L 10 U 2662/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 66/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2662/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Ein abendliches Eishockeytraining bei einem privaten Verein steht auch dann nicht unter dem Schutz der Schülerunfallversicherung, wenn eine Kooperation zwischen Schule und Verein mit finanzieller Unterstützung des Internatsschülers durch den Verein besteht. Weder ist der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule betroffen, noch handelt es sich um eine schulische Betreuungsmaßnahme.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.06.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Ereignisses vom 18.12.2018 als Arbeitsunfall im Rahmen der Schülerunfallversicherung.

Der am2003 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses (Internats-)Schüler des Privaten Aufbaugymnasiums I1 GmbH, einem als Ersatzschule staatlich genehmigten Privatgymnasium für Jungen und Mädchen mit Sekundarstufe I und II und angeschlossenem Internat in freier Trägerschaft (Trägerin: E1 Group, s. S. 51 VerwA).

Am 18.12.2018 nahm der Kläger gegen 18.30 Uhr am Eishockey-Training der R1 - ein privatrechtlich eingetragener (Eishockey-)Verein, der im Rahmen eines Stipendiums die Internatskosten des Klägers bezuschusste (i.H.v. 1.500 € monatlich, den Restbetrag von 2.500 € monatlich zahlten die Eltern des Klägers) - teil. Im Laufe des Trainings wurde der Kläger von einem Mitspieler, der nicht mehr ausweichen konnte, „gecheckt“. Dessen Knie traf den Oberschenkel des Klägers, was bei ihm zu einer distalen Femurschaftfraktur rechts führte, die in der Folgezeit osteosynthetisch versorgt wurde.

Der Cousin des Klägers informierte Anfang Februar 2019 die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), die den Vorgang später zuständigkeitshalber an die hiesige Beklagte abgab, und meinte, es bestünde zwischen dem „Internat“ und dem Eishockey-Verein ein Kooperationsvertrag, weswegen es sich bei dem Training um „Pflichtunterricht“ gehandelt habe. Die VBG holte daraufhin noch am selben Tag eine telefonische Auskunft der schulischen Berufsbetreuerin des Klägers ein. Diese teilte mit, bei dem Eishockey-Training habe es sich nicht um eine schulische Veranstaltung gehandelt. Am Unfalltag sei es den Schülern freigestellt gewesen, an der schulischen Weihnachtsfeier teilzunehmen oder aber dem privaten Eishockey-Training nachzugehen. Das Schulsekretariat bestätigte (telefonische Auskunft ebenfalls vom selben Tag), dass es sich bei dem Vereinssport um eine Privatveranstaltung außerhalb des Curriculums gehandelt habe; das Training sei nicht dem Pflichtunterricht zuzurechnen, es bestehe lediglich eine Kooperation mit dem Verein dergestalt, dass die Schulpläne mit den Vereinsplänen terminlich abgestimmt seien und dass entsprechende Stipendien vergeben würden (s. zu allem Aktenvermerk vom 04.02.2019, S. 12 f. VerwA).
Mit Bescheid vom 17.04.2019 (S. 22 f. VerwA) verfügte die Beklagte, dass das Ereignis vom 18.12.2018 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass zwischen den Aufgaben der Schule und dem Eishockey-Training kein sachlicher Zusammenhang bestehe, sodass es sich bei dem Training nicht um eine schulische Veranstaltung gehandelt habe. Daran ändere auch die Kooperation nichts, denn das Training sei verantwortlich von dem Eishockey-Verein durchgeführt und organisiert worden, jedoch nicht von der Schule, sodass insoweit kein (Schüler-)Unfallversicherungsschutz bestehe.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass bei einem „Sportinternat“, was ausdrücklich mit einer Vereinbarkeit von Schule und Sport werbe und mit dem Eishockey-Verein eine intensive Kooperation pflege, von einer Zusammengehörigkeit von Schulleben und der Erlangung sportlicher Vertiefungsmöglichkeiten auszugehen sei. Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.01.2018 (B 2 U 8/16 R) ergebe sich im Übrigen „im Umkehrschluss“, dass das Ereignis versichert gewesen sei.

