortrag vom 10. April 2017). Beim Sturz sei er auf das rechte, verdrehte Knie gefallen. Da die Behandlung der bei ihm bestehenden AC-Gelenksarthrose von Anfang an über die Beklagte erfolgt sei, habe diese die Arthrose als zumindest mittelbare Unfallfolge angesehen. Dies entspreche auch dem Befundbericht von Dr. K. vom 20. Januar 2015. Danach sei die AC-Gelenksarthrose durch die wegen der unfallbedingten Beeinträchtigung des linken Arms hervorgerufene Fehlbelastung des linken Schultergelenks verursacht worden. Unter Berücksichtigung der AC-Gelenksarthrose betrage die MdE mindestens 20 v.H.

In seiner ersten ergänzenden Stellungnahme führt der Sachverständige Prof. Dr. F. aus, dass aufgrund der klinischen Untersuchung am 22. Juni 2015 und der Auswertung der MRT-Aufnahmen der linken Schulter vom 4. November 2014 nicht eindeutig habe geklärt werden können, dass die vorhandenen degenerativen Veränderungen unfallabhängig aufgetreten seien. Es sei eher unwahrscheinlich, dass bei dem aufgrund des Unfalls vorhandenen Schadensbild im Bereich des linken Oberarms bei einem Rechtshänder eine derartige Überlastung entstehe, die im Zeitraum von 2007 bis 2014 zur Entstehung einer ausgeprägten Arthrose führe. Selbst wenn die degenerativen Veränderungen als mittelbare Unfallfolge anzusehen wären, hätte dies keinen Einfluss auf die MdE.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Gericht ein orthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten bei Dr. S. eingeholt (Eingang 14. Februar 2019). Diesem gegenüber gab der Kläger zum Unfall am 7. April 2011 an, ca. auf der 5. Stufe einer Leiter gestanden zu haben, um eine Alufelge aus dem Hochlager zu nehmen. Bei Übernahme des Felgengewichts habe sich seine linke Hand verkrampft und beim reflexartigen Nachfassen der Felge sei er samt Felge mit der Leiter umgestürzt. Dabei habe er über das rechte Knie abgedreht. Die Leiter sei mit umgefallen, da er mit dem Unterschenkel zwischen die Leiterstufen gekommen sei. Nach dem Gutachten bestehe bei dem Kläger als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 ein Nervus ulnaris- Teilschaden mit funktionellen Einschränkungen insbesondere im Kraftbereich und Missempfindungen sowie eine 16 cm lange Narbe und eine leichtgradige Einschränkung der Ellenbogenbeweglichkeit links. Folge des Arbeitsunfalls vom 7. April 2011 seien die drittgradige Kniearthrose rechts mit Verschmälerung des Gelenkspalts und knöchernen Anbauten im Gelenkspalt nach Innenmeniskushinterhornriss und Knorpelverletzung im Bereich des äußeren Schienbeinplateaus. Der Unfallhergang mit dem Leitersturz wie ihn der Kläger im Schriftsatz vom 10. April 2017 und in der Sturzanamnese geschildert habe, genüge, um den Meniskusriss als Folge des Arbeitsunfalls vom 7. April 2011 anzuerkennen. Die bei dem Kläger bestehende mäßige Schultereckgelenksarthrose links und chronische Ansatzreizung der kurzen Bizepssehne seien hingegen unfallunabhängig. Die im Bereich des linken Armes festgestellten Unfallfolgen bedingten eine MdE von 15 v.H. Unter Berücksichtigung des im Bereich des Kniegelenks bestehenden Vorschadens schätzt der Sachverständige die MdE im Bereich des rechten Kniegelenks mit 10 v.H. ein. Die Gesamt-MdE betrage 15 v.H. für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 11. Dezember 2018 und 25 v.H. ab dem 12. Dezember 2018, da erst am 12. Dezember 2018 der klinisch radiologische Nachweis einer manifesten Kniearthrose erfolgt sei und die Teil- MdE zuvor unter 10 v.H. betragen habe.

