L 6 U 2/22

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 23 U 60/18
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 2/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Berechnungen der Präventionsabteilung sind auch ohne Rüge kritisch und ergebnisoffen zu prüfen (§ 103 SGG).
2. Eine Expostion im Rahmen einer Tätigkeit der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. DDR 1973, S. 199) ist im Rahmen der Feststellung der arbeitstechnischen Vorraussetzungen einer Berufskrankheit nicht zu berücksichtigen.

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Der 1943 geborene Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 5103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 5103).

 

Am 4. Juli 2017 erstattete die Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. S. eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit und verwies auf einen chronischen Lichtschaden mit mehr als sechs aktinischen Keratosen. Die Beschwerden seien erstmals am 6. April 2017 aufgetreten. Sie führe diese auf die langjährige, regelmäßige berufliche Exposition mit ultravioletten Strahlen zurück. Eine pathologische Untersuchung bestätigte die Diagnose zystisches Basaliom sowie aktinische Keratose.

 

Auf Nachfrage teilte der Kläger mit, vom 15. August 1997 bis 31. Juli 2000 für den Sportverein H. auf ABM-Basis gearbeitet zu haben. Die Tätigkeit habe zu sechs Stunden pro Tag im Freien stattgefunden. Er habe Kinder und Jugendliche im Triathlon betreut. Als Sonnenschutz hätten eine Läufermütze und Sonnencreme zur Verfügung gestanden. Weiterhin sei er selbst von 1957 bis 1979 im Radsport sowie anschließend bis heute im Triathlon aktiv gewesen.

 

In einer Stellungnahme führte die Präventionsabteilung der Beklagten am 25. Oktober 2017 aus, der Kläger sei (nach Abschluss seines Studiums bis zum Beginn des Wehrdienstes) zunächst vom 1. September 1967 bis 31. Oktober 1967 als Mitarbeiter in der Produktionsleitung des Kreislandwirtschaftsrates H. ca. 4 Stunden täglich im Freien tätig gewesen. Hierfür setzte die Präventionsabteilung 18,6 standardisierte Erythemdosen (SED) an. Weiterhin seien im Rahmen der Arbeit für den Sportverein H. Tätigkeiten im Freien angefallen. Hier habe der Kläger organisatorische Aufgaben gehabt und zudem von 14:00 bis 16:00 Uhr das Training der Kinder und Jugendlichen geleitet. Dieses hätte im Wesentlichen im Freien stattgefunden. Bis zum Jahre 2006 habe er zudem im Anschluss daran Dienstag und donnerstags ehrenamtlich das Training übernommen. Die Zeit vom 15. August 1997 bis 31. Juli 2000 wurde mit 5 Tagen die Woche und 2 Stunden/Tag berücksichtigt (Gesamtdosis 237,9 SED). Für den anschließenden Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Dezember 2006 seien ebenfalls Tätigkeiten des Klägers als Übungsleiter an 2 Tagen pro Woche jeweils 2 Stunden/Tag im Freien angefallen, so dass sich insgesamt eine Exposition von 204,1 SED ergebe.

 

Die Präventionsabteilung führte weiter aus, die durchschnittliche private Lebensdosis an ultravioletter (UV)-Strahlung betrage bei dem bei Erkrankungsbeginn 74 Jahre alten Kläger 9620 SED (74X130 SED). Denn ein in Deutschland lebender Mensch, der nicht im Freien arbeite, sei während eines Jahres durchschnittlich ungefähr 130 SED natürlichen Ursprungs (Sonne) exponiert (Hinweis auf Wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ [Bek. des BMAS vom 1. Juli 2013 - IVa4-45222-Hautkrebs durch UV-Licht - GMBl. 12. August 2013, 671-693] S. 30; im Weiteren nur auf Wissenschaftliche Begründung BK 5103). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen gälten als erfüllt, wenn zur privaten Exposition zumindest ein beruflicher Lebensanteil von 40 % hinzukomme (d.h. hier: 3848 SED). Die gesamte berufliche Exposition des Klägers liege bei 461 SED, so dass die Mindestexposition nicht erfüllt sei. In einer Stellungnahme kam der Landesgewerbearzt Dr. S. zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 5103 nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung dieser Berufskrankheit ab.

