L 4 KR 1047/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1745/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1047/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Gewährung von Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus sowie u.a. Schadensersatz wegen Datenschutzverletzungen und Entschädigung wegen Diskriminierungen streitig.

Der 1971 geborene Kläger war vom 1. April 2008 bis 31. Januar 2017 bei der S GmbH in K/ Ö beschäftigt und bei der Tkrankenkasse (TGKK) krankenversichert. Während der nachfolgenden Arbeitslosigkeit und Wohnsitzverlagerung nach Deutschland bezog der Kläger ab 12. April 2017 Arbeitslosengeld I und war deshalb versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Dieser gegenüber gab der Kläger unter dem 31. August 2017 eine Einwilligungserklärung „zur Inanspruchnahme individueller Beratung und Hilfestellung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und die damit verbundene Datenerhebung, -speicherung und -nutzung“ ab, wonach er der damit verbundenen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten zustimme; hinsichtlich des konkreten Inhalts wird auf Bl. 1 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Am 12. April 2015 erlitt der Kläger in Ö einen Unfall, bei dem er sich eine Tibiakopffraktur links zuzog, die osteosynthetisch versorgt wurde. Wegen der hierdurch bedingten Arbeitsunfähigkeit bezog der Kläger zunächst Lohnfortzahlung (12. April bis 10. Juni 2015) und nachfolgend vom 11. Juni bis 3. Mai 2016 – unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld (20. November bis 18. Dezember 2015) – vom österreichischen Krankenversicherungsträger Krankengeld. Ab 10. Juli 2017 war der Kläger wegen der Metallentfernung im Bereich der linken Tibia arbeitsunfähig. Im Anschluss an die vom 8. November bis 7. Dezember 2017 durchgeführte stationäre Rehabilitation gab die K1 in ihrem „Bericht für die Krankenkasse bei Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit“ vom 19. Dezember 2017 an, der Kläger könne wieder leichte Tätigkeiten ausüben. Nach Hinzuziehung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) führte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 aus, dass sie Krankengeld bis längstens 31. Dezember 2017 zahle. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers zog die Beklagte erneut den MDK hinzu, wobei R ausweislich seines Gutachten vom 28. Dezember 2017 nach Auswertung des Entlassungsberichts der Rehabilitationsmaßnahme seine frühere Einschätzung revidierte und vom Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit ausging. Mit Bescheid vom 4. Januar 2018 gab die Beklagte den Widerspruch statt und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 2018 weiterhin Krankengeld.

Bereits im Oktober 2017 hatte sich die Beklagte zur Prüfung des Krankengeldanspruchs des Klägers mit einem Amtshilfeersuchen an die TGKK gewandt und in Bezug auf den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 10. Juli 2017 um Mitteilung gebeten, ob ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld bestanden habe, ob der Kläger arbeitsunfähig gewesen sei und ob er Entgeltersatzleistungen (Krankengeld) bezogen habe, wenn ja für welchen Zeitraum und wegen welcher Diagnose. Nachdem diese Anfrage zunächst unbeantwortet geblieben war, teilte die TGKK der Beklagten mit Schreiben vom 30. März 2018 mit, dass der Kläger vom 12. April 2015 bis 3. Mai 2016 wegen der Diagnose Fraktur des proximalen Endes der Tibia arbeitsunfähig gewesen sei und vom 12. April 2015 bis 3. Mai 2016 Krankengeld bezogen habe.

Mit Bescheid vom 6. April 2018 führte die Beklagte gegenüber dem Kläger sodann aus, der Anspruch auf Krankengeld habe am 14. Dezember 2017 geendet. Mit diesem Tag sei die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren erreicht gewesen. Als Vorerkrankung sei die Zeit vom 12. April 2015 bis 3. Mai 2016 (388 Tage) angerechnet worden; auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in einem anderen EU-Staat seien anzurechnen. Da die Falschberechnung der Anspruchsdauer auf einem Fehler ihrerseits beruhe, müsse das zu viel bezahlte Krankengeld nicht zurückgezahlt werden. Damit der Kläger seinen weiteren Versicherungsschutz und seine finanzielle Absicherung klären könne, zahle sie das Krankengeld ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bis 11. April 2018 weiter. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte mit umfangreichen Ausführungen zum Anspruch auf Krankengeld nach den österreichischen und inländischen Rechtsvorschriften sowie zum europäischen Gemeinschaftsrechts geltend, er habe für die am 10. Juli 2017 im Inland zum ersten Mal aufgetretene Erkrankung Anspruch auf Krankengeld für insgesamt 78 Wochen. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, wegen derselben Krankheit bestehe innerhalb von drei Jahren (Blockfrist) Anspruch auf Krankengeld für längstens 78 Wochen, wobei der Dreijahreszeitraum am 12. April 2015 begonnen und am 11. April 2018 geendet habe. Bei der Berechnung der Anspruchshöchstdauer würden auch Zeiten berücksichtigt, die von einem anderen Träger der Sozialversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt werden. Unter Berücksichtigung des Krankengeldbezugs in Ö sei die Anspruchshöchstdauer am 14. Dezember 2017 erreicht gewesen.

Bereits am 18. Juli 2018 hatte der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Diese stellte er nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 um und machte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 die Gewährung von Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus geltend. Er wiederholte und vertiefte u.a. mit Schriftsätzen vom 19. August 2018 und 17. Februar 2019 seine bisherigen Ausführungen und machte insbesondere geltend, die Beklagte rechne illegaler Weise die deutschen und österreichischen Krankheitszeiten willkürlich unter Außerachtlassen seiner erworbenen Ansprüche zusammen und berücksichtige nicht die Koordinierungsregelungen der VO (EG) 883/2004. Sie habe sich zudem heimlich und hinterrücks, ohne ihn zu benachrichtigen, an den österreichischen Krankenversicherungsträger gewandt und die dortigen Sachverhalte und Ereignisse nur unvollständig erfragt, insbesondere habe sie nicht erhoben, ob er nach deren System noch einen Anspruch auf Krankengeld habe. Der Schutz seiner personenbezogenen Daten sei vorsätzlich fahrlässig massiv missachtet worden, weshalb ihm Schadensersatz zustehe. Als Schwerbehinderter werde er im Übrigen systematisch diskriminiert, was einen Schadensersatzanspruch u.a. nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) begründe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) dem Kläger rückwirkend ab 1. Januar 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 25. Februar 2021.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 21. Mai 2019 wies das SG die Beteiligten darauf hin, dass dem geltend gemachten Krankengeldanspruch über den 11. April 2018 hinaus bereits der Ausschlusstatbestand des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entgegenstehe und kündigte an, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, womit sich die Beteiligten ausweislich der Niederschrift vom 21. Mai 2019 einverstanden erklärten. Entsprechende Hinweise erteilte das SG auch im Erörterungstermin vom selben Tag im Verfahren S 9 KR 865/19, in dem sich der Kläger gegen die Versagung von Krankengeld für die ab 14. November 2018 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit wandte. Auch in jenem Verfahren hatten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Am 22. Mai 2019 wandte sich der Kläger telefonisch an das SG und teilte mit, in beiden Verfahren mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht mehr einverstanden zu sein. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019, der beide Verfahren betraf, beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und machte geltend, im Erörterungstermin am 21. Mai 2019 seien weitere wichtige rechtserhebliche Punkte aufgetaucht, die eine mündliche Verhandlung unausweichlich machten. Er rügte, dass seine Schriftsätze vom 19. August 2018 und 17. Februar 2019, mit denen er eine sofortige Zahlung des Krankengeldes inklusive Zinsen geltend gemacht habe, nicht als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angesehen worden seien, die Beklagte gegen ihre Beratungspflicht verstoßen und ihn sogar vorsätzlich falsch beraten habe und seine Rechte aus der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) immer wieder missachtet worden seien, weshalb ihm eine angemessene Entschädigung zu gewähren sei. Am 13. November 2019 bestimmte der Vorsitzende der 9. Kammer in beiden Verfahren Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. Dezember 2019, der im Hinblick auf die am 5. Dezember 2019 beim SG eingegangenen Befangenheitsanträge des Klägers gegen den Vorsitzenden wieder aufgehoben wurde. Nach Zurückweisung der Befangenheitsgesuche mit Beschlüssen vom 14. Januar 2020 bestimmte der Vorsitzende der 9. Kammer am 21. Januar 2020 neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21. Februar 2020. Am 18. Februar 2020 gingen beim SG die weiteren Befangenheitsgesuche des Klägers vom 16. Februar 2020 ein.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2020 beantragte der Kläger, (Nr. 1) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus für insgesamt 78 Wochen, einschließlich Zinsen nach § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie pauschalierten Schadensersatz nach § 288 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu zahlen, (Nr. 2) die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Entschädigung aufgrund datenschutzrechtlicher Verstöße in Höhe von 2% des Jahresumsatzes der Beklagten, vervielfacht mit dem Faktor 10, (Nr. 3) eine Entschädigung wegen mehrfach nachgewiesener Diskriminierungen in Höhe von mindestens zehn Monatsgehältern zu bezahlen sowie (Nr. 4) ihm die Zuzahlungskosten für 2019 zu erstatten.