In seiner ergänzenden Stellungnahme führt Dr. S. zu den Einwänden der Beklagten bzgl. des Unfallzusammenhangs der Meniskusschädigung aus, dass Verletzungen der Bandstrukturen in dem zwei Monate nach dem Unfall durchgeführten MRT jedenfalls nicht mehr hätten nachgewiesen werden können, da sie zu diesem Zeitpunkt ausgeheilt gewesen seien. Durch den präzisierten Unfallmechanismus am 7. April 2011 sei das physiologische Maß der Belastbarkeit des rechten Kniegelenks deutlich überschritten worden. Dies sei belegt durch eine Kombinationsverletzung aus innerem Gelenkanteil (Innenmeniskusfragmentation) und äußerem Gelenkanteil (tiefer scharfkantiger Knorpelschaden).

Außerdem hat das Gericht eine zweite ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F. eingeholt. Dieser gab an, dass der Kläger bei der Begutachtung durch ihn seinerzeit keinen exakten Unfallhergang geäußert habe. Es sei der bestehende Vorschaden (nach arthroskopischer Voroperation) zu berücksichtigen und selbst unter Zugrundelegung der Hergangsdarstellung mit dem Leitersturz und einer massiven Stauchung mit Rotation im Bereich des lateralen Tibiaplateaus sei eine Verletzung des Innenmeniskus unwahrscheinlich. Eine Stauchung im Valgussinne würde auf der Innenseite eher zu einer Entlastung des medialen Kompartiments führen. Ein Einfluss auf die vorhandene Degeneration des Innenmeniskus und die dann daraus resultierende komplexe Fragmentation sei als eher unwahrscheinlich einzustufen. Er bleibe bei seiner MdE-Bewertung mit 15 v.H.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 zu verurteilen, ihm über den 30. September 2010 hinaus eine Rente nach einer MdE i.H.v. mindestens 25 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten sei die Kniedistorsion nicht ausreichend für die Verursachung des Knorpelschadens im Kniegelenk, zumal mannigfaltige degenerative Schädigungen im betroffenen Kniegelenk nachgewiesen seien.

Auch die Meniskusschädigung sei nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Unter Berücksichtigung der Vorschädigung des rechten Kniegelenks (Zustand nach Innenmeniskus-Voroperation und in der Folge ausgeweitete Innenmeniskushinterhorn- Fragmentierung sowie Kniegelenksarthrose) sowie der MRT-Bilder vom 15. Juni 2011 (ohne frisch abgescherten Knorpelriss und ohne Schädigungen der Bandstrukturen) und insbesondere des Umstandes, dass die erforderlichen Begleitverletzungen (insbesondere an den Bandstrukturen) fehlten, sei ein Unfallzusammenhang der Meniskusschädigung nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Auch nach längerer Zeit seien im MRT Folgen von Begleitverletzungen z.B. Vernarbungen zu erkennen. Diese Bewertung gelte selbst dann, wenn die Hergangsschilderung des Klägers mit dem Leitersturz zugrunde gelegt würde, welche jedoch nicht als erwiesen angesehen werde. Vielmehr sei von der ersten Hergangsschilderung – ohne Leitersturz – als zutreffend auszugehen. Innenmeniskushinterhornschäden, komplex mit Fragmentation wiesen zudem auf degenerative und nicht auf traumatische Schäden hin. Die MdE-Bewertung des rechten Kniegelenks mit 10 v.H. sei von Dr. S. nicht ausreichend begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvortrags im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). 

Die Klage ist in der Sache jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 4. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 bzw. des Folgeunfalls vom 7. April 2011 über den 30. September 2010 hinaus.

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Für den Versicherungsfall des Arbeitsunfalls ist nach § 8 Abs. 1 SGB VII erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und, dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dagegen ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens - die haftungsausfüllende Kausalität - nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Rente (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –).

Während Unfallereignis und Gesundheitsschaden mit dem Vollbeweis bewiesen werden müssen, genügt für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden ebenso wie für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 10. Juni 1955 - 10 RV 390/54 - und vom 14. Juli 1955 - 8 RV 177/54 -; seither ständige Rspr.) ein Ursachenzusammenhang. Für dessen Anerkennung ist zwar noch nicht die bloße Möglichkeit, aber schon eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 19. März 1986 – 9a RVi 2/84 –) ausreichend. Diese ist erreicht, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände nach der herrschenden medizinisch- wissenschaftlichen Lehrmeinung den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein so deutliches Übergewicht zukommt, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (vgl. BSG, Urteile vom 2. Juni 1959 – 2 RU 158/56 – zu § 542 RVO a.F., 2. Februar 1977 – 8 RU 66/77 – und vom 27. Oktober 1989 – 9 RV 40/88 –). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10. Juni 1955 – 10 RV 390/54 –). 

Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSG, Urteile vom 29. März 1963 – 2 RU 75/61 – und   vom 31. Oktober 1969 – 2 RU 40/67 – sowie vom 20. Januar 1977 – 8 RU 52/76 –). 

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden.

Durch die Rücknahme der Klage S 12 U 52/11 gegen den Bescheid vom 21. September 2010 ist dieser hinsichtlich der Ablehnung der Rente über den 30. September 2010 hinaus bestandskräftig geworden. 

Indem der Verfügungssatz des streitgegenständlichen Bescheides vom 4. September 2013 allerdings regelt, dass keine rentenberechtigende MdE über den 30. September 2010 hinaus besteht, enthält er einerseits eine Überprüfungsregelung gem. § 44 SGB X bzgl. des bestandskräftigen Bescheides vom 21. September 2010. Andererseits regelt er, dass der zweite Unfall vom 7. April 2011 – den die Beklagte als Folgeunfall bewertet – die Unfallfolgen des ersten Unfalls nicht verschlimmert, sondern lediglich zu einer ohne wesentliche Folge verheilten Kniedistorsion als Unfallfolge geführt hat und insgesamt weiterhin – auch in Zusammenschau mit dem ersten Unfall – keine rentenberechtigende MdE begründet.

Der bestandskräftige Bescheid vom 21. September 2010 ist hinsichtlich der Regelung, dass keine rentenberechtigende MdE über den 30. September 2010 hinaus besteht, nicht gem. § 44 SGB X aufzuheben.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde.

Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X sind vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagte ist bei Erlass des Bescheides vom 21. September 2010 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. 

Die Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 17. November 2007 wurden im Bescheid vom 21. September 2010 von der Beklagten basierend auf den Gutachten von Dr. G. sowie Prof. Dr. H. und Dr. P. zutreffend mit einer Kraftminderung im Bereich der linken Hand, Sensibilitätsstörungen im linken Unterarm, der linken Hand und der Finger der linken Hand nach traumatischer Durchtrennung des Nervus ulnaris mit dessen hierdurch verursachter Teillähmung anerkannt und mit einer MdE von 10 v.H. bewertet. 

Das Gericht folgt insoweit den genannten Gutachten im Verwaltungsverfahren, welche durch das gerichtliche Sachverständigengutachten von Dr. R. bestätigt werden. Dieser führt – unter Berücksichtigung der in der Akte dokumentierten Befunde – für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar aus, dass sich die unvollständig rückgebildete Läsion des Nervus ulnaris links durch den ersten Unfall vom 17. November 2007 im Vergleich zu den Voruntersuchungen im August 2010 und Februar 2013 nicht verändert hat, es allerdings im Verlauf zwischen 2008 und 2010 zu einer Besserung der Beschwerden und Konsolidierung der neurologischen Ausfälle an der linken Hand gekommen und daher die neurologische MdE in diesem Zeitraum von 20 v.H. auf 10 v.H. zurückgegangen ist. Diese MdE-Bewertung steht zudem im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, wonach bei einem vollständigen Ausfall des unteren Nervus ulnaris eine MdE von 20 v.H. vorgesehen ist und Teillähmungen entsprechend geringer zu bewerten sind (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Ziff. 5.8.4, S. 252).

Der zweite Unfall vom 7. April 2011 – den die Beklagte als Folgeunfall bewertet – hat die Unfallfolgen des ersten Unfalls nicht verschlimmert, und die neue Unfallfolge in Form einer Knieverletzung begründet weiterhin – auch in Zusammenschau mit dem ersten Unfall – keine rentenberechtigende MdE.

Nach dem Gutachten von Dr. R. ist es bei dem zweiten Unfall 2011 nicht zu einer Verschlimmerung bestehender oder einem Auftreten neuer neurologischer Störungen gekommen. Dies wurde auch seitens des Klägers nicht geltend gemacht. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieses Gutachtens zu zweifeln.

Ob der zweite Arbeitsunfall vom 7. April 2011 über die von der Beklagten anerkannte Kniegelenksdistorsion hinaus im weiteren Verlauf auch zur Ausbildung einer Kniegelenksarthrose geführt hat, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da sich auch unter Berücksichtigung der Arthrose als Unfallfolge keine MdE im rentenberechtigenden Umfang ergeben würde.

