L 5 KR 100/23 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1150/22 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 100/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Dem Selbstverwaltungsprinzip der Gesetzlichen Krankenkassen kommt erhebliche Bedeutung zu

 

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23.02.2023 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 3.333,00 Euro festgesetzt.


G r ü n d e :

I.


Die Beteiligten des Ausgangs- und Beschwerdeverfahrens streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über den Abschluss eines Vorstandsdienstvertrags und daraus folgender tatsächlicher Beschäftigung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Bg.). Die Bf. vertritt dabei die Auffassung, dass aus ihrer Wahl als Vorständin gleichsam automatisch ein Anspruch auf Abschluss des zivilrechtlichen Dienstvertrages folgt.

Die Bf. wurde nach vorangegangenen Amtszeiten von 2010 bis 2021 am 13.07.2021 für die Zeit vom 01.07.2022 bis 31.01.2028 erneut in das Amt der Vorständin des Bg. gewählt. Für ihre Vorstandstätigkeit beim Bg. war sie von ihrem Dienstherrn, dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales (StMAS), als Landesbeamtin beurlaubt. Seit dem zweiten Halbjahr 2022 ist die Bf. wieder im StMAS als Referatsleiterin (Ltd. Ministerialrätin der Besoldungsgruppe B 3) beschäftigt.

Der Verwaltungsrat des Bg. fasste am 24.05.2022 den Beschluss, die Bf. von ihrem Amt zu entbinden. Dieser Beschluss wurde der Bf. gegenüber mit Bescheid vom 30.05.2022 bekanntgegeben, gegen den sie durch ihre damaligen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen ließ, über den der Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2022 entschied.

1.

Der am 01.07.2022 beim Sozialgericht München (SG) gestellte Antrag der Bf., die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Bg. vom 30.05.2022 wieder herzustellen, war erfolgreich: Mit Beschluss vom 01.08.2022 (zum Az. S 44 KR 750/22 ER) ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Bf. vom 14.06.2022 gegen den in Ziff. 3 des Bescheids vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschluss des Verwaltungsrates des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für die Zeit vom 01.07.2022 bis 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, an. Zugleich hob das SG die in Ziff. 4 des angegriffenen Bescheids angeordnete sofortige Vollziehung der Amtsbindung der Bf. auf. Das SG begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es dem Bg. bereits an der notwendigen gesetzlichen Ermächtigung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung der am 24.05.2022 für die Amtszeit ab dem 01.07.2022 beschlossenen Amtsentbindung gefehlt habe. Auf die ausführliche Begründung des Beschlusses des SG vom 01.08.2022 wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten - auch im Hinblick auf das zwischen den Beteiligten streitige Geschehen, das der Amtsentbindung der Bf. zugrunde liegt - Bezug genommen.

Die am durch den Bg. am 31.08.2022 gegen den Beschluss des SG vom 01.08.2022 eingelegte Beschwerde nahm der Bg. am 12.09.2022 zurück, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war (Beschluss des vormaligen Berichterstatters vom 27.02.2023 zum Az. L 5 KR 361/22 B ER).

Ein Vorstandsdienstvertrag war zwischen den Beteiligten ausverhandelt und unterschrieben. Ihm fehlte jedoch die von der Aufsichtsbehörde, dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP), erforderliche Zustimmung (vorgelegt als Anlage AS 13). Aufgrund der Beanstandungen der Aufsichtsbehörde wurde sodann zwischen einem Angestellten des Bg. und der Bf. ein weiterer Vorstandsdienstvertrag entworfen, welcher jedoch weder vom Verwaltungsrat des Bg. genehmigt noch der Aufsichtsbehörde vorgelegt wurde (vorgelegt als Anlage AS 20). Die Einzelheiten der Vertragslage, insbesondere zum Vertragsentwurf als Anlage AS 20 sowie seinem Zustandekommen, sind zwischen den Beteiligten streitig.

2.

Am 17.10.2022 wurde sodann von der Bf. der hier streitgegenständliche Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt mit dem Hauptantrag, die Vollziehung des gemäß Ziff. 3 des Bescheides vom 30.05.2022 bekannt gegebenen Beschlusses vom 24.05.2022 aufzuheben und dem Bg. bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 30.05.2022 aufzugeben, sämtliche Handlungen vorzunehmen und sämtliche Erklärungen abzugeben, die für die tatsächliche Ausübung des Vorstandsamtes durch die Bf. notwendig seien. Hilfsweise solle diese Verpflichtung des Bg. im Wege einer einstweiligen Anordnung durchgesetzt werden.

