L 8 AY 47/18

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Hildesheim (NSB)
Aktenzeichen
S 42 AY 50/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 8 AY 47/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Im Streit über den Anspruch der leistungsberechtigten Person gegen den Leistungsträger auf stationäre Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG ist der Träger des Krankenhauses nicht nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen.
2. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung ist die asylverfahrensrechtliche Zuweisungsentscheidung nicht mehr für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 10a AsylbLG maßgeblich (Fortführung von LSG Celle vom 27.05.2011 - L 8 AY 31/11 B ER - juris Rn. 9).
3. Die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts iSd § 10a Abs 2 S 1 AsylbLG orientiert sich nach der besonderen Legaldefinition in § 10a Abs 3 S 1 AsylbLG an den tatsächlichen Lebensverhältnissen der leistungsberechtigten Person. Im Einzelfall kann auch ein im Widerspruch zu aufenthalts- oder asylrechtlichen Vorgaben stehender Aufenthalt ein gewöhnlicher iSd § 10a Abs 3 S 1 AsylbLG sein.
4. Für Zeiträume vor dem 01.01.2011 kommt ein Absehen von der Vorbezugszeit als Voraussetzung für die Bewilligung von Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG im Wege einer telelogischen Reduktion nicht in Betracht (Anschluss an BSG vom 24.06.2021 - B 7 AY 3/20 R - juris Rn. 16). Dabei ist der bestandskräftig verfügte Bezug von nach § 1a AsylbLG eingeschränkten Leistungen nicht zu berücksichtigen, selbst wenn die Anspruchseinschränkung materiell rechtswidrig gewesen ist (vgl. BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 24).
5. Die Abgrenzung der Gesundheitsleistungen nach § 4 Abs 1 S 1 AsylbLG und § 6 AsylbLG erfolgt danach, ob die Behandlung Schmerzzustände bzw. eine akute, also eine plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankung betrifft (Anwendungsbereich des § 4 Abs 1 S 1 AsylbLG) oder eine chronische, also eine langsam sich entwickelnde oder langsam verlaufende Erkrankung (Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 S 1 Alt 2 AsylbLG).
6. Zur Beurteilung, ob Leistungen zur Sicherung der Gesundheit iSd § 6 Abs 1 S 1 Alt 2 AsylbLG unerlässlich sind, sind als Kriterien einzubeziehen zB die Qualität des betroffenen Rechtes (Grundrechtsrelevanz), Ausmaß und Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung im Falle der Leistungsablehnung sowie die voraussichtliche und bisherige Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland. Hierbei kommt auch der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 ua = BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 eine besondere Bedeutung zu (Festhalten an LSG Celle vom 01.02.2018 - L 8 AY 16/17 B ER - juris Rn. 27).
7. Ein Anspruch auf Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG unterliegt nicht den Vorgaben des besonderen Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (Anschluss an LSG Hamburg vom 18.06.2014 - L 1 KR 52/14 B ER - juris Rn. 8).
8. Die Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG müssen allgemeinen Grundsätzen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts entprechen, insbesondere hat die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig zu erfolgen (vgl. § 28 Abs 1 S 1 SGB V). Sie muss wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (vgl. § 12 Abs 1 SGB V). Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung muss insbesondere den speziell geregelten Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 39 Abs 1 S 2 SGB V beachten.
9. Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung nach §§ 4, 6 AsylbLG aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine "Einschätzungsprärogative" kommt dem Krankenhausarzt nicht zu (vgl. BSG vom 25.09.2007 - GS 1/06 - juris).

Auf die Berufung des Beigeladenen werden das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 19. Oktober 2018 und der Bescheid der Stadt Hildesheim vom 28. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10. November 2017 aufgehoben.

 

Der Beklagte wird verurteilt, der Klinikum Region Hannover GmbH, Hannover, 27.801,40 € für die stationäre Behandlung des Klägers in der Einrichtung KRH Psychiatrie H. vom 12. Februar bis zum 19. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Im Streit ist die Übernahme von Kosten für einen über vier Monate währenden Krankenhausaufenthalt im ersten Halbjahr 2013 in Höhe von etwa 28.000,00 €, insbesondere die örtliche Zuständigkeit des Leistungsträgers nach dem AsylbLG.

 

Der 1989 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, kurdischer Volkszugehörigkeit, und reiste im April 2002 nach Deutschland ein. Auf den unmittelbar nach Einreise gestellten Asylantrag wurde er der dem im Kreisgebiet des Beigeladenen liegenden Flecken I. zugewiesen (Bescheid der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerberinnen und Asylbewerber - ZASt - Braunschweig vom 2.10.2002). Während des Asylverfahrens, das für den Kläger erfolglos verlief (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.10.2002; Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 12.2.2003 - 1 A 5275/02 -), lernte er seine im Kreisgebiet des Beklagten, in Hildesheim lebende Lebensgefährtin kennen, eine italienische Staatsangehörige und die spätere Mutter eines im Oktober 2012 geborenen gemeinsamen Kindes. Eine im Juni 2003 beabsichtigte (freiwillige) Ausreise in die Türkei fand wegen eines Aufenthaltes des Klägers im Nds. Landeskrankenhaus (LKH) Hildesheim und (nach Verlegung) im Nds. LKH H., später umbenannt in Klinikum Region Hannover (KRH) Psychiatrie H., nicht statt. Hintergrund der stationären Behandlung war die schwere psychische Erkrankung des Klägers mit Verdacht auf eine Anpassungsstörung im Rahmen einer Abschiebesituation mit Suizidalität (ICD-10 F 43.2) und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) aufgrund einer Inhaftierung in der Türkei (ICD-10 F 43.1), die auch in der Folgezeit mehrere stationäre Aufenthalte in der Psychiatrischen Klinik in H. (bis 2005), dem LKH Hildesheim und im J. Krankenhaus, Hildesheim, erforderte sowie eine (ambulante) fachärztliche psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung beim sozialpsychiatrischen Dienst des Beklagten und in einer neurologisch-psychiatrischen Gemeinschaftspraxis (jeweils in Hildesheim). Der Kläger verfügte ab September 2003 - zur Klärung seiner Reisefähigkeit - über eine mit einer Wohnsitzauflage betreffend die Samtgemeinde/Stadt I. versehenen Duldung, die fortdauernd bis Oktober 2013 verlängert wurde. Die Reisefähigkeit wurde vom Gesundheitsamt des Beigeladenen 2006 und 2008 im Grundsatz bejaht, wegen der psychischen Erkrankung des Klägers mit Suizidalität aber an Bedingungen geknüpft (u.a. an die im Heimatland gewährleistete Krankenbehandlung). Mehrere Anträge auf Änderung der Auflage (erstmals im November 2003, sodann in den Jahren 2007 und 2011), um seinen regulären Wohnsitz bei seiner Lebensgefährtin in Hildesheim nehmen zu können, hatten - bis zur Anerkennung der Vaterschaft der gemeinsamen Tochter im September 2013 - wegen der fehlenden Zustimmung der Stadt Hildesheim keinen Erfolg.

