L 2 AS 191/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 207/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 191/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 1. September 2017 bis 30. September 2019.

Die 1968 geborene Klägerin erhielt zuletzt bis zum 31. August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten.

Sie ist Alleineigentümerin eines (Reihen-)Hauses, das sie nicht selbst bewohnt, sondern vermietet hat. Das Haus wurde am 26. Februar 2002 zu einem Kaufpreis von 190.000,00 € gekauft. Die Finanzierung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

Am 31. August 2017 und 3. November 2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten Weiterbewilligungsanträge für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab September 2017 bzw. November 2017. Diese Anträge wurden für die Zeit ab September 2017 mit Bescheiden vom 6. September 2017 sowie 11. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2017 und für die Zeit ab November 2017 mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2017 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Im Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 führte die Beklagte diesbezüglich aus, die Klägerin verfüge über diverse laufende Einnahmen in Form von regelmäßigen Überweisungen verschiedener Personen. Neben einer Zahlung von Arbeitslosengeld im September 2017 in Höhe von 472,11 € sei, wie sich den von der Klägerin vorgelegten Kontoauszügen entnehmen lasse, im gleichen Monat eine Zahlung von 1.300,00 € von S1 (S.), der Mutter der Klägerin, eingegangen. Auch in der Vergangenheit seien auf dem Konto der Klägerin bereits erhebliche Zahlungen von verschiedenen Personen eingegangen. Ein Bekannter der Klägerin, N1 (N.), habe dieser insgesamt 18.000,00 € überwiesen. Darüber hinaus seien der Klägerin Mieteinnahmen aus der Vermietung ihres Hauses in W1 in Höhe von insgesamt 925,00 € monatlich zugegangen. Zwar werde die Einnahme in Form der Überweisung der S. von 1.300,00 € als Privatkredit bezeichnet, wofür als Nachweis eine Zahlungstabelle mit den Überweisungsdaten, jedoch ohne Datumsangabe, vorgelegt worden sei. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, sei allerdings geboten, an den Nachweis und Abschluss der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten, strenge Anforderungen zu stellen. Da die Klägerin das Bestehen der Darlehensverträge zu beweisen habe, fehle es diesbezüglich bereits an entsprechend substantiiertem Vortrag. Die bisher eingereichten Unterlagen mit der bloßen Behauptung, es handele sich um Darlehen, reichten ebenso wenig aus, wie die in Listen aufgeführten anvisierten Rückzahlungsdaten, zumal nicht einmal eine Ratenhöhe vereinbart worden sei. Die Überweisungen der S. würden daher als einmalige Einnahmen berücksichtigt, weshalb der Klägerin zum Antragszeitpunkt ein insgesamt übersteigendes Einkommen in Höhe von 541,19 € bei einem Regelbedarf von damals 409,00 € und einem Unterkunftsbedarf in Höhe von 480,00 € Kaltmiete, 50,00 € Nebenkosten sowie 191,00 € Heizkosten und einer Nebenkostennachzahlung von 449,63 € zukomme. Im Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2017, mit dem die Leistungen der Klägerin ab November 2017 abgelehnt wurden, legte die Beklagte Einkommen in Höhe von 15,54 € in Form von Arbeitslosengeld sowie in Höhe von 2.800,00 € in Form einer weiteren Überweisung der Mutter der Klägerin zugrunde. Auch diese Überweisung sei als einmalige Einnahme zu berücksichtigen, weshalb es in diesem Monat zu einem übersteigenden Einkommen in Höhe von 2.035,63 € gekommen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Januar 2018 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es sich bei den ihr unstreitig zugekommenen Zahlungen von Dritten jeweils um private Darlehen gehandelt habe, die sie benötigt habe, weil die Beklagte in der Vergangenheit nicht rechtzeitig bewilligt habe. Entsprechende Verträge bzw. Aufstellungen über die Darlehen seien vorgelegt worden. Die Entscheidungen der Beklagten seien fehlerhaft, soweit die Hilfebedürftigkeit der Klägerin wegen Anrechnung eines Einkommens aus privaten Zuwendungen abgelehnt worden sei. Sie habe bereits dargelegt und vorgetragen, dass es sich bei den Zahlungen, die sie im streitigen Zeitraum von ihrer Mutter erhalten habe, um ein privates Darlehen gehandelt habe. Sie habe hierzu insbesondere auch eine von ihrer Mutter unterschriebene Aufstellung eingereicht, der die Daten der Zahlungen, die genauen Darlehensbeträge sowie die vereinbarten Rückzahlungstermine zu entnehmen seien. Zwar müsse bei Darlehensgewährungen unter Verwandten deren Vorliegen auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten Unterhaltsgewährung abgegrenzt werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei aber nicht erforderlich, dass zur Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkt dem zwischen Fremden – insbesondere mit einem Kreditinstitut – Üblichen zu entsprechen habe. Sie habe einen plausiblen Grund für den Abschluss der Darlehensvereinbarung genannt. Immer weitere Darlehensgewährungen seien erforderlich geworden, weil die Beklagte Leistungen verweigert habe. Ihre Mutter habe in ihren Überweisungen auch deutlich gemacht, dass es sich um Darlehen handele, was sich dem Verwendungszweck der Überweisungen entnehmen lasse, der insofern als „Kredit privat“ festgehalten sei. Den Überweisungen hätten jeweils mündliche Absprachen zwischen ihr und ihrer Mutter über die Höhe der gewährten Darlehen zugrunde gelegen. Die eingereichte Aufstellung sei insofern geeignet, die Darlehensgewährung nachzuweisen. Auch eine Rückzahlungsverpflichtung sei der Gestalt für einen Zeitpunkt vereinbart gewesen, an dem sie ihre Umschulung abgeschlossen haben würde und wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen würde.

