L 6 U 785/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1413/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 785/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 6. Dezember 2017, bei dem sie sich einen Abriss der rückwärtigen Oberschenkelbeugemuskulatur zuzog, der erfolgreich refixiert werden konnte.

Sie ist  1962 in Kroatien geboren, hat dort acht Jahre die Grundschule besucht und arbeitete nach einer vierjährigen Ausbildung als Sekretärin im Büro des Rathauses. Dort lernte sie ihren elf Jahre älteren Mann kennen, den sie 1986 heiratete und mit ihm in die Bundesrepublik Deutschland umzog. Sie hat drei Kinder und arbeitet seit 1996 mit einer 80-Prozentstelle in einer Bäckerei. Ihr Ehemann war als Busfahrer tätig und ist bereits berentet. Sie bewohnt mit ihrer Familie eine Vierzimmerwohnung im zweiten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses ohne Aufzug (vgl. Anamnese H).

Dem K berichtete sie am 6. Dezember 2017, in der Bäckerei auf nassem Boden ausgerutscht zu sein, dabei die Beine in den Spagat bekommen zu haben und auf die Seite gestürzt zu sein. Dieser diagnostizierte eine Prellung der Schulter und des rechten Oberarms sowie eine Zerrung der ischiocruralen Muskulatur. Die Nachuntersuchung vom 9. Dezember 2017 zeigte einen neurologisch unauffälligen Befund. An der Kniekehle rechts habe ein kleines Hämatom bestanden, eine Vorstellung beim niedergelassenen Orthopäden sei geplant.

G führte nach ambulanter Untersuchung aus, dass die Kernspintomographie (MRT) vom 18. Dezember 2017 (V) einen kompletten Abriss der rückwärtigen Oberschenkelbeugemuskulatur (der sogenannten Hamstrings) gezeigt habe. Es handele sich um eine seltene Verletzung, die in letzter Zeit zunehmend der operativen Versorgung bedürfe. Es sei eine Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T veranlasst worden, mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit von vier bis sechs Wochen sei zu rechnen.

Während der stationären Behandlung in der Sportklinik S vom 29. Dezember 2017 bis 1. Januar 2018 wurde eine offene Hamstringrevision und Refixation am lateralseitigen Tuber ischiaticum rechts durchgeführt. Der postoperative Behandlungsverlauf sei regelrecht gewesen, ebenso die postoperative Röntgenkontrolle.

Die Nachuntersuchung am 4. Januar 2018 durch G ergab reizlose Narbenverhältnisse bei noch liegendem Fadenmaterial und erträglicher Schmerzsituation. Das rechte Bein sei mit einer Orthese zur Vermeidung der Kniebeugung ruhiggestellt.

K1 führte beratungsärztlich aus, dass der Unfallhergang grundsätzlich geeignet gewesen sei, die Schädigung zu verursachen. Die Therapie sei schwierig, meist gehe die Refixation schief und löse sich nach der Operation wieder ab. Eine Heilverfahrenskontrolle mittels MRT solle veranlasst werden.

Vom 27. März 2018 bis 17. April 2018 wurde eine stationäre Rehabilitation in den W-Z-Kliniken S durchgeführt. Zum Entlassungszeitpunkt habe ein ohne Gehhilfen sicheres, noch leicht rechtshinkendes Gangbild ohne pathologische Absinktendenzen bestanden. Der Einbeinstand sei links sicher, rechts nach wie vor noch etwas unsicher mit Korrekturbewegungen demonstrierbar. Bei endgradiger Hüftflexion rechts seien nach wie vor ziehende Schmerzen im Narbenbereich angegeben worden. Das initial vereinbarte Therapieziel der Verbesserung der Mobilität sei erreicht worden, jedoch keine wesentliche Schmerzreduktion und keine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Aufgrund der hohen Intensität der eingesetzten krankengymnastischen Maßnahmen und des dadurch gesammelten Erfahrungsspektrums müsse die Klägerin in der Lage sein, die krankengymnastischen Übungen selbstständig durchzuführen. Regelmäßige Kontrollen unter Fortsetzung der Physiotherapie und Muskelaufbautraining seien weiterhin erforderlich.

T1 sah nach ambulanter Untersuchung vom 26. April 2018 noch eine erhebliche Einschränkung des Gangbildes bei passiv freier Hüftgelenksbeweglichkeit.

Die ambulante Untersuchung vom 30. April 2018 durch B, Sportklinik S, zeigte am rechten Oberschenkel eine reizlose Narbe bei unauffälligen Hautverhältnissen. Es bestehe ein massiver Druckschmerz und eine massive Kraftminderung bei Testung im Vergleich zur Gegenseite. Zur Beurteilung der Sehnenrefixation werde eine MRT empfohlen. Diese ergab (vgl. Befundbericht des V vom 8. Mai 2018) eine wieder bestehende Kontinuität der narbig veränderten Sehnenplatte der Hamstrings zum Tuber ischiadicum rechts. Es bestünden noch Muskelödeme und eine Verschmächtigung der Muskelschichten der Hamstrings, besonders den langen Bizepskopf betreffend.

G legte im Zwischenbericht vom 8. Mai 2018 dar, dass das Gangbild noch sehr eingeschränkt gewesen sei, die Indikation zur krankengymnastischen Übungsbehandlung bestehe fort.

Die MRT der linken Schulter vom 18. Mai 2018 (V) zeigte eine insgesamt intakte Rotatorenmanschette. Es bestehe eine mäßige subakromiale Enge mit etwas Bursareizung.

Aufgrund ambulanter Untersuchung vom 6. Juli 2018 legte G dar, dass sich die Klägerin massiv schmerzgeplagt gezeigt habe. Sie beklage eine permanente Schwellneigung im Bein sowie eine erhebliche Behinderung beim Gehen, insbesondere beim Treppensteigen. Klinisch habe eine leichte Schwellung des rechten Beines mit einer Umfangsdifferenz im Bereich der Oberschenkelmitte von 3 cm zur Gegenseite imponiert. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei rechts gegenüber links endgradig eingeschränkt gewesen, bei passiver Hüftbeugung mit gestrecktem Bein sei diese lediglich bis 70° möglich. Im Stehen zeige sich im Operationsgebiet eine deutliche Muskellücke. Es bestünden zunehmende Schmerzen im Bereich der linken Schulter, die die Tochter der Klägerin auf das Gehen an Krücken zurückführe. Eine Zusammenhangsbeurteilung müsse gutachterlich erfolgen.

