L 7 KA 35/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 94/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 35/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Honorarabrechnung der Quartale IV/12 und I/13.

 

Die Klägerin ist Fachärztin für Nervenheilkunde und nahm mit vollem Versorgungsauftrag vom 2. Januar 1992 bis zum 17. Mai 2021 an der vertragsärztlichen Versorgung teil; vom 11. März 2015 bis zum 30. Juni 2015 ruhte ihre Zulassung.

 

Mit Beschluss vom 27. November 2007 setzte der Prüfungsausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung im Land Berlin gegenüber der Klägerin wegen Überschreitung der Richtgrößensumme für das Jahr 2005 eine Ersatzverpflichtung in Höhe von 234.375,95 Euro fest. Hiergegen legte die Klägerin zunächst keinen Widerspruch ein, so dass der Prüfungsausschuss sowie die beklagte Kassenärztliche Vereinigung von Bestandskraft und Vollstreckbarkeit des Beschlusses ausgingen. Widerspruch legte sie erst mit Schreiben vom 21. Juli 2014 ein, mit dem sie auch geltend machte, der Beschluss vom 27. November 2007 sei ihr nie zugestellt worden. Auf diesen Widerspruch hin hob der Beschwerdeausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung im Land Berlin den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 27. November 2007 durch Beschluss vom 9. Juli 2015 auf; der Widerspruch wurde als zulässig angesehen, weil es für den Beschluss vom 27. November 2007 keinen Zustellnachweis gebe. In der Sache berücksichtigte der Beschwerdeausschuss auf der Grundlage der Widerspruchsbegründung weitere Praxisbesonderheiten sowie andere Fallzahlen und gelangte zu der Feststellung, dass die untere Interventionsgrenze nunmehr als unterschritten angesehen werden könne, so dass die Ersatzverpflichtung aufgehoben werde.

 

Im April 2010 leitete die Beklagte wegen des Medikamentenregresses und der Überzahlung des Honorarkontos Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin ein. Seitdem zahlte die Beklagte der Klägerin keine Honorare mehr aus, um über eine Verrechnung zur Tilgung der Ersatzverpflichtung aus dem Richtgrößenregress zu gelangen. Hiergegen erhob die Klägerin nach dem Inhalt der vorliegenden Akten über Jahre hinweg keine Einwände. Sie hat insoweit angeführt, seit dem Jahr 2009 davon ausgegangen zu sein, dass gegen sie ein nicht mehr angreifbarer Arzneimittelregress bestehe.

 

Bereits seit dem Quartal III/09 reichte die Klägerin überwiegend keine Quartalsabrechnungen mehr bei der Beklagten ein. Hierzu hat sie angeführt, sie habe angenommen, jegliche Honorarabrechnung sei bloße Förmelei, da die Beklagte ihre Honorare vollständig verrechne. Mit der Zeit sei auch die Verwaltungstätigkeit für ihre Praxis in den Hintergrund getreten, da sie keine Mitarbeiter mehr gehabt habe und auch Wartung und Updates für das Abrechnungsprogramm nicht mehr habe zahlen können.

 

Im Zeitraum der Quartale III/09 bis IV/15 reichte die Klägerin bei der Beklagten nur für folgende Quartale Abrechnungen ein: I/12, II/12 und II/13. Zum Abgabezeitpunkt für das Quartal I/14 (1. April 2014 bis 5. April 2014, 7. April 2014 und 8. April 2014) reichte die Klägerin zusammen mit den Abrechnungsunterlagen für das Quartal I/14 die Abrechnung ihrer Leistungen aus den Quartalen IV/12 und I/13 ein. Im Zuge der Prüfung all dieser Unterlagen stellte die Beklagte fest, dass die Abrechnung für die Quartale IV/12 und I/13 nach Ablauf der Ausschlussfrist aus § 1 Nr. 8 Satz 1 der Abrechnungsordnung eingegangen war.

 

Die auf § 8 des Honorarvertrages beruhende Abrechnungsordnung der Beklagten vom 1. April 2012 lautete insoweit:

 

1Die Abrechnung von Leistungen ist nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden sind – ausgeschlossen. (…) 4Der Vorstand kann von dieser Regelung im begründeten Einzelfall auf schriftlichen Antrag des Arztes bzw. der Praxis abweichen. 5Verspätet eingereichte und zur Abrechnung gelangende Leistungen werden grundsätzlich mit den Punktwerten vergütet, die in dem Quartal zur Auszahlung gelangen, in dem sie zur Abrechnung eingereicht werden.“

 

Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 („Information über Ihre Abrechnung aus dem I. Quartal  2014“) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Abrechnung von Leistungen nach Ablauf eines Jahres ausgeschlossen sei. Zugleich reichte die Beklagte die Abrechnungssammelerklärung und die Abrechnungsdisketten für die Quartale IV/12 und I/13 an die Klägerin zurück. Das Anschreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin enthielt insoweit als Betreff „Abrechnung Frau S – 4. Quartal 2012 und 1. Quartal 2013“.