Die Beklagte holte sodann die schriftliche Auskunft der Geschäftsleitung der Trägerin des Aufbaugymnasiums vom 21.11.2019 (S. 51 ff. VerwA) ein. In dieser wurde ausgeführt, dass bei dem Eishockey-Training am 18.12.2018 kein Mitarbeiter des Aufbaugymnasiums anwesend gewesen und auch niemand des Gymnasiums mit dem Training beauftragt worden sei, dass es keine Aufforderung oder gar Verpflichtung seitens der Schule gegeben habe, an dem Training teilzunehmen und dass auch ansonsten niemand der Schule bei der Planung, Organisation und Durchführung der Aktivitäten der R1 involviert sei. Die Trainingseinheiten fänden außerhalb des Schulgeländes unter Verantwortung des Eishockey-Vereins statt und seien auch nicht in den Terminplänen der Schule ausgewiesen. Bei dem Training am 18.12.2018 habe es sich nicht um eine Schulveranstaltung gehandelt. Die Schulkooperation mit dem Verein beinhalte im Übrigen auch lediglich eine bessere Vereinbarkeit von Schule und Sport hinsichtlich der Schüler, die auch Mitglied des Vereins seien und dort aktiv trainierten, ohne dass eine spezifische Förderung im Bereich Eishockey seitens der Schule stattfinde und auch ohne dass der Verein irgendwie in den Schulbetrieb, die Finanzierung oder die Organisation der Schule involviert sei. Die Schule habe sich im Kooperationsvertrag mit dem Verein demgemäß namentlich allein verpflichtet, die Trainingszeiten des Vereins bei der Planung von Lernzeiten, Mahlzeiten und anderen (schulischen) Betreuungsangeboten zu beachten und den der Schule vom Verein gemeldeten Schülern die Wahl zu geben, an internatsinternen Freizeitangeboten oder am Vereinstraining teilzunehmen. Diese Kooperation begründe keine darüberhinausgehenden Rechte oder Pflichten und sei insbesondere auch nicht Gegenstand der Internatsverträge, sodass die Schüler daraus ohnehin nichts herleiten könnten. Der Schulleiter des Aufbaugymnasiums bestätigte der Beklagten zudem telefonisch, dass es sich bei der Schule nicht um eine „Sportschule“ oder Vergleichbares handele und dass auch keine Schulveranstaltung in Rede stehe (s. Aktenvermerk vom 11.11.2019, S. 48 VerwA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2019 (S. 60 ff. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwischen dem Eishockey-Training am 18.12.2018 als privater Vereinssport und dem Schulbesuch bestehe kein innerer sachlicher Zusammenhang. Ein Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung liege mithin nicht vor. Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BSG betreffe einen gänzlich anderen Fall.

Hiergegen hat der Kläger am 07.01.2020 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Zwischen der Schule und dem Verein bestehe eine „klare Abstimmung“ und die Schule werbe damit, dass jungen Spielern die Möglichkeit eingeräumt werde, in den „normalen“ Unterricht der Internatsschule integriert zu werden. Die Aktivitäten von Schule und Verein bzw. Vereinstraining seien derart intensiv und der „komplette Schul- und Sportbereich zwischen dem Verein und dem Aufbaugymnasium abgestimmt“, sodass in Ansehung dieser „intensiven Verzahnung von Schule, Verein und Training“ von einer versicherten Tätigkeit auszugehen sei. Er hat auf den Trainingsplan des Vereins verwiesen (s. S. 38 SG-Akte) und darauf hingewiesen, dass teilweise auch vor dem morgendlichen Schulbeginn (bis zu zweimal die Woche) bzw. während des „normalen“ Schulsportunterrichts („meist dritte oder vierte Stunde“) Eishockey-Trainingseinheiten „im Verein“ stattgefunden hätten, wobei hinsichtlich Letzterem 2 Stunden Eishockeytraining 3 Stunden Schulsport entsprochen hätten. Auch sei der Kläger nach dem abendlichen Training stets mit seinen Mitinternatsschülern (pro Jahr seien 17 Spieler „in der Schule untergebracht“ gewesen) zurück zum Abendessen in das Internatsgebäude gelaufen (Laufweg 5 bis 10 Minuten), wo es ca. 30 Minuten nach dem Training Essen für die Eishockey-Internatsschüler gegeben habe.