Mit Urteil vom 21. Februar 2020 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es im Hinblick auf den Antrag Nr. 1 aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger ohne Anrechnung von Krankengeldbezugszeiten in Ö über den 11. April 2018 hinaus Krankengeld beanspruchen könne, denn für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, ende ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom Beginn dieser Leistungen an. Dem stehe nicht entgegen, dass die laufende Rentenzahlung erst ab 1. März 2019 eingesetzt habe und für den davorliegenden Zeitraum eine Rentennachzahlung festgestellt worden sei. Von der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V werde ein Krankengeldanspruch auch dann erfasst, wenn Krankengeld über den Beginn der Rentenleistung hinaus gezahlt worden sei, weil die Rente erst nachträglich bewilligt worden sei. Gleichermaßen unbegründet sei der sachdienlich auf Feststellung datenschutzrechtlicher Verstöße auszulegende Klageantrag Nr. 2. Die eingeholten Auskünfte seien in vollem Umfang vom gesetzlichen Handlungsauftrag der Beklagten als gesetzliche Krankenkasse gedeckt und erforderlich gewesen, um die im Streit stehenden Ansprüche prüfen und beurteilen zu können. Ein Verstoß gegen diskriminierungsrechtliche Vorschriften (Klageantrag Nr. 3) sei schon ansatzweise nicht erkennbar. Zudem seien die Bestimmungen des AGG, auf die sich der Kläger beziehe, auf die Rechtsbeziehung zwischen einem Versicherten und seiner gesetzlichen Krankenkasse nicht anwendbar. Die Klage hinsichtlich des Antrags Nr. 4 sei bereits unzulässig, da die Beklagte mit den streitbefangenen Bescheiden keine Entscheidung über die Erstattung von Zuzahlungskosten getroffen habe. Der abgelehnte Richter sei im Übrigen nicht gehindert gewesen, an der Entscheidung mitzuwirken, da das wiederholte Ablehnungsgesuch des Klägers rechtsmissbräuchlich gewesen sei, weil es allein mit dem Ziel gestellt worden sei, die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2020 zu erzwingen.

Gegen das ihm am 29. Februar 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. März 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt, ebenso gegen das Urteil vom 21. Januar 2020 im Verfahren S 9 KR 865/19 (nun: L 4 KR 1048/20). Er hat sich in beiden Berufungsverfahren identisch geäußert (Schriftsätze unter Angabe beider Aktenzeichen) und die Berufungen ausführlich begründet. Im Hinblick auf die geltend gemachten Krankengeldansprüche hat er ausgeführt, er sei in Ö vom 4. Mai 2016 bis 31. Januar 2017 nicht krankgeschrieben gewesen und habe kein Krankengeld bezogen. Er habe damit in Ö einen neuen Anspruch auf Krankengeld erworben, der auch in Deutschland anerkannt werden müsse. Alles andere stelle eine Diskriminierung von Grenzgängern dar und schränke die Arbeitsfreizügigkeit in der Europäischen Union diskriminierend ein. Soweit wegen eines Kreuzbandrisses mit Erstbescheinigung vom 14. November 2018 Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden sei, habe er hierfür Anspruch auf Krankengeld für 78 Wochen. Da die Beklagte nur vom 10. Juli 2017 bis 11. April 2018 (37 Wochen und sechs Tage) Krankengeld gezahlt habe, bestehe noch ein Restanspruch für vierzig Wochen und einen Tag. Über seinen diesbezüglichen Antrag habe die Beklagte im Übrigen nicht innerhalb von drei Wochen entschieden, so dass der Anspruch schon aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V zu bejahen sei. Obwohl seine Widersprüche gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten aufschiebende Wirkung gehabt hätten, habe diese rechtswidrig und diskriminierend die weitere Auszahlung des Krankengeldes verweigert. Er hat Ausführungen zu den österreichischen und inländischen Rechtsvorschriften zum Krankengeld gemacht, ausführlich den Ablauf des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens erster Instanz dargelegt und vorgetragen, ihm sei weder Akteneinsicht gewährt worden noch habe die Beklagte Auskunft über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten erteilt. Soweit im Berufungsverfahren Einsicht in die Akten gewährt worden sei, sei eine vollständige Akteneinsicht nicht möglich gewesen, da in vier Akten wichtige Dokumente gefehlt hätten. Er hat auf die seines Erachtens widerrechtlichen Datenabfragen der Beklagten bei der TGKK und der DRV Bund verwiesen. Letztere werde in der E-Mail vom 4. Februar 2019, die er vorgelegt hat, bestätigt. Er habe der Beklagten mit Schriftsatz vom 19. August 2018 sämtliche Möglichkeiten des Datenaustauschs mit anderen Behörden, ohne ihn vorher zu unterrichten, untersagt. Er hat im Übrigen dargelegt, dass und aus welchen Gründen er Anspruch auf Erstattung von Zuzahlungen für die Jahre 2017 und 2019 habe.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst aufgrund seiner Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem SG),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Februar 2020 aufzuheben und
1.        die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 zu verurteilen, ihm Krankengeld in gesetzlicher Höhe über den 11. April 2018 hinaus für die Dauer von insgesamt 78 Wochen, einschließlich Zinsen nach § 44 SGB I und pauschalierten Schadensersatz nach § 288 Abs. 5 BGB zu bezahlen,
die Beklagte zu verurteilen, ihm
2.        Schadensersatz wegen unbefugter Datenerhebung in Höhe von 2% des Jahresumsatzes der Beklagten, vervielfacht mit dem Faktor 10 und
3.        Entschädigung wegen mehrfach nachgewiesener Diskriminierungen in Höhe von mindestens zehn Monatsgehältern zu bezahlen sowie
4.        Zuzahlungskosten für 2019 zu erstatten.

Er beantragt weiter wörtlich (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, S. 3/6; Bl. 40/43 Senatsakte),

Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und der Kläger gem. § 48 SGB V i.V.m. VO 1408/71 i.V.m. VO 883/04, und i.V.m § 139, § 140 § 143 ASVG noch mindestens Anspruch auf 40 Wochen und 1 Tag an Krankengeld hat, da er erst ab 03.06.2017 ins deutsche Sozialrechtssystem mit vollem neuen Anspruch gem. § 48 SGB V wechselte

• hilfsweise wird unter der Voraussetzung festgestellt, dass aufgrund der Entscheidung der Agentur für Arbeit vom 02.05.2018 ein neuer Dreijahreszeitraum begonnen hat und der Kläger der Agentur für Arbeit zur Vermittlung vom 12.04.2018 bis 14.11.2018 (mehr als 6 Monate) zur Verfügung stand, der Kläger gem. § 48 Abs. 2 SGB V Anspruch auf 78 Wochen an Krankengeld hat.
• hilfsweise wird unter der Voraussetzung festgestellt, dass aufgrund der Entscheidung der DRV der bis zum nun 28.02.2024 befristete EM Rentenbeginn am 01.01.2016 war, die österreichischen Zeiten vom 12.04.2015 – 31.12.2015 doch angerechnet werden würden (37 Wochen und 4 Tage), der Kläger gem. § 48 Abs. 2 SGB V immer noch Anspruch auf 40 Wochen und 3 Tage an Krankengeld hat.