 

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin an, der Bescheid vom 23. Juni 2014 sei schon formell fehlerhaft, denn er beziehe sich ausdrücklich auf das Quartal I/14. Unabhängig davon müsse jede Anwendung der Ausschlussfrist zur Abrechnung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen das Gebot der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Grundsätzlich diene eine solche Ausschlussfrist  der zügigen und umfassenden Auskehrung der Honorarverteilung. Ein Festhalten an der Ausschlussfrist stelle sich aber als rechtswidrig bzw. rechtsmissbräuchlich dar, wenn auch eine fristgemäße Abrechnung zu keiner Auszahlung von Honorar führe, weil aus einem Regress vollstreckt werde. Auf die Begründung ihres Widerspruchs vom 4. September 2014 gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 27. November 2007 nahm die Klägerin Bezug. Dieser Beschluss sei weder bestandskräftig noch für „vorläufig vollstreckbar“ erklärt. Durch das Zahlungsverhalten der Beklagten seien der Klägerin die finanziellen Mittel für die Erstellung einer fristgerechten Abrechnung entzogen worden, denn es habe nicht in Technik und Personal investiert werden können.

 

Gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/14 legte die Klägerin keinen Widerspruch ein. Sie führt an, diesen Honorarbescheid nicht erhalten zu haben. Die Beklagte führt an, dass dieser Honorarbescheid nach zwei erfolglosen Versuchen vom 19. August 2014 und 27. August 2014 per Einschreiben am 24. September 2014 zugestellt worden sei; der Zustellnachweis sei aber bereits vernichtet.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2017, übersandt am 22. März 2017 per Einschreiben an die Klägerin persönlich, wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Juni 2014 als unzulässig zurück. Bei diesem Bescheid handele es sich um einen Richtigstellungsbescheid zum Honorarbescheid für das Quartal I/14, denn die Zurückweisung der Abrechnungen für die Quartale IV/12 und I/13 habe Auswirkungen auf die Höhe des Honorars für das Quartal, in welchem die Behandlungsausweise zur Abrechnung eingereicht worden seien – vorliegend I/14. Der Widerspruch gegen diesen Richtigstellungsbescheid sei unzulässig, da der Honorarbescheid I/14 selbst bestandskräftig sei. Selbst im Falle einer Aufhebung des Richtigstellungsbescheides vom 23. Juni 2014 würde sich die Honorarhöhe der Klägerin daher nicht ändern. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch auch unbegründet sei: Die Abrechnung der Quartale IV/12 und I/13 sei nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 1 Nr. 8 der Abrechnungsordnung erfolgt; die Jahresfrist sei für das Quartal IV/12 am 31. Dezember 2013 und für das Quartal I/13 am 31. März 2014 abgelaufen, mithin jeweils vor dem Abgabezeitpunkt für das Quartal I/14.

 

Hiergegen richtet sich die am 24. April 2017 (Montag) erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft hat.

 

Mit Urteil vom 8. Mai 2019 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, denn der Bescheid vom 23. Juni 2014 diene nicht etwa der Berichtigung des von der Beklagten als bestandskräftig angesehenen Honorarbescheides für das Quartal I/14. Allerdings sei die Klage unbegründet, denn die Klägerin habe ihre Abrechnung für die Quartale IV/12 und I/13 zu spät eingereicht. Nach § 1 Nr. 8 der Abrechnungsordnung der Beklagten sei die Abrechnung von Leistungen nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden seien – ausgeschlossen. Kassenärztliche Vereinigungen seien berechtigt, im Rahmen der Regelungen zur Honorarverteilung auch Ausschlussfristen zu normieren (Hinweis auf B 6 KA 19/04 R). Gegen die Länge der Frist von einem Jahr bestünden keine Bedenken. Der Verhältnismäßigkeit der Regelung diene insbesondere die Möglichkeit, einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen. Ein solcher Antrag sei nicht aktenkundig; auch habe die insoweit beweisbelastete Klägerin seine Stellung erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer behauptet. Ebenso wenig begegne es rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte aufgrund des Beschlusses des Prüfungsausschusses vom 27. November 2007 gar keine Auszahlungen mehr vorgenommen habe; sie sei zur Aufrechnung befugt gewesen und die Klägerin sei gegen den Regressbescheid weder vorgegangen noch habe sie eine wirtschaftliche Überforderung geltend gemacht. Selbst wenn eine Auszahlung des abgerechneten Honorars zumindest bis zur Pfändungsgrenze hätte erfolgen müssen, ändere dies nichts an der Anwendbarkeit der Ausschlussfrist von einem Jahr. Eine Fristverlängerung ohne entsprechenden Antrag habe die Beklagte nicht gewähren müssen. Die Klägerin habe die ausbleibende Honorierung ihrer abgerechneten Leistungen jahrelang hingenommen.

