L 20 SF 203/22 AB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 SF 203/22 AB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Das Gesuch des Beklagten, „die Vorsitzende Richterin  W (Berichterstatterin) sowie die übrigen Mitglieder des 20. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seiner aktuellen Besetzung wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen“, wird als unzulässig verworfen.

 

 

Gründe

 

Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig.

 

Der Senat kann abweichend von § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung über das Gesuch entscheiden.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschlüsse vom 12. Juli 1986, 1 BvR 713/831 BvR 1190/84 und 1 BvR 497/85; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 01. März 1993, B 12 RK 45/92; juris).

 

In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungs-gesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl. BSG, Beschluss vom 7. September 2016 – B 10 SF 2/16 C –, juris Rn. 3;  BVerfG, Beschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - Juris Rn. 30; BVerfG NJW 2007, 3771;  Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13/13 - NJW 2014, 953 Rn. 7; Bundesfinanzhof [BFH], NJW 2009, 3806 mwN; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2017, § 60 Rn. 10d mwN). Um ein solches offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl. BVerfG a.a.O.; BSG a.a.O.; BFH a.a.O.). 

 

So liegt es hier: Der Beklagte hat alle Richter des Senats abgelehnt, die ggf. im Rahmen einer nach § 153 Abs. 4 SGG zu treffenden Entscheidung geschäftsplanmäßig zur Mitwirkung bestimmt wären, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung geeignet wären, eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers zu begründen.

 

Im Kern richtet sich der Vorwurf des Beklagten allein darauf, dass im Rahmen der erfolgten Anhörung nach § 153 Abs. 4 SGG der Senat zu erkennen gegeben habe, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet halte, dies jedoch nach Ansicht des Beklagten zumindest rechtlich fragwürdig bzw. nicht haltbar und im Erörterungstermin vom 24. März 2022 in Bezug auf das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nicht eingehend erörtert worden sei.

 

Bereits die schlichte Äußerung einer Rechtsauffassung im Rahmen eines Verfahrens begründet bei vernünftiger Betrachtung noch kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters. Ein Ablehnungsgesuch ist nämlich kein Mittel, sich gegen die für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung eines Richters oder des Spruchkörpers zu wenden  (BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2007, 7 B 23/07, 7 B 3/07 zit. nach Juris). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die geäußerte Auffassung schlechthin unvertretbar wäre und man daraus auf eine unsachliche Einstellung gegenüber dem Beklagten schließen könnte.

 

Solche Umstände liegen hier indessen nicht vor. Zum einen handelt sich noch nicht einmal um eine geäußerte Rechtsauffassung, sondern zunächst nur um die mit gerichtlicher Verfügung 27. Oktober 2022 erfolgte Anhörung der Beteiligten im Rahmen des § 153 Abs. 4 SGG. Zum anderen sind von der Rechtsansicht des Beklagten abweichende, offensichtlich vertretbare und vertretene Rechtsauf-fassungen bereits Grundlage von Gerichtsentscheidungen geworden. Insoweit verweist der Senat auf die von ihm beigezogenen Akten des 18. Senats (L 18 AS 584/22), den Beteiligten mitgeteilt unter dem 5. September 2022, sowie auf die zuletzt vom Klägerbevollmächtigen mit Schriftsatz vom 25. November 2022 übersandten Verfahrensunterlagen aus dem 4. Senat (L 4 AS 673/22 B ER, Beschluss vom 8. November 2022).

 

Da das Ablehnungsgesuch somit offensichtlich unzulässig ist, bedarf es auch keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter und war durch Beschluss zu verwerfen.

 

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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