 

Seinen Lebensunterhalt bestritt der Kläger in der Anfangszeit seines Aufenthaltes in Deutschland durch Leistungen nach dem AsylbLG, von dem Beigeladenen gewährt für die Zeit vom 10.2. bis 30.11.2003 und vom 14.4. bis 31.7.2004 (in dieser Zeit erhielt der Kläger zudem ergänzende Leistungen nach dem Wohngeldgesetz) sowie vom 1.4.2008 bis 30.4.2009 nach § 3 AsylbLG und vom 1.8.2004 bis 31.3.2008 - mit einer Unterbrechung vom 1.11.2006 bis 10.7.2007 wegen der Ortsabwesenheit des Klägers in I. - nach § 1a AsylbLG, weil die Ausländerbehörde des Beigeladenen von einer nicht hinreichend geklärten Identität des Klägers und der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise ausging. Die Leistungen wurden schließlich wegen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (Vollzeit) in Hildesheim zum 1.5.2009 eingestellt (Bescheid des Beigeladenen vom 14.5.2009). Ab dieser Zeit lebte der Kläger in Hildesheim bei seiner Lebensgefährtin und deren Kindern. Aus diesem Grund lehnte der Beigeladene im August 2011 einen wegen der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (ebenfalls in Hildesheim) gestellten Antrag auf laufende Leistungen nach dem AsylbLG mangels örtlicher Zuständigkeit ab; diese richte sich nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Klägers in Hildesheim, weil sich die Zuweisungsentscheidung zum Flecken I. aus 2002 nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens erledigt habe (Bescheid vom 15.8.2011). Nach Änderung der Wohnsitzauflage erhielt der Kläger ab November 2013 von der vom Beklagten insoweit herangezogenen Stadt Hildesheim Leistungen nach § 3 AsylbLG bzw. ab März 2015 nach § 2 AsylbLG, bis die Leistungen wegen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zum 1.7.2015 eingestellt wurden (Bescheid der Stadt Hildesheim vom 27.5.2015).

 

Vom 12.2. bis 19.6.2013 war der zu dieser Zeit nicht krankenversicherte Kläger wegen einer schweren Episode einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F 33.2) mit latenter Suizidalität und erstmals diagnostizierten Infektionen mit Syphilis und HIV im KRH Psychiatrie H. stationär aufgenommen. Obwohl er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und drei Kindern (davon ein gemeinsames), die in dieser Zeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen (vgl. Bescheid des Jobcenters Hildesheim vom 25.9.2013), in Hildesheim lebte, gab er bei der Aufnahme in die Klinik als Adresse die Anschrift der Asylbewerberunterkunft in I. an; zugleich erklärte er, der Beigeladene habe ihm die Übernahme von Krankenbehandlungskosten zugesichert. Die Übernahme der Kosten, die sich nach der Endabrechnung vom 15.11.2013 auf 27.801,40 € belaufen, lehnten der Beklagte und der Beigeladene gegenüber dem Träger des Klinikums bestandskräftig ab (Bescheid der Stadt Hildesheim vom 4.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19.8.2016; Bescheid des Beigeladenen vom 27.5.2013). Nachdem dem mittlerweile (seit Juni 2013) unter Betreuung stehenden Kläger vom Beigeladenen mit einem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 19.12.2013 - unter Bezugnahme auf den Schriftverkehr mit dem Klinikum - mitgeteilt worden war, dass eine Übernahme der Kosten für den stationären Aufenthalt nicht möglich sei, beantragte dieser, vertreten durch seinen Betreuer, am 21.1.2014 die Kostenübernahme bei der Stadt Hildesheim. Den von seinem Prozessbevollmächtigten am 20.7.2016 (erneut) gestellten Antrag auf Kostenübernahme lehnte der Beklagte u.a. mit der Begründung ab, er sei wegen des Verstoßes gegen die Wohnsitzauflage betreffend die Samtgemeinde/Stadt I. nicht örtlich zuständig nach dem AsylbLG, zudem sei die Bedürftigkeit des Klägers während des Krankenhausaufenthaltes nicht geklärt (Bescheid der Stadt Hildesheim vom 28.3.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10.11.2017).

 

Auf die hiergegen am 10.12.2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hildesheim den Landkreis Nienburg/Weser nach § 75 Abs. 1 SGG (einfach) beigeladen (Beschluss vom 22.3.2018) und diesen - unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, dem Kläger die Behandlungskosten i.H.v. 27.801,40 € zu gewähren (Urteil vom 19.10.2018). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen für die Leistungen in einer Einrichtung, die der Krankenbehandlung dient, ergebe sich für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG i.V.m. § 4 AsylbLG leistungsberechtigten Kläger aus § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG, weil er einen von der Wohnsitzauflage betreffend die Samtgemeinde/Stadt I. abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt nach § 10a Abs. 3 AsylbLG (in Hildesheim) nicht habe begründen können (unter Bezugnahme auf Nds. OVG, Beschluss vom 5.12.2017 - 13 ME 181/17 -).

 

Hiergegen richtet sich die am 9.11.2018 eingelegte Berufung des Beigeladenen. Er macht geltend, für die örtliche Zuständigkeit für Leistungen in Einrichtungen nach § 10a Abs. 2 AsylbLG bzw. zur Beurteilung des insoweit maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthaltes der leistungsberechtigten Person sei weder auf die Zuweisung des Klägers in sein Kreisgebiet im Jahr 2002 noch auf die Wohnsitzauflage betreffend die Samtgemeinde/Stadt I. abzustellen. Die Zuweisung habe sich mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 2003 erledigt (vgl. Senatsbeschluss vom 27.5.2011 - L 8 AY 31/11 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1.8.2006 - L 7 AY 3106/06 ER-B -). Die Auflage sei - anders als nach der ab 2015 geltenden Rechtslage - insoweit auch nicht maßgeblich, so dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers nach den tatsächlichen Umständen zu beurteilen sei; dieser sei hier Hildesheim, der Ort, an dem der Kläger bereits langjährig mit seiner Lebensgefährtin zusammenlebe. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen, eine gerechte Lastenverteilung unter den Trägern zu gewährleisten, seien hier nicht berührt, weil der Kläger seit Mai 2009 keine lebensunterhaltssichernden Leistungen bezogen habe. Ungeachtet dessen sei dem Kläger seit 2004 mehrfach das Verlassen des Kreisgebietes des Beigeladenen für Besuche in Hildesheim erlaubt worden; spätestens mit der Geburt des gemeinsamen Kindes hätte die Stadt Hildesheim der Änderung der Wohnsitzauflage zustimmen müssen. Schließlich sei die Bedürftigkeit des Klägers während der Krankenbehandlung (noch) nicht geprüft worden. Wegen der Deckung des Bedarfs an Krankenbehandlung komme allenfalls eine Verurteilung zur Zahlung (direkt) an den Krankenhausträger in Frage.

 

Der Beigeladene beantragt schriftsätzlich,

 

das Urteil des SG vom 19.10.2018 aufzuheben und die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Stadt Hildesheim vom 28.3.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10.11.2017 zu verurteilen, der Klinikum Region Hannover GmbH, Hannover, 27.801,40 € für die stationäre Behandlung des Klägers in der Einrichtung KRH Psychiatrie H. vom 12.2. bis zum 19.6.2013 zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.

