L 10 AS 879/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 22 AS 4095/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AS 879/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Zustimmung des Beklagten zur Berufungsrücknahme ist jedenfalls dann erforderlich, wenn ein Urteil im schriftlichen Verfahren einem Beteiligten bekannt gegeben worden ist.

      1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Februar 2019 (S 22 AS 4095/17) wird zurückgewiesen.
      2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil, mit dem seine Klage gegen eine endgültige Leistungsfestsetzung mit Erstattungsforderung betreffend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 abgewiesen worden ist.

 

Der 1998 geborene Kläger lebte mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder in Bedarfsgemeinschaft und bezog schon seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Sie wohnten zusammen in einer Wohnung, für die 499,35 € Bruttowarmmiete aufzuwenden waren, die auch als angemessen anerkannt wurden. Seit August 2014 absolvierte sein Bruder eine geförderte Ausbildung, was dazu führte, dass ihm unter der Annahme eines Leistungsausschlusses ein Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft bewilligt wurde. Dem Kläger und den Eltern wurden weiterhin Leistungen der Grundsicherung bewilligt, wobei im Bedarf für die KdU seit der Ausbildungsaufnahme des Bruders ¾ der angefallenen Kosten anerkannt wurden. Als Einkommen wurde beim Kläger das für ihn gezahlte Kindergeld berücksichtigt.

 

Mit Bescheid vom 25. März 2015 wurden dem Kläger und seinen Eltern für den Zeitraum April 2015 bis März 2016 endgültig Leistungen bewilligt. Auf den Kläger entfielen 242,84 €, die sich aus der Regelleistung in Höhe von 302,00 €, den anteiligen KdU in Höhe von 124,84 € (1/4 von 499,35 €) abzüglich des Kindergeldes in Höhe von 184,00 € ergaben.

 

Am 1. September 2015 nahm der Kläger eine Ausbildung zum Bäcker auf. Nach dem Ausbildungsvertrag sollte er im ersten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 450,00 € brutto monatlich erhalten.

 

Am 3. August 2015 erging daraufhin ein Änderungsbescheid, mit dem dem Kläger (neben seinen Eltern) für den Zeitraum September 2015 bis März 2016 - nunmehr vorläufig - monatlich 42,84 € bewilligt wurden. Der Bescheid vom 25. März 2015 wurde insoweit aufgehoben. Als Bedarf wurden wiederum 426,84 € (302,00 € + 124,84 €) ermittelt. Hinsichtlich des Einkommens errechnete der Beklagte einen Nettobetrag der Ausbildungsvergütung in Höhe von 370,00 €, der anschließend auf 200,00 € bereinigt wurde. Es wurde das Kindergeld in Höhe von 184,00 € hinzugerechnet, so dass sich anrechenbares Einkommen in Höhe von 384,00 € und ein verbleibender Bedarf in Höhe von 42,84 € ergab. Die Bewilligung erfolge vorläufig, weil das Einkommen des Klägers noch nicht konkret bekannt sei. Die Änderung wurde auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt.

 

Nachdem am 22. Oktober 2015 ein Kontoauszug eingegangen war, der den Zufluss einer Ausbildungsvergütung in Höhe von 359,43 € auswies, erging am 30. Oktober 2015 ein weiterer Änderungsbescheid für den Zeitraum September 2015 bis März 2016, mit dem dem Kläger (neben seinen Eltern) für September 2015 wieder 242,84 € und ab Oktober 2015 53,41 € vorläufig bewilligt wurden. Die höhere Bewilligung für den Zeitraum ab Oktober folgte daraus, dass der Beklagte zuvor den Nettobetrag der Ausbildungsvergütung selbst mit 370,00 € bestimmt hatte, in dem Kontoauszug aber ein Betrag von 359,43 € ausgewiesen war.

 

Am 3. November 2015 ging eine Arbeitgeberbescheinigung vom 21. Oktober 2015 für den Kläger für den Monat September 2015 ein, die ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 470,00 € und ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 375,41 € auswies. Ausweislich des zugleich eingegangenen Kontoauszuges sind dem Kläger nicht nur am 22. Oktober 2015 die bekannten 359,43 €, sondern am 23. Oktober 2015 weitere 15,98 € ausgezahlt worden.

 

Am 29. November 2015, 16. Dezember 2015 und 2. Februar 2016 ergingen Änderungsbescheide, die den hier nicht streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis März 2016 betrafen.