Mit Urteil vom 24.06.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Unfall weder während des Schulbesuchs noch während einer von der Schule durchgeführten Betreuungsmaßnahme ereignet habe. Das Training sei nicht Teil des Schulunterrichts und die (Trainings-)Gruppe auch nicht von der Schule zusammengestellt gewesen. Überhaupt bestehe - gestützt auf die von der Beklagten eingeholten Auskünfte der Schule bzw. deren Trägerin - kein schulischer Organisations- und Verantwortungszusammenhang zwischen der Schule und dem Training, insbesondere sei die Trainingsgruppe auch nicht von einer Lehrperson begleitet worden. Der Umstand, dass es zwischen dem Verein und der Schule organisatorische Abstimmungen gegeben und die Schule das Training gefördert und ermöglicht habe, mache es nicht zu einer schulischen Veranstaltung oder zu einer von der Schule durchgeführten Betreuungsmaßnahme. Bei dem Training habe es sich vielmehr um ein nicht unfallversichertes freiwilliges Training in einem privaten Sportverein gehandelt.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 19.07.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.08.2021 Berufung eingelegt. Er hat auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und gemeint, der Umstand der anteiligen Tragung der Schul-/Internatskosten (durch den Verein), die Abstimmung der Essenspläne nach dem Abendtraining und die „integrative Gestaltung des Eistrainings in den Schulunterricht“ sei nicht berücksichtigt worden; seine entsprechenden Ausführungen dazu habe die Beklagte „offensichtlich unstreitig gestellt“.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß, vgl. S. 2 Senats-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.06.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2019 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 18.12.2018 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung angehört (s. S. 20 ff., 26 Senats-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die zulässig mit einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2019 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2019 kombinierte Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG; dazu statt vieler nur BSG 28.06.2022, B 2 U 20/20 R, in juris, Rn. 10) zu Recht abgewiesen. Mit diesen Bescheiden hat es die Beklagte abgelehnt, das Ereignis vom 18.12.2018 als Arbeitsunfall im Rahmen der Schülerunfallversicherung („Schulunfall“) anzuerkennen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist ein Versicherter berechtigt, die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung, dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, vorab als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage klären zu lassen (BSG, a.a.O., m.w.N.).

Der Bescheid vom 17.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat am 18.12.2018 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls muss der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss dadurch einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben (BSG, a.a.O., Rn. 11 m.w.N., st. Rspr.) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.


Der Kläger hat zwar am 18.12.2018 einen Unfall i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erlitten, als er beim Eishockey-Training mit einem Mitspieler zusammenstieß und sich auf Grund dieser Einwirkung als Gesundheits(erst)schaden eine distale Femurschaftfraktur rechts zuzog. Auch gehörte er als Schüler einer allgemeinbildenden - worunter insbesondere Gymnasien fallen (s. nur BSG 28.06.2022, B 2 U 20/20 R, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.) -, nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen staatlich genehmigten und der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden (vgl. dazu Senatsurteil vom 22.10.2015, L 10 U 2863/13, in juris, Rn. 28) Ersatzschule (vgl. dazu BSG 04.07.2013, B 2 U 2/12 R, in juris, Rn. 19 m.w.N., sowie § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1 bis 3, Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - SchulG NRW - in der seit dem 01.07.2016 geltenden Fassung) grundsätzlich zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Denn gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII sind Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen (Alt. 1) und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen (Alt. 2) kraft Gesetzes unfallversichert.

Den in Rede stehenden Unfall erlitt der Kläger jedoch nicht infolge der versicherten Tätigkeit als Schüler, weil der Aufenthalt während des (abendlichen) Eishockey-Trainings bei den R1 dieser Tätigkeit sachlich nicht zuzurechnen ist.

Ob zur Zeit des Unfalls der innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Person und der versicherten Tätigkeit besteht, ist wertend zu entscheiden. Dabei sind die Wertungsgesichtspunkte und Grundsätze, die das BSG zur Beschäftigtenversicherung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entwickelt hat, nicht ohne Weiteres auf die Schülerunfallversicherung übertragbar. Als Wertungsfaktoren und Zurechnungsgesichtspunkte des sachlichen Zusammenhangs kommen im Rahmen der Schülerunfallversicherung vor allem der Schutzzweck der Norm sowie die Grundprinzipien der Unfallversicherung in Betracht (BSG 28.06.2022, B 2 U 20/20 R, a.a.O., Rn. 15 ff., m.w.N., auch zum Nachfolgenden).