Die Klägerin hat hierzu Zahlungsaufstellungen vom 20. November 2017 zu den Akten gereicht, aus denen monatliche Zahlungen an die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 20. November 2017 ersichtlich sind. Als Zahlbeträge sind für den Monat September ein Betrag von 1.300,00 €, für den Monat Oktober 2017 ein Betrag von 2.000,00 € und für den Monat November 2017 Beträge von insgesamt 2.800,00 € ersichtlich. Als Rückzahlungsdatum sind Zeiträume vom 1. Februar 2020 bis 1. Mai 2020 festgehalten.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Dem geforderten Fremdvergleich könne die behauptete Gewährung der privaten Darlehen vorliegend nicht standhalten. Insofern reiche eine Auflistung bereits gewährter Beträge mit der Nennung eines gewillkürten Rückzahlungstermins nicht. Es gelte um so mehr, wenn der Einkommensbegriff des § 11 Abs. 1 SGB II nicht darauf abstelle, aus welchem Rechtsgrund das Einkommen fließe, sondern allein darauf, dass es sich um eine Einnahme in Geld handele. Insbesondere sei es hier lebensfremd und einem Fremdvergleich nicht gewachsen, wenn weitergehende Darlehensgelder ausgezahlt würden, ohne dass das vorherige Darlehen zurückgezahlt worden sei. Es sei eher als Indiz dafür zu sehen, dass zumindest die Mutter als Gläubigerin der Klägerin bewusst das Risiko eingegangen sei, die bezahlten Beträge nicht oder zumindest nicht in absehbarer Zeit zurückzuerhalten.

Das SG hat sodann zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung von S. im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16. Januar 2019. Für die diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 16. Januar 2019 Bezug genommen. Im Anschluss an diesen Erörterungstermin hat die Klägerin eine Aufstellung über Zahlungen datiert vom 7. August 2015 vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass sie Beträge an S. zurückgezahlt habe.

Am 25. Oktober 2019 hat die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Beklagten gestellt. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 mit der Begründung abgelehnt, dass eine Hilfebedürftigkeit nach wie vor nicht nachgewiesen sei. Die Klägerin habe neben den Zahlungen ihrer Mutter in der Vergangenheit weitere Zuflüsse auf ihr Konto erhalten, die als Einkommen zu werten seien und einer Hilfebedürftigkeit entgegenstünden. Insofern seien Überweisungen/Gutschriften auf dem Konto der Klägerin mit der Kontonummer xxx09 vom 1. Oktober 2019, 15. Oktober 2019, 16. Oktober 2019, 4. November 2019 und 15. November 2019 ersichtlich. Die dort aufgeführten Privatkredite seien nicht nachgewiesen. Im Übrigen sei die Hilfebedürftigkeit auch nach wie vor im Hinblick auf das im Alleineigentum der Klägerin befindliche Haus in W1 nicht nachgewiesen, da der aktuelle Grundbuchauszug und der aktuelle Verkehrswert nicht vorgelegt worden seien.

In einem beim SG betriebenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Aktenzeichen: S 3 AS 434/20 ER) hat die Klägerin vorgebracht, dass sie nach wie vor der Ansicht sei, dass es sich bei den Zahlungen ihrer Mutter in der Vergangenheit um Darlehensgewährungen gehandelt habe. Hierauf komme es indes nicht an, da sie seit Mitte 2019 keine weiteren Zahlungen ihrer Mutter erhalten werde. Da sie nicht wohnungslos habe werden und zudem unbedingt einen Eintrag bei der Schufa habe vermeiden wollen, habe sie sich zur Überbrückung bis zur Zahlung durch den Beklagten bei verschiedenen Freunden und Bekannten darlehensweise Geld geliehen. So habe sie sich im September 2019 700,00 € von ihrer Freundin L1 und 1.400,00 € von ihrem Freund N1 geliehen. Im Oktober 2019 habe sie sich 1.400,00 € von ihrem Freund N1 und 1.400,00 € von ihrer ehemaligen Nachbarin S2 und 90,00 € von ihrer Freundin L1 geliehen. Im November 2019 wiederum habe sie sich 1.400,00 € von ihrem Freund N1 und im Dezember 2019 500,00 € von ihrer Freundin L1 und 1.500,00 € von ihrem Bekannten B1 geliehen. Sie habe sich in dieser genannten Höhe Geld leihen müssen, da sie über ein noch nicht abgezahltes Eigenheim in W1 verfüge. Dieses Haus sei vermietet, die Miete werde jedoch überwiegend nicht vollständig gezahlt. Zins und Tilgung für das Haus in W1 beliefen sich auf monatlich 900,00 €. Hinzu kämen Nebenkosten in Höhe von monatlich durchschnittlich 296,36 € (80,00 € Wasser, 100,00 € monatliche Vorauszahlung Heizöl, 15,49 € Müll, 26,76 € Grundsteuer). Demgegenüber stünden Mieteinnahmen in Höhe von monatlich durchschnittlich 816,00 € (500,00 € vom Mieter  E1 und durchschnittlich ca. 316,00 € von ihrem Ex-Ehemann, bis einschließlich November 2019 monatlich 262,50 €, im Dezember 425,00 €), von denen 500,00 € allerdings zur Schuldentilgung direkt an ihre Mutter gezahlt würden. Hinzu käme die Miete der Klägerin für ihre Wohnung in S3 in Höhe von 688,00 €. Ihr Bedarf belaufe sich nach dem SGB II somit auf 1.099,44 €. Mit Beschluss vom 15. Mai 2020 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 11. August 2020 (Aktenzeichen: L 12 AS 1903/20 ER-B) zurückgewiesen.

Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Dezember 2019 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2020 als unbegründet zurückgewiesen. Auf dem Konto der Klägerin seien Einzahlungen diverser Personen (namentlich N1, B1, S2 und L1) enthalten, die als Einkommen anzurechnen seien und eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin ausschlössen. Unstreitig seien im Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 15. November 2019 der Klägerin folgende Zahlungen zugeflossen: Am 1. Oktober 2019 1.400,00 € von N1, am 15. Oktober 2019 670,00 € von S2, am 16. Oktober 2019 90,00 € von L1, am 4. November 2019 1.400,00 € von N1, am 15. November 2019 800,00 € von S2. Im Rahmen der Begründung des Widerspruchs habe die Klägerin weitere folgende Zahlungen angegeben: Im September 2019 700,00 € von L1, im September 2019 1.400,00 € von N1, im Oktober 2019 730,00 € von S2, im Dezember 2019 500,00 € von L1, im Dezember 2019 1.500,00 von B1.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2020 hat die Klägerin am 17. August 2020 beim SG eine weitere Klage (Aktenzeichen: S 3 AS 3335/20) erhoben. Zur Begründung dieser Klage hat die Klägerin ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei den Zahlungen dieser dritten Personen ausschließlich um privatrechtliche Darlehen gehandelt habe, weswegen ihre Hilfebedürftigkeit nicht ausgeschlossen sei.

In einem weiteren Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 21. Oktober 2020 hat das SG die Zeugen  N1, B1,  S2 und  L1 vernommen.

In diesem Termin zur Erörterung des Sachverhalts hat die Klägerin zunächst angegeben, dass es sich bei den geladenen Zeugen um Freunde handele. B1 überweise ihr weiterhin und laufend Geld. Er helfe ihr insofern, wenn ein Notfall vorliege, da sie nach wie vor keinen Job habe. Er überweise ihr jeden Monat 1.000,00 €. Auf Vorhalt des Vorsitzenden, dass aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich sei, dass B1 in der Vergangenheit einen Betrag von 2.000,00 € überwiesen habe, hat die Klägerin angegeben, dass dies dann der Fall gewesen sei, wenn ihr Ex-Ehemann seine Miete an die Klägerin nicht bezahlt habe. Im Moment seien es jeden Monat 1.000,00 €, die sie von B1 erhalte. Nachdem die Klägerin auf Nachfrage des Vorsitzenden angegeben hat, dass es hierüber einen Darlehensvertrag gebe, hat die Bevollmächtigte des Beklagten erklärt, dass die Klägerin ihr gegenüber angegeben habe, dass es nur einen mündlichen Vertrag gebe. Die Klägerin hat hierauf erklärt, dass es nun doch einen schriftlichen Vertrag gebe, den sie vorlegen könne. Ein entsprechender Vertrag wurde bislang jedoch nicht zu den Akten gegeben. Die Klägerin hat weiter erklärt, dass die übrigen Zahlungen ihrer Freunde seit Dezember 2019 oder Januar 2020 nicht mehr erfolgt seien. Sie erhalte momentan nur noch Geld von B1. An B1 und an B2 habe sie nichts zurückgezahlt. N1 habe sie einmalig 1.000,00 € auf sein Konto überwiesen, was im April 2020 gewesen sein müsse. Das Darlehen an L1 habe sie teilweise in bar und teilweise per Überweisung zurückgezahlt, als sie die Prämie für den Abschluss ihrer Ausbildung von der Agentur für Arbeit erhalten habe. Dies müsse im Januar 2020 gewesen sein. Das Darlehen von S2 habe sie in bar zurückgezahlt. Mit N1 und B1 sei vereinbart, dass sie das Geld dann zurückzahle, wenn sie wieder eine Arbeit habe und es sich leisten könne. Die angesprochene Rückzahlung an N1 sei nicht über die Klägerin, sondern über ihre Mutter gelaufen. Diese habe das Geld an N1 zurückgezahlt.

Der Zeuge N1 hat in diesem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 21. Oktober 2020 angegeben, letztmalig im November 2019 Geld an die Klägerin überwiesen zu haben. In der Zeit zuvor habe er ca. drei Jahre lang jeden Monat Geld überwiesen. Er habe dann angefangen, als das Jobcenter die Zahlungen an die Klägerin eingestellt habe. Es sei fast immer ein Betrag von 1.400,00 € gewesen. Zum Grund der Zahlungen befragt hat der Zeuge angegeben, dass die Klägerin mittellos gewesen sei und ihre Ausgaben habe decken müssen. Am Anfang sei er auch nicht davon ausgegangen, dass es so lange dauern würde. Er habe angenommen, es handele sich um ein Missverständnis mit dem Jobcenter und sei von einer Zeit von zwei bis drei Monaten ausgegangen. Nach Frage, warum er dann trotz des längeren Zeitraumes weitergezahlt habe, hat der Zeuge erklärt, dass es einfach immer weitergelaufen sei. Er selbst sei auf die Mittel nicht angewiesen gewesen und es sei keine Spende, sondern ein Kredit gewesen. Am Anfang sei lediglich eine Excel-Liste geführt und die Zahlung dort eingetragen worden. Als es dann größer geworden sei, habe er einen Kreditvertrag verlangt. Es sei dann reingeschrieben worden, was bisher an Zahlungen aufgelaufen sei. Im Weiteren sei vereinbart worden, dass die Klägerin weitere Zahlungen erhalten würde, jedoch nur unter der Bedingung, dass sie keine Zahlungen vom Jobcenter oder der Bundesagentur für Arbeit erhalte. Dies müsse ca. im März 2019 gewesen sein. Ein Enddatum sei, soweit er sich erinnere, Ende 2021 oder 2022 vereinbart worden. Auf Frage zu den konkreten Summen der laufenden Zahlungen hat der Zeuge erklärt, dass ihm der Betrag jeweils von der Klägerin genannt worden sei. Er gehe davon aus, dass es sich um ihre monatlichen Ausgaben gehandelt habe, die sie zum Leben benötigt habe.

