L 6 SB 1157/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 2205/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1157/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Seit der Änderung des § 33b EStG ab dem 15. Dezember 2020 besteht für die Feststellung der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit keine Rechtsgrundlage mehr (vgl. BR-Drucks. 432/20 S. 10).

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. März 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 80 sowie die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ab dem 20. Juli 2017.

Sie ist 1971 in der Türkei geboren. Dort hat sie eine Berufsausbildung zur Altenpflegerin absolviert. Seit 1992 lebt sie in Deutschland und war seit 2003 als Raumpflegerin (Reinigungskraft) im Kindergarten wie der Schule der Gemeinde
D1 in Teilzeit (85 %) beschäftigt. Die Klägerin ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Seit 2018 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. Rehabilitationsentlassungsbericht der m&i-Fachkliniken H1 und Gutachten des A1).  

Am 20. Juli 2017 beantragte die Klägerin beim Landratsamt
E1 (LRA) die Erstfeststellung des GdB und gab als hierbei zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen und den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen ein Akustikneurinom rechts, eine periphere Facialisparese rechts, eine Embolisation einer spinalen Malformation, eine Hypothyreose, eine Hypästhesie der rechten Gesichtshälfte, eine Hypakusis rechts und einen Tinnitus rechts an.

Zur Vorlage kam der Bericht des Klinikums
S1 über die stationären Behandlungen der Klägerin am 26. Januar 2017 sowie vom 12. bis zum 24. Februar 2017, der die Diagnosen Akustikneurinom rechts, Facialisparese rechts (House Brackmann Grad V) und Hörminderung rechts sowie als Nebendiagnosen arterielle Hypertonie, Hypothyreose, Hysterektomie 2016 und Zustand nach (Z. n.) Embolisation einer spinalen Malformation 2014 aufführte. Als Therapie sei die mikrochirurgische Resektion des Akustikneurinoms rechts über einen retrosigmodalen Zugang unter intraoperativem neurophysiologischem Monitoring am 13. Februar 2017 erfolgt. Postoperativ habe sich eine Facialisparese sowie eine deutliche Hörminderung rechts gezeigt, sonstige neurologische Defizite hätten nicht bestanden. 

Aus dem im Weiteren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Bericht der m&i-Fachkliniken              
H1 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 28. Februar bis zum 22. April 2017 ergab sich unter den Diagnosen Akustikneurinom rechts, OP am 13. Februar 2017, periphere Facialisparese rechts (House Brackmann Grad V), leichte Gleichgewichtsstörung, Hypakusis rechts, Tinnitus rechts, Hypästhesie rechte Gesichtsseite und arterielle Hypertonie ein arbeitstägliches Leistungsvermögen sowohl für die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Raumpflegerin (Reinigungskraft) als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr. Bei Aufnahme sei die Klägerin bewusstseinsklar und orientiert mit differenzierter Mnestik, schwingungsfähigem Affektverhalten, gedrückter Stimmung und regelrechtem Antrieb, Mimik wie Gestik gewesen. Es habe eine ausgeprägte Fazialisparese rechts bestanden; ansonsten sei die Feinmotorik ungestört und das freie Gehen im Tempo leicht reduziert bei leichtem Schwanken während des Richtungswechsels gewesen. Der Romberg-Versuch unter Augenschluss und der Unterberger-Versuch seien gut durchführbar gewesen. Die Klägerin habe nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme eine deutliche Verbesserung ihrer Mobilität, Belastbarkeit und Ausdauer erreicht gehabt. Tagesformabhängig sei sie freie Fußgängerin oder mit dem Rollator mobil gewesen, Gehstrecken ohne Hilfsmittel mit lockerer Begleitung bis 600 Meter seien erreicht worden. Selbständiges freies Gehen außerhalb des Hauses habe sich die Klägerin noch nicht zugetraut. Das Treppensteigen am Handlauf in alternierender Schrittfolge sei sicher und selbständig gewesen. Bei Verdacht auf einen benignen, paroxysmalen Lagerungsschwindel am 20. März 2017 habe die Klägerin eine Vomex-Medikation erhalten. Bei der Abschlussuntersuchung sei von ihr ein intermittierender Schwindel bei Lagewechsel und Transfers etwa zwei- bis dreimal täglich berichtet worden. Die ausgeprägte periphere Facialisparese rechts habe sich im Bereich des Stirnastes leicht gebessert gehabt. Eine weitere Rekonvaleszenz sei notwendig gewesen und die Klägerin deshalb als arbeitsunfähig entlassen worden. Später sei eine berufliche Wiedereingliederung anzustreben gewesen. 