Zu den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b Alt. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zählen danach grundsätzlich die Betätigungen während schulischer Veranstaltungen, auch wenn die Mitwirkung freigestellt oder unverbindlich ist. So erstreckt sich der Versicherungsschutz grundsätzlich auf Tätigkeiten während des Unterrichts, während der dazwischen liegenden Pausen und auf Tätigkeiten im Rahmen von Schulveranstaltungen im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Der organisatorische Verantwortungsbereich kann je nach Schulform und speziellen Unterstützungsbedarfen enger oder weiter sein. Außerhalb dieses organisatorischen Verantwortungsbereichs besteht jedoch auch bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch bedingt sind, grundsätzlich kein Versicherungsschutz (BSG, a.a.O.).

Der organisatorische Verantwortungsbereich erfordert grundsätzlich einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Schule. Daran fehlt es in der Regel, wenn wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind. Allerdings erfolgt eine Tätigkeit als Schüler, wie von § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b Alt. 1 SGB VII tatbestandlich vorausgesetzt, nicht ausschließlich in der Schule, sondern bei sonstigen Veranstaltungen und Unternehmungen, die durch den Schulbesuch bedingt sind, auch außerhalb des Schulgeländes. Der Versicherungsschutz entfällt daher nicht deshalb, weil schulische Aufsichtsmaßnahmen faktisch oder rechtlich nicht mehr gewährleistet sind. Versicherungsschutz besteht für Tätigkeiten im sachlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch vielmehr auch dann, wenn der räumlich-zeitliche Zusammenhang weitgehend gelockert und wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nur eingeschränkt möglich sind, solange die Tätigkeiten dem Organisationsbereich der Schule zuzurechnen sind. Das Zusammensein mit Mitschülern kann im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Schulbesuch stehen, weil sich der Bildungsauftrag staatlicher Schulen bzw. entsprechender Ersatzschulen nicht in der reinen Wissensvermittlung erschöpft, sondern auch der Sozialisierung und Förderung sozialer Kompetenzen dient, die auch zwischen den Schülern untereinander, typischerweise zwischen Gleichaltrigen in ihrer jeweiligen Klasse bzw. Jahrgangsstufe, erfolgt. Danach kann z.B. ein Aufenthalt von Schülern außerhalb des Schulgeländes während der Pausen zwischen zwei Unterrichtseinheiten versichert sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt zeitlich und räumlich durch die Teilnahme am Unterricht bedingt ist und im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfolgt (BSG, a.a.O.).

Vorliegend erlitt der Kläger den Unfall im Rahmen seines (abendlichen) Eishockey-Trainings bei dem privaten Sportverein R1 außerhalb des Schul- bzw. Internatsgeländes, wobei nach den eigenen Angaben des Klägers zwischen diesen Stätten ein Fußweg von 5 bis 10 Minuten zurückzulegen war. Insoweit stellt der Senat fest, dass zwischen dem (seinerzeitigen; der Schul- und Internatsbetrieb wurde ab dem Schuljahr 2022/2023 eingestellt) Schul-und Internatsgelände (R2, I1, s. S. 20 VerwA) und der Eisporthalle I1 (S1, I1) über mehrere öffentliche Straßen - unterbrochen durch das Gelände des S2 I1 bzw. des Freibads S3 - zu Fuß eine Wegstrecke von ca. 600 Meter zurückzulegen war (s. die entsprechende Wegstreckenbeschreibung im öffentlich zugänglichen Online-Kartendienst Google Maps).
Dieses Training respektive der Aufenthalt in der Trainingsstätte des Vereins (Eissporthalle I1) zum Zeitpunkt des Unfalls erfolgte außerhalb des für den Versicherungsschutz erforderlichen organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule hier bereits im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse (s.o.) auf den Aufenthalt auf dem Schul-/Internatsgelände beschränkt war (vgl. dazu nur BSG, a.a.O., Rn. 19). Ausweislich der Auskunft der Schulträgerin vom 21.11.2019 war auch kein Bediensteter der Schule/der Schulträgerin bei dem Training zugegen; dies hat der Kläger auch nicht einmal nur behauptet. Darüber hinaus war die Schule - dies stützt der Senat ebenfalls auf die vorgenannte Auskunft - auch nicht in irgendeiner Art und Weise an der Planung, Organisation und Durchführung des (abendlichen) Eishockey-Trainings involviert. Aus dem Umstand, dass die Schule im Rahmen ihrer Kooperation mit dem Verein vereinbart hatte, dessen Vereinstrainingszeiten bei ihrer (sic.) Planung von Lernzeiten, Mahlzeiten und anderen schulischen Betreuungsangeboten zu beachten, folgt gerade nicht, dass die Schule irgendeine organisatorische Verantwortung - schon gar keine Art von Aufsicht - für das (abendliche) Training bei den R1 übernommen hat.