Bei der ambulanten Untersuchung am 13. August 2018 durch B beschrieb die Klägerin eine komplette Beschwerdelinderung nach der letzten Infiltration. Es hätten keine Schmerzen im Bereich der Narbe mehr bestanden und die Gefühlsstörungen seien besser geworden. Es bestehe eine Kraftminderung im Bein und Schmerzen auf der Gegenseite durch die Fehlbelastung. Es habe sich der Verdacht auf eine Schädigung der Hautnerven im Operationsbereich ergeben, sodass eine Vorstellung beim Neurologen empfohlen werde.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, bei H1, BGU T, eine Heilverfahrenskontrolle veranlasst zu haben, damit sich dieser mit den bisherigen Behandlungsmaßnahmen auseinandersetzen und Vorschläge unterbreiten könne, wie weiter zu verfahren sei. Nachdem die Klägerin mitteilen ließ, eine weitere Vorstellung in einer völlig anderen Klinik für nicht erforderlich und nicht zielführend zu halten, wurde die Heilverfahrenskontrolle zunächst storniert (Schreiben vom 22. Mai 2018). Mit Schreiben vom 2. August 2018 wies die Beklagte erneut auf die Notwendigkeit einer Heilverfahrenskontrolle hin, um der Verpflichtung nachgekommen zu können, als Kosten- und Leistungsträger das Heilverfahren zu steuern. Mit weiterem Schreiben vom 14. August 2018 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass erneut eine Heilverfahrenskontrolle veranlasst worden sei und die BGU T einen Termin vergeben werde. Hierzu machte die Klägerin geltend (vgl. E-Mail vom 16. August 2018), dass die Begutachtung durch die Sportklinik S stattfinden solle, worauf sie einen rechtlichen Anspruch habe. Mit ausführlichem Schreiben vom 20. August 2018 legte die Beklagte im Einzelnen dar, dass lediglich eine Heilverfahrenskontrolle beauftragt worden ist, um das weitere Heilverfahren steuern zu können, aber keine Begutachtung. Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 22. August 2018 teilte die Klägerin erneut mit, den Termin nicht wahrnehmen zu wollen. Es sei ihr wiederum der Unterschied zwischen einer Heilverfahrenskontrolle und einer Begutachtung erläutert worden. Weiter wurde geltend gemacht (vgl. Gesprächsnotiz vom 24. August 2018), der behandelnde B1 habe ihr zugestimmt, dass sie nicht nach T gehen solle. Er sei sehr verwundert gewesen, dass ein Rehabilitationsplan erstellt werden solle, da schließlich ein Rehabilitationsantrag gestellt worden sei. Er beabsichtige, Kontakt mit der Beklagten aufzunehmen und sich über die Vorgehensweise zu beschweren. Eine telefonische Rückfrage bei B1 ergab, dass dieser im Gegenteil sogar die Vorstellung in der BG-Klinik begrüße und die Vorstellung in der Sondersprechstunde empfehle.

Die Heilverfahrenskontrolle bei H1 wurde letztlich am 7. September 2018 durchgeführt. Die Klägerin habe mit langsamem, aber flüssigem Gangbild das Untersuchungszimmer betreten, die Tochter ihr beim Entkleiden geholfen. Im Bereich des rechten Gesäßes hätten sich reizlose Haut- und Weichteilverhältnisse gezeigt, kein Hinweis auf ein Infektgeschehen. Im Bereich der linken Hüfte zeige sich ein klassisches iliotibiales Bandsyndrom mit Punktum maximum über der Bursa trochanterica ausstrahlend bis zum Knie. Es komme zu einer Zunahme der Schmerzen bei Adduktion. Zum Untersuchungszeitpunkt bestehe eine seitengleiche Motorik und Sensibilität der unteren Extremitäten, dystrophe Veränderungen beständen nicht. An der linken Schulter zeige sich eine klassische Impignementsymptomatik mit aktiver Beweglichkeit für die Abduktion von 90°, Anteversion 130° und Außenrotation 10°.

Die Schultersymptomatik sei möglicherweise durch das lange Gehen an Unterarmgehstützen getriggert worden, zu einer strukturellen Veränderung habe das Unfallereignis aber nicht geführt. Die Beschwerden am linken Bein seien als Folge der Schonhaltung rechts auch jetzt noch als posttraumatisch zu werten. Es würden Dehnübungen und Physiotherapie empfohlen. Es zeige sich eine sehr angespannte psychische Situation mit deutlichen Coping-Problemen. Die geschilderten Palpationen seien im Rahmen eines chronifizierten Schmerzsyndroms mit somatischen und psychischen Faktoren einzuordnen. Eine Komplex-Stationäre-Rehabilitation (KSR) werde empfohlen.

Diese wurde vom 27. September bis 6. November 2018 in der BGU T durchführt. Aus dem Entlassungsbericht ergab sich, dass bei MRT-gesicherter erheblicher Atrophie der hinteren Oberschenkelmuskulatur mit entsprechendem Kraft- und Ausdauerdefizit auf eine weitere Diagnostik verzichtet worden sei. Die Klägerin sei in ein multidisziplinäres Behandlungssetting mit psychologischer Begleitung, angepasster Schmerztherapie und funktionellen Behandlungen integriert worden. Mitbehandelt worden sei das Impignement am linken Schultergelenk, das durch vermehrtes Stützenlaufen wohl ebenfalls aktiviert worden sei. Im Verlauf hätten die Schmerzen etwas und die Ausdauer, die Kraft und die Belastbarkeit geringfügig verbessert werden können. Die Arbeits- und Belastungserprobung werde nunmehr für sinnvoll gehalten und sei eingeleitet worden. Bei unkompliziertem Verlauf sei mit einer Arbeitsfähigkeit ab dem 24. Dezember 2018 zu rechnen.

R legte nach ambulanter Untersuchung vom 10. September 2018 dar, dass die angegebene Hypästhesie am ehesten einer Hautnervenläsion bei durchgeführter Operation entspreche. Hinweise für eine Nervus ischiadicus-Läsion rechts ergäben sich nicht. In der Einzelkraftprüfung hätten sich bei leichter Schmerzhemmung rechts keine Paresen gezeigt. Die Beineigenreflexe seien seitengleich schwach erhältlich.

Am 7. Januar 2019 teilte G mit, dass während der durchgeführten Arbeits- und Belastungserprobung die Steigerung der Belastungsfähigkeit erreicht worden sei, sodass Arbeitsfähigkeit ab dem 28. Dezember 2018 bestehe.

Nach Gutachterauswahl holte die Beklagte das fachorthopädische Gutachten des B, Sportklinik S, aufgrund ambulanter Untersuchung vom 12. September 2019 ein. Die Klägerin habe sich deutlich psychisch belastet gezeigt und zu Beginn der Anamnese geweint. Sie klage über Schmerzen im kompletten Bein rechtsseitig. Vor Schmerz wache sie nachts auf und habe starke Schlafstörungen. Es bestünden Probleme vor allem beim Knien, beim Treppensteigen und beim normalen Laufen auf ebenem Grund.