 

Am 14. März 2016 erließ der Beklagte allein gegenüber dem Kläger die hier streitgegenständliche endgültige Leistungsfestsetzung mit Festsetzung von Erstattungsbeträgen für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015. Es wurde nunmehr ein Anspruch in Höhe von monatlich 41,43 € und damit eine monatliche Überzahlung in Höhe von 11,98 € (insgesamt 35,94 €) festgestellt. Der Bedarf war unverändert mit 426,84 € (302,00 € + 124,84 €) ermittelt worden. Die Ausbildungsvergütung wurde nunmehr mit 375,41 € netto und nicht mehr mit 359,43 € berücksichtigt, woraus sich eine bereinigte Ausbildungsvergütung von 201,41 € (375,41 € - 100,00 € - 74,00 €) und zusammen mit dem Kindergeld in Höhe von 184,00 € ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 385,41 € ergab.

 

Sämtliche Bescheide wurden bestandskräftig. Der zu dieser Zeit noch minderjährige Kläger erstattete den Betrag in Höhe von 35,94 € am 22. März 2016.

 

Am 14. Dezember 2016 gingen durch den von den Eltern mandatierten Prozessbevollmächtigten acht jeweils auf den 29. November 2014 datierende Überprüfungsanträge bezogen auf unterschiedlichste Bescheide und Zeiträume ab Januar 2015 ein, darunter auch ein für den inzwischen volljährig gewordenen Kläger gestellter Überprüfungsantrag bezogen auf den Bescheid vom 14. März 2016 für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2015. Die Berechnungen seien fehlerhaft. Die Kosten der Unterkunft seien rechtswidrig gekappt worden. Zudem sei zu ermitteln, ob weitere Aufwendungen anfielen. Weiterhin sei die Einkommensanrechnung fehlerhaft. Es seien weitere Absetzungen, die nicht benannt wurden, vorzunehmen. Der Rückforderungsbetrag dürfte sich verringern.

 

Mit Bescheid vom 10. Januar 2017 wurde der Antrag betreffend den Bescheid vom 14. März 2016 abgelehnt. Bei Erlass des Bescheides sei das Recht zutreffend angewandt worden. Die KdU seien nicht gekappt worden. Die Einkommensberechnung sei nach den eingereichten Unterlagen fehlerfrei.

 

Zeitgleich, also ebenfalls am 10. Januar 2017, erging in einem anderen Überprüfungsverfahren gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft eine endgültige Leistungsfestsetzung für den Zeitraum April 2015 bis März 2016, mit der dem Kläger für den hier interessierenden Zeitraum Oktober bis Dezember 2015 wiederum monatlich 41,43 € bewilligt wurden. Auf den bereits existierenden Bescheid vom 14. März 2016 allein den Kläger betreffend wurde dabei nicht eingegangen.

 

Am 13. Februar 2017 legte der Prozessbevollmächtigte gegen den ablehnenden Überprüfungsbescheid Widerspruch ein. Der "Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft" dürfte höher ausfallen. Die Einkommensanrechnung sei fehlerhaft. Die Einrede der Beschränkung der Minderjährigenhaftung werde erhoben.

 

Die endgültige Leistungsfestsetzung vom 10. Januar 2017 wurde durch alle Haushaltsmitglieder, also auch durch den Kläger, angefochten, was zu dem Klageverfahren S 22 AS 4096/17 führte. Die dahingehende Klage, in der die Ansprüche materiell geprüft wurden, wurde später mit Urteil vom 13. Februar 2019 abgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (L 7 AS 270/19) wurde mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes für eine zulassungsbedürftige Berufung überschritten worden sei. Ein Berufungsverfahren wurde nicht geführt.

 

In dem Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Ablehnung des Überprüfungsantrages erging am 12. Juni 2017 die Aufforderung, mitzuteilen, welche weiteren Aufwendungen für die Unterkunft anfallen, wie das Warmwasser erwärmt werde, inwiefern die Einkommensanrechnung fehlerhaft sein solle und welche Absetzungsbeträge noch in Abzug zu bringen seien. Hierauf übermittelte der Prozessbevollmächtigte eine Mail der Mutter des Klägers, aus der sich ergibt, dass das Wasser zentral erwärmt wird. Weitere Auskünfte zur Anfrage wurden nicht erteilt.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Berechnung wurde entsprechend des Erstattungsbescheides nochmals ausführlich dargelegt. Hinsichtlich der Versicherungspauschale und der Werbungskosten wurde festgestellt, dass diese den Grundfreibetrag von 100,00 € nicht überstiegen. Hinsichtlich der Minderjährigenhaftung wurde darauf verwiesen, dass der Kläger den Betrag bereits erstattet habe und dass auch sonst nichts ersichtlich sei, dass der Kläger im Zeitpunkt seines Volljährigwerdens (20.10.2016) nicht über Vermögen in Höhe des Erstattungsbetrages verfügt habe.