Dem Bericht des Klinikums
S1 über die ambulante Vorstellung der Klägerin am 24. August 2017 war eine deutliche Besserung der Facialisparese zu entnehmen. Sie sei nunmehr nach House Brackmann Grad IV einzuordnen gewesen. Es habe nur noch eine sehr geringe Lidschlussinsuffizienz bei weiterhin positivem Bell`schem Phänomen imponiert.

Versorgungsärztlich bewertete
N1 eine Gesichtsnervlähmung (Facialisparese), ein Kopfschmerzsyndrom wie eine Gefühlsstörung des Gesichts mit einem Einzel-GdB von 20, ferner eine Sehminderung, einen Bluthochdruck wie eine Schwerhörigkeit rechts und Ohrgeräusche (Tinnitus) jeweils mit einem Einzel-GdB von 10. Die Embolisation einer spinalen Malformation und eine medikamentös ausgeglichene Schilddrüsenunterfunktion seien nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten. Der Gesamt-GdB habe 20 betragen. 
                   
Das LRA stelle daraufhin durch Bescheid vom 28. November 2017 einen GdB von 20 seit dem 17. Juli 2017 fest.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und machte die Unterbewertung ihrer Funktionsstörungen geltend. Der GdB müsse mindestens 80 betragen, auch die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit i. S. d. § 33b Einkommenssteuergesetz (EStG) sei festzustellen. 


S2 bewertete versorgungsärztlich die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbehinderungen wie N2. Neue medizinische Gesichtspunkte seien nicht vorgebracht worden und auch nicht zu erwarten. Aus dem Rehabilitationsentlassungsbericht der m&i-Fachkliniken H1 ergäben sich keine nennenswerten qualitativen oder quantitativen Leistungseinschränkungen. Die Wortwahl und das GdB-Begehren der Widerspruchsführerin bzw. deren Bevollmächtigten wirkten – höflich ausgedrückt – nicht hinreichend reflektiert.    

Der Beklagte wies daraufhin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. April 2018 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin erneut versorgungsärztlich überprüft worden, demnach sei sie nicht zu beanstanden. Die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien im vollen Umfang erfasst und mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. 

Mit der am 26. April 2018 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 80, der Schwerbehinderteneigenschaft und der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit weiterverfolgt.

Am 8. April 2019 hat sie beim LRA die Neufeststellung des GdB beantragt. 

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 6. März 2020 hat die Klägerin angegeben, vor allem unter den Schwindelanfällen zu leiden; sie könne deshalb nicht mehr allein das Haus verlassen. Als Ursache hierfür vermute sie, dass ihr Ohr bei der Entfernung des Akustikneurinoms beschädigt worden sei. Ihr Ehemann unterstütze sie sehr. Auch sei nach der Operation weiterhin ihre gesamte rechte Gesichtshälfte betroffen, bis 2019 sei sie in regelmäßiger logopädischer Behandlung gewesen. Zwischenzeitlich behandele sie morgens und abends mit einem Gerät selbst die rechte Gesichtshälfte. Diese fühle sich taub an, das rechte Auge könne sie nur sehr schwer ganz schließen. Wegen ihrer neurologischen Beschwerden erfolge auch weiterhin eine Behandlung nach Bedarf. Zudem sei sie circa alle zwei Monate in psychiatrischer Behandlung. Das SG hat darauf hingewiesen, dass die Erhebung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen erfolgen werde.

Die Klägerin hat den Rentenbescheid vom 6. Juni 2019 über die Neuberechnung ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2019 vorgelegt.

Das SG hat bei
A1 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 18. Juni 2020 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erhoben. Bei ihr habe eine inkomplette periphere Facialisparese rechts (Einzel-GdB 20) und eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts nach operativer Entfernung eines Akustikneurinoms (Einzel-GdB 20) bestanden. In diesem Zusammenhang habe diese eine erhebliche, nicht eindeutig zuordenbare Schwindelsymptomatik geschildert, die von ihr im Rahmen der Untersuchungssituation deutlich aggraviert dargeboten worden sei und laut Aktenlage nach der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2017 nicht in diesem Umfang bestanden habe. Darüber hinaus habe die Klägerin an einem chronisch-rezidivierenden Spannungskopfschmerz (Einzel-GdB 10), dessen Arzneimittelinduziertheit angesichts des häufigen Schmerzmittelgebrauchs nicht auszuschließen gewesen sei, und an einer leichten depressiven Anpassungsstörung (Einzel-GdB 20) gelitten. Sowohl im BDI als auch im Selbstbeurteilungsinstrument seien erhebliche Verdeutlichungstendenzen erkennbar gewesen. Der Gesamt-GdB habe 50 betragen.