Während die Beklagte die stattgehabte Kniedistorsion als nicht ausreichend für die Verursachung des Knorpelschadens im Kniegelenk ansieht, zumal mannigfaltige degenerative Schädigungen im betroffenen Kniegelenk nachgewiesen sind, handelt es sich nach Auffassung der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. und Dr. S. bei der Kniegelenksarthrose um eine Unfallfolge. Dafür spricht nach den Ausführungen von Prof. Dr. F. die kernspintomographische Darstellung des Knorpelschadens vom 15. Juni 2011. Hier fand sich eine scharfrandige Defektsituation über eine Größe von ca. 10x12 mm mit abbruchgefährdeten Randpartien, zusätzlich als Zeichen einer relativ frischen Verletzung das subchondrale Ödem. Die umgebenden Knorpelstrukturen stellten sich regelrecht dar. Ein lokalisierter umschriebener scharfrandiger Knorpelschaden mit subchondralem Ödem ist nach Auffassung von Prof. Dr. F. am ehesten auf ein Unfallereignis zurückzuführen. Außerdem spricht nach seinen Ausführungen auch die intraoperative Dokumentation des Operateurs Dr. K. für einen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 7. April 2011, da der Operateur beschreibt, dass – während bei der Vor-Arthroskopie das laterale Kompartiment völlig unauffällig war – sich jetzt hier ein lokalisierter dritt- bis viertgradiger Knorpelschaden findet. Im Bereich der Defektsituation am lateralen Tibiaplateau erfolgte eine Chondroplastik bzw. Mikrofrakturierung. Lediglich inwieweit das Unfallereignis als solches dazu geeignet war, eine derartige lokalisierte Verletzung hervorzurufen, vermochte der Sachverständige Prof. Dr. F. nicht sicher zu beurteilen. Er hält es aber für prinzipiell vorstellbar, dass es bei einer akuten Beugebelastung mit Valgusstress und ggf. auch einer Rotationskomponente zu einer lokalen Belastung am lateralen Tibiaplateau kommen kann. Auch der von dem Kläger benannte Sachverständige Dr. S. sieht die drittgradige Kniearthrose rechts mit Verschmälerung des Gelenkspalts und knöchernen Anbauten im Gelenkspalt als Folge des Arbeitsunfalls vom 7. April 2011 an. 

Das Gericht hat zwar keinen Anlass an der Richtigkeit der ausführlichen, schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen zu zweifeln. Dies kann im Ergebnis jedoch dahingestellt bleiben, da der Kläger keinen Antrag auf Anerkennung der Kniegelenksarthrose als Unfallfolge gestellt hat und sich auch unter deren Berücksichtigung aufgrund der nur relativ geringen Funktionsminderung keine rentenberechtigende MdE ergeben würde (s.u.).

Darüber hinaus sind jedenfalls keine weiteren Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. April 2011 – weder die AC-Gelenksarthrose noch der Meniskusschaden – anzuerkennen und bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen.

Beide gerichtlichen Sachverständigen, Prof. Dr. F. und Dr. S. bewerten die AC-Gelenksarthrose nicht als Unfallfolge, da ein Unfallzusammenhang nach den oben dargestellten Maßstäben nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden kann. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. F. konnte aufgrund der klinischen Untersuchung am 22. Juni 2015 und der Auswertung der MRT-Aufnahmen der linken Schulter vom 4. November 2014 nicht eindeutig geklärt werden, dass die vorhandenen degenerativen Veränderungen unfallabhängig aufgetreten sind. Prof. Dr. F. hält es eher für unwahrscheinlich, dass bei dem aufgrund des Unfalls vorhandenen Schadensbild im Bereich des linken Oberarms bei einem Rechtshänder eine derartige Überlastung entsteht, die im Zeitraum von 2007 bis 2014 zur Entstehung einer ausgeprägten Arthrose führt. Selbst wenn die degenerativen Veränderungen als mittelbare Unfallfolge anzusehen wären, hätte dies nach Auffassung von Prof. Dr. F. keinen Einfluss auf die MdE. Dr. S. sieht die bei dem Kläger bestehende mäßige Schultereckgelenksarthrose links und die chronische Ansatzreizung der kurzen Bizepssehne – ohne weitere Begründung – als unfallunabhängig an. Das Gericht hat keinen Anlass an der Richtigkeit der schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. zu zweifeln, welche im Ergebnis auch von dem seitens des Klägers benannten Sachverständigen Dr. S. geteilt werden.