 

Sie halten die Entscheidung des SG für zutreffend. Seinen Standpunkt im erstinstanzlichen Verfahren zusammenfassend macht der Beklagte geltend, die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen nach § 10a Abs. 1 und 2 AsylbLG ergebe sich aufgrund der Zuweisung des Klägers 2002 zum Flecken I.. Diese habe sich erst Ende 2013, zeitlich also nach Entlassung aus dem Krankenhaus im Juni 2013, mit der Erteilung einer Duldung durch die Stadt Hildesheim aus asylverfahrensunabhängigen Gründen wegen der familiären Verhältnisse des Klägers, seiner Lebensgefährtin und des gemeinsamen Kindes erledigt. Auch hier gelte im Rahmen des § 10a Abs. 2 AsylbLG als gewöhnlicher Aufenthalt wegen der gesetzlichen Fiktion aus § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG immer der Zuweisungsort, ohne dass es auf die Lebensverhältnisse der leistungsberechtigten Person ankomme; dies gelte erst recht bei einem - wie hier - rechtswidrigen Aufenthalt in dem Gebiet eines anderen Trägers wegen des Verstoßes gegen eine Wohnsitzauflage. Gegen die Begründung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund einer rechtswidrigen Verlegung des tatsächlichen oder gewöhnlichen Aufenthaltes durch die leistungsberechtigte Person spreche auch das Fehlen einer gesetzlichen Kostenerstattungsregelung auf Ebene der beteiligten Leistungsträger. Selbst wenn sich hier die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S. des § 10a Abs. 3 AsylbLG nach den tatsächlichen Umständen richte, sei bei der Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes die Rechtsprechung des BSG zu berücksichtigen, nach der sich die konkrete normative Bedeutung dieses Begriffs erst aus dem Gesetz ergebe, das ihn verwendet und nach dessen Sinn und Zweck er ausgelegt werden müsse (BSG, Urteil vom 27.1.1994 - 5 RJ 16/93 -). Auch dies spreche dafür, als gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 10a Abs. 2 AsylbLG bis zur Zustimmung zum Umzug und zur Aufhebung der räumlichen Beschränkung den Bereich I. im Kreisgebiet des Beigeladenen anzusehen. Ohnehin sei der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen wegen der Angabe der Anschrift in I. (Asylbewerberunterkunft) bei Aufnahme in die Psychiatrie nicht abschließend geklärt. Sollte dieser in Hildesheim gewesen sein, sei wegen des Verstoßes gegen die Wohnsitzauflage auch § 11 Abs. 2 AsylbLG zu berücksichtigen, wonach Leistungsberechtigten in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer asyl- und aufenthaltsrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, die für den tatsächlichen Aufenthalt zuständige Behörde nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten darf; diese umfasse regelmäßig nur Hilfen für die Rückkehr in den Bereich des rechtmäßigen Aufenthaltes. Nicht abschließend geklärt seien auch die Hilfebedürftigkeit des Klägers während der Krankenhausbehandlung und die leistungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen sowie das Bestehen einer Krankenversicherung, über die der Kläger (nach einer telefonischen Auskunft der AOK Niedersachsen) jedenfalls bis März 2012 verfügt habe.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 8., 16. und 26.9.2022).

 

Der Senat hat den Beschluss des SG vom 22.3.2018 dahingehend geändert, dass der Beigeladene im gerichtlichen Verfahren nicht einfach, sondern notwendig beigeladen ist (§ 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG; Senatsbeschluss vom 4.10.2022), und zusätzlich zu den bereits in erster Instanz vorliegenden Leistungsakten des Beklagten, die den Kläger betreffenden Ausländerakten und die Leistungsakten des Beigeladenen sowie die Patientenakte des KRH Psychiatrie H. und Auszüge der Akte des Amtsgerichts Hildesheim (- NZS 42 XVII A 634 -) betreffend die Betreuung des Klägers beigezogen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

 

 

EnTscheidungsgründe

 

Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ohne Zulassung statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie ist i.S. der Aufhebung der gegen den Beigeladenen ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung und der Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der Krankenhausbehandlung begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

 

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG) ist der Bescheid der Stadt Hildesheim vom 28.3.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10.11.2017 (§ 95 SGG), durch den der für den Kläger gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung vom 12.2. bis zum 19.6.2013 abgelehnt worden ist. Da der Kläger die Leistung selbst beschafft, aber nicht vorfinanziert hat, hat sich der originäre Sachleistungsanspruch nach §§ 4, 6 AsylbLG (dazu auch gleich) gegenüber dem zuständigen Leistungsträger zur Vermeidung eines Rückgriffs in einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Krankenhausbehandlung umgewandelt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 7 AY 2/12 R - juris Rn. 28 m.w.N.).

 

Der Senat ist nicht an einer Sachentscheidung gehindert. Insbesondere ist die Trägerin des KRH Psychiatrie H., die Klinikum Region Hannover GmbH, nicht nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG notwendig beizuladen, weil sie nicht derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Anders als im Sozialhilferecht ist der Leistungsanspruch nach dem AsylbLG, insbesondere auf Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG, nicht auf eine sog. Sachleistungsverschaffung, also auf eine Kostenübernahme als Sachleistung im weiten Sinne (Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung; zur ggf. notwendigen Beiladung des Leistungserbringers in diesen Fällen vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 10/12 R - juris Rn. 10 m.w.N.) ausgerichtet, sondern originär auf eine Sachleistung (vgl. zu dem das AsylbLG prägenden Sachleistungssystem etwa BSG, Urteil vom 25.10.2018 - B 7 AY 1/18 R - juris Rn. 17) bzw. - wie bereits ausgeführt - auf Freistellung von den Kosten. In diesen Fällen sind keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Krankenhausträger und dem zuständigen Leistungsträger berührt, weil der Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers unabhängig davon besteht, ob der Patient mit seiner gegen den Leistungsträger nach dem AsylbLG gerichteten Klageforderung letztlich Erfolg hat oder nicht (vgl. zu der ebenfalls nicht notwendigen Beiladung des Krankenhausträgers zum Rechtstreit des Versicherten gegen die Krankenkasse schon BSG, Urteil vom 12.10.1988 - 3/8 RK 19/86 - juris Rn. 16 ff., 22).

 