Der Eilantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Bg. trotz des Beschlusses des SG vom 01.08.2022 den streitgegenständlichen Bescheid vom 30.05.2022 weiterhin vollziehe, da sich der Bg. weigere, diejenigen Handlungen vorzunehmen, die notwendig seien, dass die Bf. ihr Amt tatsächlich ausüben könne. Der Bg. weigere sich, die Bf. bis zur abschließenden Klärung über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids nach ihrer Wahl tatsächlich zu beschäftigen und den aus der Wahl als Vorständin folgenden Dienstvertrag, der bereits in allen Details fertiggestellt sei (Anlage AS 20), auszufertigen. Die Bf. habe aber einen Anspruch auf Wahrnehmung ihres Amtes. Daraus folge auch ein Anspruch auf Ausfertigung des schon fertig verhandelten und von der Aufsicht (StMGP) in der dem Gericht vorgelegten Form (Anlage AS 20) als zustimmungsfähig angesehenen Vertrags. Durch das Verhalten des Bg. werde die Bf. so gestellt, als ob eine Amtsenthebung und nicht Amtsentbindung mit rechtmäßiger Anordnung der sofortigen Vollziehung verbeschieden worden sei. Das SG habe im Beschluss vom 01.08.2022 jedoch festgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Amtsentbindung rechtswidrig gewesen sei und habe diese aufgehoben. Hinsichtlich der weiteren Begehren und der dazu angeführten Begründungen wird auf die Schriftsätze der vormaligen Bevollmächtigten der Bf. vom 17.10.2022 und 05.12.2022 Bezug genommen.

Die in der Fassung des Schriftsatzes vom 05.12.2022 gestellten Anträge

1.     Die Vollziehung des in Ziffer 3 des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrates des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, wird aufgehoben und dem Bg. wird für die Zeit vom 01.07.2022 bis zur Unanfechtbarkeit oder Gegenstandslosigkeit oder rechtskräftigen Aufhebung oder Rücknahme des in Ziffer 3. des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrates des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, aufgegeben, sämtliche Handlungen vorzunehmen und sämtliche Erklärungen abzugeben, die für die tatsächliche Ausübung des Vorstandsamtes durch die Bf. notwendig sind, insbesondere

*     mit der Bf. einen Vorstandsvertrag gemäß der Anlage AS 20 abzuschließen, den abgeschlossenen Vorstandsvertrag und den bereits unterzeichneten Kraftfahrzeugbenutzungs- und Überlassungsvertrag gemäß Anlage AS 14 dem StMGP zum Zwecke der Zustimmung nach § 209a Satz 3 SGB V i.V.m. § 35a Abs. 6a SGB IV vorzulegen und eine Originalurkunde beider Verträge nach der Zustimmung an die Bf. auszuhändigen,

*     alle Voraussetzungen gegenüber dem StMAS zu schaffen, dass von dort erneut Sonderurlaub gewährt werden kann, insbesondere mit dem StMAS die Zahlung eines Versorgungszuschlags nach den Vorschriften des Art. 14 Abs. 2 BayBeamtVG zu vereinbaren,

*     der Bf. nach Vorliegen der Zustimmung des StMGP zu dem vorgelegten Vorstandsvertrag den für die Ausübung des Vorstandsamtes notwendigen Zutritt zu den Räumlichkeiten des Bg. und notwendigen Zugang zu den IT-Systemen, Dateien, Schriftstücken, Unterlagen und sonstigen Dokumenten des Bg. zu gewähren.

2.   Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1:

Der Bg. wird verpflichtet, für die Zeit vom 01.07.2022 bis zur Unanfechtbarkeit

oder Gegenstandslosigkeit oder rechtskräftigen Aufhebung oder Rücknahme des in Ziffer 3. des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrates des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, aufgegeben, sämtliche Handlungen vorzunehmen und sämtliche Erklärungen abzugeben, die für die tatsächliche Ausübung des Vorstandsamtes durch die Bf. notwendig sind, insbesondere (es folgen die drei aufgeführten Punkte wie im Antrag zu Ziffer 1).

3.   Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 oder Ziffer 2:

Die Vollziehung des in Ziffer 3 des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrats des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, wird aufgehoben und dem Bg. für die Zeit vom 01.07.2022 bis zur Unanfechtbarkeit oder Gegenstandslosigkeit oder rechtskräftigen Aufhebung oder Rücknahme des in Ziffer 3 des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrats des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, aufgegeben, sämtliche Handlungen vorzunehmen und sämtliche Erklärungen abzugeben, die für die tatsächliche Ausübung des Vorstandsamtes durch die Antragstellerin notwendig sind, insbesondere

*     mit der Bf. einen Vorstandsvertrag gemäß der Anlage AS 13 unter Berücksichtigung des Inhalts und der Änderungswünsche gemäß Schreiben des StMGP vom 17.02.2022 (Anlage AG 8) abzuschließen, den abgeschlossenen Vorstandsvertrag und den bereits unterzeichneten Kraftfahrzeugbenutzungs- und Überlassungsvertrag gemäß Anlage AS 14 dem StMGP zum Zwecke der Zustimmung nach § 209a S. 3 SGB V i.V.m. § 35a Abs. 6a SGB IV vorzulegen und eine Originalurkunde beider Verträge nach der Zustimmung an die Bf. auszuhändigen,

*     alle Voraussetzungen gegenüber dem StMAS zu schaffen, dass von dort erneut Sonderurlaub gewährt werden kann, insbesondere mit dem StMAS die Zahlung eines Versorgungszuschlags nach den Vorschriften des Art. 14 Abs. 2 BayBeamtVG zu vereinbaren,

*     der Bf. nach Vorliegen der Zustimmung des StMGP zu dem vorgelegten Vorstandsvertrag den für die Ausübung des Vorstandsamtes notwendigen Zutritt zu den Räumlichkeiten des Bg. und notwendigen Zugang zu den IT-Systemen, Dateien, Schriftstücken, Unterlagen und sonstigen Dokumenten des Bg. zu gewähren.