Das am 21.02.2020 verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Differenz aus Krankengeld minus Rente vom 26.12.2018 bis 28.02.2019 also für 64 Tage dann 5642,24 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 01.03.2019 über dem Basiszinssatz zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und dem Kläger gem. § 120 SGG i.V.m. § 299 ZPO i.V.m. § 25 SGB X i.V.m. Art. 12, 15, DSG-VO i.V.m. EG. 75 DSG-VO i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh i.V.m. § 33 BDSG i.V.m. EU Verordnungen VO 1408/71 i.V.m. EU Verordnungen VO 883/04 und gem. dem BSG Urteil (B 1 KR 13/12 R) die vollständige Datenauskunft, Akteneinsicht, und Kopie der Daten, sowohl im Vorverfahren der 1. Instanz als auch im Vorverfahren der Berufung von der Beklagten verweigert wurde,

• hilfsweise wird gemäß § 256 Abs. 2 ZPO im Wege der Zwischenfeststellung beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen bei der Beklagten vorhandenen Daten über Telefon- und Gesprächsnotizen über die zwischen dem Kläger und der Beklagten geführten Kommunikation zu dem Rechtsstreit gemäß Art. 12-15 DSGVO Auskunft zu erteilen.
• hilfsweise wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine vollständige Datenauskunft im Sinne von § 34 BDSG zu den ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, welche die Beklagte gespeichert, genutzt und verarbeitet hat;
• hilfsweise wird die Beklagte, entsprechend § 260 Abs. 2 BGB zu Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten Datenauskunft an Eides verurteilt.

Das am 21.02.2020 verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der verweigerten Datenauskunft gem. § 120 SGG i.V.m. § 299 ZPO i.V.m. § 25 SGB X i.V.m. Art. 12, 15, DSG-VO i.V.m. EG. 75 DSG-VO i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh i.V.m. § 33 BDSG i.V.m. EU Verordnungen VO 1408/71 i.V.m. EU Verordnungen VO 883/04 und gem. dem BSG Urteil (B 1 KR 13/12 R) Entschädigung / immateriellen Schadenersatz gem. Art. 79 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 81b SGG i.V.m. Art 82, 83 der EU-DSGVO zu zahlen Bei Datenschutzverletzungen gem. Art. 12-15 müssen gem. Art. 82, 83 DSG-VO erheblich höhere Schmerzensgelder zugesprochen werden, als für Körperverletzungen. Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Person gemäß Art. 12 bis 22; sind gem. Art 82 i.V. m. Art. 83 Abs. 5 a, b DSGVO mit Maximalstrafzahlungen zu ahnden und werden daher von der DSG-VO Verordnung als besonders schwerwiegend beurteilt! Die Höhe des immateriellen Schadensersatzes wird dabei ins Ermessen des Gerichts gestellt. Die Höhe des immateriellen Schadenersatzes, sollte aber dabei die Grenze von 30.000 € nicht unterschreiten! (1000 € pro Monat gem. seit 17.08.2018 bis 02.02.2021, 900 Tage).

Es wird festgestellt, dass durch die Beklagte eine mehrfache Datenverletzung, Informationspflichtverletzung und widerrechtlichen Einholung von Daten sowohl bei der TGKK im Ausland gem. Art 76 VO 883/04 i.V.m. § 219a I Abs. 4 SGB V i.V.m. § 219d SGB V i.V.m. Art. 14, DSG-VO, als auch nach der Einschränkung der Datenerlangung gem. Art 18 DSG-VO i.V.m. Art. 14, DSG-VO am 17.08.2018 eine widerrechtliche Datenanfrage bei der DRV am 04.02.2019 vorlag!

Das am 21.02.2020 verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Entschädigung / immateriellen Schadenersatz gem. Art. 79 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 81b SGG i.V.m. Art. 82, 83 der EU-DSGVO zu zahlen da sowohl bei der TGKK im Ausland gem. Art 76 VO 883/04 i.V.m. § 219a I Abs. 4 SGB V i.V.m. § 219d SGB V i.V.m. Art. 14, DSG-VO, als auch nach der Einschränkung der Datenerlangung gem. Art 18 DSG-VO i.V.m. Art. 14, DSG-VO am 17.08.2018 eine widerrechtliche Datenanfrage bei der DRV am 04.02.2019 vorlag! Bei Datenschutzverletzungen gem. Art. 12-22 müssen gem. Art. 82, 83 DSG-VO erheblich höhere Schmerzensgelder zugesprochen werden, als für Körperverletzungen. Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Person gemäß Art. 12 bis 22 DSG-VO; sind gem. Art 82 i.V.m. Art. 83 Abs. 5 a, b DSGVO mit Maximalstrafzahlungen zu ahnden und werden daher von der DSG-VO Verordnung als besonders schwerwiegend beurteilt! Die Höhe des immateriellen Schadensersatzes wird dabei ins Ermessen des Gerichts gestellt. Die Höhe des immateriellen Schadenersatzes, sollte aber dabei die Grenze von 20354,04 € (3 Monatsgehältern: 6784,68 € *3) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 17.07.2018 über dem Basiszinssatz nicht unterschreiten!

Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und gem. § 62 SGB V Abs. 1 der chronisch kranke schwerbehinderte Kläger und EM-Rentenbezieher während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur 1% Belastungsgrenze zu leisten hat und damit die Beklagte dem Kläger die Rückvergütung der Zuzahlung also 1019,95 € für das Jahr 2017 rechtswidrig verweigerte, obwohl das Einkommen für das Jahr 2017 der Beklagten durch das PDU1 Dokument, ihre eigenen Krangeldzahlungen und die 1% Belastungsgrenze, durch ihre eigenen Zuzahlungsbescheinigungen im AOK Portal bekannt waren.

Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und die Beklagte den chronisch kranken schwerbehinderten Kläger und EM-Rentenbezieher diskriminierte und die sofortige Ausstellung der Bescheinigung über die Befreiung zur Zuzahlung gem. § 62 SGB V Abs. 1,3 für 2019 im Januar 2019 verweigert hat, obwohl das Einkommen seit Januar 2019 durch die Verweigerung der Auszahlung des Krankengeldes durch die Beklagte bei NULL Euro lag.

Es wird festgestellt, dass gem. § 62 SGB V Abs. 1 der chronisch kranke schwerbehinderte Versicherte und EM-Rentenbezieher während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur 1% Belastungsgrenze zu leisten hat und damit die Beklagte dem Kläger die Rückvergütung der Zuzahlung für das Jahr 2019 rechtswidrig verweigerte, obwohl das Einkommen für das Jahr 2019 der Beklagten durch die Zahlung von Arbeitslosengeld, ihre eigenen Krangeldzahlungen und die 1% Belastungsgrenze, durch ihre eigenen Zuzahlungsbescheinigungen im AOK Portal, bekannt waren.

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger gem. § 62 SGB V die Zuzahlungen für das Jahr 2017 über der 1% Belastungsgrenze dem Kläger also 1019,95 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 23.01.2019 über dem Basiszinssatz zu erstatten.

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger gem. § 62 SGB V die Zuzahlungen für das Jahr 2019 über der 1% Belastungsgrenze dem Kläger nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 01.01.2020 über dem Basiszinssatz zu erstatten.

Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und die Beklagte gem. § 13, § 14 und § 15 SGB I (BGH, 02.08.2018), gegen die gesetzlich richtige Beratungspflicht mehrfach verstoßen hat und die Zuständigkeit für die Zahlungen der Sozialleistung auf dem Rücken des chronisch kranken schwerbehinderten Klägers und EM-Rentenbezieher ausgetragen hat.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte gem. Art 14 EMRK, Art. 5 UN BRK Art. 10 AEUV, Art. 3 GG, § 1 AGG, § 2 II AGG, § 33c SGB I, den chronisch kranke schwerbehinderte Kläger und EM-Rentenbezieher mehrfach diskriminiert hat, indem dem Kläger trotz vorliegender Beweise und Atteste des MDK und der DRV die 1 % Chroniker-Regel für die Jahre 2017 und 2019 verweigert wurde!

Es wird festgestellt, dass die Beklagte gem. Art 14 EMRK, Art. 5 UN BRK Art. 10 AEUV, Art. 3 GG, § 1 AGG, § 2 II AGG, § 33c SGB I, den chronisch kranke schwerbehinderte Kläger und EM-Rentenbezieher mehrfach diskriminiert hat, indem dem aus dem Ausland kommenden Kläger sein Krankengeld, trotz vorliegender Beweise und der EU-Verordnungen die Auszahlung des Krankengeldes, verweigert wurde,

• hilfsweise wird festgestellt, dass die Beklagte den Kläger diskriminierte und der Vorstand der A T1 Herr H den Kläger beim 20 minütigen Telefonat am 25.01.2019 dreist anmachte, „wie lange er denn noch Krankengeld beziehen wolle“!
• hilfsweise wird festgestellt, dass die Beklagte den Kläger diskriminierte und der der Mitarbeiter der Beklagten Herr W den Kläger beim Erörterungstermin am 21.05.2019 nochmals anmachte, „wie lange er denn noch Krankengeld beziehen wolle“!

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger Pauschal-Schadenersatz von 50 € nach § 288 Abs. 5 BGB zu zahlen, da ein hinreichender Verdacht auf Diskriminierung gem. Art 14 EMRK, Art. 5 UN BRK Art. 10 AEUV, Art. 3 GG, § 1 AGG, § 2 II AGG, § 33c SGB I, gegeben ist.

Das am 21.02.2020 verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Entschädigung wegen mehrfacher nachgewiesener Diskriminierungen Art 14 EMRK, Art. 5 UN BRK Art. 10 AEUV, Art. 3 GG, § 1 AGG, § 2 II AGG, § 33c SGB I, zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 17.07.2019 zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wegen mehrfacher nachgewiesener Diskriminierungen wird dabei ins Ermessen des Gerichts gestellt. Die Höhe der Entschädigung, sollte aber dabei die Grenze von 20354,04 € (3 Monatsgehältern: 6784,68 € *3) nicht unterschreiten!

Die Beklagte wird verurteilt dem Kläger sämtlicher außergerichtlicher Kosten des Klägers gem. § 63 SGB X i.V.m. § 193 SGG in aufgelisteter Höhe zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 23.12.2017 (Beginn der ersten rechtswidrigen verweigerten Auszahlung des Krankengeldes durch die Beklagte) zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2018 und im Urteil vom 21. Februar 2020 verwiesen. Hinsichtlich des geltend gemachte Anspruchs auf Erstattung von Zuzahlungsbeträgen gemäß § 62 Abs. 1 SGB V sei zu keinem Zeitpunkt ein Bescheid oder Widerspruchsbescheid erlassen worden.

Der Senat hat dem Kläger auf seinen Antrag hin zunächst Akteneinsicht in die Akten des SG und der Beklagten gewährt (vgl. Aktenvermerk des Amtsgerichts Tübingen vom 5. November 2020) und sodann (auf seinen Antrag vom 7. September 2022 hin) in die LSG-Akte.

Mit Schriftsatz (nicht absenderbestätigte DE-Mail) vom 22. September 2022 (Eingang beim LSG Baden-Württemberg um 14.50 Uhr) hat der Kläger den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 23. September 2022 beantragt. Die Terminsbestimmung des Senatsvorsitzenden vom 1. August 2022 wurde dem Kläger am 5. August 2022 zugestellt (vgl. Postzustellungsurkunde, Bl. 145/146 Senatsakte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten.


Entscheidungsgründe

1. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da er mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 5. August 2022 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist offensichtlich unzulässig. Der Senat konnte darüber abweichend von § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung unter Mitwirkung des Senatsvorsitzenden entscheiden, den der Kläger für befangen hält (vgl. BSG, Beschluss vom 7. September 2016 – B 10 SF 2/16 C – juris, Rn. 3). Soweit der Kläger am Nachmittag des 22. September 2022, d.h. am Tag vor der mündlichen Verhandlung ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit gegen den Senatsvorsitzenden eingereicht hat, liegt zum einen ein offensichtlicher Missbrauch vor und zum anderen war das Ablehnungsgesuch verfristet, sodass weder eine dienstliche Stellungnahme des Senatsvorsitzenden noch eine Entscheidung über das Befangenheitsgesuch vorab durch gesonderten Beschluss erforderlich gewesen sind. Zwar sieht § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO ausdrücklich vor, dass der abgelehnte Richter eine dienstliche Äußerung zum Inhalt des Ablehnungsgesuchs abzugeben hat. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn das Ablehnungsgesuch - wie hier - offensichtlich unzulässig ist (BSG, Beschluss vom 23. Februar 2022 – B 9 SB 74/21 B – juris, Rn. 18 m.w.N.).

In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG, Beschluss vom 7. September 2016 – B 10 SF 2/16 C – juris). Zur Missbräuchlichkeit zählt auch ein Ablehnungsgesuch allein in Verfahrensverzögerungsabsicht, um eine Terminsaufhebung der zeitlich unmittelbar bevorstehenden mündlichen Verhandlung zu erreichen (Einsatz als prozesstaktisches Mittel; vgl. Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: Juni 2022, § 60 SGG Rn. 167). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat am Nachmittag des 22. September 2022 sein Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden, mithin nur wenige Stunden vor der mündlichen Verhandlung beim LSG Baden-Württemberg eingereicht. Seinem Antrag ist zu entnehmen, dass er eine Terminsaufhebung erstrebte, da er davon ausgeht, dass die Sache noch nicht entscheidungsreif und weitere Ermittlungen notwendig sind. Damit handelte es sich bei seinem Ablehnungsgesuch offensichtlich allein um ein prozesstaktisches Mittel, um eine Terminsaufhebung zu erzwingen.

Darüber hinaus ist das Ablehnungsgesuch auch verfristet. Nach § 60 SGG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO sind Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit gem. § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung unverzüglich anzubringen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ablehnungsgesuche ohne prozesswidriges Verzögern nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden (vgl. BT.-Drs. 19/13828, S. 17). Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfolgt eine Rechtshandlung dann unverzüglich, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern vorgenommen wird. Diese Begriffsbestimmung kann auch zur Auslegung verfahrensrechtlicher Vorschriften und somit zur Auslegung des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO herangezogen werden (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 19. Januar 2022 – XII ZB 357/21 – juris, Rn. 9). Ohne schuldhaftes Zögern und damit unverzüglich handelt ein Verfahrensbeteiligter dann, wenn er die gesetzlich notwendige Rechtshandlung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen hat (BGH, a.a.O., Rn. 12). Maßgeblich ist dabei keine starre zeitliche Frist. Bei komplexen Sachverhalten kann sich auch eine mehrtägige Überlegungsfrist ergeben (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Juli 2021 – L 5 SF 174/21 AB – juris, Rn. 15 m.w.N.). In Anwendung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Kläger die Ladung zur mündlichen Verhandlung bereits am 5. August 2022 erhalten hat und ihm ab diesem Zeitpunkt klar sein musste, dass der Senat die Sache für entscheidungsreif ansieht und keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt sind. Sein am 22. September 2022 eingereichtes Ablehnungsgesuch, das er auf eine fehlende Entscheidungsreife und fehlende Ermittlungen stützt, überschreitet daher bei Weitem eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist und ist damit nicht unverzüglich bei Gericht eingereicht worden.

2. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143 SGG statthaft und zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da mit den vom Kläger im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachten Ansprüchen (u.a. Krankengeld, Schadensersatz, Entschädigung, Erstattung von Zuzahlungen) der Betrag von 750 € bei weitem überschritten wird.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage, mit der der Kläger die von ihm verfolgten Einzelansprüche zusammen im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) geltend machte, zu Recht abgewiesen.

a. Gegenstand der Klage ist zunächst der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es ablehnte, dem Kläger über den 11. April 2018 hinaus Krankengeld zu zahlen. Insoweit macht der Kläger die Gewährung von Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus für die Dauer von insgesamt 78 Wochen geltend. Mit seiner Klage begehrt der Kläger darüber hinaus die Zahlung von Schadensersatz wegen von ihm geltend gemachter Datenschutzverletzungen der Beklagten, einerseits wegen deren Datenabfrage bei der TGKK und andererseits wegen deren Herantreten an die DRV Bund ausweislich der E-Mail vom 8. Februar 2019. Der Kläger macht ferner einen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierungen geltend und begehrt im Übrigen die Erstattung von Zuzahlungen, die er im Jahr 2019 leistete. Im Berufungsverfahren hat er darüber hinaus die Erstattung der im Jahr 2017 geleisteten Zuzahlungen geltend gemacht sowie die Verurteilung der Beklagten begehrt, ihm Auskunft und nähere Informationen über die über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erteilen.

b. Soweit der Kläger sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 wendet und die Gewährung von Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus begehrt, ist die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zulässig (Antrag beim SG Nr. 1). Die weiteren im Berufungsverfahren geltend gemachten Feststellungsbegehren (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Anträge Nr. 1) stellen keine feststellungsfähigen Sachbegehren dar. Sie beziehen sich auf mögliche Anspruchsvoraussetzungen, die im Rahmen des Leistungsanspruchs inzident zu prüfen und nicht gesondert festzustellen sind.

Das Begehren auf Feststellung (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 5) bzw. das (inzidente) Begehren auf Feststellung (Antrag beim SG Nr. 2), die Beklagte habe seine (sozial-)datenschutzrechtlichen Rechte verletzt, ist zulässig, die Klage auf Schadensersatz wegen Datenschutzverletzungen (Art. 82 DSGVO) hingegen unzulässig (Antrag beim SG Nr. 2; Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 6). Der erkennende Senat ist (auch) im Zeitpunkt der Entscheidung der nach dem Geschäftsverteilungsplan des LSG hierzu berufene zuständige Senat. Zwar ist seit dem ab dem 1. Januar 2021 geltenden Geschäftsverteilungsplan des LSG gemäß Abschnitt A Teil I der 1. Senat des LSG für „Verfahren nach § 81a und § 81b SGB X, soweit nicht ein Datenschutzverstoß in einem Verfahren des 1. Senats gerügt wird“ zuständig. Zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung im März 2020 galt hingegen gemäß dem ab dem 1. Januar 2020 geltenden Geschäftsverteilungsplan des LSG (Abschnitt A Teil III Nr. 7e), dass der Senat für „Verfahren nach §§ 81a und 81b SGB X n.F.“ zuständig ist, in dem auch das Berufungsverfahren anhängig gewesen ist (Annexkompetenz). Diese Zuständigkeit des erkennenden Senats wurde durch die genannte Änderung des Geschäftsverteilungsplans des LSG zum 1. Januar 2021 nicht nachträglich entzogen. Zwar bezieht sich der in § 202 SGG i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO enthaltene Grundsatz der Fortdauer der Zuständigkeit (perpetuatio fori) nur auf die Zuständigkeit des Gerichts als solchen. Er kann nicht auch auf die Abteilungen oder Spruchkörper eines Gerichts ausgedehnt werden mit der Folge, dass eine bestimmte Gerichtsabteilung oder ein bestimmter Spruchkörper ein dort anhängig gewordenes Verfahren aus Gründen der Zuständigkeit zu Ende führen müsste (BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 – IVb ZR 572/80 – juris, Rn. 12). Die gerichtsinterne Zuständigkeit der Spruchkörper wird, soweit – wie hier – keine gesetzliche Regelung eingreift, nach § 21e Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) durch die Geschäftsverteilung bestimmt und kann, wie sich aus § 21e Abs. 4 GVG ergibt, auch für bereits anhängige Sachen nachträglich geändert werden (BGH, a.a.O., m.w.N.). Nach § 21e Abs. 4 GVG gilt: Das Präsidium kann anordnen, dass ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt. Diese Konstellation liegt hier vor. Aus dem Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des LSG Baden-Württemberg am 3. Dezember 2020 folgt, dass die genannte Änderung zum 1. Januar 2021 nicht bereits anhängige Verfahren betreffen sollte (vgl. Präsidiumsprotokoll vom 2. Dezember 2020, Top 2, S. 4: „[…] Das Präsidium ist sich darüber einig, dass bereits anhängige Verfahren hiervon unberührt bleiben. Das Präsidium bekräftigt einstimmig die getroffenen Regelungen zur Geschäftsverteilung (Turnus, Entlastungen und Änderungen mit Blick auf §§ 81a und 81b SGB X)).“

Für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer (sozial-)datenschutzrechtlichen Verletzung ist der Sozialrechtsweg eröffnet. Insoweit bestimmt die Regelung des § 81b SGB X, die mit Wirkung zum 25. Mai 2018 durch Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Gesetze vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2541) in das SGB X eingefügt wurde, dass für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1 und 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Vorliegend macht der Kläger im Zusammenhang mit einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) bei der Verarbeitung von Sozialdaten einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen geltend. Für den Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Regelung ergibt sich die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit kraft Sachzusammenhangs (so die Gesetzesmaterialien BT-Drucks. 18/12611, 117; Paulus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Mai 2018, § 81b SGB X Rn. 7).

Soweit der Kläger die Gewährung von Schadensersatz wegen datenschutzrechtlicher Verstöße gemäß Art. 82 DSGVO geltend macht, ist die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben (ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2022 – L 6 SF 7/21 DS – juris, derzeit anhängig beim BSG unter B 1 SF 1/22 R; a.A. für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 28. Juni 2022 – II B 93/21 – juris, Rn. 12 ff.). Die Zuständigkeit der Sozialgerichte beschränkt sich im Hinblick auf die abschließende Rechtswegzuweisung in Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) auf die (für die erfolgreiche Geltendmachung des Schadensersatzanspruches allerdings notwendige) Feststellung eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (ebenso Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 2022, § 81b Rn. 31; Paulus, in: jurisPK SGB X, Stand: 2018; § 81a Rn. 7; Marburger, BePr 2020, 172 ff., 178; Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 609 ff., 613). Der Schadenersatzanspruch selbst ist hingegen entsprechend Art. 34 Satz 3 GG sowie § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei Amtspflichtverletzungen vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG ist erstinstanzlich stets das Landgericht zuständig. Dies entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/12611, 116 zu § 81a Abs. 1: „Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Schadensersatz- und Amtshaftungsklagen bleibt unberührt.).“