Nach den Angaben der Klägerin sei ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vornehmlich im Bereich der Haushaltsführung eingeschränkt gewesen. Maßgeblich hierfür sei vor allem die Schwindelsymptomatik gewesen, an deren Ausprägung allerdings Zweifel bestanden hätten. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang die erlernte Hilflosigkeit der Klägerin durch die überprotektive Unterstützung ihrer Familie gewesen, die nach Aktenlage sogar zu einer Zunahme der Schwindelsymptomatik geführt habe, was i. S. eines sekundären Krankheitsgewinns eine erhebliche familiäre Zuwendung mit sich gebracht habe. Die Klägerin sei aber in der Lage gewesen, regelmäßig aus eigenem Antrieb heraus Eigenübungen bezüglich der Facialisparese durchzuführen, Musik zu hören, mit Familienmitgliedern spazieren zu gehen oder mit der Familie zusammen fern zu sehen. Objektiv habe demnach lediglich eine leichte Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bestanden. Im körperlichen Bereich sei die Gesichtsmotorik rechts nicht deutlich eingeschränkt gewesen, der Lidschluss allerdings vollständig möglich. Die angegebene Sensibilitätsstörung sowohl der rechten Gesichtshälfte als auch der rechten Köperhälfte sei aufgrund der anatomischen/physiologischen Gegebenheiten widersprechenden Angaben nicht verwertbar gewesen. Auch die geschilderte Schwindelsymptomatik habe angesichts der erkennbaren Verdeutlichungstendenz und Besserung bei Ablenkung nur sehr eingeschränkt nachvollzogen werden können. Rechts habe eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit bestanden.    

Die Klägerin habe angegeben, seit der operativen Entfernung des Akustikneurinoms auf dem rechten Ohr nichts mehr zu hören. Bereits vor der Operation habe sie eine ausgeprägte Müdigkeit und eine Taubheit im Bereich der rechten Gesichtshälfte entwickelt. Nachts benutze sie immer noch einen Uhrglasverband für das rechte Auge. Der Augenschluss habe sich zwischenzeitlich verbessert, auch die Mundbeweglichkeit sei besser geworden. Bis vor einem halben Jahr sei sie in logopädischer Behandlung gewesen, jetzt führe sei regelmäßig morgens und abends Eigenübungen durch. 2018 sei nochmals eine dreiwöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme erfolgt. Dort habe man ihr wegen der Schwindelsymptomatik das Autofahren verboten und geraten, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen, diese Rente sei dann bewilligt worden. Seit 2016 leide sie unter Bluthochdruck, bereits seit 2014 unter Rückenschmerzen. Die Gebärmutter sei hingegen entgegen den Angaben ihres Bevollmächtigten nicht entfernt worden. Seit zwei Jahren sei sie in psychiatrischer Behandlung, die Termine seien im Abstand von circa sechs Monaten, Antidepressiva nehme sie ein.

Sie könne schlecht einschlafen, auch das Durchschlafen sei gestört. Ihr Appetit sei schlecht, trotzdem habe sie seit der Entfernung des Akustikneurinoms circa 10 kg zugenommen. Ihr älterer Sohn habe seinen Arbeitsplatz gekündigt, um sich um sie kümmern zu können. Ihre Ehe sei gut, ihr Ehemann kümmere sich sehr um sie. Sexuellen Kontakt hätten sie nur noch selten, seit der Operation sei ihre Libido deutlich reduziert. Kontakt bestehe zu den Verwandten ihres Ehemanns, einen eigenen Freundeskreis habe sie nicht. Zuletzt sei sie vor einem Jahr in der Türkei gewesen als ihre Mutter gestorben sei; man habe sie mit dem Rollstuhl ins Flugzeug bringen müssen.