4.   Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1, 2 oder 3:

Der Bg. wird verpflichtet, für die Zeit vom 01.07.2022 bis zur Unanfechtbarkeit

oder Gegenstandslosigkeit oder rechtskräftigen Aufhebung oder Rücknahme des in Ziffer 3 des Bescheids des Bg. vom 30.05.2022 bekanntgegebenen Beschlusses des Verwaltungsrates des Bg. vom 24.05.2022, die Bf. für ihre Amtszeit vom 01.07.2022 bis zum 31.01.2028 ihres Vorstandsamtes zu entbinden, aufgegeben, sämtliche Handlungen vorzunehmen und sämtliche Erklärungen abzugeben, die für die tatsächliche Ausübung des Vorstandsamtes durch die Bf. notwendig sind, insbesondere (es folgen die drei aufgeführten Punkte wie im Antrag zu Ziffer 3).

und den mit Schriftsatz vom 15.02.2023 gestellten weiteren Hilfsantrag:

5.     Dem Bg. wird aufgegeben, die Bf. als hauptamtlichen Vorstand nach Maßgabe des beiliegenden zwischen den Parteien am 28.07.2021 abgeschlossenen Vorstandsvertrages und des beiliegenden am 30.04.2010 abgeschlossenen Kraftfahrzeugbenutzungs- und Überlassungsvertrages so lange zu beschäftigen, bis über den Bescheid des Bg. vom 30.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2022 über die Entbindung der Bf. von ihrem Vorstandsamt rechtskräftig entschieden worden ist.

hat das SG - unter Berücksichtigung der weiteren Schriftsätze der Beteiligten - mit Beschluss vom 23.02.2023 abgelehnt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

* Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei zwar gemäß § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet und die Rechtssache daher nicht gemäß § 71 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 12, 13, 17 Zivilprozessordnung (ZPO) an das Landgericht München I zu verweisen. Die Bf. begehre in allen ihren Haupt- und Hilfsanträgen im Wesentlichen eine gerichtliche Anordnung auf Abschluss eines Dienstvertrags im Sinne von § 35a Abs. 6 Satz 1 SGB IV mit einzelnen Regelungen nach ihren Vorstellungen, inklusive der Ermöglichung der Voraussetzungen für die weitere Beurlaubung bei ihrem derzeitigen Dienstherrn, dem Freistaat Bayern, sowie die gerichtliche Durchsetzung einer tatsächlichen Beschäftigung im Rahmen dieses erst abzuschließenden Dienstvertrags. Dieses Begehren sei in seiner Gesamtheit als öffentlich-rechtlich zu klassifizieren. Zusätzlich stütze sich die Bf. auf die prozessrechtlichen Vorschriften der §§ 86a Abs. 1, 86b Abs. 1 Satz 2 SGG (i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG), die dem öffentlichen (Sozial-)Recht zuzuordnen seien.

* Die prozessualen Anträge auf Aufhebung der Vollziehung (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) nach dem (Haupt-)Antrag zu 1. und dem (Hilfs-)Antrag zu 3. seien nicht statthaft und damit unzulässig, weil bereits keine Vollziehungshandlungen des Bg. erkenntlich seien. Die Argumentation der Bf., wonach das Unterlassen der Unterzeichnung und Vorlage eines Vorstandsdienstvertrags eine Vollziehungshandlung darstelle, sei rechtsdogmatisch nicht begründbar. Das Gericht sei nur befugt, bereits erlassene Vollziehungshandlungen aufzuheben, nicht aber über das Konstrukt der "Aufhebung der Vollziehung" quasi eine Regelungsanordnung zu treffen.

* Die weiteren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) auszulegenden (§ 123 SGG) Hilfsanträge zu 2., 4. und 5. seien ebenfalls unzulässig, zusätzlich auch unbegründet. Im Hauptsacheverfahren zum Az. S 15 KR 1257/22 sei allein eine Anfechtungsklage erhoben worden, jedoch keine auf Abgabe einer Willenserklärung in Form eines Vertragsangebots gerichtete Leistungsklage, bis zu deren rechtskräftigem Abschluss eine vorläufige Regelung überhaupt denkbar angeordnet werden könne. Vielmehr wolle die Bf. durch das Konstrukt der einstweiligen Anordnung die Vorwegnahme einer nicht anhängigen Hauptsache erreichen, was unzulässig sei.

* Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zudem unbegründet. Bei gebotener summarischer Überprüfung sei ein Anordnungsanspruch nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung der Bf. folge aus der Vorstandswahl nach § 35a Abs. 5 SGB IV kein (öffentlich-rechtlicher) Anspruch auf Abschluss eines zivilrechtlichen Vorstandsdienstvertrags. Die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25.08.1983 -8 RK 23/82, juris), auf die sich die Bf. allein stütze, komme hier nicht mehr zum Tragen und sei durch die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.07.2019 -B 1 A 2/18 R, juris) überholt. Auch habe der Reformgesetzgeber mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1992 die Rechtslage nach der Entscheidung des BSG vom 25.08.1983 entscheidend geändert und habe gerade die Privatautonomie stärken wollen und habe § 35a SGB IV in der Folge gemäß dem Leitbild der gesetzlichen Vorgaben zu Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften konzipiert. Die freie Entscheidungshoheit des Selbstverwaltungsorgans "Verwaltungsrat" beinhalte, ob er für die Körperschaft nunmehr einen zivilrechtlichen Dienstvertrag abschließe oder nicht. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Abschluss eines Dienstvertrags aufgrund der Amtsstellung sei nach allem nicht gegeben. Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung könne sich hingegen allein aus einem bestehenden Dienstvertrag als Annex ableiten. Selbiges gelte für den Kraftfahrzeugbenutzungs- und Überlassungsvertrag. Schließlich könne auch die beamtenrechtliche Implikation des Falls, die sich aus dem zweiten Unterpunkt des Antrags (in allen Varianten) ergebe, nicht aus dem Amt abgeleitet werden. Denn auch dieser Unterpunkt betreffe letztlich den Inhalt des zivilrechtlichen Dienstvertrages, d.h. die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten im Innenverhältnis.

* Schließlich bestehe auch kein Anordnungsgrund. Für das Gericht seien keine wesentlichen Nachteile erkennbar, die mit dem sehr weitgefassten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgewendet werden sollen. Die Anträge würden die (bzgl. eines Leistungsantrags auf Vertragsunterzeichnung usw. nicht anhängigen) Hauptsache vorwegnehmen. Auch eine Folgenabwägung spreche gegen die begehrte einstweilige Anordnung. Vorliegend würde sich aus einer den Aufhebungsantrag bzgl. der Amtsentbindung bejahenden, aber unzutreffenden summarischen Prüfung (mitsamt Bejahung eines Anspruchs auf tatsächliche Beschäftigung) für den Bg. die gravierende Rechtsfolge ergeben, dass er eine Vorständin tatsächlich weiterbeschäftigen müsste, obgleich er das Vertrauen in die Amtsführung - ob berechtigt oder nicht - verloren habe. Materiell sei die Bf. durch die Weiterbeschäftigung beim Freistaat Bayern und durch die Durchsetzbarkeit des negativen Interesses im Falle der Rechtswidrigkeit der Amtsenthebung abgesichert. Die gravierenderen negativen Folgen für eine Vorwegnahme der Hauptsache sind daher beim Bg. zu verorten, so dass auch aus diesem Grunde der Eilantrag unbegründet sei.

3.

Gegen den am 23.02.2023 zugestellten Beschluss des SG vom gleichen Tag hat die Bf. durch ihre jetzigen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 02.03.2023 Beschwerde beim SG eingelegt, die am 13.03.2023 an das LSG weitergeleitet worden ist. Zur Begründung haben die Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 20.03.2023 ihren bisherigen Vortrag wiederholt und wie folgt vertieft:

Die Auffassung des SG, die Anträge auf Aufhebung der Vollziehung (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) nach dem (Haupt-)Antrag zu 1. und dem (Hilfs)Antrag zu 3. seien nicht statthaft und damit unzulässig, weil bereits keine Vollziehungshandlungen des Bg. erkenntlich seien, greife zu kurz. Das SG habe mit Beschluss vom 01.08.2023 die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs der Bf. bereits festgestellt und der Bg. ziehe die gebotenen Konsequenzen hieraus nicht. Die Wahl der Bf. zur Vorständin bedinge einen Anspruch auf Abschluss des Dienstvertrages. Werde - wie hier - durch den Bg. der Abschluss eines Dienstvertrages mutwillig verweigert, würden Art. 19 Abs. 4 GG und § 86b Abs. 2 SGG gebieten, dem Anspruch der Bf. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Geltung zu verleihen.

Soweit das SG weiter der Auffassung sei, dass der Antrag deswegen unzulässig sei, weil keine entsprechende Hauptsacheklage erhoben worden sei, treffe diese Auffassung nicht zu. Eine Leistungsklage auf Abschluss des entsprechenden Dienstvertrages sei nicht von einem Vorverfahren abhängig und sei nicht fristgebunden. Es sei darauf hinzuweisen, dass heute beim SG eine entsprechende Leistungsklage erhoben worden sei (das Aktenzeichen dieses Verfahrens werde nach Mitteilung des SG bekanntgegeben).

Die Argumentation des SG, dass es an einem Anordnungsanspruch fehle, weil der Inhalt des Dienstvertrags (inklusive der Vergütungsregelungen) privatautonom und nicht gesetzlich vorbestimmt zu verhandeln sei, sei nicht plausibel. Es gehe vorliegend nicht um die Art und Weise des Verhandelns um den Inhalt des Dienstvertrages, sondern um die Verpflichtung der Parteien, einen solchen nach der Wahl des Vorstandes zu verhandeln und abzuschließen. Zudem finde die Argumentation des SG mit dem alleinigen Hinweis auf Rz. 20 des Urteils des BSG vom 30.07.2019 (B 1 A 2/18 R) keine Stütze. Die Betonung der Prinzipien der Selbstverwaltung durch das BSG sei als Grenze der staatlichen Aufsichtsmöglichkeiten gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Träger der Selbstverwaltung verwendet worden, sage aber nichts zum organschaftlichen Verhältnis zwischen Verwaltungsrat und Vorstand im Verfahren über den Abschluss eines Dienstvertrages aus. Die Auffassung des Bg., der sich die Kammer angeschlossen habe, finde aber auch schon keine gesetzliche Stütze.