Ebenfalls der bei dem Kläger diagnostizierte Meniskusschaden ist nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Die Kammer vermochte sich dem Sachverständigengutachten von Dr. S. insoweit nicht anzuschließen, da dieser von einem nicht vollbeweislich gesicherten Unfallhergang als Hauptargument ausgeht.

Zunächst erscheint für die Kammer zunächst bereits die Eignung des Unfallhergangs problematisch. 

Jedenfalls der zunächst und lange Jahre von dem Kläger wiederholt angegebene Hergang, wonach ihm bei der Demontage eines Kfz-Rades dieses infolge eines Krampfanfalls abrutschte und hinfiel und er sich dabei das rechte Bein verdrehte, ist unter Zugrundelegung der in der unfallmedizinischen Literatur herausgearbeiteten Kriterien nicht zur Hervorrufung eines traumatischen Meniskusrisses geeignet. Denn nach biomechanischen Erkenntnissen sind die Menisken stets dann gefährdet, wenn das Kniegelenk komprimierenden Rotations-Scher-Belastungen unterliegt. Ein geeignetes Unfallereignis ist richtungsweisend für die Anerkennung eines Meniskusrisses als Unfallfolge (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Ziff. 8.10.5.4.2.1, Seite 655). Die als geeignete Ereignisabläufe anerkannten Unfallmechanismen, nämlich z. B. eine fluchtartige Ausweichbewegung unter Drehung des Oberkörpers bei fixiertem Fuß, ein Sturz bei fixiertem Fuß des Standbeins oder eine Schwungverletzung, z. B. in Form einer Körperdrehung bei Hängenbleiben des Standbeins (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juli 2015 – L 6 U 2394/15 –, Rn. 40), sind allesamt nicht mit den vorliegend zunächst von dem Kläger gemachten Angaben vergleichbar. Ein schlichtes Anpralltrauma scheidet als geeigneter Hergang für eine Meniskusverletzung per se aus.

Den hiervon abweichenden, erstmals im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2017 erwähnten Leitersturz und die erstmals aus dem zweiten gerichtlichen orthopädisch- unfallchirugischen Gutachten von Dr. S. von 2019 hervorgehende Unfallschilderung, dass die Leiter mit umgefallen sei, da er mit dem Unterschenkel zwischen die Stufen gekommen sei, hält die Kammer nicht für vollbeweislich gesichert. 

Aus diesem Grund vermag sich die Kammer auch nicht den sich im Wesentlichen auf diesen nicht bewiesenen Unfallhergang stützenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. anschließen, der einen Unfallzusammenhang des Meniskusschadens bejaht hat. Dieser weist zutreffend darauf hin, dass es zur Anerkennung eines Kniebinnenschadens als Unfallfolge eines erheblichen Unfallereignisses mit möglichst nachgewiesener gewaltsamer Verdrehung des Kniegelenks bei fixiertem Unterschenkel bedarf. Von einem derartigen, für die Anerkennung als Unfallfolge aus seiner Sicht geeigneten Unfallhergang geht Dr. S. aufgrund der Schilderung im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2017 und auch in der Befragung des Klägers bei der Begutachtung aus. Dieser Hergang erscheint dem Gericht jedoch aus folgenden Gründen nicht vollbeweislich gesichert: Von 2011 bis 2016 war nie die Rede von einem Leitersturz: Gegenüber dem D-Arzt und in seiner eigenen schriftlichen Unfallschilderung vom 3. Juni 2011 gab der Kläger an, dass ihm bei der Demontage eines Kfz-Rades dieses infolge eines Krampfanfalls abrutschte und hinfiel und er sich dabei den linken Unterarm verletzte und das rechte Bein verdrehte. Erstmals im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2017 wurde ein Leitersturz erwähnt und erstmals aus dem zweiten gerichtlichen orthopädisch-unfallchirugischen Gutachten von Dr. S. von 2019 geht eine Unfallschilderung dahingehend hervor, dass die Leiter mitumgefallen sei, da er mit dem Unterschenkel zwischen die Stufen gekommen sei. Nach Auffassung der erkennenden Kammer erscheint es nicht nachvollziehbar, dass ein solch entscheidendes Detail der Unfallschilderung wie ein Leitersturz so lange nicht erwähnt wird, obwohl Angaben zum Hergang sowohl gegenüber dem Durchgangsarzt, als auch später durch den Kläger selbst in schriftlicher Form sowie sodann in drei verschiedenen unfallchirurgischen Begutachtungen (Gutachten von Dres. K. und E., Prof. Dr. T. und PD Dr. Q. sowie Prof. Dr. F.) gemacht wurden.