 

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und rügte die fehlende Nachvollziehbarkeit der Berechnungen der Präventionsabteilung. Weiterhin sei der Wehrdienst in die Betrachtung einzubeziehen. Zudem habe er auch Trainingslager für den Nachwuchs durchgeführt. Die berufliche und versicherte Exposition sei hier doch wohl unbestritten. Weiter kritisierte der Kläger, dass seine Schul- und Ausbildungszeiten nicht berücksichtigt wurden. Schließlich legte der Kläger Trainingspläne für ein Trainingslager auf M. im Jahre 2001 vor. Der SV H. teilte im Weiteren mit, Unterlagen zu den Trainingslagern seien nicht mehr vorhanden. Auch der Kläger gab an, hierzu nichts weiter zu haben.

 

Im Weiteren berücksichtigte die Präventionsabteilung in einer Stellungnahme vom

 

7. März 2018 vier Aufenthalte in Trainingslagern, die der Kläger als Übungsleiter begleitet hatte. Dadurch erhöhte sich die berufliche Belastung von 461 auf 530 SED. Dabei ging sie davon aus, dass sich der Kläger zu etwa 70 % seiner Tätigkeit im Freien aufgehalten habe. Mehrere Trainingslager im Ausland als Übungsleiter wurden mit jeweils 3,9 SED, 29,8 SED, 27,9 SED und 7,9 SED berücksichtigt. Wie zuvor wurde die Tätigkeit als Übungsleiter vor Ort im Zeitraum vom 15. August 1997 bis 31. Juli 2000 mit 237,9 SED (5 Tage/Woche, 2 Stunden/Tag) sowie in der Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Dezember 2006 (2 Stunden/Tag an 2 Tagen/Woche) mit 204,1 SED angerechnet. Insgesamt sei eine berufliche Exposition im Umfang von 1402 SED anzunehmen. Dies liege weiterhin deutlich unter dem Grenzwert von 3848 SED. Mit Bescheid vom 28. Mai 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und begründete dies mit der nicht ausreichenden Exposition.

 

Hiergegen hat der Kläger am 18. Juni 2018 Klage erhoben und eine unzureichende Ermittlung der belastenden Zeiten kritisiert. Es sei zu ermitteln, in welchem Umfang er privat bzw. beruflich Sonnenlicht ausgesetzt gewesen sei. Die Feststellung, er habe in großen Teilen seines Berufslebens überwiegend im Büro gearbeitet, sei nicht ausreichend. Schließlich müsse die Wehrdienstzeit berücksichtigt werden. Weiterhin hat der Kläger eine Aufstellung eingereicht, in der er seine beruflichen Tätigkeiten im Freien aufgelistet hat.

 

In ihrer dritten Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 27. Dezember 2019 berücksichtigte die Präventionsabteilung der Beklagten für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1962 (Berufspraktikum) eine Exposition von 288,8 SED (fünf Tage pro Woche bei 7 Stunden Arbeit im Freien pro Tag). Für die Zeit vom 1. Januar 1963 bis 22. Juli 1967 - Student in der Praxisphase - hat sie mit einer hälftigen Tätigkeit im Freien an 5 Tagen pro Woche 697,6 SED errechnet. Damit hat sich eine berufliche Exposition von 2786 SED ergeben. Hierbei hat die Beklagte jeweils die Angaben des Klägers ohne Abschläge zugrunde gelegt.

 

Im Weiteren hat der Kläger eine Bescheinigung von J. P. zu seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Übungsleiter ab Mai 1969 vorgelegt. Er hat weiterhin auf § 220 Abs. 3 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (vom 16. Juni 1977, GBl. DDR I S. 185) hingewiesen, wonach Unfälle bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen und/oder sportlichen Tätigkeiten Arbeitsunfällen bei beruflicher Tätigkeit gleichgestellt seien. Die Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes sei in der entsprechenden Verordnung vom 11. April 1973 geregelt. Dazu habe insbesondere auch die sportliche Tätigkeit gehört.

 

Mit Urteil vom 18. November 2021 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die nicht ausreichende Exposition hingewiesen. Insbesondere seine ehrenamtliche Tätigkeit könne nicht berücksichtigt werden. Hier habe kein Beschäftigungsverhältnis bestanden. Auch die Kriterien für eine sogenannte Wie-Beschäftigung seien nicht erfüllt. Eine Berücksichtigung der Zeiten bei der NVA ändere am Gesamtergebnis nichts. Daraus ergebe sich maximal eine zusätzlich zu berücksichtigende Zeit von 255 SED und eine Gesamtbelastungsdosis von maximal 3041 SED. Dies liege weiterhin unter dem Referenzwert.