Der Hinweis des SG, dass § 35a Abs. 7 Satz 1 SGB IV gerade nicht auf § 59 Abs. 1 SGB IV verweise, was mangels Selbstverwaltungseigenschaft des Vorstands gesetzessystematisch schlüssig sei, stehe im Widerspruch zur Begründung des Beschlusses des SG vom 01.08.2022, woraus sich die Anwendbarkeit des § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV auf das von Seiten des Bg. betriebenen Entbindungsverfahrens ergebe.

Was den vom SG verneinten Anordnungsgrund angehe, so gelte, dass es der Bf. nicht zuzumuten sei, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn der Rechtsverstoß des Bg. sei evident. Der Bg. habe die Pflicht den Dienstvertrag abzuschließen und dafür Sorge zu tragen, dass die Bf. ihr Amt als Alleinvorständin tatsächlich ausüben könne. Im Hinblick auf den eklatanten Rechtsverstoß des Bg. sei die Bf. nicht auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen, sondern habe einen Anspruch darauf, dass sie für die Dauer ihrer Organstellung, selbst wenn der Beschluss unanfechtbar werden sollte, Anspruch auf Ausübung ihrer hauptamtlichen Tätigkeit habe.

Schließlich überzeuge das SG auch nicht im Hinblick auf die Folgenabwägung. Aus der öffentlich-rechtlichen Verfassung der Organe und insbesondere aus § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV werde deutlich, dass Zumutbarkeitserwägungen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielten. Selbst wenn die Zumutbarkeit einen ausreichenden Grund nach § 59 Abs. 2 SGB IV darstellen würde, ende die Mitgliedschaft erst nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV. Eine vorzeitige Suspendierung der Pflichten sei im Gegensatz zu § 59 Abs. 3 SGB IV nicht vorgesehen. Solange der Beschluss des Verwaltungsrates des Bg. nicht unanfechtbar geworden sei, habe die Bf. einen Anspruch auf Wahrnehmung und Ausübung ihrer organschaftlichen Rechte. Dazu gehöre auch die Umsetzung der Verpflichtung, die Bf. als hauptamtliche Vorständin in Umsetzung ihrer organschaftlichen Stellung zu beschäftigen.

Mit Schriftsatz vom 20.03.2023 (Eingang beim SG am gleichen Tag) hat die Bf. durch ihre Bevollmächtigten (Leistungs-)Klage zum SG unter dem Az. S 15 KR 375/23 erheben und beantragen lassen, "das Angebot der Klägerin auf Abschluss des Vorstandsdienstvertrages für Ihre Amtszeit vom 01.2023 bis zum 31.01.2018 gemäß der Anlage AS 20 und den Kraftfahrzeugbenutzungs- und Überlassungsvertrag gemäß Anlage AS14 anzunehmen".

Der Bg. hat mit Schriftsatz vom 12.04.2023 zum hiesigen Beschwerdeverfahren ausführlich erwidern lassen und im Wesentlichen vorgetragen, dass dem tatsächlichen Begehren der Bf. keine plausible öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage zugrunde liege. Plausibel, aber nicht begründet seien vor allem privatrechtliche Anspruchsgrundlagen, die jedenfalls infolge ihres Schwerpunktes nur den Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnen würde. Das Verfahren sei daher nach § 17a GVG an das LG München I zu verweisen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG könne das Gericht eine einstweilige Anordnung nur erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Solche wesentlichen Nachteile für die Bf. seien schon deshalb nicht ersichtlich, weil sie mit ihrer aktuellen Besoldung nach B3 und dem ihrem statusrechtlichen Amt entsprechenden Dienstposten keinerlei finanzielle und statusmäßige Nachteile habe.

Die einstweilige Anordnung wäre darüber hinaus unzulässig, weil sie allein zu Lasten des Bg. zu einer Vorwegnahme der Hauptsache, ja sogar über diese hinaus führen würde und zudem die Klage in der Hauptsache als zwingende Voraussetzung für eine einstweilige Regelung nicht, bzw. viel zu spät und zudem nur begrenzt auf einen der vielen im einstweiligen Verfahren geltend gemachten Ansprüche erhoben worden sei.

Ein Anordnungsanspruch sei weder aus § 35a Absätze 3 und 6 SGB IV, aus dem Regelungskomplex des § 35a SGB IV noch aus den prozessualen Normen der §§ 86a Abs. 1, 86b Abs. 1 Satz 2 SGG substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Allein aus der öffentlich-rechtlichen Amtsbestellung/Wahl als Vorstand resultiere kein Anspruch auf einen Vorstandsdienstvertrag, schon gar nicht auf einen solchen mit einem bestimmten Inhalt. Anders als nach früherem Recht sei der Abschluss des Vorstandsdienstvertrages kein vom Gesetz hinsichtlich Vergütung, Beschäftigung und Versorgung vorbestimmter und damit "formaler" Akt, sondern sowohl hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" Ausdruck des Selbstverwaltungsrechtes der Krankenkasse und der Privatautonomie des Vorstandsmitglieds. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12.04.2023 Bezug genommen.