Auch wenn es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, dass immer die Erstangaben von größerem Beweiswert sind (BSG SozR 4-2700 § 4 Nr. 1; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 80; BSG Urteil vom 12. Juni 1990 Az.: 2 RU 58/89 - juris sowie Urteil HLSG vom 18. September 2012 – L 3 U 266/08), haben diese doch oft als noch unbeeinflusst erteilte zeitlich früheste Angaben für die Beweiswürdigung eine besondere Bedeutung (HLSG, Urteil vom 24. März 2015 – L 3 U 225/10 –).

Unabhängig davon bewertet der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. F. selbst unter Berücksichtigung dieser zweiten Hergangsdarstellung, mit dem Leitersturz und einer massiven Stauchung mit Rotation im Bereich des lateralen Tibiaplateaus, eine Verletzung des Innenmeniskus als unwahrscheinlich. Denn eine Stauchung im Valgussinne würde nach seiner Auffassung auf der Innenseite eher zu einer Entlastung des medialen Kompartiments führen. Ein Einfluss auf die vorhandene Degeneration des Innenmeniskus und die dann daraus resultierende komplexe Fragmentation schätzt Prof. Dr. F. als eher unwahrscheinlich ein.

Die Frage, ob der zuletzt geschilderte Unfallhergang für eine Verletzung des Innenmeniskus geeignet wäre, kann im Ergebnis jedoch dahinstehen, da dieser Hergang mangels vollbeweislicher Sicherung nicht zugrunde gelegt werden kann.

Abgesehen davon sprechen in der Abwägung der Gesamtumstände auch noch weitere Aspekte gegen einen Unfallzusammenhang des Meniskusschadens.

Das Gericht schließt sich insoweit den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. an, der einen Unfallzusammenhang nicht als mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit als erwiesen ansieht. Abgesehen davon, dass Prof. Dr. F. bereits den Unfallhergang – in beiden Varianten, d.h. mit und ohne bei Leitersturz mit Verdrehtrauma – nicht als geeignet für diese Verletzung ansieht, sprechen nach seiner Auffassung auch die deutlichen degenerativen Hinweise sowohl im MRT vom 5. Juni 2011 als auch im OP- Bericht vom 21. November 2011 dafür, die Ruptur bzw. Degeneration im Bereich des Innenmeniskushinterhornes eher als unfallunabhängig anzusehen. Es besteht ein Vorschaden nach arthroskopischer Voroperation.

Zudem spricht der fehlende Nachweis einer Schädigung von Bandstrukturen eher gegen einen unfallbedingten Meniskusriss. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass das erste MRT erst zwei Monate nach dem Unfall vom 7. April 2011 erstellt wurde, was die Möglichkeit der Nachweisführung erschwert hat, da etwaige Verletzungen teilweise zu diesem Zeitpunkt bereits verheilt gewesen sein könnten.

Jegliche Bewegung und Belastung des Kniegelenks innerhalb physiologischer Grenzen kann nicht ursächlich für einen Meniskusriss sein. Die unfallbedingte Läsion ist nur dann möglich, wenn die physiologischen Bewegungs- und Belastungsgrenzen überschritten werden. Dann müssen jedoch auch schützende Strukturen wie der Kapselbandapparat mitgeschädigt werden. Meniskusschäden sind somit nur in Begleitung nachweisbarer Kapselbandschäden zu erwarten. D.h. aufgrund der biomechanischen Strukturen im Kniegelenk muss es bei einer Meniskusschädigung zu einem Überschreiten des physiologischen Bandspieles und damit zwangsweise zu einer Schädigung von Bandstrukturen kommen. Selbst bei dem als absolute Ausnahme hiervon diskutierten forcierten Drehsturz, wie er beispielhaft und typisch häufig bei Fußballspielern auftreten kann, wenn es aus vollem Lauf bei festgestelltem Unterschenkel zu einem forcierten Abdrehen des Oberkörpers über das Kniegelenk mit Sturz kommt, finden sich meist Einblutungen und Veränderungen an Bandstrukturen, insbesondere am Aufhängeapparat des Meniskus. Ohnehin sind isolierte Meniskusschädigungen fast ausschließlich auf anlage- und strukturbedingte Veränderungen ursächlich zurückzuführen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juli 2015 – L 6 U 2394/15 – Rn. 39, juris).