Ob in der vorliegenden Konstellation eine notwendige Beiladung eines Krankenversicherungsträgers nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 oder 2 SGG bzw. dessen Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG überhaupt in Frage kommt (vgl. dazu etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.3.2022 - L 15 SO 142/18 - juris Rn. 48), kann hier dahinstehen, weil schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen eines gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes betreffend die stationäre Behandlung des Klägers im ersten Halbjahr 2013 vorliegen. Bereits bei Aufnahme des Klägers im KRH Psychiatrie H. ist die nicht geklärte Kostenübernahme thematisiert worden, ohne dass sich Hinweise auf eine Mitgliedschaft des Klägers in einer Krankenversicherung ergeben haben. Dies gilt auch für den weiteren Verlauf der stationären Behandlung, zu deren Ende die Bestellung eines Mitarbeiters des Beigeladenen als vorläufiger Betreuer erfolgt ist (Beschluss des AG Stolzenau vom 13.6.2013 - 6 XVII 7342 -) und später - mit einer Erweiterung der Aufgaben auch auf die Gesundheitssorge - eines Mitarbeiters des Betreuungsvereins Hildesheim e.V. (Beschluss des AG Hildesheim vom 14.8.2013 - 75 XVII A 634 -), der - zunächst ohne anwaltlichen Beistand - die Übernahme der Krankenhauskosten gegenüber dem Beigeladenen und dem Beklagten geltend gemacht hatte. Dass eine Mitgliedschaft des Klägers in einer gesetzlichen Krankenversicherung nach den Erkenntnissen des Beklagten (telefonische Auskunft der AOK Niedersachsen) nur bis März 2012 Bestand hatte, wird durch die bisherige, aus den Ausländerakten ersichtliche Erwerbstätigkeit des Klägers bestätigt. Danach ist der Kläger erstmals vom 15.4. bis 9.5.2009 sozialversicherungspflichtig erwerbstätig gewesen mit einer (Pflicht-)Mitgliedschaft bei der AOK Niedersachsen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Im Anschluss ist er (ab Ende Juni 2009) einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) mit einem monatlichen Entgelt von unter 100,00 € nachgegangen sowie einer weiteren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der K. GmbH in einem Umfang von ca. 30 Wochenstunden vom 14.11.2011 bis zum 28.3.2012. Mit Beendigung dieser Beschäftigung hat auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung geendet (vgl. § 190 Abs. 2 SGB V in der ab 1.1.1999 geltenden Fassung v. 16.12.1997, BGBl. I 2998). Dies entspricht den gegenüber dem Beklagten gemachten Angaben der AOK Niedersachsen. Ein anderer Tatbestand einer Pflichtversicherung nach § 5 SGB V (in der vom 1.4.2012 bis zum 27.4.2014 geltenden Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz v. 22.12.2011, BGBl. I 3057, gefunden hat, a.F.) im Weiteren nicht vorgelegen, insbesondere nicht derjenige der Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V a.F. (für zuletzt gesetzlich Krankenversicherte), weil der dem Kläger dem Grunde nach zustehende Anspruch auf Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG (dazu eingehend später) einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall darstellt (§ 5 Abs. 11 Satz 3 SGB V a.F.), der die Auffangversicherung ausschließt. Die Regelungen zur obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.3.2022 - B 1 KR 30/20 R - juris) greifen hier ebenfalls nicht, weil sie erst mit Wirkung vom 1.8.2013 - also zeitlich nach dem Krankenhausaufenthalt des Klägers - in Kraft getreten sind (durch Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I 2423). Unter diesen Umständen drängen sich weitere Ermittlungen zu einem möglicherweise aus anderen Gründen bestehenden Versicherungsverhältnis nicht auf.

 

Schließlich ist neben dem Beigeladenen kein weiterer Leistungsträger nach dem AsylbLG nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen, insbesondere nicht die Region Hannover als möglicherweise für den tatsächlichen Aufenthalt des Klägers am Ort der Einrichtung in H. nach § 10a Abs. 1 Satz 2 (§ 10a AsylbLG in der vom 1.6.1997 bis zum 23.10.2015 geltenden Fassung, a.F.), § 10 AsylbLG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Nds. Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des AsylbLG (Nds. AufnG) vom 11.3.2004 (Nds. GVBl. S. 100; geändert zum 1.1.2007 durch Gesetz vom 13.12.2007, Nds. GVBl. S. 710) und § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Nds. Kommunalverfassungsgesetz vom 17.12.2010 (Nds. GVBl. S. 576) zuständige Trägerin, weil weder ein Sachverhalt eines nicht geklärten gewöhnlichen Aufenthaltes (dazu später) noch ein Eilfall i.S. des § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG a.F. vorliegt und sich damit die örtliche Zuständigkeit für Leistungen in Einrichtungen nach § 10a Abs. 2 AsylbLG a.F. allein nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der leistungsberechtigten Person i.S. des § 10a Abs. 3 AsylbLG beurteilt.

 

Der zum Zeitpunkt des stationären Aufenthaltes als Inhaber einer Duldung (§ 60a AufenthG) und damit dem Grunde nach gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigte Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch nach §§ 4, 6 AsylbLG auf Freistellung von den Kosten der vom 12.2. bis zum 19.6.2013 durchgeführten Krankenhausbehandlung i.H.v. 27.801,40 €.

 

Der beklagte Kreis ist als nach Landesrecht sachlich zuständige Behörde (§ 10 AsylbLG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nds. AufnG) nach § 10a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.F. auch örtlich zuständig für die geltend gemachten Leistungen in Einrichtungen. Danach ist für die Leistungen in Einrichtungen, die - wie hier - der Krankenbehandlung (oder anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz) dienen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (§ 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG a.F.). Als gewöhnlicher Aufenthalt i.S. dieses Gesetzes gilt der Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.F.; zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S. § 10a Abs. 3 AsylbLG gleich mehr).

 

Abweichend hiervon enthält § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG a.F. eine gesetzliche Fiktion, nach der der Bereich der Zuweisungs- bzw. Verteilungsentscheidung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG a.F. als gewöhnlicher Aufenthalt der leistungsberechtigten Person gilt. Diese Regelung ist hier allerdings nicht einschlägig, weil sich die Zuweisungsentscheidung der ZASt Braunschweig vom 2.10.2002 zum Flecken I. bereits 2003 auf andere Weise erledigt hatte (§ 43 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG). Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, bis wann die asylrechtliche Zuweisungsentscheidung i.S. des § 50 Abs. 4 AsylG wirksam und damit für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG maßgeblich ist (zum Streitstand vgl. Scheider in GK-AsylbLG, Stand Mai 2022, § 10a AsylbLG Rn. 41 f. m.w.N.), hat der Senat entsprechend der ganz h.M. bereits in der Weise beantwortet, dass die Zuweisung nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung - hier erstmals im September 2003 aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers zur Klärung von Reisefähigkeit und damit aus asylverfahrensunabhängigen Gründen - gegenstandslos wird (Senatsbeschluss vom 27.5.2011 - L 8 AY 31/11 B ER - juris Rn. 9; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.1.2006 - L 20 B 11/05 AY ER - juris Rn. 25; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1.8.2006 - L 7 AY 3106/06 ER-B - juris Rn. 5; Hessisches LSG, Urteil vom 6.10.2011 - L 9 AY 8/08 - juris Rn. 27; SG Aachen, Beschluss vom 30.10.2015 - S 19 AY 10/15 ER - juris Rn. 15; SG Hildesheim, Urteil vom 23.10.2012 - S 42 AY 127/08 - juris Rn. 52; so bereits OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11.8.1998 - 4 M 3575/98 - juris Rn. 15 und OVG Nordrhein-Westfalen, Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.3.2001 - 16 B 44/01 - juris Rn. 4 f. m.w.N. zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 10a AsylbLG Rn. 13; Scheider in GK-AsylbLG, Stand Mai 2022, § 10a AsylbLG Rn. 42; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII, § 10a AsylbLG Rn. 15; Deibel, ZFSH/SGB 2012, 189, 190 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Diese Auslegung entspricht den aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung der Vorschrift zum 1.6.1997 (BGBl I 1997, 1130) zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/2746, S. 18), nach dem die Zuständigkeitsbestimmung nach der Verteilungs- bzw. Zuteilungsentscheidung für den „Kreis der Asylsuchenden“ gelten soll und „für die übrigen Leistungsberechtigten maßgebend ist, wo sie sich tatsächlich aufhalten“ (vgl. § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG a.F.). Dem Sinn und Zweck des § 10a Abs. 1 AsylbLG, durch eine bundeseinheitliche Vorschrift die Kostenerstattung zwischen den Leistungsbehörden „in den Fällen, in denen sich der Leistungsberechtigte im Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde aufhält und diese mit Leistungen eintreten muss“, zu regeln (BT-Drs. 13/2746, S. 18), wird bei einem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung durch die in diesen Fällen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG eingeschränkte Hilfe (dazu auch später) Rechnung getragen (vgl. ausführlich Senatsbeschluss vom 20.2.2014 - L 8 AY 98/13 B ER - juris Rn. 24 ff., 29 f.). Auch wenn der Gesetzgeber das AsylbLG - unter Berücksichtigung fürsorgerischer Elemente - im Kern als Regelung des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts von Ausländern nach dem Asylverfahrensgesetz verstanden hat (BT-Drs. 12/4451, S. 5, vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 25.10.2018 - B 7 AY 2/18 R - juris Rn. 16), sprechen aus diesem Grund systematische Erwägungen, die Wirksamkeit der Zuweisungsentscheidung von dem Bestehen der asylrechtlichen räumlichen Beschränkung (§ 56 AsylG) abhängig zu machen (so die Gegenmeinung, vgl. insb. Groth in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 10a AsylbLG Rn. 33; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.5.2010 - L 15 AY 2/10 B ER - juris Rn. 14), nicht entscheidend gegen die herrschende Rechtsauffassung, zumal die ggf. über das beendete Asylverfahren hinaus wirksame räumliche Beschränkung als eigenständige Verfügung nicht (mehr) in einem direkten Zusammenhang mit der Zuweisungsentscheidung steht (so zutreffend Scheider, a.a.O.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.3.2010 - 18 B 1702/09 - juris Rn. 10).

