L 7 AS 229/21 B

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
22 AS 1393/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 7 AS 229/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1.) Zu den Voraussetzungen einer Beschwerde eines Prozessbevollmächtigten gegen die ihm im Urteil des SG auferlegten Verschuldenskosten 2.) Im Rahmen des § 192 Abs. 1 SGG können auch dem Vertreter oder Bevollmächtigten selbst die Verschuldenskosten auferlegt werden, die er durch schuldhaftes oder missbräuchliches Verhalten verursacht hat.

L 7 AS 229/21 B

22 AS 1393/17 Sozialgericht Braunschweig

 

In dem Beschwerdeverfahren

A.

– Beschwerdeführer –

gegen

B.

– Beschwerdegegner –

hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 3. Februar 2023 in Celle durch die Vizepräsidentin des Landessozialgerichts C., den Richter am Landessozialgericht Dr. D. und den Richter am Landessozialgericht Dr. E. beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten gegenüber dem Beschwerdeführer in dem Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 24. Mai 2019 – S 22 AS 1393/17 – wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 250,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.

Der Beschwerdeführer erhob am 17. August 2017 als Prozessbevollmächtigter der am F. geborenen Klägerin zu 1.) und des am G. geborenen Klägers zu 2.), des Sohnes der Klägerin zu 1.), beim Sozialgericht (SG) Braunschweig fristwahrend Klage (Aktenzeichen S 22 AS 1393/17) gegen einen Erstattungsbescheid des Jobcenters Braunschweig vom 20. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2017, mit dem das Jobcenter Braunschweig nur von der Klägerin zu 1.) die Erstattung eines Betrages in Höhe von 19,21 Euro geltend machte.

Dem Erstattungsbescheid lag der Änderungsbescheid vom 21. Juni 2013 zugrunde, in dem die den Klägern zunächst vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Februar 2013 endgültig festgesetzt worden waren. Dabei hatte sich ergeben, dass der Klägerin zu 1.) 19,21 Euro zu viel vorläufig bewilligt worden waren. Der gegen diesen Änderungsbescheid eingelegte Widerspruch war am 10. Oktober 2013 vom Jobcenter Braunschweig als unzulässig verworfen worden. Das sich hieran anschließende Klageverfahren S 49 AS 62/14 hatte schließlich durch Klagerücknahme geendet, so dass der Änderungsbescheid vom 21. Juni 2013 bestandskräftig geworden war.

Nachdem der Beschwerdeführer in die Gerichts- und Verwaltungsakte Akteneinsicht genommen hatte, behauptete er, den Klägern sei zwar Wohngeld bewilligt worden, tatsächlich sei ihnen das Wohngeld aber aufgrund einer Überzahlung erst im April 2013 ausgezahlt worden. Da den Klägern im Februar 2013 kein Wohngeld zugeflossen sei, ergebe sich rechnerisch keine Überzahlung. Dieser Vortrag war nachweislich falsch. Aus der Verwaltungsakte ergab sich, dass die Klägerin zu 1.) 158,00 Euro Wohngeld am 1. Februar 2013 in bar erhalten hatte (Bl. 1511 der Verwaltungsakte), was die Klägerin zu 1.) mit ihrer Unterschrift auch bestätigt hatte (Bl. 1512 der Verwaltungsakte).

Der Kammervorsitzende nahm diesen Falschvortrag zum Anlass, den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 22. Mai 2019 hierauf hinzuweisen. Er legte darüber hinaus dar, dass die Klage keine Erfolgsaussicht habe, weil der endgültige Leistungsfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2013 bestandskräftig sei und hinsichtlich des streitgegenständlichen Erstattungsbescheids vom 20. Juni 2013 somit nur noch Einwendungen in Bezug auf dessen rechnerische Richtigkeit gemacht werden könnten. Der Erstattungsbescheid sei rechnerisch jedoch nicht zu beanstanden. Darüber hinaus sei der Kläger zu 2.) überhaupt nicht beschwert, weil von ihm keinerlei Leistungen zurückgefordert würden. Der Beschwerdeführer wurde ausdrücklich auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie deren Mindesthöhe von 150,00 Euro hingewiesen.