In der ersten bildgebenden Untersuchung nach dem Arbeitsunfall vom 7. April 2011, dem MRT vom 15. Juni 2011, war keine begleitende Bandverletzung als Zeichen des Überschreitens der physiologischen Gelenksbeweglichkeit nachweisbar.

Zwar hat Dr. S. insoweit eingewandt, dass die geforderten Verletzungen der Bandstrukturen in dem zwei Monate nach dem Unfall durchgeführten MRT nicht mehr hätten nachgewiesen werden können, da sie zu diesem Zeitpunkt ausgeheilt gewesen seien. Durch den präzisierten Unfallmechanismus am 7. April 2011 sei das physiologische Maß der Belastbarkeit des rechten Kniegelenks deutlich überschritten worden. Dies sei belegt durch eine Kombinationsverletzung aus innerem Gelenkanteil (Innenmeniskusfragmentation) und äußerem Gelenkanteil (tiefer scharfkantiger Knorpelschaden). Hingegen hat der Beratungsarzt der Beklagten insoweit jedoch darauf hingewiesen, dass auch nach längerer Zeit im MRT Folgen von Begleitverletzungen, z.B. Vernarbungen, erkennbar seien.

Dies kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, da es nichts an dem Umstand ändert, dass eine Schädigung von Bandstrukturen jedenfalls nicht positiv beweislich gesichert und als Argument für eine traumatische Meniskusschädigung herangezogen werden kann.

Nach Auffassung der erkennenden Kammer spricht auch das Schadensbild vorliegend gegen einen Unfallzusammenhang. 

Texturstörungen bis zur makroskopisch erkennbaren Destruktion des Meniskusgewebes, vordergründig an den Hinterhörnern mit Bevorzugung des Innenmeniskus, bis zum Verlust der Meniskuskontinuität bleiben so lange asymptomatisch, wie sie sich gelenkmechanisch nicht störend bemerkbar machen. Solche Veränderungen werden häufig kernspintomographisch oder arthroskopisch als Zufallsbefund im Rahmen einer Diagnostik nach einem leichten Knietrauma entdeckt und fast regelhaft als Verletzungsfolge gedeutet. Für die Kausalitätsprüfung ist es von herausragender Bedeutung, wenn das entfernte Meniskusgewebe einer histologischen Überprüfung unterzogen wird, da dann festgestellt werden kann, ob es sich um einen frischen Meniskusriss oder um eine alte schicksalhafte Meniskusdestruktion gehandelt hat (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 654).

Im MRT vom 15. Juni 2011 fanden sich ausweislich der Beurteilung des Radiologen neben degenerativen Veränderung des Kniegelenks auch eine komplexe Meniskushinterhornschädigung mit eher Fragmentation als eigentlicher Rissbildung und eine eher frische Knorpeldefektbildung im Bereich des Tibiaplateaus. Das darunterliegende Bone bruise sei als Zeichen vermehrter Belastung zu werten. Dieses Schadensbild spricht eher gegen einen traumatischen Schaden.

Da somit einzig der nicht vollbeweislich gesicherte, zuletzt geschilderte Unfallhergang mit dem Leitersturz als einziges mögliches Argument für einen Unfallzusammenhang des Meniskusschadens spricht, erscheint der Unfallzusammenhang aufgrund der dargestellten dagegensprechenden Aspekte (der zunächst geschilderte Unfallhergang, der fehlende Nachweis von begleitenden Bandverletzungen und das Schadensbild) nicht hinreichend wahrscheinlich.