Die Untersuchungsräume seien in Konfektionsschuhen mit leicht humpelnden und deutlich verlangsamten Gangbild betreten worden, orthopädische Hilfsmittel würden nicht genutzt. Bei der Betrachtung der unteren Extremität sei keine Muskelminderung aufgefallen. Die Weichteilverhältnisse seien unauffällig, das Gangbild langsam und humpelnd. Der Einbeinstand sei rechts und links kaum möglich. Die Klägerin könne nicht alleine auf einem Bein stehen und nicht in die Hocke gehen. Der Hackenstand sei kaum vorführbar, der Zehenstand nur mit Unterstützung. Die obere Extremität einschließlich des Schultergürtels weise eine seitengleiche ordnungsgemäße Muskelbemantelung und einen etwas vermehrten Weichteilmantel auf. Die Beschwielung der Fersen sei seitengleich ausgebildet, offensichtliche Differenzen der Muskulatur zeigten sich im Seitenvergleich nicht. Der Beinumfang rechts sei erhöht gewesen, am rechten Hüftgelenk sei eine deutliche Schmerzsymptomatik ab 90° geklagt worden. Die Haut sei warm, trocken und unauffällig. An der linken Schulter und dem rechten Oberschenkelbereich habe keine Überwärmung bestanden. Im Bereich der oberen Extremität habe eine deutliche Schwellung im linksseitigen medialen Trapeziusbereich bestanden, die Klägerin sei maximal schmerzempfindlich gewesen, eine Fibromyalgie sei bekannt.

Aufgrund der vorliegenden Restbeschwerden nach ordnungsgemäßer Hamstringrefixation im Bereich der rechten unteren Extremität werde eine MdE von 20 vom Hundert (v. H.) für sechs Monate als Gesamtvergütung empfohlen, anschließend betrage diese 10 v. H.. Aktuell arbeite die Klägerin mit 30 Stunden pro Woche, wie vor dem Unfall, in der Bäckerei. Hier fielen ihr sämtliche Arbeiten wie Backen, Putzen, Heben von schweren Blechen und viel umherlaufen zu.

Das Schulterimpignement habe sich durch die Nutzung der Unterarmgehstützen für acht Wochen nach dem Unfall vorübergehend verschlimmert. Eine Behandlungsbedürftigkeit könne bis sechs Monate ab dem Unfall angenommen werden. Eine MRT der Becken- oder Hüftregion sei nicht nötig, da die Kontinuität der Hamstringsehne laut MRT vom Mai 2018 sicher gegeben sei. Hinsichtlich der neuralgischen Beschwerden im Bereich des linken Beines mit Schmerzausstrahlung in den Oberschenkel bis hin zum Unterschenkel werde die weitere Abklärung der Wirbelsäule, nicht zu Lasten der Beklagten, empfohlen. Eine kardiologische Abklärung sei, ebenfalls nicht zu Lasten der Beklagten, indiziert.

Mit Bescheid über Gesamtvergütung vom 11. April 2019 gewährte die Beklagte Verletztenrente für die Zeit vom 24. Dezember 2018 bis 30. Juni 2019 nach einer MdE von 20 v. H.. Sollten die Unfallfolgen über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen, könne die Weiterzahlung der Rente beantragt werden. Eines Widerspruchs bedürfe es hierfür nicht. Der Arbeitsunfall habe zu Restbeschwerden mit Schwellneigung und Schmerzhaftigkeit des Beines nach operativ versorgtem Riss der Hamstringsehne des rechten Oberschenkels geführt. Unabhängig vom Arbeitsunfall bestehe eine Fibromyalgie und eine Impignement der linken Schulter.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, dass die Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus bestehe, gegebenenfalls ergebe sich sogar eine höhere MdE.

T1 befundete am 26. September 2019 eine freie Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks bei reizloser Narbenbildung sowie eine subjektive Schmerzsymptomatik des rechten Beines. Es solle weiter Physiotherapie durchgeführt werden, Arbeitsfähigkeit sei gegeben.

Nach erneuter Gutachterauswahl holte die Beklagte das unfallchirurgische Fachgutachten des K2 vom 12. Februar 2020 ein. Dieser beschrieb seitengleich geformte untere Gliedmaßen, es scheine eher so, als dass das rechte Bein etwas umfangsvermehrt im Oberschenkelbereich sei. Die Hautfarbe sei gesund, die Beine und Füße verfärbten sich auch bei längerem Stehen nicht. Die linke Oberschenkelmuskulatur sei im Vergleich zu rechts leicht verschmächtigt, die Beschwielung der Fußsohlen seitengleich. Die Haut sei gut gespannt und überall gut verschieblich sowie gleichmäßig gut durchwärmt. Eine Verminderung des Hautgefühls sei nur im Bereich der Narbe angegeben worden. Bei der forcierten aktiven und passiven Bewegung im Bereich des Hüftgelenks seien Schmerzen bei der Beugung im Hüftgelenk ab 90° angegeben worden Ein Gelenkreiben im Hüft- und Kniegelenk sei nicht auslösbar und tastbar, ebenso kein Stauchungsschmerz. Ein Kniegelenkserguss liege nicht vor, der Seitenbandapparat sei stabil.

Der Barfußgang auf dem Fußboden sei sicher, wenn auch zögerlich. Es bestehe ein angedeutetes Rechtshinken. Die Fußbelastung sei beim Gehen seitengleich, die Schrittlänge etwas vermindert. Die Abrollbewegungen von Knie-, Sprung- und Fußgelenken seien seitengleich. Der Einbeinstand sei beidseits nur mit Hilfe möglich, ebenso Fersenballen- und Zehenspitzenstand. Das Einnehmen der Hocke gelinge ohne Hilfe bis 40°.