 

Gegen das ihm am 30. Dezember 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Januar 2022 Berufung eingelegt und ausgeführt, er leide unstreitig an einer für die eingeklagte Berufskrankheit typischen Erkrankung. Aufgrund der zu berücksichtigenden Zeiten des Dienstes bei der NVA sei ein sehr viel höherer Wert zugrunde zu legen als es das Sozialgericht getan habe. Die Gesamtbelastungsdosis nähere sich deshalb erheblich dem notwendigen Wert an. Auch die ehrenamtliche Tätigkeit sei zu berücksichtigen. Insoweit hat der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2021 und den Bescheid den Beklagten vom 11. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2018 aufzuheben und festzustellen, dass seine Erkrankung an aktinischen Keratosen ab dem 6. April 2017 eine Berufskrankheit nach der Nr. 5103 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Wehrdienstzeit gemäß § 215 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (in der Fassung vom 25. Juli 1991, BGBl. 1991, 1606 - RVO) zu berücksichtigen sei. Insoweit habe das Sozialgericht diese Zeit jedoch quantitativ richtig bewertet. Sie hat gleichwohl eine sogenannte „Worst-Case“ Berechnung für diesen Zeitraum mit 365 SED vorgelegt.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe:

 

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat durch den vom Vorsitzenden ernannten Berichterstatter entscheiden (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Denn die Streitsache ist tatsächlich und rechtlich einfach. Schwierige Rechtsfragen haben die Beteiligten nicht aufgeworfen. Über diese konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

 

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

 

Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

Die Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 5103.

 

Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (sogenannte Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Insoweit ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Auf dieser Grundlage sind unter der Nr. 5103 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ als Berufskrankheit anerkannt (Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 22. Dezember 2014, BGBl. I S. 2397 mit Wirkung zum 1. Januar 2015).

 

Aus den gesetzlichen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-Berufskrankheit im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Berufskrankheiten einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnliches auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) haben und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ (bzw. bei Berufskrankheiten die „arbeitstechnischen Voraussetzungen“) und die „Krankheit“ i.S.d. Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Mit dem in der Rechtsprechung und Literatur verwendeten Begriff der „arbeitstechnischen Voraussetzungen“ sind die für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit erforderlichen besonderen Einwirkungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gemeint. Es geht darum, welche Einwirkungen vorgelegen haben und wie sie beschaffen sein müssen, um von einer beruflichen Ursache der eingetretenen Erkrankung ausgehen zu können.

 

Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings eine bloße Möglichkeit (BSG, 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 16, m.w.N.). Dabei ist der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R, juris, m.w.N.).

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die aktinischen Keratosen bei dem Kläger durch eine versicherte Tätigkeit verursacht worden ist. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen können nicht festgestellt werden, wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat.

 

Normative Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer enthält der Tatbestand der BK 5103 zwar nicht. Aktinische Keratosen kommen jedoch in hellhäutigen Bevölkerungen sehr häufig vor und zeigen in Regionen mit hoher solarer UV-Einstrahlung eine sehr viel höhere Prävalenz als in Regionen mit mäßiger UV-Belastung (Wissenschaftliche Begründung BK 5103, a.a.O., S. 6). In Europa wurde danach in einer Studie aus Großbritannien in der erwachsenen Bevölkerung eine Prävalenz aktinischer Keratosen von 15 % bei Männern und von 6 % bei Frauen berichtet (Memon et al. 2000). Im Alter von über 70 Jahren betrug die Prävalenz aktinischer Keratosen 34 % bei Männern und 18 % bei Frauen. Eine sehr viel höhere Prävalenz von aktinischen Keratosen wird weiter aus Australien (Queensland) in der hellhäutigen Bevölkerung berichtet (Frost et al. 2000): Bei 30-70 Jahre alten Personen wurden bei 55% der Männer und 37 % der Frauen aktinische Keratosen festgestellt (zu allem Wissenschaftliche Begründung BK 5103, a.a.O., S. 6).