Da der Meniskusschaden nicht als Unfallfolge anzuerkennen ist, ergibt sich auch keine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. Insoweit steht auch die MdE-Bewertung von Dr. S., der für den Zeitraum ab dem 12. Dezember 2018 eine MdE von 25 v.H. ansetzt, nicht entgegen, da dieser hierbei zu Unrecht den Meniskusschaden als Unfallfolge berücksichtigt hat.

Nach den allgemeinen unfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. z. B. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, Kapitel 8.10.11., S. 653) wird die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Kniegelenksschäden hauptsächlich bestimmt durch die Verminderung der Beweglichkeit, unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit oder Bereitschaft zu Teilverrenkungen) und Schmerzhaftigkeit (objektive Grundlage). Eine Streckbehinderung von 5-10 Grad ist für die meisten Betroffenen einschneidender als eine Beugebehinderung von 30-40 Grad, da zu den meisten Arbeiten eine Beugefähigkeit bis 80 Grad ausreicht. Ist das Knie nicht vollständig streckbar, kann das Bein nicht muskelentspannt als Standbein benutzt werden und der verstärkte Druck des Kniescheibengleitlagers durch die Kniescheibe kann zu vorzeitiger Femoropatellaarthrose führen. Mäßige Bandlockerungen, die muskulär durch einen gut entwickelten Quadrizeps ausgeglichen werden, sollten nicht überbewertet werden. Eine Muskelschwäche von mehr als 2,5 cm am Oberschenkel über zwei Jahre nach dem Unfall deutet jedoch auf eine Funktionsschwäche hin. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bedingt eine endgradige Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär kompensierbaren instabilen Bandverhältnissen eine MdE von 10 v. H. Eine endgradige Behinderung der Beugung/Streckung wird etwa angenommen bei einer Beugungseinschränkung auf 120° (0/0/120); im Falle eines Streckdefizits von 10° wird eine MdE von 20 v. H. erst bei gleichzeitigem Vorliegen einer Beugungseinschränkung auf 90° erreicht (0/10/90). Eine MdE von 20 v. H. ist darüber hinaus dann gegeben, wenn eine muskulär nicht kompensierbare Seitenbandinstabilität vorliegt. Eine MdE von 30 v. H. ist erst bei einer mittelgradigen Behinderung der Beugung (nur bis 90 Grad beugbar) und der Streckung (bis 20°) und muskulär nicht kompensierbarer Seitenbandinstabilität gegeben (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, Kapitel 8.10.4.5., S. 612 und Kapitel 8.10.11., S. 653).

Die bei dem Kläger aufgrund des zweiten Arbeitsunfalls vorliegende MdE beträgt unter 10 v.H. und insgesamt unter Berücksichtigung des ersten Arbeitsunfalls bei 15 v.H. Das Gericht schließt sich insoweit den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. an. 

Dieser bewertet die auf den Folgeunfall vom 7. April 2011 festgestellten Unfallfolgen aufgrund der im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befunde mit einer MdE von 5 v.H. Auch wenn sich eine Funktionsminderung des rechten Kniegelenkes eingestellt hat, so fand sich in der Untersuchung keine spürbare Bewegungseinschränkung, sondern eine seitengleiche Beweglichkeit für Streckung/Beugung im Normbereich (rechts 0/0/130° und links 0/0/130°) und daneben auch keine wesentliche Gelenkinstabilität, sondern beidseits eine gleiche Stabilität. Sowohl bei Streckung als auch bei 30° Beugung fand sich eine stabile Situation medial, der Lachmann-Test zur Beurteilung der vorderen Instabilität war beidseits schwach positiv mit festem Anschlag. Meniskuszeichen waren im Bereich des rechten Kniegelenks lateral schwach positiv, medial negativ, im Bereich des linken Kniegelenkes waren innen und außen die Meniskuszeichen negativ. Die Kniekehle und die sehnigen Strukturen im Kniegelenksbereich waren beidseits regelrecht. Die unter Berücksichtigung der Gutachtenliteratur für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10% vorauszusetzenden Einschränkungen sind bei dem Kläger im Bereich des rechten Kniegelenkes nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht vorhanden. Insgesamt schätzt der Sachverständige die MdE aufgrund des Unfalls vom 17. November 2007 und des Folgeunfalls vom 7. April 2011 auf 15 v.H. ein. Dies erscheint der erkennenden Kammer überzeugend und steht im Einklang mit der Gutachtenliteratur.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
 

Rechtskraft
Aus
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