 

Die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts i.S. des § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG a.F. orientiert sich damit nach der besonderen Legaldefinition in § 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.F., nach der - wie nach der allgemeinen Definition in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I - die tatsächlichen Lebensverhältnisse („Umstände“) der leistungsberechtigten Person maßgeblich sind. Gegen eine von dieser Definition abweichende, aber vom SG befürwortete Auslegung, nach der ein gewöhnlicher Aufenthalt generell nicht anzunehmen ist, wenn der Aufenthalt der Person nicht mit ordnungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (z.B. bei einem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung, Wohnsitzauflage), spricht bereits, dass dem Gesetzeswortlaut zusätzliche Tatbestandsmerkmale i.S. von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthalt nicht zu entnehmen sind (zu § 7 SGB II vgl. auch BSG, Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - juris Rn. 19 sowie Senatsbeschluss vom 25.11.2021 - L 8 SO 207/21 B ER - juris Rn. 17; zum SGB XII vgl. etwa Hessisches LSG, Urteil vom 7.6.2017 - L 4 SO 88/16 - juris Rn. 31 m.w.N.). Auch die Gesetzesmaterialien lassen einen solchen Schluss nicht zu. Die eigenständige Definition mit dem Anwendungsbereich im AsylbLG dient insoweit nur der Klarstellung, weil § 30 SGB I auf dieses Sondergesetz nicht anwendbar ist (vgl. BT-Drs. 13/2746, S. 18). Zudem ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass der räumlichen Beschränkung während des Asylverfahrens bereits durch die gesetzliche Fiktion des § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG a.F. Rechnung getragen wird, nach der der gewöhnliche Aufenthalt bei Vorliegen einer (wirksamen) Zuweisungsentscheidung allein nach dieser und nicht nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen bestimmt wird. So werden rechtliche Erfordernisse bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S. des § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG a.F. einbezogen, ohne dass dies bei der Auslegung des Begriffs i.S. des § 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.F. geboten oder auch nur angezeigt ist. Die in dieser Hinsicht früher von dem für die Rentenversicherung und das Erziehungsgeld zuständigen 4. Senat des BSG vertretene sog. Einfärbungslehre, nach der die Begriffe Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt ihre konkrete rechtliche Bedeutung jeweils erst aus dem Zusammenhang der Normen erhalten, die den Begriff verwenden (vgl. BSG, Urteil vom 3.4.2001 - B 4 RA 90/00 R - juris Rn. 17), hat sich in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht durchgesetzt (vgl. nur BSG, Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - juris Rn. 19 m.w.N.). Es ist allein Sache des Gesetzgebers, eine bereichsspezifische Einschränkung dieser Begriffe durch eine formal-gesetzliche Modifikation vorzunehmen (zur Kritik an der sog. Einfärbungslehre Pitz in jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 30 Rn. 52). Die rechtspolitische Notwendigkeit einer Einschränkung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts hat der Gesetzgeber etwa bei der Änderung des § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG zum 24.10.2015 (BGBl. I 2015, 1722) betreffend das Bestehen einer Wohnsitzauflage für einen bestimmten Bereich erkannt. Auch die vom SG in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VwVfG im Rahmen der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde, nach der ein Verstoß gegen räumliche Aufenthaltsbeschränkungen in der Regel der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes entgegensteht (vgl. jüngst etwa OVG Bremen, Urteil vom 13.6.2022 - 2 B 98/22 - juris Rn. 11 m.w.N.), ist auf das Leistungsrecht nach dem AsylbLG nicht ohne weiteres zu übertragen (a.A. etwa SG Hildesheim, Urteil vom 23.10.2012 - S 42 AY 127/08 - juris Rn. 53) bzw. führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles kann nämlich auch nach dieser Rechtsprechung ein im Widerspruch mit aufenthalts- oder asylrechtlichen Vorgaben stehender Aufenthalt jedenfalls dann als gewöhnlicher anzusehen sein, wenn nach der Handhabung der einschlägigen Vorschriften durch die (Ordnungs- bzw. Ausländer-)Behörden davon auszugehen ist, dass der Leistungsberechtigte sich nicht nur vorübergehend, sondern auf nicht absehbare Zeit an dem Ort aufhält (in diese Richtung zur örtlichen Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII auch BVerwG, Urteil vom 2.4.2009 - 5 C 2/08 - juris Rn. 24).

 

Nach diesen Maßgaben hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme im KRH Psychiatrie H. am 12.2.2013 und auch in den zwei Monaten vor der Aufnahme ohne jeden Zweifel in Hildesheim, wo er spätestens seit Mitte 2009 bei seiner Lebensgefährtin und deren Kindern seinen Lebensmittelpunkt hatte. Hierfür sprechen sämtliche Umstände des Einzelfalles, insbesondere die in und in der Umgebung von Hildesheim ausgeübten Erwerbstätigkeiten des Klägers, die dort in Anspruch genommenen ambulanten Therapien und Gesprächsangebote des sozialpsychiatrischen Dienstes des Beklagten, die Einstellung der Leistungen nach dem AsylbLG (auch betreffend die Unterkunft in I.) durch den Beigeladenen Mitte 2009 und die Angaben des Klägers und über ihn in den ausländer- und leistungsrechtlichen Verwaltungs- und in dem gerichtlichen Betreuungsverfahren. Für die vom Beklagten vorgehaltene Angabe der Anschrift in I. bei der stationären Aufnahme im Februar 2013 gibt es dagegen eine naheliegende Erklärung; sie passte zu der vom Kläger - womöglich wahrheitswidrig - angegebenen Zusicherung des Beigeladenen, die Behandlungskosten zu übernehmen. Dass der Kläger seit Jahren gegen die Wohnsitzauflage betreffend die Samtgemeinde/Stadt I. verstoßen hat, führt hier nicht zu einer anderen Bewertung, weil die Auflage wegen des Vollzugsdefizits auf Seiten des Beigeladenen, aber auch der Stadt Hildesheim, deren an den Kläger gerichtete Aufforderungen ab September 2011, nach I. umzuziehen, im Ergebnis folgenlos geblieben sind, faktisch ohne Bedeutung gewesen ist (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall BVerwG, Urteil vom 7.7.2005 - 5 C 9/04 - juris Rn. 17). 