Auf den Hinweis des Berichterstatters vom 13.04.2023 hat der Bg. mitgeteilt, dass an der Rüge nach § 17a GVG nicht weiter festhalte.

Die Bf. hat durch ihre Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 21.04.2023 nochmals Stellung genommen. Auf die Ausführungen im Einzelnen wird verwiesen.

Die Bf. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23.02.2023 aufzuheben und wiederholt ihre erstinstanzlichen Anträge (siehe im Einzelnen oben).

Die Bg. beantragt zuletzt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen nimmt der Senat ergänzend Bezug auf die Prozessakten des LSG (zum hiesigen Az. L 5 KR 100/23 B ER und zu L 5 KR 361/22 B ER), die beigezogenen Prozessakten des SG (S 15 KR 1150/22 ER, S 15 KR 1257/22 und S 15 KR 375/23) sowie die Verwaltungsakten des Bg.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 23.02.2023 ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), insbesondere ist der Senat an die Auffassung des SG, dass es sich vorliegend um eine dem öffentlichen (Sozial-)Recht zuzuordnende Streitigkeit i.S.v. § 51 Abs. 1 SGG handelt, gemäß § 17a Abs. 5 GVG gebunden (vgl. Flint, in: juris-PK-SGG, 2. Aufl. [Stand 21.03.2023], § 51 SGG Rn. 439; Gerhold, in: Graf, GVG, 1. Aufl. 2023, § 17a GVG Rn. 17; jeweils m.w.N.), auch wenn der Senat diese Sichtweise inhaltlich nicht teilt. Denn für die Rechtswegabgrenzung ist irrelevant, auf welche Rechtsgrundlage(n) sich der Kläger beruft. Entscheidend ist allein, ob die behaupteten Ansprüche, das tatsächliche Klagebegehren dem öffentlichen (Sozial-)Recht zuzuordnen sind oder nicht (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, Vor § 51 Rn. 12, § 51 Rn. 2). Nach § 17a Abs. 5 GVG überprüft das Rechtsmittelgericht, das über ein Rechtsmittel in der Hauptsache entscheidet, allerdings nicht (mehr), ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Vorschriften der §§ 17 ff. GVG gelten für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend (Flint, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.08.2018 - L 11 KR 2731/18 B; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschl. vom 11.09.2017 - L 7 AS 531/17 B ER; jeweils juris). Schon deshalb wäre eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I - wie sie vom Bg. zunächst beantragt worden ist - hier nicht zulässig (gewesen).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG zurück und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug auf diese Gründe, die er sich zu eigen macht. Lediglich ergänzend wird im Lichte des Beschwerdeverfahrens und des erneuten umfassenden Vortrags der Beteiligten auf Folgendes hingewiesen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

Die Auffassung des SG, dass die Anträge auf Aufhebung der Vollziehung (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) nach dem (Haupt-)Antrag zu 1. und dem (Hilfs-)Antrag zu 3. mangels "erlassener" Vollziehungshandlungen des Bg. nicht statthaft und damit unzulässig seien, wird vom Senat ausdrücklich geteilt. Der Hinweis der Bf., dass das SG mit Beschluss vom 01.08.2022 die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs der Bf. festgestellt habe und der Bg. die gebotenen Konsequenzen hieraus - nämlich den Abschluss des Dienstvertrages, auf den die Bf. wegen ihrer Wahl zur Vorständin einen Anspruch habe - nicht ziehe, verfängt nicht. Denn im Eilverfahren zum Az. S 44 KR 750/22 ER hat das SG mit Beschluss vom 01.08.2022 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die in Ziff. 3 des Bescheids vom 30.05.2022 bekanntgegebene Amtsentbindung der Bf. angeordnet und die in Ziff. 4 des angegriffenen Bescheids angeordnete sofortige Vollziehung der Amtsbindung der Bf. aufgehoben, weil es nach Auffassung der Kammer an der notwendigen gesetzlichen Ermächtigung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung der Amtsentbindung gefehlt habe. Dass die Bf. einen Anspruch auf Abschluss des Dienstvertrages gegen den Bg. aufgrund ihrer Wahl zur Vorständin habe, hat das SG hingegen nicht festgestellt, sondern lediglich für "nicht ausgeschlossen erscheinend" (S. 38 des Beschlusses) bzw. für "offen" (S. 54 des Beschlusses) gehalten. Eine Verbindung zwischen den im Eilverfahren zum Az. S 44 KR 750/22 ER in Mitten stehenden Fragen der Anordnung des Suspensiveffekts des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 30.05.2022 und der hier zentralen Frage des - angeblich gleichsam automatischen - Anspruchs der Bf. auf Abschluss des Dienstvertrages qua Organstellung lässt sich auch nicht mit der Behauptung begründen, dass sich der Bg. auf keinen Rechtsgrund berufen könne, den Abschluss des Dienstvertrages zu verweigern, weil es - worauf noch einzugehen sein wird - dafür keines Rechtsgrundes bedarf.
Dass das SG die Hilfsanträge zu 2., 4. und 5. (ebenfalls) als unzulässig betrachtet hat, weil im Hauptsacheverfahren zum Az. S 15 KR 1257/22 allein eine Anfechtungsklage erhoben worden sei, war zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend. Nachdem die Bf. - mutmaßlich motiviert durch den diesbezüglichen Hinweis des SG - am 20.03.2023 jedoch eine auf Annahme des Angebots der Bf. auf Abschluss des Vorstandsvertrages (in der nach Anlage AS20 vorgelegten Fassung) gerichtete Leistungsklage unter dem Az. S 15 KR 375/23 erhoben hat, sind jedenfalls die Hilfsanträge zu 2. und 5. zulässig (geworden), während sich der Hilfsantrag zu 4. auf Abschluss des Dienstvertrages nach Maßgabe der als Anlage AS13 vorgelegten Fassung richtete.