Die angefertigte MRT der Hüfte habe etwas vermehrte Fettsepten in der dorsalen Oberschenkelmuskulatur auf der rechten Seite ohne signifikante Volumenminderung der Muskelbäuche gezeigt. Es bestünden keine Ruptur und kein Muskelfaserriss der Oberschenkelmuskulatur, kein Hüftgelenkserguss und keine Synovalitis im Hüftgelenk, aber eine relativ deutliche Ansatzreizung der Ansatzmuskulatur am Trochanter major beidseits.
Hinsichtlich der MdE-Einschätzung fänden sich in der Literatur keine Angaben zu einer erfolgreich reinserierten ischiocruralen Muskulatur nach proximalem Abriss und daraus folgender Beeinträchtigung auf Dauer. Die MRT zeige eine Mehrverfettung im Bereich der dorsalen Oberschenkelmuskulatur. Es bestünden Schwierigkeiten beim Einbeinstand, allerdings beidseits, sodass der Unfall nicht die alleinige Ursache sein könne. Nach wie vor läge eine Kraftminderung im Bereich des Oberschenkels und bei der Kniestreckung vor. Die Umfangsvermehrung im rechten Oberschenkel sei auf das vermehrte Muskeltraining durch die krankengymnastische Übungsbehandlung zurückzuführen. Die im MRT ersichtliche Bursitis könne nicht auf den Unfall zurückgeführt werden und die Schulterproblematik nicht als unfallabhängig beurteilt werden. Hier liege ein ausgeprägter Vorschaden vor, der sich nur passager verschlimmert habe. Aufgrund der langanhaltenden Beschwerdesymptomatik sei die MdE bis 24. Dezember 2019 auf 20 v. H., danach auf 10 v. H., einzuschätzen. Weitere krankengymnastische Übungsbehandlungen seien angezeigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2020 stellte die Beklagte einen Rentenanspruch bis 24. Dezember 2019 nach einer MdE von 20 v. H. bis 24. Dezember 2019 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Überprüfung durch das eingeholte Gutachten habe ergeben, dass eine Rentenberechtigung länger bestehe.

Am 26. Juni 2020 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung die sachverständige Zeugenauskunft des G eingeholt hat. Dieser hat ausgeführt, dass seit dem 11. März 2020 nur noch Krankengymnastikrezepte zur Lasten der BG ausgestellt worden seien. Bei der Primärdiagnostik habe sich eine Muskelabrissverletzung der rückwärtigen Oberschenkelmuskulatur am Becken rechts gezeigt, die operativ behandelt worden sei. Im weiteren Verlauf sei es zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks und zur Ausbildung einer Fehlbelastung mit Schmerzen im Bereich der hüftumgreifenden Muskulatur rechts gekommen. Nach der zweiten stationären Rehabilitation habe sich der medizinische Befund zunehmend normalisiert und es sei ein normales Gangbild und eine Wiederherstellung der körperlichen Belastbarkeit erreicht worden.

Weiter hat das SG die Akte des Schwerbehindertenverfahrens der Klägerin (S 9 SB 810/20) beigezogen, aus der sich unter anderem folgende Unterlagen ergeben haben:

H2 hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft eine schwere Verlaufsform eines Fibromyalgiesyndroms beschrieben und keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin gesehen. Das Fibromyalgiesyndrom verbunden mit der begleitenden Depression führe zu einer erheblichen Erschöpfung und einer deutlich verminderten Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Schwere der Erkrankung der Klägerin, die sich erstmals 2008 bei ihr vorgestellt habe, mit weitgehend therapieresistenten Verlauf über 12 Jahre, halte sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 für angemessen.

Ergänzend hat sie den Bericht der A-Kliniken über die stationäre Behandlung vom 11. bis 28. Februar 2020 vorgelegt. Danach hat die Klägerin angegeben, an unerträglichen Schmerzen am ganzen Körper, vor allem Muskel- und Schulterschmerzen zu leiden, die bei Kälte und Feuchtigkeit an Intensität zunähmen. Es bestünden seit einer Operation im Jahr 2000 chronische Schmerzen, eine Schmerzgeneralisierung seit 2008 sei ebenso wie ein Fibromyalgiesyndrom festgestellt worden. Die Klägerin leide unter stärksten Schmerzen am ganzen Körper, ausgeprägten Schlafstörungen mit konsekutiver Erschöpfung, Tagesmüdigkeit, Abgeschlagenheit und multiplen funktionellen und vegetativen Beschwerden, die zuletzt zu einer deutlichen Funktionsbehinderung im Alltag geführt hätten. Ebenfalls im Vordergrund der Behandlung habe die depressive Erkrankung gestanden, die derzeit hochgradig ausgeprägt sei. Die Klägerin leide unter Traurigkeit, manchmal Grübeln und unter Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Die fibromyalgietypischen Tender Point seien hochgradig druckdolent, eine entzündlich-rheumatische Erkrankung als Ursache für die akute Schmerzexazerbation habe ausgeschlossen werden können.

Weiter ist das Sachverständigengutachten des H aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. Februar 2021 beigezogen worden. Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, seit 20 Jahren an einer Fibromyalgieerkrankung zu leiden und deshalb bei einer Rheumatologin in Behandlung zu sein. Im Jahr 2000 sei sie wegen starker Unterleibsblutungen in der Klinik gewesen, da sei ihr ganzes Leben umgekippt. Seit dieser Operation sei nichts mehr so gewesen wie vorher. Die Ärzte hätten damals gesagt, dass sie schon drei Kinder habe und die Gebärmutter nicht mehr brauche. Der Arzt habe sie wieder arbeiten geschickt, dann habe es mit den Schmerzen in der Schulter angefangen und es seien immer mehr Gelenke dazu gekommen. Mit 38 Jahren hätten die Wechseljahre eingesetzt, ihr Arzt habe gesagt, dass das nicht sein könne.

Auf die Schmerzen angesprochen, habe die Klägerin angegeben, dass es mit diesen besser geworden sei. Sie habe jahrelang nicht richtig schlafen können. Sie habe nicht gewollt, dass ihre Kinder das mitbekämen. Sie habe sich von ihrem Mann zurückgezogen, niemand habe sie anfassen dürfen. Sie sei dann in ein eigenes Schlafzimmer umgezogen, ihr Mann habe als Busfahrer gearbeitet und sei deshalb immer zu unterschiedlichen Zeiten aufgestanden. Er sei elf Jahre älter als sie und schon in Rente. Sie habe nie einen vollen Job gehabt, sondern nur 80 % gearbeitet.

Auf den Arbeitsunfall angesprochen habe die Kläger erst minutenlang über den Unfall gesprochen und dann, wie es nach dem Unfall weiter gegangen sei. Dann habe sie minutenlang über den verletzten Oberschenkel gesprochen und dabei laienhafte Erklärungen angegeben. Sie könne nicht mehr lange laufen und nicht mehr lange stehen, unglücklicherweise habe sie einen stehenden Arbeitsplatz und müsse auch viel laufen. Sie denke sich für die Arbeit aufzuopfern. Das Bein tue noch mehr weh, das andere Bein sei so belastet gewesen. Weiter sei über nur sehr vage angedeutete Beschwerden geklagt worden. Sie sei einfach krank und niemand nehme sie ernst.