Eine Verweisung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs an das örtlich zuständige Landgericht kommt nach der einschlägigen Rechtsprechung des BSG nicht in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Januar 2020 – B 4 AS 22/20 BH – juris, Rn. 6 m.w.N.). Nach dieser darf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen, weil einerseits das GVG keine Teilverweisung kennt und andererseits der Verweisung des gesamten Rechtsstreits der Grundsatz entgegensteht, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist. Dies ist im Hinblick auf den in Betracht zu ziehenden Schadensersatzanspruch unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung zu bejahen. Unter dieses gewohnheitsrechtlich anerkannte und nunmehr in § 280 BGB kodifizierte Rechtsinstitut fallen alle Pflichtverletzungen im Rahmen eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses, die nicht zur Unmöglichkeit oder zum Verzug der Leistung führen und deren Folgen nicht von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften erfasst werden (BSG, Urteil vom 27. Januar 2000 – B 12 KR 10/99 R – juris, Rn. 18; Senatsurteil vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 24). Die vom Schuldner zu vertretende Verletzung derartiger Nebenpflichten begründet für den anderen Partner des Schuldverhältnisses einen Schadensersatzanspruch (a.a.O.). Diese Grundsätze der positiven Forderungsverletzung gelten als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken sinngemäß auch für öffentlich-rechtliche Sonderbeziehungen, sofern diese privatrechtlichen Schuldverhältnissen vergleichbare Leistungs- und Obhutsbeziehungen zum Gegenstand haben, ein besonders enges Verhältnis des einzelnen zur Verwaltung besteht und mangels gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis nach einer angemessenen Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2000 – B 12 KR 10/99 R – juris, Rn. 19; Urteil vom 4. Mai 1994 – 1 RS 2/92 – juris, Rn. 27 m.w.N.; vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 24). Soweit der Kläger eine Pflichtverletzung der Beklagten durch fehlerhafte Aufklärung (§ 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]), Beratung ( § 14 SGB I) und Auskunft (§ 15 SGB I) geltend macht (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 12), so kann hieraus ebenfalls ein Schadensersatzanspruch resultieren (Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I,Stand: April 2022, § 14 SGB I Rn. 51 ff.). Deshalb ist von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs. 2 GVG abzusehen (BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris, Rn. 5).

Eines Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung bedurfte es nicht. § 81b SGB X enthält – anders als § 81a SGB X, der in Abs. 6 bestimmt, dass ein Vorverfahren nicht stattfindet – diesbezüglich zwar keine ausdrückliche Regelung. Jedoch stehen Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Rechtsschutzgewähr in § 81b SGB X i.V.m. Art. 79 DSGVO der Durchführung eines obligatorischen Vorverfahrens entgegen. Die §§ 77 ff. SGG sind daher unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass ein Vorverfahren nicht durchzuführen ist (Leopold, in: Kasseler Kommentar, Stand: März 2022; § 81b SGB X Rn. 16; Bergt in: Kühling/Buchner/Bergt, DSGVO/BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 79 Rn. 12; Rombach in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2022, § 81b Rn. 25).

Soweit der Kläger eine Entschädigung wegen Diskriminierungen begehrt (Antrag beim SG Nr. 3, Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Anträge Nr. 15 und 16), ist die allgemeine Leistungsklage gleichermaßen zulässig. Eines Vorverfahrens bedurfte es insoweit nicht. Die weiteren im Berufungsverfahren geltend gemachten Feststellungsbegehren (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Anträge Nr. 8, 13 und 14) stellen keine feststellungsfähigen Sachbegehren dar. Sie beziehen sich auf mögliche Anspruchsvoraussetzungen, die im Rahmen des Leistungsanspruchs inzident zu prüfen und nicht gesondert festzustellen sind.

Demgegenüber konnte der Kläger den Anspruch auf Erstattung von Zuzahlungen für das Jahr 2019 (vgl. Antrag beim SG Nr. 4, Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 11) nicht mit der allgemeinen Leistungsklage geltend machen. Über dieses Begehren hat die Beklagte zunächst durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Eine solche Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte vorliegend nicht getroffen, was sie im Berufungsverfahren nochmals klargestellt hat. Sie traf insbesondere auch mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 keine Entscheidung über die Erstattung von im Jahr 2019 geleisteten Zuzahlungen. Das entsprechende Feststellungsbegehren des Klägers (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 9) erweist sich wegen der gegen einen solchen Verwaltungsakt zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage als unzulässig (Subsidiarität der Feststellungsklage).

Soweit der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren erweitert hat und nunmehr auch die Erstattung von Zuzahlungen für das Jahr 2017 begehrt (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 10), liegt darin nicht lediglich eine bloße Klageerweiterung im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Denn der Kläger hat mit diesem neuen Zuzahlungszeitraum ein neues und selbständiges Begehren in den Rechtstreit eingeführt. Im Jahr 2017 geleistete Zuzahlungen waren nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Die Beklagte hat der Änderung nicht zugestimmt, auch nicht durch rügelose Einlassung nach § 99 Abs. 2 SGG. In ihrem Schriftsatz vom 5. Mai 2021 ist sie auf die nunmehr vom Kläger geltend gemachte Erstattung von Zuzahlungen für das Jahr 2017 nicht konkret eingegangen und hat nur bezüglich der bereits früher geltend gemachte Erstattungsforderung auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen. Der Sachdienlichkeit der Antragserweiterung steht bereits die Unzulässigkeit des erweiterten Antrags entgegen. Die Sachurteilsvoraussetzung der funktionellen (instanziellen) Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist für den erweiterten Antrag nicht gegeben, unabhängig davon, dass weder eine Entscheidung der Beklagten noch des SG über diesen Anspruch vorliegt. Diese wird nicht schon durch eine zulässige Antrags- oder Klageänderung begründet. Die Landessozialgerichte entscheiden nach § 29 Abs. 1 SGG grundsätzlich im zweiten Rechtszug über die Berufung gegen die Urteile und die Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte. Für eine erstinstanzliche Entscheidung über die neu eingeführten Begehren ist der Senat nicht zuständig (vgl. auch BSG, Urteile vom 23. April 2015 – B 5 RE 23/14 R – juris, Rn. 12, vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R – juris, Rn. 14 und vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 113/00 R – juris, Rn. 17). Denn über die Erstattung von Zuzahlungen im Jahr 2017 entschied das SG nicht. Für das insoweit geltend gemachte Feststellungsbegehren des Klägers (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 7) gilt entsprechendes. Insoweit liegt im Übrigen kein feststellungsfähiges Sachbegehren vor. Es bezieht sich auf mögliche Anspruchsvoraussetzungen, die im Rahmen des Leistungsanspruchs inzident zu prüfen und nicht gesondert festzustellen sind.

Soweit der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren darüber hinaus insoweit erweitert hat, als er nunmehr auch die Verurteilung der Beklagten begehrt, ihm Auskunft und nähere Informationen über die verarbeiteten, ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 3) sowie ihm Schadensersatz wegen der bisher nicht erteilten Auskunft zu gewähren (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 4), hat er gleichermaßen ein neues und selbständiges Begehren in den Rechtsstreit eingeführt. Dieses Begehren war ausweislich der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Anträge nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Auch insoweit hat die Beklagte der Erweiterung der Klage nicht zugestimmt und der Sachdienlichkeit der Antragserweiterung steht die Unzulässigkeit des erweiterten Antrags entgegen. Weder ist die instanzielle Zuständigkeit des LSG gegeben noch liegt eine Entscheidung der Beklagten und des SG vor. Über das Auskunftsbegehren hat die Beklagte zunächst durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Eine solche Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte bisher nicht getroffen. Die Beklagte hat die Auskunft daher noch nachzuholen. Dass die Beklagte es dem Grunde nach ablehnt, eine solche Auskunft zu erteilen, bspw. weil sie sich hierzu nicht verpflichtet sieht, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Auch der Kläger hat solches nicht behauptet. Das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsbegehren („Zwischenfeststellung…., dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ….. Auskunft zu erteilen“) erweist sich mithin mangels Feststellungsinteresses gleichermaßen als unzulässig.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr auch einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 26. Dezember 2018 bis 28. Februar 2019 (Differenzbetrag aus Krankengeld und Rente; Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 20221, Antrag Nr. 2) geltend macht, steht der Sachdienlichkeit der Antragserweiterung auch insoweit die Unzulässigkeit des erweiterten Antrags entgegen. Der Sache nach macht der Kläger mit diesem Begehren die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 15. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2019 geltend, mit dem die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für die Arbeitsunfähigkeit ab 14. November 2018 ablehnte. Dieser Klage steht jedoch die Rechtshängigkeit der am 29. März 2019 vor dem SG erhobenen Klage S 9 KR 865/19 entgegen (Berufung beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen L 4 KR 1048/20). Während der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG unzulässig (prozessuale Sperrwirkung; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 1/15 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil vom 26. April 2016 – B 2 U 13/14 R – juris, Rn. 18 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 17/13 R – juris, Rn. 17). § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG verbietet, die Sache „anderweitig“ anhängig zu machen. Dies ist dann der Fall, wenn der Streitgegenstand erneut gerichtlich geltend gemacht wird, sei es bei einem anderen Gericht desselben oder eines anderen Rechtswegs oder bei demselben Gericht (vgl. nur Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 94 Rn. 7 ff.). Eine doppelte Rechtshängigkeit führt zur Unzulässigkeit des zeitlich später anhängig gewordenen Verfahrens.

c. Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Dem Kläger stehen die mit seinen Klagebegehren geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus. Der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es ablehnte, dem Kläger über den 11. April 2018 hinaus Krankengeld zu zahlen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert (Satz 2).