 

Einer Leistungspflicht des Beklagten steht nicht - auch nicht zeitabschnittsweise - entgegen, dass ihm bzw. der von ihm herangezogenen Stadt Hildesheim die Aufnahme des Klägers vom KRH Psychiatrie H. erst am 12.3.2013, also einen Monat nach Aufnahme, im Rahmen eines Kostenübernahmeantrages angezeigt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten des § 6b AsylbLG zum 1.3.2015 (BGBl I 2014, 2187) ist § 18 SGB XII im Leistungsrecht des AsylbLG, jedenfalls nach den §§ 3 bis 7 AsylbLG, nicht entsprechend anwendbar (gewesen), weil insoweit - anders als im SGB XII - kein Bedarf für eine Regelung bestanden habe, die das Einsetzen der Leistung normiert. Der Leistungsanspruch ist damit nicht abhängig von einem Antrag oder der Kenntnis der Behörde, sondern besteht bereits bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 7 AY 2/12 R - Rn. 21, 22; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6.5.2013 - L 20 AY 145/11 - juris Rn. 61 m.w.N.). Diese nicht unumstrittene (vgl. zur Kritik etwa Frerichs in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG Rn. 32 ff.) Rechtsprechung, die Anlass für die Einführung des Kenntnisgrundsatzes nach § 6b AsylbLG im Jahr 2015 gewesen ist (vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 26), legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Ob diese Rechtsprechung auch gegen eine entsprechende Anwendung des § 18 SGB XII nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der vom 28.8.2007 bis 28.2.2015 geltenden Fassung vom 19.8.2007, a.F.) spricht, kann dahinstehen, weil sich der Anspruch des Klägers auf Gesundheitsleistungen aus §§ 4, 6 AsylbLG ergibt.

 

Dem Kläger steht nämlich ein Anspruch auf Krankenhilfe nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. i.V.m. dem Fünften Kapitel des SGB XII nicht zu. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. war abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

 

Nach der Rechtsprechung des BSG ist an dem Erfordernis eines 48 Monate währenden Leistungsbezugs (sog. Vorbezugszeit) trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken, weil nach Ablauf von vier Jahren die Annahme eines nur kurzen Aufenthalts mit möglicherweise spezifisch niedrigem Bedarfen nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 93), nach allgemeinen Auslegungsmethoden und aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten, u.a. weil das BVerfG von seiner ihm ausschließlich zustehenden Verwerfungskompetenz allein im Hinblick auf die unzureichende Höhe der Grundleistungen Gebrauch gemacht hat und das Gesetz inzwischen vollständig durch den Gesetzgeber reformiert und die Vorbezugszeit in eine reine Wartefrist geändert worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.6.2021 - B 7 AY 3/20 R - juris Rn. 16; im Ergebnis ebenso OVG Bremen, Urteil vom 18.12.2013 - S3 A 205/12 - juris Rn. 82 ff.). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat auch in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Gesundheitsleistungen mit der Maßgabe an, dass der Rechtsprechung des BVerfG zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (grundlegend sog. Regelsatzurteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34; BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353; BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68) und der herausragenden Bedeutung der Gesundheit als Grundlage aller anderen Grundrechte (vgl. etwa Eichenhofer, ZAR 2013, 169 ff., 173) durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 4, 6 AsylbLG - insbesondere bei einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt des Ausländers in Deutschland - hinreichend Rechnung zu tragen ist (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 1.2.2018 - L 8 AY 16/17 B ER - juris Rn. 27; vgl. auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28.8.2019 - L 9 AY 13/19 B ER - juris Rn. 25; Hessisches LSG, Beschluss vom 11.7.2018 - L 4 AY 9/18 B ER - juris Rn. 28; SG Osnabrück, Beschluss vom 4.9.2018 - S 44 AY 12/18 ER - juris Rn. 58 f.; Deibel, ZFSH/SGB 2012, 582, 585; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 4 AsylbLG Rn. 10 ff.; Greiser/Frerichs, SGb 2018, 213 ff.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 4 AsylbLG Rn. 33 und § 6 AsylbLG Rn. 36; Langer in GK-AsylbLG, Stand Oktober 2019, § 4 Rn. 17; dazu auch gleich). Nach der auf die o.g. AsylbLG-Entscheidung des BVerfG revidierten Rechtsprechung des BSG aus 2015 ist § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. (lediglich) verfassungskonform dahin auszulegen, dass für die Erfüllung der dort verlangten Vorbezugszeit auch der Bezug von höheren Leistungen als den Grundleistungen ausreicht, weil von einem nur vorübergehenden Aufenthalt und einer fehlenden Integration jedenfalls dann nicht mehr die Rede sein kann, wenn Leistungen bezogen werden, die der Gesetzgeber überhaupt erst im Falle eines verfestigten Aufenthalts gewährt (BSG, Urteil vom 28.5.2015 - B 7 AY 4/12 R - juris Rn. 24).

 

Nach diesen Maßgaben ist bei dem Kläger die Vorbezugszeit i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. nicht erfüllt. Bis Februar 2013 hat er Grundleistungen oder höhere Leistungen nicht über einen Zeitraum von 48 Monaten bezogen, sondern vom Beigeladenen lediglich vom 10.2. bis 30.11.2003 sowie vom 14.4. bis 31.7.2004 (nach § 3 AsylbLG bzw. ergänzende Leistungen nach dem WoGG) und vom 1.4.2008 bis zum 30.4.2009, mithin über einen Zeitraum von etwa 26 Monaten. Selbst unter Berücksichtigung eines (nicht geklärten) Grundleistungsbezugs während seines Aufenthaltes in der ZASt Braunschweig ab Einreise in das Bundesgebiet (am 9.2.2002) bis zu der Zuweisung zum Beigeladenen (zum 10.10.2002), also über einen Zeitraum von etwa acht Monaten, ist die Vorbezugszeit nicht erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn sogar Zeiten ohne jeglichen (Sozial-)Leistungsbezug aufgrund bedarfsdeckenden Einkommens ebenfalls als Vorbezugszeiten zu berücksichtigen wären (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.3.2017 - L 6 AS 2268/15 - juris Rn. 31), weil der Kläger nur vom 15.4. bis 9.5.2009 und vom 14.11.2011 bis zum 28.3.2012 über ein entsprechendes Erwerbseinkommen verfügt hat, mithin über einen Zeitraum von etwa fünfeinhalb Monaten. Der Bezug von nach § 1a AsylbLG eingeschränkten Leistungen in der Zeit vom 1.8.2004 bis 31.3.2008 (mit Unterbrechungen, u.a. wegen der Einstellung der Leistungen aufgrund Ortsabwesenheit) ist in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen, weil diese Leistungen niedriger als die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG sind und nicht wegen eines verfestigten Aufenthalts in Deutschland gewährt werden (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2018 - L 7 AY 2834/15 - juris Rn. 38). Dabei ist es in Bezug auf die Erfüllung der Vorbezugszeit wegen der materiellen Bindungswirkungen der Verwaltungsentscheidungen unerheblich, dass die verfügten Leistungseinschränkungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG (in der vom 1.9.1998 bis 28.2.2015 geltenden Fassung vom 25.8.1998) bereits mangels ernsthaften Bestrebens der Ausländerbehörde, den Kläger in sein Heimatland zurückzuführen (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 12.5.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 18), materiell rechtwidrig gewesen sind (vgl. BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 24).