Der Beschwerdeführer reagierte hierauf mit einem dreiseitigen Schriftsatz vom 23. Mai 2019, in dem er mitteilte, die Klägerin zu 1.) habe sich über den Erhalt des Wohngeldes im Februar 2013 geirrt. Sie habe tatsächlich im Februar 2013 Wohngeld erhalten. Im Übrigen ging er ausführlich darauf ein, warum der endgültige Leistungsfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2013 rechtswidrig sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2019 wurde der Beschwerdeführer vom Kammervorsitzenden erneut darauf hingewiesen, dass die Führung des Klageverfahrens missbräuchlich sei und die Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Höhe von mindestens 150,00 Euro in Betracht komme. Der Beschwerdeführer zog sich daraufhin nach Unterbrechung der mündlichen Verhandlung für 4 Minuten mit der anwesenden Klägerin zu 1.) zur Beratung zurück. Sodann erklärte er in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung, dass die Klägerin zu 1.) an der Klage festhalte und trug erneut zur Rechtswidrigkeit des endgültigen Leistungsfestsetzungsbescheides vom 21. Juni 2013 vor. Er erklärte außerdem ausdrücklich, dass er die Auffassung der Klägerin zu 1.) teile.

Mit Urteil vom gleichen Tag wurde die Klage vom SG abgewiesen. Gleichzeitig wurden der Klägerin zu 1.) sowie dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in Höhe von 250,00 Euro auferlegt und festgestellt, dass die Klägerin zu 1.) und der Beschwerdeführer für diesen Betrag gesamtschuldnerisch haften würden. In den Entscheidungsgründen führte die Kammer aus, warum neben der Klägerin zu 1.) auch dem Beschwerdeführer Verschuldenskosten auferlegt worden seien. Er sei vom Gericht zunächst schriftlich und dann auch in der mündlichen Verhandlung auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen worden, weil in dem Klageverfahren nur der Erstattungsbescheid Gegenstand gewesen sei und gegen die rechnerische Richtigkeit der Erstattungsberechnung keine Einwendungen erhoben worden seien. Die Kammer habe auf die Mindesthöhe der aufzuerlegenden Kosten hingewiesen. Das SG halte die Auferlegung von 250,00 Euro im vorliegenden Fall für angemessen, weil das Gericht sich u.a. an den Kosten für die Vorbereitung der Sitzung und die Abfassung des Urteils orientiert habe. Die Kammer habe dabei ferner berücksichtigt, dass der im Verfahren erfolgte Vortrag, das Wohngeld sei im Februar 2013 nicht gezahlt worden, offenkundig wahrheitswidrig erfolgt sei und dies dem Beschwerdeführer, der zuvor Akteneinsicht genommen hatte, bekannt gewesen sein müsse. Die Berufung sei aufgrund des Wertes des Streitgegenstands von 19,21 Euro nicht statthaft und werde auch nicht zugelassen. Dem Urteil war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die lediglich auf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde hinwies.

Gegen das dem Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigten der Kläger am 26. Juli 2019 zugestellte Urteil hat der Beschwerdeführer für die Kläger am 26. August 2019 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 6 AS 517/19 NZB) eingelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat er u.a. mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet und dazu ausgeführt, diese in der Frage zu sehen, ob dem Prozessbevollmächtigten als am Verfahren nicht Beteiligten Verschuldenskosten in dem Urteil auferlegt werden dürften. Mit Beschluss vom 10. Mai 2021 hat das LSG die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werde, dass dem Beschwerdeführer Verschuldenskosten auferlegt worden seien und insoweit Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG geltend gemacht würden, sei die Beschwerde bereits nach § 144 Abs. 4 SGG unzulässig. Zu einer nicht beschwerdefähigen Kostenentscheidung nach § 144 Abs. 4 SGG zähle auch eine Kostenentscheidung nach § 192 SGG. Auch § 192 Abs. 3 Satz 2 SGG erlaube dem LSG die Aufhebung der Kostenentscheidung des SG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht.