Psychisch sei die Klägerin bewusstseinsklar und allseits orientiert mit intakter Auffassung gewesen. Die Konzentrationsfähigkeit habe kein Nachlassen über die Dauer von mehr als zwei Stunden gezeigt. Die Gedächtnisfunktionen zeigten keine groben Defizite, der formale Gedankengang sei geordnet und flüssig. Es habe eine dysthyme Stimmungslage bestanden, die Klägerin habe sich immer wieder klagsam verhalten, teilweise habe sie geschluchzt und geweint. Insuffizienzgefühle seien angegeben worden, die Antriebslage sei leicht reduziert. Die Klägerin berichte über einen sozialen Rückzug, eine Suizidalität sei glaubhaft verneint worden.

Im körperlichen Untersuchungsbefund seien Haut und Behaarung ohne pathologischen Befund gewesen. An den unteren Extremitäten habe sich eine regelrechte Muskeltrophik und ein normaler Muskeltonus gezeigt. Die grobe Kraftentfaltung am rechten Bein sei eingeschränkt gewesen, umschriebene Paresen hätten nicht bestanden. Die Muskeleigenreflexe an den unteren Extremitäten seien seitengleich schwach auslösbar gewesen, der Achillessehnenreflex beidseits nicht sicher erhältlich. Pathologische Reflexe hätten keine bestanden. Das Gangbild sei verlangsamt, der Blindgang unsicher ohne gerichtete Fallneigung. Beim Stehen mit geschlossenen Augen zeige sich ein leicht ungerichtetes Schwanken.

Die von der Klägerin erlebten Schmerzen und die Durchschlafstörung habe sie mehrfach in den Vordergrund gestellt und wiederholt zum Ausdruck gebracht, sich ungerecht behandelt zu fühlen, da ihre Beschwerden und Erkrankungen nicht ernst genommen würden. Auf psychiatrischem Fachgebiet leide die Klägerin unter einer seit vielen Jahren bestehenden chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Im Rahmen der aktuellen Untersuchung sei der Eindruck entstanden, dass die psychischen Faktoren bei dieser chronischen Schmerzerkrankung überwögen und den wesentlichen Leidensdruck begründeten. Daneben bestehe eine chronifizierte depressive Störung, die beiden Störungen seien zu einem komplexen psychiatrischen Krankheitsbild verwoben. Die Behandlung erfolge bislang nur unzureichend. Der GdB sei auf 30 einzuschätzen.

H hat ergänzend gehört ausgeführt, dass ein häufiges Missverständnis darin bestehe, zu glauben, der GdB werde am Maß des Klagens, des subjektiv empfundenen Leides oder dem authentisch vermittelten Leidensdruck gemessen. Entscheidend seien jedoch die objektivierbaren Funktionseinschränkungen.

Die Klägerin hat den Zwischenbericht der S2 vom 8. Februar 2022 vorgelegt, wonach eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine mittelgradige depressive Episode und eine Fibromyalgie bestünden.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Februar 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. K2 habe nachvollziehbar dargelegt, dass die beidseitig bestehende Grundunsicherheit beim Einbeinstand, die bildgebend festgestellten beidseitigen Reizerscheinungen im Hüft- und Oberschenkelbereich und die Schulterproblematik keine Unfallfolgen seien. Dagegen spreche die Beidseitigkeit bzw. hinsichtlich der Schulterproblematik, dass eine Einengung im Schulterbereich vorbestehend gewesen sei und nur der unfallbedingte zeitweise Gebrauch von Krücken zu einer vorübergehenden Verschlechterung geführt habe. Zwar habe ein langer Heilungsverlauf bestanden, jedoch sei die operative Refixierung der gerissenen Sehne erfolgreich gewesen. Die Einschätzung der MdE durch K2 sei schlüssig. Auf schmerztherapeutisch/psychiatrischen Fachgebiet lägen keine Unfallfolgen vor. Es stehe fest, dass die Klägerin schon lange vor dem Unfall an einer erheblichen Schmerzerkrankung gelitten habe, die schon 2009 zur Anerkennung eines GdB von 30 geführt habe. H2 und H hätten von einer seit Jahren gleich schweren Erkrankung berichtet, dem habe sich die Klägerin im Schwerbehindertenverfahren angeschlossen, sodass es nicht überzeuge, wenn im Unfallversicherungsverfahren nunmehr Gegenteiliges behauptet werde. Die Ausführungen der S2 reichten nicht aus, um von einer unfallbedingten Verschlimmerung der Schmerzerkrankung auszugehen, zumal sie die Klägerin erst seit 2021 behandele und ihre Ausführungen nur auf deren Angaben stützen könne.
Dass die Klägerin eine Erklärung ihrer Beschwerden nun auch in dem erlittenen Unfall suche, sei angesichts des regelmäßig bestehenden Bedürfnisses von Menschen nach einer Erklärung von Beschwerden und angesichts des Umstandes, dass ein Unfallzusammenhang sekundäre Vorteile für die Klägerin mit sich bringe, nicht überraschend. Maßgeblich sei aber die sich auf eine lange Behandlungsdauer stützende und damit tragfähigere Mitteilung von H2 wie die auf umfassende Unterlagen gestützte gutachtliche Bewertung durch H, der einen im Wesentlichen gleichbleibenden Krankheitsgrad schildere. Dafür spreche weiter, dass der Unfall bei der rheumatologisch-psychosomatischen stationären Behandlung in Baden-Baden im Frühjahr 2020 gerade nicht thematisiert worden sei.

Am 11. März 2022 hat die Klägerin beim SG Berufung eingelegt. Aus dem psychologisch-psychotherapeutischen Bericht der S2 ergebe sich, dass sie zwar zuvor an einer leichten Schmerzsymptomatik gelitten habe, der Unfall aber eine massive Schmerzerkrankung verursacht habe und seitdem die Schmerzempfindung erheblich gestört sei. Hieraus hätten sich Folgewirkungen ergeben und sie leide an einem traumatischen Erleben des Unfalls und seiner Folgen. Die zuvor bestehenden Gesundheitsstörungen hätten nicht wesentlich zu dem jetzigen Gesundheitszustand beigetragen. Sie sei in dem Zustand versichert, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Unfalls befunden habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Februar 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2020 zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert auch über den 24. Dezember 2019 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Verfügung vom 5. April 2022 ist der Klägerin zur Stellung eines Antrages nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Frist bis 29. April 2022 gesetzt worden, deren Verlängerung auf den 10. Juni 2022 abgelehnt und um drei Wochen verlängert worden ist. Der sodann benannte  A1 ist dann am 13. Mai 2022 zum Sachverständigen ernannt worden und hat am 5. Juni 2022 den Begutachtungstermin für den 24. Juni 2022 mitgeteilt. Am 23. Juni 2022 hat der Sachverständige mitgeteilt, dass die Klägerin den Termin für den 24. Juni 2022 abgesagt habe, da sie eine sechs- bis achtwöchige Rehabilitation antrete und eine neue Terminvergabe abgelehnt habe. Der Sachverständige ist darauf entbunden worden. Die Klägerin hat daraufhin am 4. Juli 2022 beantragt, ein Sachverständigengutachten bei B2 einzuholen, der seine Bereitschaft hierzu erklärt habe. Dieser Antrag ist abgelehnt worden, da das Antragsrecht verbraucht sei. Sodann hat die Klägerin geltend gemacht, den Termin nicht wahrgenommen zu haben, weil sie sich in Rehabilitation befunden habe. Vorgelegt wurde die Aufenthaltsbestätigung vom 5. Juli 2022, wonach die Rehabilitation vom 22. Juni bis voraussichtlich 6. Juli 2022 dauere. Sodann hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie sich bei A1 nochmals habe melden wollen und dieser nunmehr das Gutachten erstellen solle. Die Dauer der Rehabilitation sei für sie nicht klar gewesen.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen und hieran auf den erneuten Antrag der Klägerin nach § 109 SGG festgehalten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.