Die von Seiten des Bg. problematisierte Frage, ob und inwieweit der Entwurf des Dienstvertrages nach der Anlage AS20 zwischen den Beteiligten konsentiert ist und damit die Verurteilung des Bg. zum Abschluss eines ebensolchen Dienstvertrages im Hauptsacheverfahren überhaupt umsetzbar wäre, was ggf. zur Folge hätte, dass die Leistungsklage vom 20.03.2023 offensichtlich unzulässig wäre und damit auch die Hilfsanträge zu 2. und 5. mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wären, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Denn nach wie vor sind sämtliche Anträge der Bf. (auch) unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft sind.

2. Zum Anordnungsanspruch

Die für den vorliegenden Rechtsstreit zentrale Frage, ob aus der Wahl der Bf. als Vorständin, d.h. aus ihrer Organstellung, zugleich bzw. gewissermaßen automatisch ein (öffentlich-rechtlicher) Anspruch der Bf. auf Abschluss eines zivilrechtlichen Vorstandsdienstvertrages mit dem Bg. resultiert, ist mit dem SG zu verneinen. Angesichts der Redundanz, mit der die Bf. ihre gegenteilige Auffassung vortragen und begründen lässt, sind folgende ergänzende Bemerkungen veranlasst:

* Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es der antragstellenden- und beschwerdeführenden Bf. obliegt, den aus ihrer Sicht bestehenden Anordnungsanspruch vorzutragen und das Vorliegen seiner tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen(§ 86b Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) bei zugleich bestehender Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09, Rn. 18 - zitiert nach juris). Es ist nicht etwa anders herum, dass der Bg. für die Verweigerung des Abschlusses des Dienstvertrages eines Rechtsgrundes bedürfte. Dies vorausgeschickt, vermag die Bf. schon keine ihr Begehren tragende Anspruchsgrundlage für sich ins Feld zu führen.

* Die Vorschrift des § 35a SGB IV, der von der Bf. für die vorstehende Frage maßgeblich bemüht wird, sieht einen solchen Anspruch an keiner Stelle vor. Einziger Ansatzpunkt, der den (zivilrechtlichen) Vorstandsdienstvertrag überhaupt erwähnt, wäre allenfalls § 35a Abs. 6a Satz 1 SGB IV, der vorsieht, dass der Abschluss, die Verlängerung oder die Änderung des Vorstandsdienstvertrages zu ihrer Wirksamkeit der vorigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Die aufsichtsrechtliche Mitwirkung dient in Konkretisierung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots im Haushaltswesen der Verwirklichung der Interessen der Mitglieder der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften und sonstigen Beitragszahler, nicht aber der Verwirklichung der Individualinteressen des Vorstandsmitglieds (st. Rspr. des BSG, zuletzt Urt. vom 20.03.2018 - B 1 A 1/17 R, BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr. 5, Rn. 10 des Urteils). Diesen Zweck erreicht die Vorschrift dadurch, dass sie die Wirksamkeit des (zivilrechtlichen) Vorstandsdienstvertrages - vergleichbar mit der Zustimmung nach § 182 Abs. 1 BGB - von der aufsichtsrechtlichen Mitwirkung in Form eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsaktes abhängig macht (vgl. Ellenberger, in: Grüneberg, Kommentar zum BGB, 82. Aufl. 2023, Einf. v. § 182 Rn. 6, m.w.N.). Sie würde aber keinen Sinn machen bzw. ihren Sinn verfehlen, wenn die genannten rechtgeschäftlichen Handlungen, insbesondere der Abschluss des Dienstvertrages, der privatautonomen Gestaltung der Vertragsparteien entzogen wäre, wie etwa dadurch, dass das gewählte Vorstandsmitglied qua Amt einen Anspruch auf Abschluss eines (bestimmten) Dienstvertrages hätte oder - andersherum - vom Vorstandsmitglied von Seiten der Selbstverwaltungskörperschaft der Abschluss eines (bestimmten) Dienstvertrages eingefordert werden könnte.