 

Da die BK 5103 von dieser „Volkskrankheit“ Hautkrebs abzugrenzen ist, muss der jeweilige Versicherte bei der versicherten Tätigkeit der Einwirkung einer natürlichen UV-Strahlungsmenge ausgesetzt gewesen sein, die über die gewöhnliche Strahlungsbelastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht. Erst bei dieser zusätzlichen Strahlungsmenge handelt es sich um die „besonderen Einwirkungen“, die in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorausgesetzt und üblicherweise als „arbeitstechnische Voraussetzungen“ bezeichnet werden. Nach der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 5103 (a.a.O., S. 29) stützen epidemiologische Studien zunächst die Annahme, dass in Deutschland Beschäftigte mit langjähriger Außentätigkeit im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein im Durchschnitt um etwa 100 % höheres Risiko für die Entwicklung von kutanen Plattenepithelkarzinomen haben. Im Einzelfall ist deshalb eine belastbare Erhebung von nichtarbeitsbedingter und arbeitsbedingter UV-Exposition erforderlich. Auf der Grundlage klinischer Erfahrungen und epidemiologischer Studien und den sich hieraus zurzeit ergebenden bestverfügbaren wissenschaftlichen Daten geht die Wissenschaftliche Begründung von einer Konvention aus, nach der eine Verdoppelung des Plattenepithelkarzinomrisikos bei einer zusätzlichen durch die Außentätigkeit bedingten kumulierten UV-Exposition i.H.v. 40 % der nicht arbeitsbedingten lebenslangen UV-Exposition vorliegt (Wissenschaftliche Begründung zur BK 5103, a.a.O., S. 29). Diese Konvention entspricht auch weiterhin dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand (LSG Niedersachsen-Bremen - L 3 U 1/17, juris Rn. 28 m.w.N.; SG Osnabrück, 23. Juni 2021 - S 19 U 62/16, juris). Dem schließt sich der Senat an (siehe auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, 1204 ff; Heepenstrick, DGUV-Forum 9/19, 30).

 

Die so definierten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 5103 können zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Der Senat unterstellt dabei zu Gunsten des Klägers, dass die Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten zutreffen. Sie hat die Angaben des Klägers in tatsächlicher Hinsicht unverändert zugrunde gelegt. An der Berechnung hat der Kläger auch keine Kritik geäußert.

 

Eine gleichwohl rechtlich gebotene rechnerische Überprüfung dieser Annahmen (§ 103 SGG) unter Zugrundelegung einer Vollzeit-Tätigkeit im Freien führt sogar überwiegend zu niedrigeren Werten, was aber nicht entscheidungserheblich ist und daher offenbleiben kann. Der Senat geht dabei zu Kontrollzwecken von Folgendem aus: Bei einem im Freien Beschäftigen kommen durch die Arbeit nach bisherigen Erkenntnissen durchschnittlich (d. h. ganzjährig und ganztägig im Freien tätig, sogenannte volle Outdoorarbeitsjahre) 170 SED hinzu, wie sich aus den Messungen von Knuschke et al. (2008) ableiten lässt (Wissenschaftlichen Begründung zur BK 5103, a.a.O., S. 30). Für einen Beschäftigten lässt sich die individuelle, nicht arbeitsbedingte UV-Exposition mit 130 SED X Lebensalter und die arbeitsbedingte UV-Exposition mit durchschnittlich 170 SED X volle „Outdoorarbeitsjahre“ errechnen. Dies legt der Senat - nur zu Kontrollzwecken - zugrunde.

 

Die Präventionsabteilung berücksichtigte für den Zeitraum vom 1. September 1961 bis 31. Dezember 1962 (Berufspraktikum) eine Exposition von 288,8 SED (5 Tage pro Woche bei 7 Stunden Arbeit im Freien pro Tag). Sie legte damit die Schilderung des Klägers während des Klageverfahrens von September 2018 zugrunde (rechnerisch: 170 SED: 12 Monate X 16 Monate = 266,66 SED). Die Bewertung der Präventionsabteilung vom 27. Dezember 2019 geht allerdings von nicht bewiesenen und zweifelhaften Grundlagen aus. Der Kläger hat in seiner ersten, ursprünglichen Beschreibung andere Angaben gemacht. Beweismittel sind nicht ersichtlich. Zudem nach den Angaben des Klägers auch Arbeiten in der Milchproduktion, Melken, Entmisten und Einstreuen angefallen, so dass diese Tätigkeiten wohl nicht überwiegend im Freien angefallen sind. Dies kann aber offenbleiben.

 

Die Zeit vom 1. Januar 1963 bis 22. Juli 1967 - Tätigkeit als Student in der Praxisphase - wurde entsprechend den Angaben des Klägers mit einer hälftigen Tätigkeit im Freien an 5 Tagen pro Woche berücksichtigt (697,6 SED - rechnerisch: 170 SED X 5 Jahre: 2 [halbtags] = 425 SED).

