S 10 AL 406/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 406/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 12/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 38/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d:

Die Beteiligten streiten um höheres Insolvenzgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Die Klägerin war seit dem 01.09.1991 bei der H. als Hauswirtschafterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden beschäftigt.

Sie war vom 11.10.2018 bis 31.12.2018 arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis einschließlich 22.11.2018 Lohnfortzahlung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt vom 01.01.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet.

Am 21.01.2019 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld.

Laut Insolvenzgeldbescheinigung vom 15.01.2019 hatte die Klägerin Anspruch auf ausstehendes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.10.2018 bis 31.10.2018 von 845,48€ netto, vom 01.11.2018 bis 30.11.2018 von 607,71€ netto und vom 01.12.2018 bis 31.12.2018 von 237,53€, insgesamt damit in Höhe von 1.690,72€.


Mit Bescheid vom 01.02.2019 wurde der Klägerin Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von insgesamt 1.690,72€ gewährt.

Dagegen wurde Widerspruch erhoben mit der Begründung, dass der Klägerin ein deutlich höheres Insolvenzgeld zustünde. Insbesondere werde moniert, dass Zeitzuschläge für Samstagsarbeit, Sonn-und Feiertagsarbeit nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Auch sei das zugesagte Weihnachtsgeld von brutto 500€ und noch 130 offene Überstunden nicht eingerechnet worden.


Mit Schreiben vom 13.06.2019 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass
* in den Vormonaten ein monatliches Bruttoentgelt von 1.017,19€ abgerechnet worden sei,
* die Zeitzuschläge seien anhand der Schichtpläne und der gesondert erstellten Zeitzuschlagsübersichten abgerechnet worden,
* das Weihnachtsgeld sei wie in den Vorjahren abgerechnet worden. Der Jahresanspruch von 500€ für Vollzeitkräfte (38,50 Std./Woche) sei bei den Teilzeitkräften prozentual ihrer Arbeitszeit abgerechnet worden. Entsprechend war für die Klägerin aufgrund ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden ein Betrag von 298,70€ abzurechnen,
* die Lohnfortzahlung gegenüber der Klägerin am 22.11.2018 geendet hat. Entsprechend sei für November 2018 ein geringeres Gehalt abzurechnen gewesen. Im Monat Dezember 2018 konnte lediglich das Weihnachtsgeld abgerechnet werden,
* sämtliche Lohnansprüche seien bis zum 30.09.2018 ausgeglichen worden, so dass der Insolvenzgeldzeitraum mit dem 01.10.2018 begann,
* ausweislich der vom Steuerberater vorgelegten Überstundenliste bestand zum 31.12.2018 für die Klägerin ein Überstundenstand von 130,96 Stunden. Diese Überstunden seien jedoch in keiner Weise während des Insolvenzgeldzeitraumes erwirtschaftet worden. Aufgrund der unwiderruflichen Freistellung unter Anrechnung von Urlaub- und Mehrvergütungsansprüchen wären diese Überstunden im Freistellungszeitraum einzubringen gewesen. Nachdem die Klägerin jedoch bis zum Ende der Kündigungsfrist im Krankenstand gewesen sei, seien diese nunmehr nachträglich abzurechnen und stellten lediglich eine Insolvenzforderung dar.


Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.


Dagegen wurde am 11.11.2019 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.

Die Klägerin beantragt,
I. Der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2019 wird aufgehoben, soweit das Insolvenzgeld auf lediglich 1.690,72 € festgesetzt wurde.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weiteres Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass weiterhin die der Klägerin zustehenden Zeitzuschläge für Samstagsarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hätten. Eine nachvollziehbare Auflistung der Zuschläge für Dezember 2018 läge nicht vor. Die Klägerin hätte für die Monate Oktober bis Dezember 2018 jeweils einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.057,88€ brutto gehabt. Auch sei das zugesagte Weihnachtsgeld von brutto 500€ nicht mitberechnet worden. Überdies sei die Vergütung der noch offenen 160 Überstunden zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Es dürfte auch nicht nur schematisch auf die letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung abgestellt werden.


Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hierzu werde auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid und Widerspruchsbescheid verwiesen.

 

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige Klage ist nicht begründet und war daher abzuweisen.

Der Bescheid vom 01.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2019 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als Insolvenzereignis
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2. die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Ein Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III lag vor. Über das Vermögen des früheren Arbeitgebers der Klägerin, die H., wurde am 01.01.2019 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Zweimonatsfrist des § 324 Abs. 3 SGB III wurde mit Antragstellung am 21.01.2019 gewahrt.