 

Der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Behandlungskosten beruht auf § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG (jeweils in den Fassungen vom 5.8.1997, a.F.), wobei im Ergebnis offenbleiben kann, welche Anspruchsgrundlage konkret einschlägig ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG a.F. sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche (…) Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG a.F. können sonstige Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Nach der Rechtsprechung des Senats sind bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unerlässlichkeit einer Leistung - neben den Umständen des Einzelfalles - Kriterien einzubeziehen wie z. B. die Qualität des betroffenen Rechtes (Grundrechtsrelevanz), das Ausmaß und die Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung im Falle der Leistungsablehnung sowie die voraussichtliche und bisherige Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland. Wie bereits ausgeführt kommt hierbei auch der Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012 (- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) eine besondere Bedeutung zu, weil nach dem Regelungskonzept des AsylbLG vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Regeln der Existenzsicherung (gesetzgeberisch) nur möglich sind, wenn wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 1.2.2018 - L 8 AY 16/17 B ER - juris Rn. 27; vgl. auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 41). Nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6.5.2013 - L 20 AY 145/11 - juris Rn. 52 ff., 66; SG Heilbronn, Urteil vom 13.4.2021 - S 2 AY 3764/19 - juris Rn. 21; Langer in GK-AsylbLG, Stand Oktober 2019, § 4 Rn. 23 ff. und Deibel in GK-AsylbLG, Stand Juni 2021, § 6 Rn. 139 ff.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 23 ff. sowie § 6 Rn. 39 m.w.N.), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. etwa Beschluss vom 1.10.2013 - L 8 AY 38/13 B - nicht veröffentlicht), erfolgt die Abgrenzung der Gesundheitsleistungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG und § 6 AsylbLG danach, ob die Behandlung Schmerzzustände bzw. eine akute, also eine plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankung betrifft (Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) oder eine chronische, also eine langsam sich entwickelnde oder langsam verlaufende Erkrankung (Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG). Diese Abgrenzung erfolgt nach medizinischen Gesichtspunkten und ist im Einzelfall schwierig, weil mit chronischen Erkrankungen akute, konkret behandlungsbedürftige Krankheitszustände einhergehen können (z.B. bei schwerer Depression mit akuter Suizidalität oder Schmerzen, vgl. etwa OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22.9.1999 - 4 M 3551/99 -). Insoweit wird teilweise vertreten, tatbestandlich nicht auf eine akute Erkrankung (§ 4 Abs. 1 AsylbLG), sondern auf einen akut erforderlichen Behandlungsbedarf einer (ggf. auch chronischen) Erkrankung abzustellen (so Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 23), auch um die im Einzelfall erforderliche Gesundheitsversorgung bei einem Ausschluss von sonstigen Leistungen nach § 6 AsylbLG (vgl. insb. § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) sicherstellen zu können (vgl. Cantzler, a.a.O.). Die unterschiedlichen Auslegungen der §§ 4, 6 AsylbLG kommen hier aber zu dem gleichen Ergebnis (dazu gleich).

 

Das Gericht hat im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob die Leistungen aus medizinischen Gründen notwendig bzw. unerlässlich sind. Dabei unterliegt die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG nicht den Vorgaben des besonderen Sachleistungssystems der GKV mit seinem leistungssteuernden Zulassungsprinzip hinsichtlich der einzelnen Leistungserbringer (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 18.6.2014 - L 1 KR 52/14 B ER - juris Rn. 11); insoweit sind etwa die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien im Leistungsrecht nach dem AsylbLG nicht einschlägig. Wohl aber ist es anerkannt, dass die Behandlung nach allgemeinen Grundsätzen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts nach den Regeln ärztlicher Kunst ausreichend und zweckmäßig zu erfolgen hat (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Zudem muss sie wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V; dazu etwa Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 4 AsylbLG Rn. 55 m.w.N.). Insoweit erfordert ein Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht nur, dass die Vorgaben aus dem allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) eingehalten sind, sondern auch, dass der in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V speziell geregelte Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes beachtet wird. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung - seien es teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlungen einschließlich häuslicher Krankenpflege - nachrangig (statt vieler vgl. nur BSG, Urteil vom 22.6.2022 - B 1 KR 19/21 R - juris Rn. 18 f. m.w.N.). Die (voll- oder teil-)stationäre Behandlung in einem Krankenhaus ist dann erforderlich, wenn die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses durchgeführt werden kann und eine ambulante ärztliche Versorgung nicht ausreicht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. BSG, Urteil vom 26.4.2022 - B 1 KR 5/21 R - juris Rn. 13; Wahl in jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 39 Rn. 61 m.w.N.). Nach ebenfalls auf das AsylbLG übertragbaren allgemeinen Grundsätzen ist bei einer nachträglichen Prüfung von streitigen stationären Leistungen von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine "Einschätzungsprärogative" kommt dem Krankenhausarzt allerdings nicht zu (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 25.9.2007 - GS 1/06 - juris). Ob die Aufnahme ins Krankenhaus oder die Fortführung der stationären Behandlung über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus nach objektiven Maßstäben medizinisch geboten war, lässt sich mit sachverständiger Hilfe auch rückschauend klären. Nicht in rechtlicher, wohl aber in tatsächlicher Hinsicht, also im Rahmen der Beweiswürdigung, wird allerdings in Grenz- oder Zweifelsfällen bei einer nachträglichen Prüfung der Beurteilung des behandelnden Arztes besonderes Gewicht zukommen können, weil sich die in der Vergangenheit liegende Behandlungssituation auch bei einer ordnungsgemäßen Dokumentation des Krankheitsgeschehens und des Behandlungsverlaufs unter Umständen nur begrenzt nachvollziehen lässt und der Krankenhausarzt im Zeitpunkt der Behandlung in Kenntnis des Patienten und aller für die medizinische Versorgung relevanten Umstände im Zweifel am ehesten einschätzen konnte, welche Maßnahmen medizinisch veranlasst waren (BSG, a.a.O., Rn. 32).

 