 

Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Produktionsleitung des Kreislandwirtschaftsrates H.-S. vom 1. September bis 31. Oktober 1967 mit ca. 4 Stunden täglich im Freien hat die Präventionsabteilung mit 18,6 SED berücksichtigt (rechnerisch: 170 SED: 2 [Halbtags] X 2 Monate: 12 Monate = 14,1 SED).

 

Für die Zeit vom 1. Februar 1970 bis 31. Dezember 1992 als Fachreferent (jeweils 4 Stunden im Freien an 2 Tagen/Woche) errechnete die Präventionsabteilung 1268,80 SED (rechnerisch: 170 SED: 2 [Halbtags]: 5 Tage X 2 Tage X 22 Jahre = 748 SED). Dabei lässt der Senat dahingestellt, dass der Kläger hier ursprünglich „überwiegend Büro“ und keine Tätigkeit im Freien angegeben hatte.

 

Die Zeit vom 15. August 1997 bis 31. Juli 2000 wurde mit 5 Tagen/Woche und

 

2 Stunden/Tag berücksichtigt (Gesamtdosis 237,9 SED; rechnerisch: 170 SED: 4 X 3 Jahre = 127,5 SED).

 

Für den anschließenden Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Dezember 2006 waren nach Ansicht der Präventionsabteilung ebenfalls Tätigkeiten des Klägers als Übungsleiter an 2 Tagen pro Woche jeweils 2 Stunden/Tag im Freien angefallen, so dass sich insgesamt eine Exposition von 204,1 SED ergibt (rechnerisch: 170 SED: 10 [4 Stunden/Woche] X 6,5 Jahre = 110 SED). Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass eine Tätigkeit mit Schülern und Jugendlichen außerhalb der Schulzeiten stattfand und demgemäß nicht in der Mittagssonne, sondern häufig in den Abendstunden durchgeführt wurde. Damit fand sie insbesondere im Spätherbst und Winter nicht mehr exponiert statt. Auch dies lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit offen.

 

Mehrere Trainingslager im Ausland als Übungsleiter wurden mit jeweils 3,9 SED, 29,8 SED, 27,9 SED und 7,9 SED berücksichtigt.

 

Weiter zu berücksichtigen ist die Zeit bei der NVA (§ 215 Abs. 1 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO alte Fassung). Diese hat die Präventionsabteilung in einer „worst case“ Berechnung mit 365 SED berücksichtigt (rechnerisch: 170 SED: X 1,5 Jahre = 255 SED). Anzumerken ist, dass eine solche Berechnung der Präventionsabteilung allen anerkannten Beweisgrundsätzen zur Beweislast und zum Vorliegen eines Vollbeweises und der klaren Rechtsprechung des BSG (BSG, 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R, juris) widerspricht. Da der Wehrdienst überwiegend im Winter abgeleistet wurde und zudem Zeiten des Wachdienstes u.ä. enthält, ist diese Berechnung wenig überzeugend. Selbst wenn man hier aber - wie vom Kläger gefordert - die Tätigkeit eines Bauarbeiters als Vergleich zugrunde legen würde (300 SED X 1,5 = 450 SED), ergäbe sich keine insgesamt ausreichende Exposition.

 

Nach den Darlegungen der Präventionsabteilung errechnet sich eine Gesamtdosis von 3.151 SED, die der Senat zu Gunsten des Klägers zur Vereinfachung unterstellt. Die durchschnittliche private Lebensdosis an UV-Strahlung beträgt bei einem 74-jährigen 9620 SED. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen gelten damit als erfüllt, wenn zur privaten Exposition zumindest ein beruflicher Lebensanteil von 40 % hinzukommt (3848 SED). Davon ist der Kläger mit 3.151 SED selbst bei Zugrundelegung der günstigen Berechnungen der Beklagten deutlich entfernt. Es fehlen rund 700 SED, d.h. rund 4 Jahre mit einer vollzeitigen Berufstätigkeit im Freien.

 

Die ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers in der DDR ist nicht zu berücksichtigen. Sie steht nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in Art. 24 § 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (BGBl. II 518; dazu auch Raschke BG 1991, 153, 158; siehe auch § 1154 Abs. 3 RVO) einer versicherten Tätigkeit in der Bundesrepublik nicht gleich. Denn nach dem klaren Wortlaut sind nur Zeiten einer Beschäftigung gleichgestellt (BSG, 18. November 2008 - B 2 U 14/08 R, juris Rn. 21).