* Dass die so verstandenen in § 35a SGB IV geregelten Einschränkungen der Vertragsfreiheit als Ausnahme die Regel bestätigen, dass das Vorstandsmitglied auf der einen Seite und die Selbstverwaltungskörperschaft auf der anderen Seite für das "Ob" und "Wie" des Dienstvertrages grundsätzlich Vertragsfreiheit genießen und daher aus § 35a SGB IV kein (öffentlich-rechtlicher) Anspruch auf Abschluss eines Dienstvertrages abgeleitet werden kann, wird auch durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt. Zwar muss dazu vorausgeschickt werden, dass es für die hier inmitten stehende, eingangs vorangestellte, Frage keine Entscheidung des BSG gibt, die sich ausdrücklich und explizit dazu erklärt. Mit dem SG ist der Senat allerdings der Auffassung, dass das von der Bf. mehrfach bemühte Urteil des BSG vom 25.08.1983 (8 RK 23/82, juris) hier nicht "fruchtbar" gemacht werden kann. Dafür ist nicht maßgebend, ob dem BSG eine mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbare Fallkonstellation zugrunde gelegen hat, sondern der Umstand, dass sich die dem Urteil des BSG vom 25.08.1983 zugrundeliegende Rechtslage durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I 1992 S. 2266) durch die Umgestaltung der dreigliedrigen Selbstverwaltung in eine zweigliedrige, der Struktur einer Aktiengesellschaft ähnlichen Organschaft, bestehend aus dem ehrenamtlichen Verwaltungsrat und dem professionellen und nicht mehr ehrenamtlichen (§ 35a Abs. 3 Satz 1 SGB IV) Vorstand, der auch die Aufgaben des Geschäftsführers übertragen bekommen hat, grundlegend geändert hat. Seither ist der Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse ein Organ, dessen Beschäftigung, Vergütung, Versorgung und dessen sonstigen Konditionen der grundsätzlich freien Vereinbarung der Parteien unterliegt. Der Abschluss, die Verlängerung oder auch die Kündigung des Vorstandsdienstvertrages sind daher nach geltender Rechtslage Ausdruck des Selbstverwaltungsrechts der Krankenkasse, indem es ihr die Entscheidung über die Personalauswahl und die Vertragsgestaltung überlässt. Der Senat sieht sich dabei im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.07.2019 - B 1 A 2/18 R, SozR 4-2400 § 35a Nr. 6, Rn. 20 des Urteils; Urteil vom 20.03.2018, a.a.O., Rn. 10 und 16 des Urteils) und dem aktuellen Schrifttum (Schneider-Danwitz, in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. [Stand 01.08.2021], § 35a SGB IV, Rn. 127).

* Schließlich enthält die von der Bf. vertretene Auffassung, dass aus der Wahl als Vorständin zugleich auch ein (öffentlich-rechtlicher) Anspruch auf Abschluss eines zivilrechtlichen Vorstandsdienstvertrages folgt, einen Verstoß gegen die Trennungstheorie. Danach sind das körperschaftliche Bestellungsverhältnis, die Organstellung einerseits und das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis andererseits zu unterscheiden (siehe etwa Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl. 2023, § 611a BGB, Rn. 94; Weidenkaff, in: Grüneberg, Einf. v. § 611 BGB, Rn. 23; Schneider-Danwitz, a.a.O., Rn. 52; BSG, Beschluss vom 11.12.2019 - B 6 A 1/19 B, juris, Rn. 7 des Beschlusses; jeweils m.w.N.). Gründe dafür, dass die Abschlussfreiheit der privatautonomen Entscheidungsbefugnis der Vertragsparteien sozusagen entzogen wäre, mit der Folge, dass aus dem statusrechtlichen Amt ein Anspruch auf Abschluss des Dienstvertrages folgen würde, sieht der Senat nicht. Auch das BSG geht in seiner bereits zitierten Rechtsprechung (Urteil vom 30.07.2019, a.a.O., Rn. 20 des Urteils; Urteil vom 20.03.2018, a.a.O., Rn. 10 und 16 des Urteils) davon aus, dass das Selbstverwaltungsrecht der Krankenkasse den Abschluss des Vorstandsdienstvertrages umfasst. Auch hat das BSG in seinem Beschluss vom 11.12.2019 (a.a.O.) zur Einordnung des Vorstandsdienstvertrages als öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Vertrag die Trennungstheorie strikt angewandt und sich damit klar zu ihren Gunsten positioniert.

3. Zum Anordnungsgrund

Neben dem fehlenden Anordnungsanspruch ist auch ein Anordnungsgrund nicht zu erkennen. Auch insoweit schließt sich der Senat der hierzu vom SG gegebenen Begründung an (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Wesentliche Nachteile, zu deren Abwendung eine einstweilige Anordnung erlassen werden könnte, sind vorliegend schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Bf. mit ihrer aktuellen Besoldung mit dem Gehalt einer Leitenden Ministerialrätin nach B3 und der Versorgung mit einem ihrem statusrechtlichen Amt entsprechenden Dienstposten keinerlei finanzielle und statusmäßige Nachteile hat.

Es kommt hinzu, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht beziehungslos nebeneinander stehen, sondern aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs in der Regel ein bewegliches System bilden: Je eher ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist und damit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wachsen, um so geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund - und umgekehrt (Keller, a.a.O., § 86b SGG, Rn. 27; zuletzt Bayer. LSG, Beschluss vom 20.12.2022 - L 8 AY 131/22 B ER, BeckRS 2022, 37105, Rn. 26; jeweils m.w.N.). Da die Bf. - wie oben dargestellt - schon keine Anspruchsgrundlage für den von ihr behaupteten Anordnungsanspruch ins Feld führen kann, vermag der Senat eine Eilbedürftigkeit schon im Ansatz nicht zu erkennen.

Nach alledem war die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 23.02.2023 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und folgt der hierzu vom Erstgericht gegebenen Begründung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

Rechtskraft
Aus
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