Bereits am 26. Juli 2020 hat der Beschwerdeführer gesondert Beschwerde gegen die Auferlegung der Verschuldenskosten gegenüber ihm selbst eingelegt. Er hat die Beschwerde trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet.   

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die bei der Entscheidung des Senats vorgelegen hat.

II.

1.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig.

Die Beschwerde an das LSG findet nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Zwar hat das SG dem Beschwerdeführer die Verschuldenskosten in einem Urteil nach § 125 SGG auferlegt. Entscheidet das Gericht jedoch nicht in der korrekten Entscheidungsform (Urteil statt Beschluss), kann der Beteiligte nach dem sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatz auch das Rechtsmittel einlegen, das gegen die Entscheidung gegeben wäre, die richtigerweise zu erlassen war (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2017 – L 4 P 4479/17 B – juris RdNr. 11; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2020 – VfgBbg 53/19 – juris RdNr. 12; Loytved, jurisPR-SozR 9/2018, Anmerkung 3; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 143 RdNr. 14 m.w.N.; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. April 2012 – L 11 AS 160/12 B – juris RdNr. 7). Ein Urteil ergeht zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten (vgl. auch § 141 SGG zur Rechtskrafterstreckung). Hierzu gehören nach § 69 SGG nur Kläger, Beklagter und Beigeladener, nicht aber der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten. Somit konnte gegen den Beschwerdeführer nicht durch Urteil entschieden werden. Entscheidungen gegen Außenstehende (z.B. Ordnungsgeld gegen Zeugen) können nur durch Beschluss ergehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2017 – L 4 P 4479/17 B – juris RdNr. 11).

Die Beschwerde ist nicht ausgeschlossen. Die Auferlegung von Kosten ist eine Entscheidung des Gerichts und unterfällt damit nicht dem Ausschluss von Beschwerden gegen Verfügungen des Vorsitzenden nach § 172 Abs. 2 SGG. Die Ausschlusstatbestände des § 172 Abs. 3 Nr. 3 und 4 SGG beschränken sich auf Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG und Entscheidungen nach § 192 Abs. 4 SGG. Beschwerden gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 1 SGG, wie vorliegend, sind somit nicht ausgeschlossen (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2017 – L 4 P 4479/17 B – juris RdNr. 12).

Die Beschwerde wurde auch form- und insbesondere fristgerecht eingelegt. Die nach § 173 Satz 1 SGG grundsätzlich geltende Monatsfrist findet vorliegend keine Anwendung. Vielmehr lief wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im Urteil vom 24. Mai 2019, die nur die Nichtzulassungsbeschwerde, nicht aber die allgemeine Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel benannte, gar keine Frist. Nennt die Rechtsbehelfsbelehrung anstelle des statthaften Rechtsbehelfs fälschlich einen anderen fristgebundenen, ist dies zugleich eine Belehrung, dass ein bestimmter anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R – juris RdNr. 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 66 RdNr. 13d m.w.N.). Erfolgt aber die Belehrung, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist, greift die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht ein. In diesen Fällen ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich zeitlich unbefristet möglich (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R – juris RdNr. 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 66 RdNr. 13d; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2017 – L 4 P 4479/17 B – juris RdNr. 14, das vom Eingreifen der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ausgeht).

2.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat dem Beschwerdeführer zu Recht Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Höhe von 250,00 Euro auferlegt.

a)

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten Kosten auferlegen. Darüber hinaus können im Rahmen des § 192 Abs. 1 SGG auch dem Vertreter oder Bevollmächtigten selbst die Verschuldenskosten auferlegt werden, die sie durch ihr schuldhaftes oder missbräuchliches Verhalten verursacht haben. Dies folgt aus der Neufassung des § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG zum 2. Januar 2002. Danach wird gegenüber der vorherigen Fassung nicht mehr differenziert zwischen den Personen, die den Tatbestand verwirklichen können (Beteiligte, Vertreter oder Bevollmächtigter), und solchen, denen Verschuldens- oder Missbrauchskosten auferlegt werden dürfen (Beteiligten). Nunmehr wird in § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG die generelle Gleichstellung zwischen dem Beteiligten, seinem Vertreter oder Bevollmächtigten angeordnet (ebenso Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 67).