Der Zeuge B1 hat in diesem Termin zur Erörterung des Sachverhalts angegeben, dass er der Klägerin immer wieder mal Geld überwiesen habe. Die Beträge wisse er jetzt nicht genau. Es sei aber ungefähr so wie zuvor, also in einem Bereich von 1.500,00 bis 2.000,00 € monatlich. Es werde aber immer weniger. Auf Frage hat der Zeuge erklärt, dass er auch nicht wisse, wie die Klägerin das mache. Sie sage ihm jedenfalls immer, wieviel sie brauche. Man treffe sich und sie sage ihm, wieviel Geld sie benötige. Er überweise es der Klägerin dann einige Tage später. Auf Nachfrage, ob ein schriftlicher Darlehensvertrag bestehe, hat der Zeuge dies verneint. Die Klägerin quittiere ihm lediglich, dass sie die Zahlung erhalten habe. Er vertraue ihr. Er habe ihr bereits früher geholfen und das Geld zurückerhalten. Zur konkreten Rückzahlungsvereinbarung befragt hat der Zeuge erklärt, dass die Klägerin es dann zurückzahlen solle, wenn es ihr wieder besser gehe. Auf Nachfrage, ob ihm klar sei, dass er unter Umständen noch auf unabsehbare Zeit auf sein Geld werde warten müssen, hat der Zeuge erklärt, dass der Klägerin doch nichts anderes übrig bleibe. Die Frage, was er tun würde, falls die Klägerin das Geld nicht zurückzahlen könne, hat der Zeuge dahingehend beantwortet, dass dies in der Vergangenheit immer geklappt habe. Er vertraue der Klägerin. In diesem Falle könne er nichts machen. Er würde dann vielleicht immer wieder mal nachfragen. Im September und Oktober 2020 habe er der Klägerin 1.000,00 € überwiesen. Zuvor seien es noch 1.500,00 € gewesen.

Die Zeugin S2 hat in diesem Termin zur Erörterung des Sachverhalts angegeben, der Klägerin einmalig 670,00 € und ein weiteres Mal über das Konto ihres Sohnes 800,00 € geliehen zu haben. Das Geld habe die Klägerin jeweils in zwei Raten ab Januar 2020 zurückgezahlt.

Die Zeugin L1 hat in diesem Termin zur Erörterung des Sachverhalts angegeben, der Klägerin im Oktober 2019 90,00 € geliehen zu haben. Die Rückzahlung sei dann wie vereinbart im Januar 2020 erfolgt.