 

Gegen dieses ihr am 25. Mai 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Juni 2019 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen anführt: Sie habe einen Anspruch auf Honorierung ihrer in den beiden streitigen Quartalen erbrachten und abgerechneten Leistungen. Die in § 1 Nr. 8 der Abrechnungsordnung der Beklagten enthaltene Jahresfrist sei rechtswidrig; sie entbehre schon einer rechtlichen Grundlage und sei für sich genommen unverhältnismäßig. Die Frist von einem Jahr sei insbesondere dann nicht ausreichend, wenn, wie hier, kein nur temporäres Abrechnungshindernis vorliege und die Beklagte selbst das Abrechnungshindernis zu vertreten habe; jedenfalls habe sie, die Klägerin, die verspätete Abrechnung nicht zu verschulden. Fristgerechte Abrechnung sei durch die rechtswidrige Vollstreckung des Medikamentenregresses vereitelt worden. Es mute befremdlich an, Fristverlängerung nur auf Antrag gewähren zu wollen, wenn hier doch gerade ein rechtswidriger Regress vollstreckt worden sei. Ein Antrag auf Fristverlängerung sei bloße Förmelei, weil die Klägerin auch bei bewilligter Fristverlängerung keine Zahlung erhalten hätte. Die anzustellende Prüfung von Verhältnismäßigkeit müsse berücksichtigen, dass die Beklagte hier einen materiell fehlerhaften Medikamentenregress erlassen habe, welcher überdies der Klägerin nicht bekanntgegeben worden sei. Mangels Bekanntgabe habe die Klägerin sich auch nicht gegen den Regress wehren können. Tatsächlich sei die Klägerin im Zuge der Vollstreckung des Beschlusses vom 27. November 2007 davon ausgegangen, dass eine Bekanntgabe korrekt erfolgt sei und Rechtsbehelfsfristen abgelaufen seien. In Ermangelung einer Bekanntgabe sei die Beklagte nicht zur Aufrechnung berechtigt gewesen. Mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2015 und Aufhebung des Beschlusses vom 27. November 2007 sei all dies auch zugestanden worden. Vor dem Hintergrund all dessen sei ein Beharren auf Ausschlussfristen unverhältnismäßig. In dem von der Klägerin geführten Eilverfahren S 83 KA 179/14 ER müsse die konkludente Stellung eines Verlängerungsantrages erblickt werden.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin abgerechneten Leistungen für die Quartale IV/12 und I/13 zu vergüten sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts zu B 6 KA 19/04 R stehe fest, dass eine Kassenärztliche Vereinigung eine Ausschlussfrist wie die vorliegend streitige auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung ausgestalten dürfe. Die Möglichkeit einer Verlängerung der Abgabefrist auf Antrag trage zur Verhältnismäßigkeit der Ausschlussfrist bei, die mithin nicht starr sei. Einen solchen Antrag habe die Klägerin aber nicht gestellt. Die Beklagte habe das von der Klägerin angeführte „Abrechnungshindernis“ auch nicht zu vertreten, denn der später aufgehobene Regress sei von dem Prüfungsausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgesprochen worden und nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung. Letztere habe von der Bestandskraft des Regressbescheides ausgehen dürfen und habe die daraus resultierenden Rückforderungsansprüche gegenüber der Klägerin geltend machen müssen. Hierfür habe man das Honorar der Klägerin ab dem Quartal III/09 einbehalten. Dass die Klägerin später nach ihren eigenen Angaben keine Honorarabrechnung mehr vornehmen konnte, gehe auf deren Entscheidung zurück. Im Übrigen sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, ob und wie aus dem Regressbescheid des Jahres 2007 habe vollstreckt werden dürfen. Insgesamt könne der Beklagten nicht angelastet werden, dass die Klägerin die Abrechnungen für die beiden vorliegend streitigen Quartale unterlassen bzw. zu spät eingereicht habe. Die Folgen hiervon habe allein die Klägerin zu tragen.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akte zum Eilverfahren S 83 KA 179/14 ER Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Abrechnungsverfahrens bzw. Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen für die Quartale IV/12 und I/13.