Für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, endet ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Diese Vorschrift regelt u.a. das Zusammentreffen von Krankengeld und Rente wegen voller Erwerbsminderung und soll den Doppelbezug dieser Leistungen, die dem gleichen Zweck dienen, nämlich dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, verhindern.

Die Voraussetzungen dieser Regelung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 bewilligte die DRV Bund dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 25. Februar 2021, mithin eine gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld vorrangige Leistung. Mit Bewilligung dieser Leistung endete der Anspruch auf Krankengeld ab dem Beginn der konkurrierenden Leistung, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch erfüllt gewesen sein sollten. Ein Anspruch auf Krankengeld bestand für den Kläger daher ab dem 1. Januar 2016 (rückwirkend) nicht mehr, mithin nicht für die Arbeitsunfähigkeit ab 10. Juli 2017 und damit auch nicht über den 11. April 2018 hinaus für die Dauer von insgesamt 78 Wochen. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V bestimmt insoweit, dass neben der Rente wegen voller Erwerbsminderung jeglicher Krankengelbezug ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 30. Mai 2006 – B 1 KR 14/05 R – juris, Rn. 11). Mit Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Januar 2016 bis 25. Februar 2021 fiel der Anspruch auf Krankengeld in diesem Zeitraum rückwirkend weg. Im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V „bezog“ der Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung in dem Zeitraum, für den sie bewilligt wurde und für den sie vom Kläger im rentenversicherungsrechtlichen Sinn beansprucht werden kann. Der im Rentenbescheid festgesetzte Zeitpunkt des Rentenbeginns darf dabei nicht mit dem Datum des Rentenbescheids verwechselt werden, der insoweit nicht maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 31/09 R – juris, Rn. 13 ff.). Für die Zeiten, in denen die Beklagte das Krankengeld bereits an den Kläger ausbezahlt hatte, kann die Beklagte gegenüber dem Rentenversicherungsträger gemäß § 103 SGB X einen Erstattungsanspruch geltend machen, hingegen kann sie den Unterschiedsbetrag zwischen der Rente wegen voller Erwerbsminderung und dem höheren Krankengeld (sog. Spitzbetrag) gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vom Kläger zurückfordern.

Das SG ging im Hinblick auf den Ausschlusstatbestand des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V daher zutreffend davon aus, dass aufgrund der Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht (mehr) entscheidungserheblich ist, ob für die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 10. Juli 2017 die Anspruchshöchstdauer für Krankengeld am 14. Dezember 2017 bereits erreicht war, weil der Kläger – wovon die Beklagte ausging – innerhalb der Blockfrist vom 12. April 2015 bis 11. April 2018 bereits für insgesamt 78 Wochen Krankengeld bezogen hatte. Es bedarf an dieser Stelle daher keiner Ausführungen dazu, ob die Beklagte zutreffend entschied, dass die Anspruchshöchstdauer für Krankengeld am 14. Dezember 2017 erreicht war.

Mangels Anspruch auf Krankengeld über den 11. April 2018 hinaus, scheiden die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Verzinsung und Schadensersatz schon von vorneherein aus, weshalb auch insoweit keine Ausführungen erforderlich sind.

(2) Die vom Kläger geltend gemachten Datenschutzverletzungen liegen nicht vor.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebungen ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Datenerhebung maßgeblich (vgl. allgemeinen zum Geltungszeitraumprinzip BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 31/18 R – juris, Rn. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 8. Mai 2019 – B 14 AS 13/18 R – juris, Rn. 11; Senatsurteil vom 21. Mai 2021 – L 4 KR 1203/19 – juris, Rn. 47 m.w.N.). An den Vorgaben der am 24. Mai 2018 in Kraft getretenen DSGVO (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) ist daher nur die vom Kläger beanstandete Rückfrage der Beklagten bei der DRV Bund ausweislich der E-Mail vom 4. Februar 2019 zu messen, während die vor Inkrafttreten der DSGVO im Vorfeld des Bescheids vom 6. April 2018 erfolgte Datenerhebung der Beklagten bei der TGKK allein nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist.

Die vom Kläger geltend gemachten Datenschutzverletzungen liegen nicht vor, weder im Hinblick auf die bei der TGKK angeforderten Sachverhalte (hierzu aa) noch in Bezug auf die Rückfrage der Beklagten bei der DRV Bund ausweislich der E-Mail vom 4. Februar 2019 (hierzu bb).

aa. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I in der bis 24. Mai 2018 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13. Juni 1994 (BGBl. I, S. 1229 [im Folgenden: a.F.]) hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs. 1 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Gemäß § 35 Abs. 2 SGB I a.F. ist eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches zulässig, mithin nach den Regelungen der §§ 67 ff. SGB X.

Die Beklagte ist Leistungsträgerin im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Die Sachverhalte, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juli 2017 bei der TGKK mit Anspruch auf Krankengeld versichert war, wann er innerhalb dieses Zeitraums wegen welcher Diagnose arbeitsunfähig war und welche Art von Entgeltersatzleistungen er in welchem konkreten Zeitraum bezogen hat, sind Sozialdaten gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (a.F.). Denn es handelt sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle (s.o.) im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet oder genutzt worden sind (dazu sogleich). Die Beklagte hat diese Sozialdaten des Klägers erhoben. Erheben ist gemäß § 67 Abs. 5 SGB X a.F. das Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Die Beklagte hat die in Rede stehenden Sozialdaten über den Kläger bei der TGKK beschafft, also erhoben.

Hierbei handelte die Beklagte nicht unbefugt. Denn das Erheben von Sozialdaten durch die Krankenkassen ist gemäß § 284 Nr. 4 SGB V zulässig, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und die Erbringung von Leistungen an Versicherte einschließlich der Voraussetzungen von Leistungsbeschränkungen erforderlich sind. Dies war vorliegend der Fall. Für die Beklagte als zuständigen Leistungsträger für die Gewährung von Krankengeld war zur Prüfung des vom Kläger beanspruchten Krankengeldes die Kenntnis der erhobenen Sozialdaten erforderlich. Denn im Hinblick auf die Regelung des § 48 Abs. 1 SGB V, die eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Krankengeld auf 78 Wochen für dieselbe Krankheit (Satz 1) und während einer Arbeitsunfähigkeit hinzugetretene Krankheiten vorsieht (Satz 2), war sowohl die Kenntnis der Vorerkrankungszeiten des Klägers in Ö als auch die dortigen Vorbezugszeiten von Krankengeld erforderlich. So ist die Erfüllung der Voraussetzungen unter denen ein Anspruch auf Krankengeld besteht bzw. unter denen dieser Anspruch zeitlich begrenzt wird, nicht auf das inländische Hoheitsgebiet begrenzt. Insoweit sieht Art. 5 VO (EG) 883/2004 vielmehr eine Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen vor, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat stattgefunden haben. So regelt Art. 5 lit. b. das Folgende: Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Dementsprechend sind bei der Prüfung der nach inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen für Krankengeld auch Krankheiten zu berücksichtigen, die zuvor in Ö bereits zu Arbeitsunfähigkeit führten und dort einen Anspruch auf Krankengeld begründet haben. Die Erhebung der bei der TGKK angeforderten Sozialdaten durch die Beklagte war daher zur Erbringung des vom Kläger geltend gemachten Krankengelds gemäß §§ 44, 48 SGB V erforderlich. Soweit der Kläger meint, die Beklagte hätte die in Rede stehenden Sozialdaten nicht unmittelbar bei der TGKK einholen dürfen, sie hätte diese stattdessen über die Verbindungsstelle der Krankenkassen einholen müssen, trifft dies nicht zu. Denn nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO [EG] 987/2009) stellen die Träger unverzüglich all jene Daten, die zur Begründung und Feststellung der Rechte und Pflichten der Personen, für die die Grundverordnung gilt, benötigt werden, zur Verfügung oder tauschen diese ohne Verzug aus. Nach Satz 2 der Regelung werden diese Daten zwischen den Mitgliedstaaten entweder unmittelbar von den Trägern selbst oder mittelbar über die Verbindungsstellen übermittelt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die erforderlichen Sozialdaten unmittelbar bei dem österreichischen Krankenversicherungsträger, der TGKK, und nicht über die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (vgl. § 219a SGB V) erhob.