II.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG, nach Anhörung der Beteiligten, durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 16. Februar 2022, mit dem dieses die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung weiterer und höherer Verletztenrente unter Abänderung des Bescheides vom 11. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 3. Juni 2020 abgewiesen hat. Mit dem Bescheid vom 11. April 2019 hat die Beklagte die Verletztenrente zwar zunächst nur als Gesamtvergütung (§ 75 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) gewährt, mit dem Widerspruchsbescheid ist indessen eine Weitergewährung ohne Bezugnahme auf eine Gesamtvergütung erfolgt, sodass es keines gesonderten Fortzahlungsantrages (vgl. § 75 Satz 2 SGB VII) bedurfte.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 11. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie kann auch zur Überzeugung des Senats die Gewährung höherer und weiterer Verletztenrente nicht beanspruchen. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (§§ 8, 9 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R –, juris, Rz. 12).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der jeweilige Versicherungsfall eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Die unfallversicherungsrechtliche Zurechnung setzt erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „Conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht („ex post“) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie auch zur MdE reichen, derentwegen das SGB VII mit der Rente ein Leistungsrecht vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Erstschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfall-versicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungs-rechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstat-bestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 9/07 R –, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 43, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R –, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 – L 6 U 50/15 –, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 37), wobei von einem normativ-funktionalen Krankheitsbegriff auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R –, juris, Rz. 22 m. w. N.), die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr 3, Rz. 17 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte für den Senat bindend (vgl. § 77 SGG) das Vorliegen eines Arbeitsunfalls anerkannt und ist als Unfallfolgen von dem Vorliegen von Restbeschwerden nach operativ versorgtem Riss der Hamstringsehne des rechten Oberschenkels ausgegangen. Aufgrund des Unfalls vom 6. Dezember 2017 hat die Beklagte Verletztenrente ab dem 24. Dezember 2018 gewährt, nachdem zuvor eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Verletztengeld bestanden hat (vgl. auch § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Der Riss der Hamstringsehne konnte erfolgreich refixiert werden und es hat sich bereits im Mai 2018 und damit noch während der Arbeitsunfähigkeit eine Kontinuität der Sehne gezeigt, wie der Senat dem MRT-Befund des V vom 8. Mai 2018 entnimmt, den er im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Der Sehnenriss selbst war somit zum Zeitpunkt des Beginns der Verletztenrente bereits ausgeheilt und ist damit nicht mehr MdE-relevant gewesen.

Auch im Übrigen konnten durch die eingeholten Gutachten des B und des K2, die der Senat ebenfalls urkundsbeweislich verwertet, keine Funktionseinschränkungen objektiviert werden, die mit einer MdE zu bewerten sind. Dementsprechend kann auch keine Verletztenrente nach einer höheren MdE beansprucht werden.

B hat bei seiner Untersuchung unauffällige Weichteilverhältnisse an den unteren Extremitäten befundet und herausgestellt, dass keine Muskelminderung aufgefallen ist und die Beschwielung der Fersen seitengleich ausgebildet war, sodass sich keine Zeichen eines Mindergebrauchs der unteren Extremitäten objektivieren ließen. Die Haut beschreibt er als warm, trocken und unauffällig, eine Überwärmung zeigte sich nicht. Die von ihm beobachtete maximale Schmerzempfindlichkeit der Klägerin schreibt er, für den Senat überzeugend, der bekannten Fibromyalgie zu, die vorbestehend war und die von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich auch nicht als Unfallfolge anerkannt worden ist. Soweit B eine leichte Umfangsvermehrung des rechten gegenüber dem linken Bein befundet hat, ergab sich dieser Befund auch bei der Untersuchung durch K2. Dieser konnte aber schlüssig aufzeigen, dass die Umfangsvermehrung auf das verstärkte Muskeltraining durch die krankengymnastische Übungsbehandlung zurückzuführen ist und damit keinen pathologischen Befund darstellt. Im Übrigen hat er, ebenso wie B, einen unauffälligen Befund erhoben. Die Fußsohlen beschreibt er ebenfalls als seitengleich beschwielt, die Haut als gut gespannt und überall verschieblich sowie gleichmäßig gut durchwärmt. Die Fußbelastung war bei verminderter Schrittlänge seitengleich, die Abrollbewegungen von Knie-, Sprung- und Fußgenlenken seitengleich. Eine Ruptur und einen Muskelfaserriss der Oberschenkelmuskulatur schließt er aus, ein Hüftgelenkserguss und eine Synovalitis im Hüftgelenk hat nicht bestanden. Soweit Schwierigkeiten beim Einbeistand demonstriert worden sind, hat der Gutachter nachvollziehbar dargelegt, dass diese auf beiden Seiten bestanden und damit nicht allein dem Unfallereignis zugeschrieben werden können. Dies ist vor dem Hintergrund schlüssig, dass die Klägerin am linken Bein keine Verletzungen erlitten hat und sich dem Bericht über die Rehabilitation 2018 entnehmen lässt, dass der Einbeinstand links sicher und nur rechts eingeschränkt gewesen.

Funktionelle Einschränkungen, die mit einer MdE zu bewerten wären, konnte von den Gutachtern somit nicht erhoben werden, die geklagte Beschwerdesymptomatik allein begründet eine solche nicht, sodass die MdE jedenfalls nicht höher zu bewerten ist. Korrespondierend zu den Gutachten hat T1 bereits im September 2019 eine freie Beweglichkeit der unteren Extremitäten befundet und nur auf eine subjektive Schmerzsymptomatik des rechten Beines verwiesen, die sich aber nicht in Form eines Mindergebrauchs auswirkt (vgl. oben). Weiter hat G in seiner sachverständigen Zeugenauskunft für den Senat überzeugend dargelegt, dass es nach der zweiten Rehabilitation zu einer zunehmenden Normalisierung des medizinischen Befundes bis zum Erreichen der körperlichen Belastbarkeit gekommen ist. Dies wird dadurch untermauert, dass die Arbeits- und Belastungserprobung am bisherigen Arbeitsplatz erfolgreich durchgeführt und die vorherige Tätigkeit im vorherigen Umfang wieder aufgenommen werden konnte, die berufliche Belastbarkeit also wieder hergestellt worden ist.