Zudem vermag der Senat auch keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des abendlichen Trainings mit der Schulunterrichtsteilnahme zu erkennen. Soweit der Kläger behauptet hat, dass während des Schulsportunterrichts Eishockey-Trainingseinheiten des Vereins stattgefunden hätten und dass diese Trainingseinheiten auf den Schul(pflicht)sport „angerechnet“ worden seien, ergibt sich dies zum einen schon nicht aus dem von ihm (exemplarisch) vorgelegten Trainingsplan - dort sind von dienstags bis freitags lediglich Trainingseinheiten am Nachmittag bzw. Abend aufgeführt (s. S. 38 SG-Akte) -, zum anderen geht es vorliegend auch nicht um ein Unfallereignis während der Schulzeit, sondern eben um ein abendliches Training im Anschluss an den Schulunterricht.

Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule war auch nicht aus anderen Gründen, namentlich aus Sinn und Zweck der Schülerunfallversicherung, auf das in Rede stehende Training außerhalb des Schul-/Internatsgeländes erweitert. Dass die Schule den Kläger in irgendeiner Form aufgefordert, gebeten oder gar angewiesen hat, an dem Eishockey-Training am Abend des 18.12.2018 teilzunehmen, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil, die Schule hat den Schülern an diesem Tag vielmehr - dies entnimmt der Senat der telefonischen Auskunft der schulischen Berufsbetreuerin des Klägers vom 04.02.2019, s. Aktenvermerk S. 12 f. VerwA) - ausdrücklich freigestellt, an der schulischen Weihnachtsfeier teilzunehmen oder dem Eishockey-Training nachzugehen. Auch der Umstand, dass der Kläger regelmäßig an den (abendlichen) Trainingseinheiten des Vereins teilnahm und dass der Verein im Rahmen eines Stipendiums die Internatskosten bezuschusste, führt nicht dazu, dass sich der Verantwortungsbereich der Schule auf das abendliche Training erweiterte. Denn die bloße Häufigkeit und Regelmäßigkeit eines Schülerverhaltens, das gerade nicht im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ausgeübt wird (s.o.), kann den schulischen Verantwortungsbereich nicht erweitern (BSG, a.a.O., Rn. 22 a.E.).

Daran ändert es auch nichts, dass die Schule - wie die Klägerseite gemeint hat - mit einer Vereinbarkeit von Schule und Sport sowie mit der Kooperation mit dem Verein und „sportlichen Vertiefungsmöglichkeiten“ geworben habe. Denn daraus lässt sich schon nicht ableiten, dass das in Rede stehende Training gerade auf den Schulbesuch bezogen oder durch ihn unmittelbar bedingt gewesen ist (vgl. auch dazu BSG, a.a.O.), zumal es sich bei der Schule auch nicht um ein „Sport- internat“ handelte - worauf der Schulleiter hingewiesen hat (vgl. telefonische Auskunft vom 11.11.2019, Aktenvermerk S. 48 VerwA) -, sondern entsprechend der obigen Darlegungen um ein staatlich genehmigtes Privatgymnasium für Jungen und Mädchen mit Sekundarstufe I und II und angeschlossenem Internat.  Deshalb kommt auch dem Umstand, dass sich die Schule im Internet selbst werbend als „Eishockeyinternat“ bezeichnete (vgl. S. 19 VerwA), keine entscheidende Bedeutung zu. Ohnehin ist es dem Bildungs- und Erziehungsauftrag einer Schule immanent, abseits von schulischen Veranstaltungen gerade auch auf private, außerhalb des Schulunterrichts erfolgende Tätigkeiten und Veranstaltungen hinzuweisen und eine Teilnahme daran zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Schüler - im gegebenen schulischen Rahmen - zu ermöglichen, ohne dass damit zugleich eine Verantwortung für solche Tätigkeiten oder Veranstaltungen einhergeht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 22 f.).