Mit Urteil vom 9. Dezember 2020 hat das SG die Klage abgewiesen.  Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 1. September 2017 bis 30. September 2019 wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhielten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten bzw. die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hätten, erwerbsfähig und hilfebedürftig seien sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Hilfebedürftig sei nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhalte.
Die Klägerin erfülle zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie sei jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen gemäß § 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II. Sie habe jedenfalls über Einkommen in Form von Einzahlungen/Überweisungen ihrer Mutter und weiterer Bekannter und Freunde verfügt. Der grundsicherungsrechtliche Bedarf der Klägerin im Sinne von §§ 19 Abs. 1 Satz 3, 20 ff. SGB II habe im September 2017 bei 1.579,63 € (409,00 € Regelbedarf, 721,00 € Kosten der Unterkunft und Heizung und 449,63 € Nebenkostennachzahlung) gelegen. Im November 2017 habe sich der Bedarf auf 1.130,00 € (wie zuvor abzüglich der Nebenkostennachzahlung) belaufen. Diesem Bedarf der Klägerin habe zu Beginn eines jeden Monats ausreichendes Einkommen gegenübergestanden, welches vorrangig zur Sicherung ihres Lebensunterhalts einzusetzen gewesen sei und eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin ausgeschlossen habe. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei sei Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II nach der Rechtsprechung der über die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhalte und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits gehabt habe. Vorliegend komme somit neben den Mieteinnahmen in Höhe von 925,00 € noch das der Klägerin im September zugeflossene Arbeitslosengeld in Höhe von 473,11 € sowie die Zahlungen von S. in Höhe von 1.300,00 € im September 2017 als Einkommen in Betracht. Im November 2017 gelte dies in gleicher Weise für das Arbeitslosengeld in Höhe von 15,54 € und die Überweisung der Mutter der Klägerin in Höhe von 2.800,00 €.
Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II folge keine weitergehende Definition dessen, was Einkommen sei. Lediglich die im zweiten Satzteil genannten Leistungen seien von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen. Im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II sei nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen zu qualifizieren. Nur der „wertmäßige Zuwachs“ stelle Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen seien also nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirkten, der solche Einkünfte habe. Dieser Zuwachs müsse dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lasse er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei, stelle damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als „bereites Mittel“ zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könne.
Auf eine „faktische“ Bedarfsdeckung, die Hilfebedürftigkeit entfallen ließe, komme es hierbei nicht an; entscheidend sei allein, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur endgültigen Verwendung zur Verfügung stehe. Aus diesem Grund sei bei der Qualifizierung einer Darlehenszahlung als Einkommen nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um eine „Nothilfeleistung“ des Dritten handele. Auch eine Differenzierung danach, ob die durch den Darlehensvertrag vereinbarte Verpflichtung zur vollständigen Rückerstattung in denjenigen Bewilligungsabschnitt falle, in dem die Darlehenssumme dem Hilfebedürftigen zugeflossen sei, scheide aus. Weil Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von einer (erneuten) Antragstellung vorliegen könne, sei der Bewilligungsabschnitt als solcher weder geeigneter „Verteilzeitraum“ für einmalige Einnahmen noch komme es für die Prüfung von Hilfebedürftigkeit darauf an, ob diese bis zum Ende des bei Antragstellung in Blick genommenen Bewilligungsabschnitts oder darüber hinaus fortbestehe.
Entscheidend für die Abgrenzung sei damit allein, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden sei. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, sei es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setze voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen, Unterhaltsgewährung abgrenzen lasse.
Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen sei, seine Sphäre beträfe, würden ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten obliegen; die Nichterweislichkeit der Tatsachen gehe zu seinen Lasten. Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden sei, könnten einzelne Kriterien des sogenannten Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles miteingestellt werden. Dies scheide bei der Beurteilung von Hilfebedürftigkeit nach §§ 911 SGB II nicht schon aufgrund struktureller Unterschiede zum Steuerrecht aus, denn auch im Steuerrecht gehe es bei der Beurteilung von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen im Kern um die Abgrenzung zur Schenkung bzw. verdeckter Unterhaltsgewährung.
Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten könne damit als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich abgeschlossen worden sei. Demgegenüber spräche es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt würden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden könne. Nicht erforderlich sei indes, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkt dem zwischen Fremden – insbesondere mit einem Kreditinstitut – Üblichen zu entsprechen habe. Ein solches gesondertes, neben die zivilrechtlichen Anforderungen tretendes Erfordernis ergäbe sich weder aus dem Gesetz noch aus oder i.V.m. mit allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr würden die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung bei Darlehensgewährung, die im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur auf bestimmte Fallgruppen angewendet werde, weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen respektive familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht.
Hiervon ausgehend sei das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte die der Klägerin nachweislich und unstreitig zugeflossenen Zahlungen zutreffend als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II angerechnet und die Hilfebedürftigkeit der Klägerin hierauf fußend rechtsfehlerfrei verneint habe. Insoweit könnten alleine den von der Klägerin selbst vorgelegten Zahlungsaufstellungen vom 20. November 2017 Überweisungen in Höhe von 1.300,00 € für den Monat September 2017, in Höhe von 2.000,00€ für den Monat Oktober 2017 und in Höhe von insgesamt 2.800,00 € für den Monat November 2017 entnommen werden. Diese Zahlungen stellten zur Überzeugung des Gerichts Einkommen im Sinne des § 11 SGB II dar, das den Bedarf der Klägerin bereits für sich genommen - auch ohne die Berücksichtigung der vom Zeugen nun ebenfalls bereitgestellten Gelder - ohne Weiteres überstiegen und eine Hilfsbedürftigkeit nach § 9 SGB II ausgeschlossen habe.