Unabhängig davon, dass die Beklagte die Fibromyalgie nicht als Unfallfolge anerkannt hat, ist der sachverständigen Zeugenauskunft der H2 aus dem Schwerbehindertenverfahren deutlich zu entnehmen, dass diese die Klägerin bereits seit 2008 behandelt und einen therapieresistenten Verlauf über zwölf Jahre beschreibt, was im Übrigen den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen H entspricht, dessen Sachverständigengutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, dass die körperlichen Einschränkungen nach einer Operation im Jahr 2000 an der Gebärmutter begonnen haben. Sie sei nur für vier Wochen krankgeschrieben worden und habe sich dann wieder zur Arbeit schleppen müssen, weil diese niemand für sie habe machen wollen. Ihr Arzt habe sie einfach zur Arbeit geschickt, die Schmerzen hätten in der linken Schulter angefangen und es seien immer mehr Gelenke hinzugekommen. Sie habe wegen der Schmerzen jahrelang nicht schlafen können wie ein normaler Mensch. Passend hierzu hat H zum Krankheitsverlauf unter Würdigung der dortigen Aktenlage herausgearbeitet, dass bereits 2011 und 2015 in der F-Klinik B3 stationäre Rehabilitationen wegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung durchgeführt worden sind, sodass deutlich wird, dass die Erkrankung schon damals einen solchen Behandlungsbedarf begründet hat und nicht nur leicht ausgeprägt gewesen ist, wie die Klägerin nunmehr glauben machen will. Insbesondere ist schon im Entlassungsbericht 2011 beschrieben, dass wegen des gestörten Schlafrhythmus Nachtschichten nicht mehr leidensgerecht sind und massive Kälte- und Nässeexpositionen wegen der Gefahr der Schmerzverstärkung vermieden werden sollen.

Passend zu den Darlegungen des T1, dass nur eine subjektive Schmerzsymptomatik am rechten Bein bestanden hat, verweist der Sachverständige H ebenfalls darauf, dass zu der Beschwerdesymptomatik am rechten Bein von der Klägerin nur laienhafte Erklärungen abgegeben worden sind, einen pathologischen Befund konnte er hingegen ebenfalls nicht sichern. Die geklagten Probleme beim Treppensteigen zeigten sich in der Untersuchung durch H nicht, vielmehr konnte die Klägerin dort die Treppe im Beisein des Sachverständigen bewältigen. Zum Befund beschreibt H an den unteren Extremitäten eine regelrechte Muskeltrophik und einen normalen Muskeltonus bei eingeschränkter grober Kraftentfaltung am rechten Bein, aber ohne umschriebene Paresen. Pathologische Reflexe werden verneint, ebenso wie die Vorgutachter ergaben sich relevante Zeichen eines Mindergebrauchs nicht. Soweit er die Muskeleigenreflexe an den unteren Extremitäten beidseits als nur schwach auslösbar bezeichnet, hat bereits K2 darauf hingewiesen, dass der beidseitige Befund nicht dem einseitigen Arbeitsunfall angelastet werden kann.

Diagnostisch gelangt der Sachverständige zu einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die er, korrespondierend zu den Vorbefunden und den Darlegungen der H2, als seit vielen Jahren bestehend beschreibt. Weiter legt er schlüssig dar, dass daneben eine chronifizierte depressive Störung besteht, die sich unter anderem in einer vermehrten Erschöpfbarkeit äußert, ein Befund, den die Federseeklinik 2015 ebenfalls schon beschrieben hat, indem ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom befundet worden ist. Daneben verweist der Sachverständige darauf, dass die psychiatrischen Erkrankungen nur unzureichend behandelt worden sind, eine ambulante psychotherapeutische Behandlung der komplexen psychischen Störung notwendig ist sowie durch eine begleitende medikamentöse Behandlung das Schmerzerleben, die Depressivität und die Schlafstörungen gebessert werden könnten. Letztlich hat er in diagnostischer Hinsicht herausgearbeitet, dass sich die beiden psychiatrischen Erkrankungen zu einer komplexen psychischen Störung verwoben haben, die sich wechselseitig verstärken. Die Schmerzstörung verstärkt die Depressivität und die Depressivität erhöht das Schmerzerleben der Klägerin.

Aus den Darlegungen der S2 folgt nichts anderes, da diese bereits von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgeht. Für das Vorbringen der Klägerin, dass sie nach der damaligen Operation vier Monate habe im Bett verbringen müssen, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Vielmehr ist dem Entlassungsbericht der Sportklinik S zu entnehmen, dass der postoperative Behandlungsverlauf zeitgerecht gewesen ist und lediglich eine Entlastung mit Unterarmgehstützen für sechs Wochen mit anschließendem symptom- und beschwerdeorientiertem Belastungsaufbau empfohlen wurde. Dementsprechend konnte die Klägerin bereits am 27. März 2018 zu der stationären Rehabilitation aufgenommen werden, wobei schon im Aufnahmebefund nur Einschränkungen der Beweglichkeit insbesondere auf der Treppe und eine Einschränkung der Gehstrecke beschrieben sind. Bei der Aufnahme betrug das Zeichen nach Schober für die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule 10:14 cm und war damit nur gering limitiert (Norm: 10:15 cm), weiter ist der Finger-Boden-Abstand mit 25 cm angegeben worden, was nicht zu der Angabe der Klägerin passt, dass sie sich nicht habe bücken können. Das Gangbild wird als ohne Gehhilfen sicher und deutlich rechtshinkend beschrieben, sodass widerlegt ist, dass sich die Klägerin über vier Monate nur vorsichtig und mit Krücken fortbewegen konnte, wie die Psychologin S2 zu Grunde legt. Dokumentiert ist vielmehr nur, dass unmittelbar nach der Operation eine Entlastung durch Unterarmgehstützen für die Dauer von sechs Wochen empfohlen worden ist.