Unter Zugrundelegung all dessen ergibt sich vorliegend auch kein Versicherungsschutz aus dem Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b Alt. 2 SGB VII. Unabhängig davon, dass der Kläger nicht einmal auch nur behauptet hat - Entsprechendes lässt sich auch dem vom Kläger (exemplarisch) vorgelegten Trainingsplan der R1 nicht andeutungsweise entnehmen (s.o.) -, dass das abendliche Training bei den R1 zeitlich „unmittelbar nach dem Unterricht“ (s. zum engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch nur Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, § 2 Rn. 106, Stand März 2021) bzw. zur Überbrückung von unterrichtsfreien Stunden (s. dazu Ricke in BeckOGK, SGB VII, § 8 Rn. 252, Stand 01.08.2022) stattfand, war die Schule nicht Veranstalterin des Trainings, was in Ansehung der vorstehenden Ausführungen keiner weiteren Begründung bedarf. Die Schule arbeitete auch nicht mit dem privaten Eishockeyverein als Veranstalterin dergestalt zusammen, dass von einer „im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahme“ i.S. der Norm gesprochen werden könnte. Der Begriff des Zusammenwirkens ist zwar weit gespannt und beinhaltet die Bereitstellung von Personal oder Räumlichkeiten gleichermaßen wie die Mithilfe bei der Organisation der Maßnahme oder finanzielle Zuwendungen seitens der Schule (Hedermann in LPK-SGB VII, 5. Aufl. 2018, § 2 Rn. 72). Nichts dergleichen liegt indes hier vor: weder stellte die Schule Personal oder Räumlichkeiten zur Verfügung, noch war sie irgendwie an der Organisation des Vereinstrainings oder gar finanziell daran beteiligt. Dies steht für den Senat fest auf der Grundlage der Auskunft der Schulträgerin vom 21.11.2019, der der Kläger nicht Substanzielles entgegengesetzt hat. Nur am Rande merkt der Senat an, dass der Kläger vielmehr seinerseits vom Verein finanzielle Zuwendungen in Gestalt eines (Stipendiat-)Zuschusses zu den Internatskosten erhielt.

Dass die Schule bei der terminlichen Planung ihrer schulischen Veranstaltungen auf die Trainings- respektive Wettkampftermine des Vereins Rücksicht nahm, begründet gerade keine Einflussnahme der Schule auf das Vereinstraining (s. zu dem Kriterium der Einflussnahme seitens der Schule auf die „Maßnahme“ nur Hedermann, a.a.O., m.w.N.; Wietfeld in BeckOK-SozR, SGB VII, § 2 Rn. 101, Stand 01.12.2022) und erst recht keinen unmittelbaren inneren Zusammenhang (vgl. auch dazu Hedermann, a.a.O.) mit dem Schulbesuch an sich (vgl. dazu auch bereits oben). Von einer irgendwie gearteten „Betreuungsmaßnahme“ der Schule bzw. einer „mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahme“ kann bei dem Training der R1 mithin nicht ansatzweise die Rede sein.