Die von der Klägerin diesbezüglich geltend gemachten Darlehensabreden hielten dem Fremdvergleich im dargestellten Sinne der Rechtsprechung des BSG in keiner Weise stand. Dies ergäbe sich für das Gericht insbesondere aus den Einlassungen der Klägerin und ihrer als Zeugin vernommenen Mutter als Darlehensgeberin im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 16. Januar 2019. In diesem Termin habe zunächst die Klägerin angegeben, dass die von dem Beklagten zugrunde gelegten Zahlen hinsichtlich ihrer Einkünfte und Ausgaben dem Grunde nach zutreffend seien. Die Klägerin beziehe nach wie vor Geld von ihrer Mutter, da ihre Umschulung noch nicht beendet und derzeit unterbrochen sei. Auch das ihr zukommende Arbeitslosengeld sei zu wenig zum Leben gewesen, weshalb die Klägerin zu ihrer Mutter gegangen sei und sie gefragt habe, ob diese ihr etwas leihen könne. Hinsichtlich der Höhe des Kredites sei es so gewesen, dass die Klägerin einfach jeden Monat Bescheid gegeben habe, wieviel Geld sie benötige. Diesen Betrag habe ihr ihre Mutter sodann überwiesen. Bezüglich der Rückzahlung sei vereinbart worden, dass die Klägerin das Geld dann zurückzahle, wenn sie nach Abschluss ihrer Umschulung wieder finanziell dazu in der Lage sei. Auf ausdrückliche Nachfrage, ob die im als Privatkredit „R1“ benannten Rückzahlungsdaten bereits damals mündlich vereinbart worden seien, habe die Klägerin erklärt, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Die Rückzahlung sei damals nur allgemein der Gestalt geregelt gewesen, dass sie das Geld dann zurückzahlen würde, wenn sie dazu in der Lage wäre. Schriftlich sei insofern nichts festgehalten worden, da das bei der Klägerin nicht so üblich sei. Der benannte Privatkreditvertrag sei dann erst im November 2017 erstellt worden, nachdem das Jobcenter aufgrund der Kontoauszüge nach den Zahlungen gefragt habe. Die Frage des Vorsitzenden, ob die Klägerin mit ihrer Mutter jemals darüber gesprochen habe, was geschehe, wenn die Klägerin die Darlehensverträge nicht wieder zurückzahlen könne, sei von der Klägerin verneint worden. Über so etwas sei nie gesprochen worden. Darüber hinaus habe sich die Klägerin in der Zwischenzeit weiteres Geld von Freunden geliehen. Die Beklagtenvertreterin habe insofern darauf hingewiesen, dass sich die Angaben der Klägerin für sie als unschlüssig darstellten, da die erste Zahlung der Mutter der Klägerin bereits im Juni 2017 und mithin zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, indem die Klägerin sowohl Arbeitslosengeld als auch Grundsicherungsleistungen von der Beklagten bezogen habe. Die Klägerin habe weiter erklärt, dass ihr ihre Mutter bereits einmal im Jahre 2010 einen Betrag von 24.000,00 € geliehen habe.
Die Mutter der Klägerin habe als Zeugin befragt angegeben, dass sie die genaue Höhe der an ihre Tochter getätigten Zahlungen nicht beziffern könne. Ihr Sohn führe insofern die Unterlagen. Es sei jedoch so viel gewesen, wie die Klägerin jeden Monat benötigt habe. Es handele sich um ihr Kind, weshalb sich die Zeugin niemals Sorgen darüber gemacht habe, ihr Geld nicht zurückzubekommen. Es sei zutreffend, dass die Zeugin der Klägerin bereits 24.000,00 € geliehen habe. Etwas davon habe die Klägerin auch zurückgezahlt. Die Zeugin hoffe, dass sie alles zurückzahle. Wieviel die Klägerin inzwischen zurückgezahlt habe, wisse die Zeugin nicht. Auch damals sei vereinbart worden, dass die Klägerin es dann zurückzahle, wenn sie es könne. Es handele sich schließlich nicht um eine Fremde, sondern um ihr Kind. Auf die Nachfrage des Gerichts, was geschehe, wenn die Klägerin das Geld nicht würde zurückzahlen können, habe die Zeugin erklärt, dass das dann das Problem der Klägerin sei. Die Zeugin werde sie jedenfalls nicht verklagen.  Auch die Zeugin habe im Weiteren die Einlassung der Klägerin bestätigt, dass die Angaben im „Privatkreditvertrag“ vom 20. November 2017 und insbesondere die darin enthaltenen konkreten Rückzahlungstermine erst im November - und nicht bereits bei Auszahlung der ersten Darlehensbeträge im September 2017 - festgehalten worden seien.
Dieses Verhalten der Darlehensgeberin stelle sich für das Gericht als aus wirtschaftlicher Sicht mehr als ungewöhnlich dar. Obwohl die Klägerin gegenüber der Zeugin bereits erheblichen Zahlungsverpflichtungen aus einer früheren Darlehensverpflichtung ausgesetzt gewesen sein will und daher im Geschäftsleben üblicherweise die sofortige Kündigung des Darlehensvertrages zu erwarten gewesen wäre, sei die Zeugin offensichtlich bereit gewesen, der Klägerin noch weitere Geldbeträge zur Verfügung zu stellen, obwohl sie damit habe rechnen müssen, dass diese einer weiteren Rückzahlungsverpflichtung in Ansehung der bereits bestehenden erheblichen Verbindlichkeiten nicht, oder jedenfalls nicht in absehbarer Zeit würde nachkommen können.
Auch die weitere Modalität der Darlehensgewährung, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der auszukehrenden Beträge, halte einem Fremdvergleich in keiner Weise stand und begründe erhebliche Zweifel an dem Bestehen einer zivilrechtlich wirksamen Rückzahlungsverpflichtung. Insofern bedeute die Einlassung, dass es hinsichtlich der Höhe des Kredites so gewesen sei, dass die Klägerin der Zeugin einfach jeden Monat Bescheid gesagt habe, wieviel Geld sie benötige und dieses dann von der Zeugin überwiesen worden sei, zur Überzeugung des Gerichts darauf hin, dass es sich vorliegend nicht um einen zivilrechtlich wirksamen Darlehensvertrag gehandelt habe, sondern vielmehr von einer verdeckten Unterhaltsgewährung durch die Mutter der Klägerin auszugehen sein dürfte. Auch die Rückzahlungsvereinbarung, wonach das Geld erst dann und für den Fall zurückgezahlt werden solle, wenn es der Klägerin – nach Abschluss ihrer Umschulung – wieder finanziell besser gehen würde, vermöge die Annahme eines wirksamen Darlehensvertrages nicht zu bekräftigen. Darüber hinaus spräche die Tatsache, dass der als Privatkreditvertrag genannte Vertrag zwischen der Klägerin und der Zeugin erst im November 2017 – und somit Monate nach dem Beginn der vermeintlichen Darlehensauszahlungen – erstellt worden sei, dafür, dass es zum Zeitpunkt der Auszahlung gerade an einer vertraglich geregelten Rückzahlungsverpflichtung gefehlt haben dürfte. Dieser Vertrag dürfte zur Überzeugung des Gerichts vielmehr unter dem Eindruck der ergangenen Ablehnungsbescheide und des damit verbundenen verwaltungsrechtlichen Verfahrens mit der Beklagten aufgesetzt worden sein. Die weiteren übereinstimmenden Einlassungen der Klägerin und der Zeugin, dass auch im Nachhinein zu keinem Zeitpunkt darüber gesprochen worden sei, was denn geschehe, wenn die Klägerin die Beträge nicht würde zurückzahlen können, spräche ebenfalls gegen die von der Klägerin vorgenommene Wertung eines Darlehensvertrages. Die Zeugin habe insofern im Termin ausdrücklich angegeben, nicht einmal genau darüber Bescheid zu wissen, wieviel ihr die Klägerin insgesamt eigentlich schulde. Auch ein bereits vorab gewährter Kredit in Höhe von 24.000,00 € sei zu Beginn der hier streitgegenständlichen Auszahlungen ab September 2017 durch die Klägerin allenfalls in Teilen zurückgezahlt worden, wobei die Zeugin weiterhin darauf vertraut habe, dass eine vollständige Rückzahlung erfolge. Die Frage des Gerichts, wieviel die Klägerin zurückgezahlt habe, habe die Zeugin nicht beantworten können, sondern sie habe darauf verwiesen, dass es sich bei ihrer vermeintlichen Vertragspartnerin nicht um eine „Fremde“, sondern um ihr „Kind“ handele. Hierzu passe die Einlassung der Zeugin, dass es für den Fall, dass die Klägerin zur Rückzahlung nicht imstande sei, dieses nicht das Problem der Zeugin, sondern das Problem der Klägerin sei. Die Zeugin werde ihre Tochter deswegen jedenfalls nicht verklagen.