Dass die Klägerin fast 15 Monate arbeitsunfähig gewesen sein soll, erschließt sich ebenfalls nicht. Vielmehr ist bereits ab dem 12. November 2018 eine Arbeits- und Belastungserprobung durchgeführt und ihr ab Ende Dezember 2018 Arbeitsfähigkeit bescheinigt worden. Tatsächlich hat die Klägerin im Übrigen auch die Tätigkeit am alten Arbeitsplatz wieder aufgenommen, sodass es unschlüssig ist, wenn S2 ein relevantes Vermeidungsverhalten aufgrund des Arbeitsunfalls konstatiert. Vielmehr ist belegt, dass die Klägerin den Anforderungen an dem bisherigen Arbeitsplatz wieder gewachsen gewesen ist, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des B entnimmt. Dieser hat nämlich bei seiner Untersuchung am 12. September 2019 erhoben, dass die Klägerin wie vor dem Unfall 30 Stunden pro Woche in der Bäckerei arbeitet, wobei sie sämtliche Arbeiten wie Backen, Putzen, Heben von schweren Blechen und viel Umherlaufen machen muss. Daneben ist dem Befundbericht der H2 vom 17. Januar 2020 zu entnehmen, dass seit Mai 2019 infolge der Umstrukturierung der Firma eine große Belastung für sie entstanden ist, also nicht durch den Arbeitsunfall selbst.

Auch die von der S2 zu Grunde gelegten vermeintlichen Ängste beim Treppensteigen sind in keiner Weise objektiviert. Solche sind im Vorfeld während der stationären Behandlungen nicht beschrieben und bei H konnte die Klägerin diesem in der Untersuchungssituation problemlos über die Treppe folgen, ohne dass dieser irgendwelche psychischen Auffälligkeiten dokumentiert hätte. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sie auch nicht würdigt, dass bereits der Bericht der F-Klinik B3 aus 2015 (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen H) sowohl eine arterielle Hypertonie als auch eine Mitralinsuffizienz und ein Asthma bronchiale mit leicht obstruktiver Ventilationsstörung beschreibt, sodass die dadurch begründeten Einschränkungen ebenfalls nicht erst nach dem Unfall aufgetreten sind. Abgesehen davon, dass ihre Schlussfolgerungen somit schon deshalb nicht überzeugen, da sie von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgeht, hat H – fachärztlich – überzeugend aufzeigen können, dass eine wechselseitige Beeinflussung der depressiven Symptomatik mit der Schmerzsymptomatik besteht und keineswegs die depressive Symptomatik allein aus der Schmerzsymptomatik resultiert, wie S3 zur Begründung ihrer monokausalen und die Befundlage vernachlässigenden Schlussfolgerungen ausführt. Weiter hat H in seiner ergänzenden Stellungnahme deutlich aufgezeigt, dass bei der Klägerin der psychogene Anteil die somatischen Faktoren überwiegt und merklich zwischen subjektiv empfundenen Leid und objektivierbaren Funktionsdefiziten differenziert werden muss, es also für die Bewertung nicht auf das subjektiv empfundene Leid oder den authentisch vermittelten Leidensdruck ankommt, sondern auf die objektivierbaren Funktionseinschränkungen. Dies beachtet S2 ebenso nicht, wenn sie nur von den anamnetischen Angaben der Klägerin ausgeht, wie sie sich mit den zeitlichen Abläufen nicht auseinandersetzt und insbesondere die Wiederaufnahme der vorigen Tätigkeit durch die Klägerin nicht würdigt. Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die als sachverständige Zeugen im Schwerbehindertenverfahren gehörten Ärzte eine wesentliche Befundänderung seit Anfang 2018 und damit im Zeitraum nach der Operation verneint haben. Entgegen der Darlegungen der Klägerin hat gerade H2 eine wesentliche Befundänderung verneint und ihre Einschätzung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 eben nicht auf eine Zunahme der Beschwerden gestützt, sondern auf den seit zwölf Jahren bestehenden therapieresistenten Verlauf.

Daneben sind die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen an der Schulter keine Unfallfolgen und daher bei der Bemessung der MdE nicht zu berücksichtigen. K2 hat für den Senat überzeugend aufgezeigt, dass bei der Klägerin ein ausgeprägter Vorschaden vorgelegen hat und B hat, ebenfalls schlüssig, betont, dass das Unfallereignis zu keiner Strukturschädigung der Schulter geführt hat. Soweit beide Gutachter von einer passageren Verschlimmerung durch die Benutzung der Gehhilfen ausgehen, rechtfertigt sich daraus keine Höherbewertung der MdE. B hat nämlich schlüssig dargelegt, dass die Verschlechterung über einen Zeitraum von acht Wochen und die daraus folgende Behandlungsbedürftigkeit über einen Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen ist. Nachdem sich das Unfallereignis aber am 6. Dezember 2017 ereignet hat und die Klägerin bis zum Beginn der Verletztenrente am 24. Dezember 2018 arbeitsunfähig gewesen ist (vgl. auch § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), fällt die unfallbedingte Verschlimmerung und Behandlungsbedürftigkeit, die B und K2 annehmen, in den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und ist ohne Auswirkung auf den Verletztenrentenanspruch.
 
Die Anträge nach § 109 SGG hat der Senat wegen Verspätung abgelehnt. Der Klägerin ist eine großzügige Frist zur Antragstellung von gut sechs Wochen eingeräumt worden und der Sachverständige A1 hat bereits am 5. Juni 2022 den Begutachtungstermin mitgeteilt, sodass bis zum Antritt der Rehabilitation am 22. Juni 2022 ausreichend Zeit bestanden hätte, mit diesem das Begutachtungsdatum zu klären, was nicht geschehen ist. Dass die Rehabilitation für sechs bis acht Wochen geplant gewesen wäre, lässt sich der Aufnahmemitteilung im Übrigen ebenfalls nicht entnehmen, hätte die Klägerin aber nicht daran gehindert, einen entsprechenden Termin mit dem Sachverständigen zu vereinbaren. Stattdessen ist – deutlich außerhalb der gesetzten Antragsfrist – ein anderer Sachverständiger benannt worden, wofür entgegen der Auffassung der Klägerin kein tragender Grund bestanden hat. Der Umstand, dass sie sich nicht rechtzeitig und zielführend mit dem beauftragten A1 in Verbindung gesetzt hat, rechtfertigt die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen nicht. Soweit die Klägerin zuletzt, wiederum mit deutlicher zeitlichen Latenz, der Auffassung war, A1 solle nunmehr doch begutachten, ist dieser Antrag ebenfalls verspätet. Dass es nicht unmittelbar zu einem Begutachtungstermin bei A1 gekommen ist, ist der groben Nachlässigkeit der Klägerin geschuldet, was ebenfalls zur Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG berechtigt. Überdies würde auch eine deutliche Verfahrensverzögerung eintreten. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es nicht zu überzeugen vermag, wenn die Klägerin geltend macht, dass es sich wohl nur um ein Missverständnis gehandelt hat, nachdem sich ein ähnlicher Ablauf bereits bei der Terminvereinbarung für die Heilverfahrenskontrolle gezeigt hat.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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