Die Auffassung, § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG stelle lediglich eine Zurechnungsnorm dar, ermögliche aber keine Auferlegung der entstandenen Kosten gegenüber dem Vertreter oder Bevollmächtigten (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2017 - L 4 P 4479/17 B - juris Rn. 17; B.Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, SGG, § 192 SGG RdNr. 2; Spellbrink, Sozialrecht Aktuell 2016, 7, 8), überzeugt demgegenüber nicht. Dagegen spricht bereits, dass die Vorschrift bei dieser Auslegung als Zurechnungsnorm überflüssig wäre, denn die Zurechnung des schuldhaften Verhaltens des Vertreters oder Bevollmächtigten an den Beteiligten regelt bereits § 73 Abs. 7 Satz 6 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Auslegung, die einer Norm lediglich einen überflüssigen Inhalt zuweist, bedürfte als Beleg zumindest einen Anhaltspunkt in den Gesetzgebungsmaterialien, der jedoch fehlt. Im Gegenteil legt es der dort vorhandene Hinweis auf § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nahe, auch den Vertreter oder Bevollmächtigten selbst als Kostenschuldner einzubeziehen, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach § 34 BVerfGG in ständiger Rechtsprechung ebenfalls nicht nur die Verfahrensbeteiligten, sondern auch die Vertreter oder Bevollmächtigten als Kostenschuldner heranzieht (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. August 2010 – L 8 SO 159/10 – juris Rn. 2). Dies ist auch sachgerecht. Bei § 192 SGG handelt es sich um eine Schadensersatznorm für quasi-deliktisches Verhalten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens (BT-Drs. 14/5943, S. 28; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 17/13 R - juris RdNr. 26; B.Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, SGG, § 192 SGG RdNr. 1a; Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 67; Wenner, SozSich 2001, 422, 428; Stark in: Mutschler, Kostenrecht in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, § 3 RdNr. 124; Krauß in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, § 192 SGG RdNr. 5; a.A. Winker, Die Missbrauchsgebühr im Prozessrecht, S. 124 ff.). Derjenige, der die prozessuale deliktische Handlung begeht, ist hierfür in erster Linie zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei kommt es nicht auf die prozessuale Stellung als Beteiligter an, denn deliktische Handlungen können auch außerhalb des Prozessrechtsverhältnisses begangen werden.

b)

Die Voraussetzungen für die Auferlegung von Verschuldenskosten gegenüber dem Beschwerdeführer lagen vor.

Nach § 192 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht dem Prozessbevollmächtigten diejenigen Kosten ganz oder teilweise auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Prozessbevollmächtigte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Voraussetzung für die Auferlegung der sogenannten Verschuldenskosten im Fall der Variante des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist demnach die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung, die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung durch den Vorsitzenden, die Fortführung des Rechtsstreits trotz dieser Hinweise und die kausale Entstehung von Kosten aufgrund der Fortführung des Rechtsstreits.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Kammervorsitzende hat den Beschwerdeführer bereits mit Verfügung vom 22. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Klage missbräuchlich sei, weil sie keinerlei Erfolgsaussicht habe. Der endgültige Leistungsfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2013 sei bestandskräftig geworden und hinsichtlich des streitgegenständlichen Erstattungsbescheids vom 20. Juni 2013 könnten somit nur noch Einwendungen in Bezug auf dessen rechnerische Richtigkeit gemacht werden. Es lägen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Erstattungsbescheid rechtswidrig sei. Der Erstattungsbescheid sei rechnerisch nicht zu beanstanden. Darüber hinaus sei der Kläger zu 2.) überhaupt nicht beschwert, weil von ihm keinerlei Leistungen zurückgefordert würden. Der Beschwerdeführer wurde ausdrücklich auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG sowie deren Mindesthöhe von 150,00 Euro hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2019 wurde der Beschwerdeführer erneut auf diese Rechtslage und auch auf die Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreits vom Kammervorsitzenden hingewiesen. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsstreit für die Kläger trotz dieser zutreffenden Hinweise des SG fortgeführt. Dadurch sind dem SG auch Kosten entstanden, denn ohne die Fortführung des Rechtsstreits wäre die mündliche Verhandlung am 24. Mai 2019 entbehrlich geworden, jedenfalls aber die Abfassung des später ergangenen Urteils.