Die Beklagte war auch zur Verarbeitung und Nutzung der erhobenen Sozialdaten berechtigt. Gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X a.F. ist die Verarbeitung von Sozialdaten und deren Nutzung nur zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift in diesem Sozialgesetzbuch es erlauben oder anordnen oder soweit der Betroffene eingewilligt hat (zur Einordnung der Norm als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 65/11 R – juris, Rn. 18).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch Unterzeichnung des Formblatts der Beklagten „Einwilligung zur Inanspruchnahme individueller Beratung und Hilfestellung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und die damit verbundene Datenerhebung, -speicherung und -nutzung“ am 31. August 2017 in die Nutzung der in Rede stehenden Sozialdaten einwilligte, wovon das SG und offenbar auch der Kläger ausgingen. Zwar erklärte sich der Kläger damit u.a. mit der Nutzung von „Medizinischen Informationen von meinen behandelnden Ärzten“ sowie „Medizinischen Informationen für die Beantragung einer medizinischen oder beruflichen Rehabilitation“ einverstanden. Allerdings nutzte die Beklagte die in Rede stehenden Sozialdaten zur Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld und damit – soweit vorliegend von Belang – gerade nicht zweckentsprechend für eine Beratung und Hilfestellung zur Wiederherstellung von Arbeitsfähigkeit bzw. für die Beantragung einer medizinischen oder beruflichen Rehabilitation.

Auf die Einwilligung des Klägers kommt es vorliegend allerdings nicht an, da mit der Regelung des § 284 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB V ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand vorliegt. Danach ist die Verarbeitung und Nutzung der rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten nach Abs. 1 für die Zwecke der genannten Aufgaben erlaubt, soweit dies erforderlich ist. Dies war vorliegend der Fall. Wie bereits dargelegt, war die Nutzung der bei der TGKK erhobenen Sozialdaten zur Prüfung der Dauer des vom Kläger beanspruchten Krankengeldes erforderlich. Der Krankengeldanspruch des Klägers für die am 10. Juli 2017 eingetretene Arbeitsunfähigkeit war angesichts der zeitlichen Begrenzung des Leistungsanspruchs wegen derselben Krankheit auf die Dauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren (§ 48 Abs. 1 SGB V) davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitraum beim Kläger wegen derselben Krankheit zuvor bereits Arbeitsunfähigkeit in einem anderen Mitgliedstaat bestand und ob deshalb bereits Krankengeld bezogen wurde. Im Hinblick auf Art. 5 lit. b VO (EG) Nr. 883/2004 waren die in Ö zurückgelegten Vorerkrankungs- und Krankengeldbezugszeiten so zu berücksichtigen, als ob die Krankheit im Inland eingetreten wäre und im Inland Krankengeld gezahlt worden wären. Eine Datenschutzverletzung lag somit nicht vor.

bb. Eine Datenschutzverletzung lässt sich auch aus dem der E-Mail vom 4. Februar 2019 zugrundeliegenden Sachverhalt nicht herleiten. Mit dieser E-Mail informierte eine Mitarbeiterin der Beklagten den Kläger, dass sie bei der DRV Bund nach dem Stand des Rentenverfahrens (gemeint wohl: Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung) gefragt und die Mitteilung erhalten habe, dass über den Widerspruch nunmehr entschieden worden sei, sie – die Mitarbeiterin der DRV Bund – aus Datenschutzgründen jedoch zum Inhalt des Widerspruchsbescheids nichts mitteilen wolle.

Der dargelegte Sachverhalt lässt einen Verstoß gegen die DSVGO nicht erkennen.

Nach Art. 1 Abs. 1 DSVGO enthält die Verordnung Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 4 Nr. 2 DSVGO bezeichnet im Sinne der Verordnung der Ausdruck „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

Im Sinn dieser Regelung erfolgte seitens der Beklagten keine Verarbeitung personenbezogener Daten. Soweit sich die Mitarbeiterin der Beklagten im Hinblick auf den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung an die DRV Bund wandte und nach dem Stand des Verfahrens fragte, mag diese Anfrage zwar mit dem Ziel erfolgt sein, in Erfahrung zu bringen, mit welchem Ergebnis das Verwaltungsverfahren über den Rentenantrag des Klägers abgeschlossen wurde, und dadurch personenbezogene Daten zu beschaffen, mithin solche Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSVGO zu erheben. Eine derartige Datenerhebung erfolgte tatsächlich jedoch nicht. Denn die Mitarbeiterin der DRV Bund lehnte das vorgebrachte Anliegen unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken ab und verhinderte damit gerade die entsprechende Datenbeschaffung/-erhebung und somit eine Verarbeitung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten.

Ein Schadensersatzanspruch unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung scheidet damit bereits mangels Pflichtverletzung der Beklagten aus. Gleiches gilt für die behauptete, aber nicht feststellbare Verletzung der Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftsrechte des Klägers.

(3) Dem Kläger steht wegen behaupteter Diskriminierungen keine Entschädigung zu.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte gegen Benachteiligungsverbote wegen der Behinderung des Klägers verstoßen haben könnte. Die Anwendung der als solche nicht diskriminierenden gesetzlichen Regelungen durch die Beklagte stellt keine benachteiligende Diskriminierung dar, insbesondere auch dann nicht, wenn sie den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht tragen und mit seiner Rechtsauffassung nicht in Einklang stehen. Soweit er seinen Entschädigungsanspruch auf die Regelungen des AGG und dabei insbesondere auf § 15 AGG stützt, sind diese Vorschriften auf die Rechtsbeziehung des Klägers zur Beklagten nicht anwendbar. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (Satz 2). Nach Abs. 2 Satz 1 der Regelung kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehältern nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (Satz 2). Diese Regelungen machen deutlich, dass der Anwendungsbereich des AGG nicht eröffnet ist. Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert, steht bei dieser jedoch nicht in einem Arbeitsverhältnis.

Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch ist die Anwendung des AGG sogar ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AGG; Broy in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: Februar 2020, § 2 AGG Rn. 57; BT-Drs. 16/1780, S. 32). Nach dieser Vorschrift gilt für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch § 33c SGB I und § 19a SGB IV. § 33c SGB I bestimmt: Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden (Satz 1). Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind (Satz 2). § 19a SGB IV lautet wie folgt: Bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung, der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung betreffen, darf niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden (Satz 1). Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind (Satz 2). Auch hieraus lassen sich keine Gesichtspunkte zur Begründung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs wegen Benachteiligung aus Gründen seiner Behinderung herleiten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Außergerichtliche Kosten des Klägers und etwaige Zinsen (Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 2021, Antrag Nr. 17) sind nicht zu erstatten.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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