G e r i c h t s b e s c h e i d :
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2020 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger begehrt die Weitergewährung von Gründungszuschuss ab 01.03.2020 (zweite Förderphase).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 10.07.2019 die Gewährung von Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt ab dem 30.08.2019.
Im Antragsformular, eingegangen bei der Beklagten am 27.08.2019, gab der Kläger an, dass er für die selbstständige Tätigkeit 30 bis 35 Wochenstunden aufwenden werde. Außerdem sei er mit einem Minijob im Bereich Bürotätigkeiten und einer weiteren Beschäftigung als Unternehmensjurist insgesamt weitere 24 Wochenstunden beschäftigt. Hier erziele er Einkommen in Höhe von 1.900 € netto.
Zu seiner selbstständigen Tätigkeit gab er folgende Planung an (Blatt 14 ff. Beklagtenakte):
einmalige Investitionskosten: 3.420 €
regelmäßige Betriebsausgaben: 1.668,75 € / Monat
Honorareinnahmen netto: zunächst keine, 3.000 € im 3. Monat, 4.000 € jeweils ab dem 4. Monat
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 24.10.2019 ab dem 30.08.2019 für sechs Monate Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 2.116,20 € (einschließlich der Pauschale von 300 € zur sozialen Absicherung).
Am 21.01.2020 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Gründungszuschuss über den 29.02.2021 hinaus für neun Monate in Höhe von monatlich 300 €. Seine Nebentätigkeit als Unternehmensjurist habe mit dem 15.12.2019 geendet.
Bezüglich seiner Einnahmen und Ausgaben im ersten Förderzeitraum gab er Folgendes an:
Selbstständige Tätigkeit |
Honorareinnahmen netto |
Betriebsausgaben |
September 2019 |
0,00 € |
2.110,00 |
Oktober 2019 |
0,00 € |
1.465,00 |
November 2019 |
0,00 € |
1.945,00 |
Dezember 2019 |
1.437,00 € |
1.769,00 |
Januar 2020 |
1.314,00 € |
1.928,00 |
Februar 2020 (Stand 25.02.) |
503,00 € |
1.258,00 |
Mit Bescheid vom 15.04.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Gewinn am Ende der ersten Förderphase betrage mehr als 1.668 €, daher sei der Lebensunterhalt und die soziale Absicherung beim Kläger allein durch die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit gesichert.
Der Kläger erhob hiergegen am 30.04.2020 Widerspruch. Es sei nicht richtig, dass sein Lebensunterhalt gesichert sei. Erstmalig im März habe er bei Honorareinnahmen in Höhe von 1.737 € einen Gewinn (503 €) gemacht.
Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung stellte die Beklagte intern fest, dass sie bei der Berechnung Angaben des Klägers falsch zugeordnet habe, sich bei richtiger Berechnung in der ersten Förderphase aber gar kein Gewinn ergebe (vgl. Vermerk Blatt 62 der Beklagtenakte).
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 07.05.2020 zurück. Die Weiterbewilligung des Gründungszuschusses stehe im Ermessen der Beklagten. Die Beklagte habe sich entschlossen, den Gründungszuschuss nur dann zu gewähren, wenn aufgrund der bisherigen Geschäftstätigkeit und der beschriebenen zukünftigen Aktivitäten zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus den Einkünften der selbstständigen Tätigkeit nach der sechsmonatigen Anlaufphase bestritten werden könne und der weitere Gründungszuschuss ausschließlich für die nachhaltige Stärkung der Gründung sowie die soziale Absicherung erforderlich sei.
Beim Kläger hätten sich in der ersten Förderphase nur Verluste ergeben, eine Tragfähigkeit sei damit nicht erkennbar und der Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses abzulehnen.
Hiergegen erhob der Kläger am 08.06.2020 Klage zum Sozialgericht München. Die Beklagte habe ihrer Entscheidung während des Verwaltungsverfahrens unterschiedliche Maßstäbe zugrunde gelegt und damit willkürlich gehandelt. Die Beklagte habe nicht alle Ermessensgesichtspunkte ausreichend berücksichtigt, insbesondere nicht Besonderheiten der Neugründung einer Rechtsanwaltskanzlei. Die anfänglichen Verluste stünden daher der Weiterbewilligung nicht entgegen. Das Ermessen sei auf Null reduziert, weil die Ablehnung des Antrags im konkreten Fall stets rechtswidrig wäre.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2020 verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 20.10.2020/25.02.2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden angehört.
II. Die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 SGG, ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid vom 15.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Weitergewährung von Gründungszuschuss zu Recht abgelehnt.
1. Rechtsgrundlage für die Weitergewährung von Gründungszuschuss in der sogenannten zweiten Förderphase ist § 94 Abs. 2 i.V.m. § 93 SGG.