 

Am 16. Oktober 2017 wurde für den Kläger ohne Begründung Klage erhoben.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2018 wurde die Klage abgewiesen. Es wurde auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.

 

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und führte nunmehr aus, dass bereits mit Bescheid vom 25. März 2015 eine endgültige Leistungsfestsetzung erfolgt sei. Eine endgültige Festsetzung könne aber nicht noch einmal durch eine endgültige Festsetzung ersetzt werden. Dem Überprüfungsantrag sei mithin stattzugeben und der Erstattungsbescheid aufzuheben.

 

Am 13. Februar 2019 hat das Sozialgericht in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten verhandelt und entschieden. Im Vorfeld war ein Befangenheitsgesuch gestellt, verbeschieden, der Beschluss aber nicht zuvor zugestellt worden.

 

Mit Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Februar 2019 wurde die Klage abgewiesen. Es wurde auf den Gerichtsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Einkommenskorrektur im angefochtenen Bescheid derjenigen in der endgültigen Festsetzung vom 17. Januar 2017 (gemeint wohl 10. Januar 2017) entspräche.

 

Gegen das am 19. Februar 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels erhoben (L 7 AS 269/19 NZB), die im Hinblick auf den nicht zugestellten Beschluss über die Befangenheit unter der Annahme eines Verfahrensmangels erfolgreich war. Das Verfahren wurde als Berufung nunmehr unter dem Aktenzeichen L 7 AS 879/20 und nach Übergang in den 10. Senat zum 1. Januar 2023 mit dem Aktenzeichen L 10 AS 879/20 weitergeführt. Eine Begründung der Berufung erfolgte trotz Aufforderung nicht.

 

Anträge wurden nicht formuliert.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Einzelrichterin und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Entscheidung ergeht nach § 155 Abs. 3 und 4 SGG durch die Einzelrichterin und nach § 124 Abs. 2 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Die vom Sächsischen Landessozialgericht zugelassene, und damit statthafte Berufung ist jedenfalls unbegründet. Ob der Berufung angesichts des rechtskräftig bestätigten Bescheides vom 10. Januar 2017, der auch gegenüber dem Kläger die Leistungen für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 endgültig und in gleicher Höhe wie hier angefochten festgesetzt hat, überhaupt noch ein Rechtsschutzinteresse zur Seite steht, lässt die Einzelrichterin zu Gunsten des Klägers dahinstehen.

 

Das Begehren des Klägers ist auf die Aufhebung des eine Überprüfung nach § 44 SGB X ablehnenden Bescheides (Bescheid vom 10. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2017) und im dann wieder eröffneten Überprüfungsverfahren auf Aufhebung der endgültigen Leistungsfestsetzung mit Festsetzung von Erstattungsbeträgen im Bescheid vom 14. März 2016 sowie auf Rückzahlung des geleisteten Erstattungsbetrages in Höhe von 35,94 € gerichtet. Ob der Kläger daneben auch höhere Leistungen, sei es im Wege einer endgültigen Leistungsfestsetzung oder unter Abänderung einer solchen, begehrt, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen, bedarf aber auch keiner weiteren Aufklärung, weil höhere materielle Ansprüche, als die mit Bescheid vom 14. März 2016 (bzw. mit Bescheid vom 10. Januar 2017) festgesetzten, dem Kläger nicht zustehen.

 

Die Ablehnung der Aufhebung des Festsetzungs- und Erstattungsbescheides vom 14. März 2016 im Wege des Überprüfungsverfahrens ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 1 und 2 SGG.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch wenn er – wie hier – unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil sich der Bescheid vom 14. März 2016 nicht als rechtswidrig erweist.

 

Soweit der Bescheid vom 14. März 2016 eine endgültige Leistungsbewilligung enthält, ist er bereits einer gerichtlichen Überprüfung durch die Einzelrichterin entzogen. Denn es liegt mit dem Bescheid vom 10. Januar 2017, mit dem gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum April 2015 bis März 2016 die Leistungen (erstmals oder wiederholt) endgültig festgesetzt wurden, ein bestandskräftiger und unter Mitwirkung des Klägers gerichtlich rechtskräftig bereits überprüfter Bescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum vor, mit dem dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gleicher Höhe bewilligt wurden. Dass weder bei Erlass des Bescheides vom 10. Januar 2017 noch im nachfolgenden verwaltungsrechtlichen bzw. gerichtlichen Verfahren das Verhältnis dieses Bescheides zu dem am 14. März 2016 ergangenen Bescheid und das Verhältnis der parallel laufenden Rechtsmittelverfahren beleuchtet wurden, mag bedauerlich sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Bescheid vom 10. Januar 2017 für jedermann bindend geworden und auch keiner Abänderung mehr zugänglich ist. Die endgültige Leistungsfestsetzung in dem Bescheid vom 14. März 2016, die sich mit der vom 10. Januar 2017 deckt, ist daher als rechtmäßig zugrunde zu legen.