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vor, so kann das Gericht dem Beteiligten die dadurch verursachten Kosten ganz oder teilweise auferlegen. Die Kostenauferlegung steht also sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch hinsichtlich des „Wie“ im Ermessen („kann“) des Gerichts. Die Ermessensentscheidung des SG ist nur hinsichtlich der Voraussetzungen und ihrer Grenzen überprüfbar. Im Rahmen des Ermessens sind z.B. die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des betreffenden Beteiligten (Alter, Krankheit) und die Gesamtumstände seines Verhaltens, insbesondere der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen.

Hier sind Ermessensfehler bei der Entscheidung des SG, dem Beschwerdeführer die durch die missbräuchliche Fortführung der Klage verursachten Kosten teilweise aufzuerlegen, nicht erkennbar. Das SG war insbesondere auch berechtigt, den Falschvortrag des Beschwerdeführers während des Verfahrens in seine Ermessensentscheidung einfließen zu lassen. Das SG hat außerdem berücksichtigt, dass dem Beschwerdeführer die missbräuchliche Fortführung der Klage nicht allein anzulasten war, weil die Klägerin zu 1.) den Rechtsstreit ebenfalls fortführen wollte und daher die Kosten dem Beschwerdeführer und der Klägerin zu 1.) gesamtschuldnerisch auferlegt. Irgendwelche Ermessensfehler sind nicht erkennbar und konnten vom Beschwerdeführer auch nicht benannt werden.

c)

Auch die Höhe der auferlegten Verschuldenskosten ist nicht zu beanstanden.

Werden vom Gericht Kosten nach § 192 Abs. 1 SGG auferlegt, muss der auferlegte Betrag im Entscheidungstenor genau beziffert werden (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 70). Die Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist der Höhe nach nicht begrenzt. Aufgrund des Charakters des § 192 als Schadensersatznorm ergibt sich jedoch eine Begrenzung der Kostenhöhe auf die durch das schuldhafte Verhalten des Beteiligten, Vertreters oder Bevollmächtigten kausal verursachten Kosten (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 70).

Im Zuge der Neufassung des § 192 SGG zum 2. Januar 2002 hat der Gesetzgeber einen Mindestkostenbetrag in § 192 Satz 3 SGG eingeführt, wonach der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz als verursachter Kostenbetrag gilt. Dieser Mindestkostenbetrag beträgt demnach für Verfahren vor den Sozialgerichten 150,00 €. Den Gerichten steht es aber weiterhin frei, über diesen Betrag hinauszugehen, denn es handelt sich bei der Regelung des § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG lediglich um die Mindesthöhe (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 72) Sofern Gerichte davon Gebrauch machen, werden die durch die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verursachten Kosten, die allgemeinen Gerichtshaltungskosten oder die für die Abfassung eines Urteils oder Beschlusses anfallenden Kosten nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 287 ZPO geschätzt (Bayerisches LSG, Urteil vom 4. Mai 2016 – L 2 U 260/15 – juris RdNr. 78). Für eine Richterarbeitsstunde in der ersten Instanz wurden dabei Beträge zwischen 200,00 € und 300,00 € angenommen (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juni 2022, § 192 RdNr. 72).

Die auferlegten Kosten bewegen sich in diesem Rahmen. Sie wurden mit 250,00 Euro genau beziffert und entsprechen einer Richterarbeitsstunde in der ersten Instanz, die für die Abfassung des Urteils angesetzt werden musste. Fehler sind auch insoweit nicht erkennbar.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG, weil der Beschwerdeführer nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 GKG und entspricht der Höhe der vom Sozialgericht auferlegten Kosten.

 

4.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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