 

Insoweit knüpft der Gesetzgeber an die Rechtslage in der DDR an. Denn selbst wenn man hier das Recht der DDR anwenden würde, wäre die ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers danach entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu berücksichtigen. § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR bezeichnet als eine Berufskrankheit nur solche Erkrankungen, „die durch arbeitsbedingte Einflüsse der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird“. Es handelt sich bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit aber nicht um eine berufliche Tätigkeit und arbeitsbedingte Einflüsse in diesem Sinne. Der vom Kläger zitierte § 220 Arbeitsgesetzbuch der DDR betrifft nur Arbeitsunfälle.

 

Eine andere Norm, nach der der Kläger Schutz für den Versicherungsfall „Berufskrankheit“ haben könnte, ist nicht erkennbar. Eine Berücksichtigung der Exposition aus ehrenamtlicher Tätigkeit kann insbesondere nicht auf die Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. DDR 1973, S. 199) gestützt werden. Diese ist nur auf Unfälle, aber nicht auf Berufskrankheiten anwendbar, wie schon der Titel zeigt. Die grundsätzlich verschiedenen Versicherungsfälle Arbeitsunfall und Berufskrankheit hat auch das Recht der DDR unterschieden. Grundsätzlich erfolgte in Deutschland selbst im Rahmen einer Beschäftigung die Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes auf Berufskrankheiten erst im Jahr 1925; die heute allgemein anerkannten Versicherungsfälle Berufskrankheit und Arbeitsunfall bilden keine logische Einheit.

 

Die Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (GBl. I DDR, S. 137) erfasst keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. In § 1 dieser Verordnung - dem „Geltungsbereich“ - werden ausschließlich Betriebe in Bezug auf reguläre Arbeitsrechtsverhältnisse aufgeführt. Besonders deutlich ist hier § 1 Abs. 1 zweiter Spiegelstrich, der gesellschaftliche Organisationen nur einbezieht, „soweit diese Arbeitsrechtsverhältnisse begründen“. Wenn die These des Klägers richtig wäre, dass die Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten auch auf Berufskrankheiten anwendbar wäre, wäre diese Einschränkung („soweit diese Arbeitsrechtsverhältnisse begründen“) unverständlich. Ehrenamtliche Tätigkeiten beispielsweise für die R. in H., die nach Kenntnis des Senats keine hauptamtlichen Mitarbeiter hat, wären dann anders zu behandeln als solche für den SV H.. Auch im Übrigen ist die Verordnung nach ihrem klaren Wortlaut gemäß § 1 Abs. 2 nur auf „im Arbeitsverhältnis stehende Werktätige“ anwendbar. Auch die Einbeziehung der NVA und der Zollverwaltung in § 1 Abs. 3 der Verordnung wäre nicht nachvollziehbar. Das gleiche gilt für die Begriffsbestimmung in § 2 dieser Verordnung sowie § 3, der die Verhütung von Berufskrankheiten ausdrücklich als wichtige Aufgabe des Gesundheitsschutzes „der Werktätigen in den Betrieben“ bezeichnet.

 

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten im Jahre 1981 war die Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 längst in Kraft und hätte daher zwingend eingearbeitet werden müssen. Letztgenannte spricht auch stets ausschließlich von „Unfällen“ und nicht von Berufskrankheiten. Den Wortlaut beider Verordnungen sowie von §§ 220 Abs. 3, 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR bewertet der Senat nicht als vernachlässigbaren Zufall. Nach allem hat die DDR damit ehrenamtliche Tätigkeiten nicht (vollständig) in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Dies war auch lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland so.

 

Soweit der Kläger im Übrigen eine Gegenüberstellung von privater und beruflicher Exposition verlangt, kann die Berechtigung dieser Forderung dahingestellt bleiben, wobei sich aus dem grundsätzlich der Beurteilung zugrunde zu legenden Bamberger Empfehlung etwas Anderes ergibt (herausgegeben vom DGUV, Stand 2017, vgl. S. 40). Der Kläger ist nach eigenen Angaben lange Zeit sportlich tätig gewesen - zunächst im Radsport und später im Bereich des Triathlons. Dies findet zum großen Teil im Freien statt. Damit dürfte bei dem Kläger eine deutlich erhöhte private UV-Belastung zugrunde gelegt werden als bei einem Durchschnittsbürger.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Entscheidung auf der Basis von „unstreitigen“ Tatsachen und im Übrigen auf Grundlage von rund seit 30 Jahren nicht mehr gültigen Vorschriften.

Rechtskraft
Aus
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