 

Um die Argumente aufzugreifen, die der Kläger vorgebracht hat, weist die Vorsitzende darauf hin, dass sie auch unabhängig von dem Bescheid vom 10. Januar 2017 die endgültige Leistungsfestsetzung in dem Bescheid vom 14. März 2016 für rechtmäßig gehalten hätte.

 

Rechtsgrundlage wäre insoweit § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III (jeweils in der am 14. März 2016 geltenden Fassung) gewesen.

 

Der Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage hätte - abweichend von der Einschätzung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht entgegengestanden, dass mit Bescheid vom 25. März 2015 allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum April 2015 bis März 2016, und damit auch dem Kläger für den hier interessierenden Zeitraum Oktober bis Dezember 2015, endgültig Leistungen der Grundsicherung zuerkannt worden waren. Denn dieser Bescheid wurde jedenfalls für die Zeit ab September 2015 zumindest abgeändert, wenn nicht gar ersetzt durch den Bescheid vom 3. August 2015, mit dem allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft und damit auch dem Kläger ab September 2015 nur noch vorläufig Leistungen bewilligt worden sind. Alle nachfolgenden Änderungsbescheide (hier nur der Bescheid vom 30. Oktober 2015 relevant) behielten die nur vorläufige Leistungsbewilligung bei. Ob die Änderung der endgültigen Bewilligung (Bescheid vom 25. März 2015) in eine vorläufige Bewilligung ab September 2015 rechtmäßig war, wäre nicht relevant gewesen, denn die nur vorläufige Bewilligung wurde bestandskräftig und damit bindend. Die Einzelrichterin hält es im Übrigen auch für denkbar, dass durch Eintritt veränderter tatsächlicher Umstände in den Lebensverhältnissen eine endgültige Bewilligung nach § 48 SGB X für künftige Zeiträume in eine vorläufige Bewilligung geändert werden kann. War die vorläufige Bewilligung aber bindend geworden, so war der Beklagte zumindest berechtigt, eine endgültige Leistungsfestsetzung auf der Rechtsgrundlage des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III vorzunehmen, was er mit dem Bescheid vom 14. März 2016 für den Kläger für die streitige Zeit von Oktober bis Dezember 2015 getan hat.

 

Auch die weiteren von Klägerseite benannten Einwände gegen die endgültige Leistungsfestsetzung hätten nicht gegriffen.

 

So hatte der Kläger im Überprüfungsantrag moniert, dass die KdU gekappt worden seien. Selbiges war aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Kosten der Unterkunft waren in ihrer für alle Haushaltsmitglieder tatsächlich angefallenen Höhe von 499,35 € als angemessen bewertet und berücksichtigt worden. Der auf den Kläger entfallende Anteil ergab sich aus der Bildung der Kopfteile und betrug 124,84 €, was einem Viertel entsprach. Da vier Personen in dem Haushalt lebten, wobei letztlich bei jedem Haushaltsmitglied der Bedarf zur Bestimmung von Leistungen nach dem SGB II einfloss (beim Bruder über § 27 Abs. 3 SGB II), wäre nicht ansatzweise erkennbar, weshalb hier eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hätte erfolgen sollen.

 

Soweit der Kläger im Überprüfungsverfahren auf weitere Aufwendungen verwiesen hat, die zu ermitteln seien, so sind die Ermittlungen des Beklagten (vgl. Aufforderung vom 12. Juni 2017) erfolglos geblieben. Welche Aufwendungen der Kläger hat, kann letztlich nur er beantworten.

 

Dasselbe gilt hinsichtlich des Vorbringens im Überprüfungsantrag, es seien bei der Einkommensbereinigung weitere Absetzungen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall wurde Einkommen aus der Ausbildungsvergütung in der Höhe berücksichtigt, die sich letztlich (erst) durch Arbeitgeberbescheinigung und die bestätigenden Kontoauszüge herausgestellt hatte. Das Einkommen wurde nach den damals geltenden gesetzlichen Vorschriften bereinigt. Insoweit war nach § 11b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen, weil nicht nachgewiesen war, dass der Kläger diesen Betrag übersteigende Aufwendungen hatte. Hinzu kam der Freibetrag nach § 11b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Weitere Absetzbeträge hat der Kläger über das nunmehr über 6 Jahre laufende Verfahren nicht benannt. Zusätzlich wurde als Einkommen Kindergeld in gesetzlicher Höhe berücksichtigt. Auch hier lässt sich ein Rechtsfehler nicht feststellen.