Die Klägerin war auch Arbeitnehmerin im Sinne der Vorschrift und stand jedenfalls in den hier gegenständlichen Monaten Oktober bis Dezember 2018 für diesen Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis, so dass sich der kraft Gesetzes dreimonatige Insolvenzgeldzeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 erstreckt.


Insolvenzgeld wird nach § 167 Absatz1 SGB III in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.

Die Beklagte hat die Insolvenzgeldansprüche der Klägerin auf der Grundlage der vom Insolvenzverwalter ausgestellten Insolvenzgeldbescheinigung in zutreffender Höhe berechnet.

 

Die Klägerin hatte innerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes folgende ausstehende Nettoarbeitsentgeltansprüche:
01.10.2018 - 31.10.2018: 845,48€
01.11.2018 - 30.11.2018: 607,71€
01.12.2018 - 31.12.2018: 237,53€, insgesamt somit 1.690,72€.

Dass für den streitgegenständlichen Zeitraum noch weiterer, rückständiger Arbeitslohn bestünde, hat die Klägerin indes nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen.

Nicht nachgewiesen wurde, dass die Klägerin höhere als in der Insolvenzgeldbescheinigung ausgewiesene offene Arbeitsentgelte hätte.

Lediglich die pauschale Behauptung, dass die Klägerin höhere Lohnansprüche gegen ihren Arbeitgeber gehabt habe, genügt nicht um die Angaben und Auflistungen des Insolvenzverwalters zu erschüttern.

Hier hätte es weiterer substantiierter Nachweise bedurft, die von der Klägerin nicht vorgelegt wurden. Entsprechende Umstände, aus denen sich plausibel Anhaltspunkte für ausgefallenes Arbeitsentgelt ergeben könnten, folgen auch nicht aus den beigezogenen Akten, so dass sich das Gericht auch zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen nicht gedrängt gesehen hat (vgl. § 103 SGG).


Die Beklagte durfte daher zu Recht die mit der Insolvenzgeldbescheinigung vom 15.01.2019 ausgewiesenen, und sich aus den Vormonaten abgerechneten Bruttoentgelten von 1.017,19€ zzgl. Zeitzuschläge ergebenden, Beträge übernehmen.

Dabei hat sie zutreffend nur für den Monat Oktober 2018 Zuschläge für Samstags- und Sonntagsarbeit in Höhe von 1,28 € und 23,41€ in Ansatz gebracht. Die Klägerin war ab dem 11.10.2018 arbeitsunfähig erkrankt und hat bis zum 22.11.2018 Lohnfortzahlung bekommen.

Für die Monate November und Dezember 2018 konnten daher gar keine Zuschläge für Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit aufgrund der bis zum 31.12.2018 andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erarbeitet werden.

Gleichermaßen wurde daher auch zu Recht im Monat November 2018 aufgrund der bis zum 22.11.2018 bestehenden Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Arbeitsentgelt lediglich von 607,71€ und im Monat Dezember 2018 kein weiteres Arbeitsentgelt außer dem Weihnachtsgeld berücksichtigt.

Das Weihnachtsgeld war unstreitig in Höhe von 500 €, jedoch für Vollzeitbeschäftigte, zugesichert worden. Nachdem die Klägerin aber nur mit einer Wochenarbeitszeit von 23 Stunden beschäftigt war, wurde prozentual anteilig und rechnerisch richtig Weihnachtsgeld in Höhe von 237,53 € netto berücksichtigt.


Soweit die Klägerin geltend macht, dass noch mindestens 130 offene Überstunden hätten abgegolten werden müssen, so ist dazu festzustellen, dass diese Überstunden unstreitig nicht im Insolvenzgeldzeitraum - d.h. vom 01.10.2018 - 31.12.2018 - erarbeitet worden sind.

Für eine Berücksichtigung der offenen Überstunden bei der Berechnung des Insolvenzgeldes müssten diese jedoch im Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 erwirtschaftet worden sein. Denn maßgeblich ist nur der Zeitraum, in dem das Arbeitsentgelt tatsächlich erarbeitet wurde.

Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Anspruch im Insolvenzzeitraum fällig oder bezifferbar geworden ist.   

Der diesbezüglich noch offene Lohnanspruch stellt vielmehr eine normale Insolvenzforderung nach § 38 InsO dar.

 

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 01.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2019 Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von insgesamt 1.690,72€ gewährt hat. Ein darüberhinausgehender Anspruch ist nicht erkennbar.


Mithin war zu entscheiden, wie geschehen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
 

 

Rechtskraft
Aus
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