Schließt bestand ein Versicherungsschutz des Klägers selbst dann nicht, wenn die Schule nicht auf dessen Fehlen während des abendlichen Trainings bei den R1 hingewiesen haben sollte. Zwar kann Versicherungsschutz bestehen, wenn Schüler aufgrund der vorliegenden Umstände davon ausgehen können, dass eine organisatorisch von der Schule getragene Veranstaltung vorliegt (BSG, a.a.O., Rn. 25 m.w.N. unter ausdrücklichem Hinweis auf BSG 23.01.2018, B 2 U 8/16 R, in juris). Unabhängig davon, dass der Kläger selbst nicht einmal konkret auch nur behauptet hat, er sei vor dem Unfall bzw. zum Unfallzeitpunkt tatsächlich davon ausgegangen, bei dem abendlichen Training der R1 habe es sich um eine Schulveranstaltung gehandelt, hat er zunächst nachträglich über seinen Cousin ausrichten lassen, bei dem Training habe es sich wegen der Kooperation zwischen der Schule und dem Verein um „Pflichtunterricht“ gehandelt (was in Ansehung der vorstehenden Ausführungen schlicht unzutreffend und nicht begründbar ist). Im Klageverfahren hat die Klägerseite dann ausdrücklich zwischen dem vormittäglichen Training und dessen „Anrechnung“ auf die Erfüllung der Schulsportpflicht sowie dem abendlichen Training differenziert. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, auf welcher Grundlage der Kläger geglaubt haben wollte, dass das Training am Vormittag während des Schulunterrichts ebenso eine Schulveranstaltung sein soll, wie das Training am Abend nach dem Schulunterricht bzw. am Wochenende (s. dazu den Trainingsplan Bl. 38 SG-Akte). Ebenso erschließt sich dem Senat nicht, auf welcher Grundlage der Kläger geglaubt haben will, dass die Kooperation zwischen der Schule und dem Verein dazu führe, dass das Vereinstraining eine Schulveranstaltung darstellte, nachdem in dem (Internats-)Vertrag zwischen der Schulträgerin und dem Kläger bzw. dessen Eltern von dieser Kooperation keine Rede gewesen ist, was der Senat der Auskunft der Geschäftsleitung der Trägerin des Aufbaugymnasiums vom 21.11.2019 entnimmt; dem hat die Klägerseite nichts entgegengehalten.

Unabhängig davon haben auf Grund objektiver Umstände (s.o.: räumliche und zeitliche Abgrenzung des abendlichen Trainings zum Schulgelände und -unterricht, keine Anwesenheit von Schulpersonal bei dem Training, keine Einflussnahme seitens der Schule, dem abendlichen Training beizuwohnen, zumal am Abend des 18.12.2018 gleichzeitig auch die schulische Weihnachtsfeier stattfand) zur Überzeugung des Senats auch keine irgendwie gearteten Unklarheiten oder ein missverständliches Verhalten von Schule und Lehrkräften bestanden, die dem Kläger hätten Anlass geben können davon auszugehen, dass es sich bei dem abendlichen Eishockey-Training um eine organisatorisch von der Schule getragene Veranstaltung handelt (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rn. 25).

Soweit die Klägerseite auf die Entscheidung des BSG vom 23.01.2018 (B 2 U 8/16 R, in juris) verwiesen hat, erschließt sich ein Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall schon nicht. Denn dort lag gerade eine Veranstaltung im Verantwortungsbereich der Schule in Gestalt einer Gruppenprojektarbeit mit Schulbezug vor.

Soweit die Klägerseite ferner geltend gemacht hat, der Kläger sei zusammen mit seinen Mitinternatsschülern nach dem abendlichen Training immer zurück zum Abendessen in das Internatsgebäude gelaufen, wo es ca. 30 Minuten nach Trainingsende Essen gegeben habe, erschließt sich dem Senat nicht, was daraus über die obigen Ausführungen hinaus folgen soll. Dass die Schule bei der Terminierung ihrer Lernzeiten, Mahlzeiten und anderen schulischen Betreuungsangebote die Trainingszeiten des Vereins beachtete, hat der Senat seiner Beurteilung gerade zu Grunde gelegt, ebenso wie den Umstand, dass der Verein die klägerischen Schul-/Internatskosten bezuschusste (s.o.). Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die Annahme der Klägerseite, die Beklagte habe den Rechtsmittelvortrag „unstreitig gestellt“, nicht; sie liegt ohnehin neben der Sache, zumal die Regelung des § 138 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) im SGG-Verfahren keine Anwendung findet (BSG 08.04.2020, B 13 R 260/18 B, in juris, Rn. 14).


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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