Unter Würdigung dieser Gesamtumstände sei zur Überzeugung des Gerichts in keiner Weise von der Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten einer Darlehensgewährung als Indiz für die Behauptung der Klägerin auszugehen. Diese Maßstäbe könnten auch auf die vorliegend behauptete Darlehensvereinbarung angewandt werden, unabhängig davon, ob, wie hier, eine verwandtschaftliche Beziehung der Klägerin und der Darlehensgeberin bestehe. Maßgeblich komme es insofern auf die Abgrenzung zwischen (unentgeltlicher) Unterstützung und rechtswirksamer Darlehensgewährung an. Die vorliegend behaupteten Verträge hielten einem Fremdvergleich aus den dargelegten Gründen nicht stand. Die vermeintliche Darlehensgeberin habe offensichtlich nicht nur kein Interesse an dem Rückfluss der bereits ausgereichten ganz erheblichen Beträge. Vielmehr sei sie zum Zeitpunkt der hier streitigen Überweisungen ohne Weiteres dazu bereit gewesen, ihrer Tochter jeden Monat so viel Geld zu überweisen, wie diese bei ihr anfordere. Mit einer Darlehensgewährung im Sinne des § 488 BGB habe eine derartige spontane, nur teilweise dokumentierte und vor allem zu Gunsten der vermeintlichen Darlehensnehmerin einseitig jederzeit abänderbaren Verfügungsmöglichkeit über die Geldmittel der behaupteten Darlehensgeberin nichts zu tun.
Es sei davon auszugehen, dass es sich insofern schlichtweg um eine unentgeltliche Unterhaltsgewährung gehandelt habe. Die entsprechenden Zahlungen seien daher - so wie die übrigen von der Beklagten zutreffend festgestellten Geldzuflüsse - der Klägerin als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II bedarfsmindernd anzurechnen, weshalb im hier streitgegenständlichen Zeitraum ohne Weiteres eine Bedarfsdeckung ohne die Inanspruchnahme der subsidiären SGB II-Leistungen möglich gewesen sei. Vor diesem Hintergrund seien die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden gewesen.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 14. Dezember 2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat diese am 14. Januar 2021 schriftlich beim LSG Berufung erhoben. Zur Begründung hat sie auf das bisherige Vorbringen im Widerspruchsverfahren und im Klageverfahren Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass sich der Wert der im Eigentum der Klägerin stehenden Immobilie auf 190.000,00 € belaufe. Das darauf lastende Darlehen habe sich am 31. Mai 2016 auf 178.392,80 € und zum 30. Dezember 2019 auf 162.548,76 € belaufen. Die Darlehen seien mehrfach umgeschuldet worden. Der Verkauf des Hauses wäre in der Vergangenheit schwierig gewesen, da ein Teil des Hauses an den geschiedenen Ehemann der Klägerin vermietet sei und dieser seine Mietzahlungen nicht in der mietvertraglich vereinbarten Höhe leiste. Die Klägerin sei am 1. April 2016 arbeitslos geworden. Es sei der Klägerin mit Bescheid vom 19. Mai 2016 Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 7. April 2016 in Höhe von 466,20 € bewilligt worden. Dieses Arbeitslosengeld habe zur Deckung des Lebensunterhalts nicht ausgereicht und sei ab dem 1. März 2018 eingestellt worden. Weitere Einnahmen habe die Klägerin aus der Vermietung ihres Hauses in W1 gehabt. Der Mieter E1 zahle einen monatlichen Mietzins in Höhe von 390,00 € zuzüglich Nebenkosten laut Mietvertrag vom 15. Juli 2015 in Höhe von monatlich 80,00 €; die Vorauszahlung sei in der Zwischenzeit auf 110,00 € erhöht worden. Der geschiedene Ehemann der Klägerin schulde laut Mietvertrag vom 1. Mai 2013 einen monatlichen Mietzins in Höhe von 850,00 €. Seit November 2017 allerdings überweise er monatlich nur noch 425,00 € und teilweise auch weniger. Aufgerundet hätten sich die Mieteinnahmen für das Haus in W1 monatlich auf ca. 925,00 € belaufen. Über weiteren Einnahmen habe die Klägerin abgesehen von einer Prämie der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 1.500,00 € am 7. Januar 2020 anlässlich der bestandenen Umschulung nicht verfügt. Ihr Gesamtbedarf habe sich im Jahre 2017 auf 1.057,00 €, im Jahre 2018 auf 1.065,00 €, im Jahre 2019 auf 1.072,00 € und im Jahre 2020 auf 1.080,00 € monatlich belaufen. Die Klägerin habe somit ausgehend von ihren Einkommensverhältnissen einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt. Rechne man die monatlich anfallende Tilgung für das Darlehen bezüglich des Hauses in W1 dazu, würden sich die Mieteinnahmen und die zu leistenden Zinsen und Tilgung für das Haus ungefähr aufheben. Um ihren Lebensunterhalt trotzdem bestreiten zu können, habe die Klägerin bei Freunden, Verwandten und Nachbarn Darlehen aufgenommen. Von ihrer Mutter habe sich die Klägerin 2017 7.150,00 € und 2018 4.450,00 € geliehen. 10.500,00 € habe die Klägerin über die Weiterleitung der Miete vom Mieter E1 zurückgezahlt. Vom Zeugen N1 habe sich die Klägerin seit Beginn der Arbeitslosigkeit im April 2016 insgesamt 45.100,00 € geliehen. Der Zeuge habe sich im Nachhinein die von ihm geleisteten Darlehen zweimal verschriftlichen lassen. Von der Zeugin L1 habe sich die Klägerin im Oktober 2019 90,00 € geliehen, die sie im Januar 2020 zurückgezahlt habe. Vom Zeugen B1 habe sich die Klägerin insgesamt 10.400,00 € (1.700,00 € im Januar 2020, 2.300,00 € im Februar 2020, 2.000,00 € im März 2020 und 4.400,00 € im April 2020) geliehen. Hierüber seien die beigefügten Kreditverträge abgeschlossen worden. Von ihrer ehemaligen Nachbarin S2 habe sich die Klägerin am 15. Oktober 2019 670,00 € und am 15. November 2019 800,00 € geliehen; 670,00 € habe sie in zwei Raten und danach 800,00 € ebenfalls in zwei Raten ab Januar 2020 zurückgezahlt. Der rückständige Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II belaufe sich vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2020 auf insgesamt 39.393,84 €.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2020 sowie die Bescheide der Beklagten vom 6. September 2017 und 11.  Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.  September 2017 bis 30. September 2019 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil vom 9. Dezember 2020 für zutreffend.