Wurde Gründungszuschuss der ersten Förderphase nach § 94 Abs. 1 SGG bewilligt, kann der Gründungszuschuss nach § 94 Abs. 2 SGG für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 € geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt (Satz 1). Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird (Satz 2).
Aus der in § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB III normierten Möglichkeit der Beklagten, auch für die zweite Phase des Gründungszuschusses erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einzuholen, ergibt sich die klare Absicht des Gesetzgebers, dass auch für diese Förderphase (erneut) zu prüfen ist, ob weiterhin von einer Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden kann (BayLSG, Beschluss vom 25.08.2020, L 9 AL 90/20 B ER).
Weiter ergibt sich aufgrund des in der zweiten Förderphase erheblich abgesenkten Leistungssatzes (auf lediglich eine Pauschale von 300 € im Monat), dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nach Abschluss der ersten Förderphase die selbstständige Tätigkeit bereits derart gefestigt ist, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der Tätigkeit bestritten werden kann und (allenfalls) noch ein Bedürfnis für die Gewährung von Leistungen zur sozialen Absicherung besteht. Eine Weitergewährung des Gründungszuschusses ist daher abzulehnen, wenn der Lebensunterhalt bei prognostischer Entscheidung während der zweiten Gründungsphase noch nicht aus der selbstständigen Tätigkeit gedeckt werden kann (BayLSG, a.a.O.)
Die Tragfähigkeit einer Existenzgründung ist auch für die zweite Phase der Gewährung von Gründungszuschuss Tatbestandsvoraussetzung und nicht Ermessensgesichtspunkt. Denn der Anspruch auf Gründungszuschuss in der zweiten Förderphase ist in § 94 SGB III verortet, der die Überschrift "Dauer und Höhe der Förderung" trägt. Daraus, dass § 94 SGB III ausweislich seiner Überschrift nur Dauer und Höhe regelt, ist zu schließen, dass die Voraussetzungen dem Grunde nach - auch für Gründungszuschuss in der zweiten Förderphase - nicht dort statuiert sind, sondern sich an anderer Stelle, also in § 93 SGB III finden müssen. § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III gilt demnach auch für die Weiterbewilligung. Es handelt sich um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die das Gericht voll zu prüfen hat (BayLSG, Urteil vom 07.07.2016, L 9 AL 207/14).
2. Zum maßgeblichen Zeitpunkt - also zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - war beim Kläger die Tragfähigkeit der Existenzgründung für die zweite Phase bei prognostischer Betrachtung nicht gegeben (vgl. hierzu bereits im Eilverfahren des Klägers: BayLSG, Beschluss vom 25.08.2020, L 9 AL 90/20 B ER). Nach eigenen Angaben hatte der Kläger im gesamten Zeitraum 01.09.2019 bis 25.02.2020 lediglich Einnahmen (nicht Gewinn) als Rechtsanwalt in Höhe von 3.254 €. In diesem Zeitraum betrugen seine Betriebsausgaben insgesamt 10.475 € und waren - auch am Ende der ersten Förderphase - regelmäßig deutlich höher als seine Einnahmen. Der Kläger könnte daher in der ersten Förderphase seinen Lebensunterhalt offensichtlich nur aus seiner Nebenbeschäftigung als Unternehmensjurist bis 15.12.2019 und aus der Bewilligung des Gründungszuschusses bis 29.02.2020 bestreiten.
Soweit der Kläger ausführt, dass bei der Gründung und Führung einer Rechtsanwaltskanzlei branchenspezifische Besonderheiten berücksichtig werden müssten - eine angemessene Anlaufphase für eine Rechtsanwaltskanzlei betrage mindestens ein Jahr, da es eine hohe Anzahl an bestehenden Rechtsanwaltskanzleien gebe und daher im Falle einer Neugründung erst einmal viel Akquisetätigkeit erforderlich sei - ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz dies nicht vorsieht. Mit der Regelung, ab dem sechsten Monat der Gründung lediglich einen Zuschuss zur sozialen Sicherung zu gewähren, hat der Gesetzgeber Gründungen, die ab dem siebten Monat nicht im Wesentlichen tragfähig sind, von einer (Weiter-)förderung ausgeschlossen.
Im Übrigen widerspricht der Vortrag des Klägers zur besonders langen Anlaufphase einer Kanzlei seiner eigenen Prognose im Antrag auf Gründungszuschuss, den er im Juli/August 2019 bei der Beklagten eingereicht hat. Dort hatte er bereits ab dem dritten Monat Honorareinnahmen von monatlich 3.000 € und ab dem 4. Monat von monatlich 4.000 € prognostiziert; der Kläger hatte also selbst zeitnah nach der Gründung mit deutlichen Einnahmen gerechnet.
Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Weiterzahlung des Gründungszuschusses ab dem 01.03.2020 nicht vorliegen, hat die Beklagte auch keine neue Ermessensentscheidung über die Bewilligung zu treffen. Die Klage bleibt ohne Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.