Die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung sind in jeder Hinsicht überzeugend. Das Sozialgericht hat den Streitgegenstand hinreichend identifiziert, zutreffend herausgearbeitet, dass und warum der hier streitige Bescheid vom 23. Juni 2014 nicht etwa als Richtigstellungsbescheid zum Honorarbescheid für das Quartal I/14 anzusehen ist und rechtlich beanstandungsfrei dargelegt, warum § 1 Nr. 8 der Abrechnungsordnung der Beklagten einer Abrechnung und Vergütung der Leistungen für die beiden streitigen Quartale entgegen steht.

 

Dem ist nichts hinzuzufügen und der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

 

Unter Bezugnahme auf die Begründung der Berufung bleibt zu ergänzen:

 

Die Abrechnungsordnung der Beklagten – und damit auch § 1 Nr. 8 – findet ihre ausreichende rechtliche Grundlage in § 8 des jeweils geltenden Honorarvertrages. Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom       22. Juni 2005 (B 6 KA 19/04 R) Bezug genommen. Danach steht fest, dass eine Kassenärztliche Vereinigung auch ohne gesetzliche Ermächtigung Fristen für die Vorlage der vertragsärztlichen Abrechnung eines Quartals setzen und als materielle Ausschlussfristen ausgestalten darf. Die im vorliegenden Zusammenhang geltende Jahresfrist ist weiträumig bemessen und auch unter Aspekten der Verhältnismäßigkeit frei von rechtlichen Bedenken, weil § 1 Nr. 8 Satz 4 der Abrechnungsordnung „im begründeten Einzelfall“ auf Antrag Abweichungen zulässt (vgl. Landessozialgericht NRW, Urteil vom 22. Mai 2013, L 11 KA 11/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28f.).

 

Ferner kann nicht im Ansatz davon die Rede sein, dass die Beklagte die verspätete Abrechnung der Klägerin zu vertreten habe. Mit dieser Behauptung verkehrt die Klägerin die einfachen Tatsachen in ihr Gegenteil. Dass die Klägerin sich selbst und ihre vertragsärztliche Tätigkeit gleichsam aufgegeben hat, ändert nichts an der Geltung der Abrechnungsbestimmungen. Ordnungsgemäße, insbesondere zeitnahe und fristgerechte Abrechnung gehört zu den Grundpflichten vertragsärztlicher Tätigkeit. Indem die Klägerin über viele Quartale hinweg nicht mehr abrechnete, war nicht einmal mehr erkennbar, ob sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit überhaupt noch ausübte (vgl. zur Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen Nichtausübung vertragsärztlicher Tätigkeit [§ 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V]: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10. Mai 2017, B 6 KA 8/17 B).

 

Zwar hat der Beschwerdeausschuss im Jahre 2015 den im Jahre 2007 ergangenen Beschluss des Prüfungsausschusses aufgehoben, so dass der Richtgrößenregress gegenstandslos wurde. Die Beklagte darf aber nicht mit den Prüfgremien gleichgesetzt werden. Der Senat kann auch nicht ansatzweise nachvollziehen, warum die Klägerin meint, die Beklagte habe sich mit der Umsetzung des nach außen hin über Jahre hinweg bestandskräftig scheinenden Beschlusses vom 27. November 2007 treuwidrig verhalten. Vielmehr hat die Klägerin offensichtlich resigniert und den Regress jahrelang bewusst hingenommen. Davon zeugt die zuletzt von der Beklagten zu den Akten gereichte Korrespondenz. Schon im Jahre 2011 bat die Klägerin formlos schriftlich um eine vorübergehende Aussetzung der Vollstreckung (Schreiben vom 4. Oktober 2011). Zudem war sie bereits in einem Schreiben der Beklagten vom 25. August 2006 darauf hingewiesen worden, dass für die Einreichung einer Abrechnung eine Jahresfrist gelte und daher eine Abrechnung für das Quartal II/05 nicht mehr erfolgen könne. Es kann zur Überzeugung des Senats nicht der Beklagten angelastet werden, dass die  Klägerin jahrelang nicht mehr in der Lage war, ihre Angelegenheiten sachgerecht wahrzunehmen. Selbst wenn sie – was sie erst später in Worte fasste – der Überzeugung war, der Richtgrößenregress sei rechtswidrig, entband sie dies in den streitigen Quartalen nicht von der Einhaltung der Abrechnungsfristen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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