 

Die Einzelrichterin hätte die endgültige Leistungsfestsetzung auch nicht deshalb für rechtswidrig erachtet, weil sie nur gegenüber und für ein Mitglied einer aus mehreren Mitgliedern bestehenden Bedarfsgemeinschaft und auch nur für einen Teilzeitraum eines Bewilligungsabschnittes vorgenommen wurde. Auch wenn eine solche Vorgehensweise - wie sich hier durch die nachfolgend ergangene nochmalige Leistungsfestsetzung bestätigt - Risiken sich widersprechender oder überschneidender Entscheidungen in sich birgt, sind die Leistungsansprüche von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft monatsbezogene Individualansprüche und daher grundsätzlich auch einer getrennten Verbescheidung zugänglich, jedenfalls dann, wenn die Ansprüche einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unabhängig von den Ansprüchen anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt werden können. Dies war hier zweifelsfrei der Fall, da keine horizontale Einkommensverteilung im Raum stand.

 

Nach alledem hätte die Vorsitzende die endgültige Leistungsfestsetzung in dem Bescheid vom 14. März 2016 auch ohne den Bescheid vom 10. Januar 2017 als rechtmäßig bewertet.

 

Ausgehend hiervon erweist sich dann auch die Festsetzung des Erstattungsbetrages in dem Bescheid vom 14. März 2016 als rechtmäßig, die ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III in der damals geltenden Fassung findet. Denn nach diesen Vorschriften galt, dass auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.

 

Hier waren gegenüber dem Kläger in den Monaten Oktober bis Dezember 2015 monatlich 53,41 € erbracht worden. In der endgültigen Leistungsfestsetzung zuerkannt wurden monatlich 41,43 €, also geringere Leistungen. Die monatliche Differenz von 11,98 (insgesamt für drei Monate 35,94 €) war mithin als Erstattungsbetrag festzusetzen.

 

Der Festsetzung des Erstattungsbetrages kann der Kläger auch nicht mit Erfolg die beschränkte Minderjährigenhaftung entgegenhalten bzw. mit dieser im Widerspruchsverfahren erhobenen Einrede die Rückzahlung des bereits geleisteten Erstattungsbetrages verlangen.

 

Die beschränkte Haftung Minderjähriger analog § 1629a BGB schützt den Minderjährigen im Zeitpunkt des Eintritts seiner Volljährigkeit, hier am 20. Oktober 2016, um einen selbstbestimmten Eintritt in die Volljährigkeit sicherzustellen (BSG, Urteil vom 28. November 2018, B 4 AS 43/17 R, Rdnr. 17). Im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit bestand im vorliegenden Fall aber überhaupt keine Verbindlichkeit, weil bereits am 22. März 2016 die Erstattungsforderung beglichen war. Eine Haftungsbeschränkung konnte am 20. Oktober 2016 mithin nicht mehr greifen. Das BSG hat auch bereits entschieden, dass für Zeiträume bis zur Volljährigkeit keine Haftungsbeschränkung besteht, wenn es in seinem Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R, Rdnr. 47 ausführt: "Sollte - wie vorliegend - der Schuldner bei Erlass des Erstattungsbescheides noch nicht volljährig sein, ist der Erstattungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses zunächst rechtmäßig. Dies entspricht der § 1629a BGB zugrundeliegenden unbeschränkten Haftung des Minderjährigen bis zum Eintritt der Volljährigkeit." Dass § 1629a BGB den Weg eröffnen sollte, bereits beglichene Erstattungsforderungen allein mit diesem Argument zurückzufordern, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen fehlt auch jeglicher Vortrag des Klägers zu seinen finanziellen Verhältnissen am 20. Oktober 2016. Aus den Verwaltungsakten ist vielmehr ersichtlich, dass er neben dem Girokonto über ein Top Zinskonto verfügte, auf dem konstant Geldbeträge über der Pfändungsfreigrenze lagen.

 

Nach alledem war der Bescheid vom 14. März 2016 rechtmäßig, so dass seine Änderung im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X nicht zu erfolgen hatte. Die dahingehende, hier angefochtene ablehnende Entscheidung vom 10. Januar 2017 erweist sich daher als rechtmäßig, so dass die Berufung jedenfalls unbegründet ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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