In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 17. Februar 2022 hat die Klägerin angegeben, sie habe vom 1. Juni 2021 bis 15. Januar 2022 gearbeitet und sei nun auf der Suche nach einer neuen Stelle. Eine Darlehensrückzahlung an ihre Freunde habe sie bislang noch nicht vornehmen können, weil sie dafür kein Geld habe. Sofern ihr Leistungen des Jobcenters zugesprochen würden, würden diese direkt an die Darlehensgeber fließen.

Mit Schreiben vom 17. April 2023 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.



II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das angefochtene Urteil des SG vom 9. Dezember 2020 und die Bescheide der Beklagten vom 6. September 2017 und 11. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum September 2017 bis 30. September 2019.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrten Leistungen  zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. September 2017 bis 30. September 2019 nicht hilfebedürftig gewesen ist aufgrund des ihr zur Verfügung stehenden Einkommens insbesondere in Form der Geldzuwendungen, die sie im streitgegenständlichen Zeitraum von ihrer Mutter und vom Zeugen N1 erhalten hat, die ihr in einer Höhe zugeflossen sind, dass ihr Gesamtbedarf (Regelbedarf, Bedarf Kosten der Unterkunft und Heizung) im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gedeckt war. Der Senat schließt sich der Begründung des SG nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend wegen der Begründung der Berufung ist noch auszuführen, dass auch die nunmehr vorgelegten zwei „Darlehensverträge“ zwischen der Klägerin und dem Zeugen B1 vom 24. Dezember 2019 bzw. vom 28. Februar 2020 und der „Privatkreditvertrag“ zwischen der Klägerin und dem Zeugen N1 vom 8. März 2019 nicht die Überzeugung des Senats herbeiführen können, dass den Geldzuflüssen an die Klägerin wirksame Darlehensverträge zugrunde liegen. Im Klageverfahren wurden diese „Verträge“ nicht vorgelegt, obwohl dieses ausgehend vom jeweiligen Datum der Vertragsunterzeichnung möglich gewesen wäre. Die Frage nach dem Bestehen eines schriftlichen Darlehensvertrages hat der Zeuge B1 im Erörterungstermin am 21. Oktober 2020 ausdrücklich verneint; es werden aber zwei vor diesem Termin datierende „Darlehensverträge“ vorgelegt. Der „Darlehensvertrag“ vom 24. Dezember 2019 weist einen Betrag von 1.500,00 € aus; die Klägerin trägt aber vor, vom Zeugen im Dezember 2019 kein Geld erhalten zu haben. Der „Darlehensvertrag“ vom 28. Februar 2020 weist einen Betrag von 4.300,00 € aus; die Klägerin trägt aber vor, im Januar und Februar 2020 zusammen 4.000,00 € erhalten zu haben. Diese Widersprüche und Ungereimtheiten lassen Zweifel an den vorgelegten „Darlehensverträgen“ entstehen.
  
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitgegenständlichen Zeitraum.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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