Nach diesen Maßgaben ist die stationäre Behandlung des Klägers im KRH Psychiatrie H. vom 12.2. bis zum 19.6.2013 jedenfalls zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG gewesen. Weil die damit verbundenen tatbestandlichen Voraussetzungen über diejenigen zur Behandlung einer akuten Erkrankung oder von Schmerzzuständen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG hinausgehen, kann hier eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Vorschriften im Ergebnis dahinstehen. Die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts beruht auf den vorliegenden Unterlagen über die seit 2003 dokumentierte Krankengeschichte des Klägers und über die konkrete Krankenhausbehandlung, insb. dem Inhalt der vom Senat beigezogenen Ausländerakten bzw. der Patientenakte des KRH Psychiatrie H., in der u.a. die Aufnahmedokumentation, die Verlaufsberichte, die Pflegepläne, -berichte und -dokumentation, diverse Untersuchungsbefunde sowie die Entlassungsberichte - auch von früheren Aufenthalten des Klägers im KRH Psychiatrie H. - enthalten sind. Danach sprechen die zum Zeitpunkt der Aufnahme des Klägers am 12.2.2013 und im weiteren Behandlungsverlauf bis zum 19.6.2013 u.a. der behandelnden Oberärztin L. sowie dem Stationsarzt M. (aber auch dem weiteren Klinikpersonal) bekannten Verhältnisse für die Notwendigkeit einer notfallmäßigen stationären Behandlung des Klägers. Bei aus den vorangegangenen (vier) Aufenthalten in der Klinik (bis 2005) bekannter schwerer depressiver Erkrankung (mit damals akuter Suizidalität wegen drohender Abschiebung, einer PTBS und psychotischer Episode mit aggressiven Impulsdurchbrüchen) ist die Aufnahme des Klägers eigeninitiativ u.a. zur Deeskalation im familiären Rahmen erfolgt mit der Einweisungsdiagnose einer depressiven Episode und einem psychischen Aufnahmebefund u.a. möglicher Denkstörungen und latenter Suizidalität. Dabei hat der Kläger im Widerspruch zu seinen Angaben während eines Klinikaufenthaltes im Jahr 2003 stehende Angaben gemacht (vgl. die Anmerkung im Entlassungsbrief der KRH Psychiatrie H. vom 17.6.2013, S. 2), die eine genaue Beurteilung u.a. der Suizidalität des Klägers erschwert haben. Im weiteren Verlauf der Krankenhausbehandlung ist eine schwere Episode einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.2) diagnostiziert worden sowie erstmals eine HIV- und eine Syphilis-Infektion (vgl. Entlassungsbericht vom 17.6.2013, S. 1). Der Kläger hat sich in einer außergewöhnlichen psychosozialen Belastungssituation befunden und wiederholt Selbstmordgedanken (im Falle einer Abschiebung in die Türkei oder einer Trennung durch seine Lebensgefährtin) angegeben. Aus diesem Grund war seine Suizidalität bzw. ihr Ausmaß täglich zu prüfen (vgl. die Pflegedokumentation des KRH Psychiatrie H.). Nach einer Teilstabilisierung ist er auf eine offen geführte, psychiatrisch-psychotherapeutische Station verlegt worden mit einem Behandlungsangebot bestehend aus Einzel- und wöchentlichen Gruppen- sowie Familiengesprächen (auch Psychoedukation), Arbeits- und Ergotherapie, konzentrierte Bewegungstherapie, Musik- und Kunsttherapie etc. In dieser Zeit hat der Kläger zeitweise konfus und formal denkgestört gewirkt mit einer hoch ambivalenten Situation bezüglich seiner Beziehung zu seiner Partnerin. Auf dieser Grundlage sind die Diagnosen im Entlassungsbrief vom 17.6.2013 schlüssig, plausibel und nachvollziehbar und die Umstände des Einzelfalles - insbesondere die latent bestehende Suizidalität des Klägers - haben aus Sicht des behandelnden medizinischen Personals den stationären Aufenthalt notwendig erscheinen lassen, um eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und/oder eine Eigengefährdung außerhalb dieses Rahmens zu verhindern. Eine vollstationäre psychiatrische Behandlung ist aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen, weil andere Behandlungsformen, insb. im häuslichen Umfeld bei unklaren Aufenthaltsverhältnissen und ungeklärtem Krankenversicherungsschutz, unzureichend gewesen sind. Erst nach einer zunehmenden Stabilisierung, glaubhafter Distanzierung von Suizidalität, der Einrichtung einer vorläufigen Betreuung (Beschluss des Amtsgerichts Stolzenau vom 13.6.2013 - 6 XVII 7342 -) und auf die telefonische Auskunft eines Mitarbeiters des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Beklagten vom 18.6.2013, eine ambulante Weiterbehandlung durch ihn (urlaubsbedingt frühestens ab dem 8.7.2013) bzw. das Diakonische Werk sei denkbar (vgl. den Verlaufsbericht des KRH Psychiatrie H.), ist der Kläger zeitnah (am Folgetag) aus dem Krankenhaus entlassen worden. Bei der Beurteilung des stationären Aufenthalts des Klägers als zur Sicherung der Gesundheit unerlässliche Behandlung i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG berücksichtigt der Senat im Besonderen seinen bisherigen Aufenthalt in Deutschland von über zehn Jahren (seit 2002) sowie die aufgrund der familiären Verhältnisse voraussichtlich auch auf eine längere Dauer gerichtete Aufenthaltsperspektive. Unter diesen Umständen liegt ein nur vorübergehender Aufenthalt des Klägers in Deutschland, der ggf. die Gewährung von nur eingeschränkten Gesundheitsleistungen rechtfertigen könnte, nicht vor.

 

Soweit der Kläger hier vor der stationären Aufnahme gegen die für die Samtgemeinde/Stadt I. bestehende Wohnsitzauflage verstoßen haben sollte, ergibt sich nichts anderes. Nach § 11 Abs. 2 AsylbLG (hier in der Fassung vom 5.8.1997, BGBl. I, 1130) darf zwar Leistungsberechtigten in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten. Nach der Rechtsprechung des Senates fällt unter diesen Tatbestand seit jeher auch ein Verstoß gegen eine asyl- oder aufenthaltsrechtliche Wohnsitzauflage (Senatsbeschlüsse vom 5.4.2019 - L 8 AY 6/19 B ER -, 1.11.2018 - L 8 AY 37/18 B ER - und vom 1.3.2016 - L 8 AY 53/15 B ER - sowie vom 25.1.2016 - L 8 AY 59/15 B ER -; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30.1.2019 - L 9 AY 3/19 B ER - juris Rn. 7; a.A. Dollinger in Siefert, AsylbLG, 1. Aufl. 2018, § 11 Rn. 25 und Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 11 Rn. 26); diesen Anwendungsbereich der Vorschrift hat der Gesetzgeber mit dem zum 21.8.2019 in Kraft getretenen neuen Satz 2 des § 11 Abs. 2 AsylbLG (BGBl. I 2019, 1294) klargestellt. In der Rechtsfolge kann die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe aber bis zu den regulären Leistungen reichen, wenn Gründe vorliegen, die einen Verbleib am Ort des tatsächlichen Aufenthalts zwingend erfordern oder eine Rückkehr in das Gebiet der räumlichen Beschränkung unzumutbar erscheinen lassen. Diese Ausnahme liegt für den Zeitraum der Krankenhausbehandlung vor.

 

Die insoweit nicht angegriffene Endabrechnung der KRH Psychiatrie H. vom 15.11.2013 über die Kosten der Krankenbehandlung i.H.v. 27.801,40 € ist der Höhe nach nicht zu beanstanden.

 

Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt, das einer Leistungsgewährung nach § 7 AsylbLG entgegensteht. Er hat zu dieser Zeit (vorübergehend) getrennt von seiner Lebensgefährtin gelebt, so dass es auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ankommt. Selbst wenn der Kläger auch während des Klinikaufenthaltes mit ihr eine eheähnliche Lebensgemeinschaft gebildet haben sollte (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylbLG i.V.m. § 20 SGB XII), ist der Einsatz von Einkommen und Vermögen zur Bestreitung der Krankenhauskosten nicht zuzumuten. Die Lebensgefährtin hatte zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes und desjenigen ihrer (drei) Kinder selbst existenzsichernde Leistungen (nach dem SGB II) bezogen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Revision angefochten werden.

 

Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Revision als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Revision muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

 

Anschriften des Bundessozialgerichts:

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Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

  • von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
  • von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

 

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

  1. Rechtsanwälte,
  2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
  3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
  4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
  5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
  6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
  7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

 

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

 

Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Begründung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG). Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

 

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Bundesgerichts hinaus erstreckt.

Rechtskraft
Aus
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