Zwischen sieben und acht Uhr stehe sie auf, müsse dann fünf bis zehn Minuten sitzen bleiben, weil sonst der Schwindel zu stark sei. Danach gehe sie ins Bad und mache sich anschließend Frühstück. Anschließend führe sie 30 bis 45 Minuten ihre Eigenübungen durch, dann sehe sie fern (Nachrichten oder Serien), höre Musik oder setze sich auf den Balkon. Häufig müsse sie sich wegen stärkerer Kopfschmerzen, die erst seit der Operation bestünden, wieder hinlegen. Manchmal gehe sie auch mit ihrem Sohn oder Ehemann spazieren, das könne sie aber nur mit Gehstöcken und maximal einen Kilometer, für den sie mehr als eine halbe Stunde benötige. Im Haus laufe sie nur die Wand entlang oder mit ihren Stöcken. Nachmittags mache sie in der Regel nichts, abends helfe sie etwas beim Kochen. Nach dem Abendessen sehe sie mit ihrer Familie gemeinsam fern und gehe gegen 22 Uhr zu Bett. Wesentliche Haushaltstätigkeiten könne sie nicht mehr ausüben, das meiste erledige ihr Sohn, ihr Ehemann helfe etwas.

Der Schwindel trete als Dreh- und Schwankschwindel durchschnittlich zwei- bis fünfmal täglich auf, er könne in jeder Position auftreten und halte in der Regel mehrere Minuten an. Täglich leide sie auch unter Kopfschmerzen, die vorwiegend im Operationsbereich begönnen und nach hinten in den Hinterkopf ausstrahlten, diese dauerten circa eine Stunde an, bei ihrem Auftreten nähme sie sofort eine Tablette ein. Die durchschnittliche Schmerzstärke läge auf einer Skala von null bis zehn bei sechs.

Der Allgemein- und Ernährungszustand seien gut gewesen. Der Blutdruck habe bei 200/100 mmHg gelegen. Über der Brustwirbelsäule (BWS) habe die Klägerin einen deutlichen Klopfschmerz angegeben, der Finger-Boden-Abstand (FBA) sei nicht prüfbar gewesen; die Klägerin habe angegeben, hierbei zu stürzen. Das Aus- und Ankleiden habe selbständig vorgenommen werden können, allerdings nicht im Stehen, sondern im Sitzen auf der Untersuchungsliege. Beim Hinlegen und Aufstehen von der Untersuchungsliege habe sich die Klägerin den Kopf gehalten und einen heftigen Schwindel beklagt, ohne dass z. B. ein Nystagmus zu beobachten gewesen wäre. 

Das Gangbild sei unter Einhängen bei ihrem Ehemann symmetrisch, aber extrem langsam, sehr unsicher und angestrengt wirkend gewesen. Freies Gehen habe die Klägerin aus Angst vor einem Sturz abgelehnt, beim Gang vom Besuchersessel zur Untersuchungsliege habe sie sich an jedem erreichbaren Gegenstand oder an der Wand festgehalten. In scheinbar unbeobachteten Momenten sei sie am Arm ihres Ehemannes sehr viel sicherer gegangen. Muskuläre Atrophien hätten nicht bestanden, bei der Prüfung der groben Kraft hätten sich bei etwas eingeschränkter Mitarbeit keinerlei Paresen objektivieren lassen. Das freie Stehen sei nach Ablenkung sicher möglich gewesen, bei weiterer ständiger Ablenkung habe auch der Versuch nach Romberg sicher dargeboten werden können. Die Augenmotilität sei unauffällig gewesen. Der Lidschluss rechts komplett, links habe als Zeichen der fazialen Parese (House Brackmann Grad III) ein deutliches Signe de cils bestanden. Die Sensibilität im Gesichtsbereich sei allseits intakt gewesen. 

Im psychopathologischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar, in allen Ebenen orientiert, freundlich zugewandt und kooperativ gewesen. Die Grundstimmung habe subdepressiv bei eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit, reduziertem Antrieb und Psychomotorik bei leichten Konzentrationsstörungen ohne objektivierbare Gedächtnisstörungen imponiert.

Nach Auswertung des Gutachtens hat der Beklagte vergleichsweise die Feststellung eines GdB von 30 seit dem 18. Juni 2020 angeboten. Diesem Vergleichsangebot hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des
B1 zugrunde gelegen. Die Gesamt-GdB-Bildung des A1 sei nicht nachvollziehbar gewesen. Ebenso habe für die Innenohrschwerhörigkeit ein Einzel-GdB von 20 nicht angenommen werden können, da hierzu keine aktuellen Sprachaudiogramme vorgelegen hätten. Der vorgeschlagene Einzel-GdB von 20 für die leichtgradige depressive Anpassungsstörung sei hingegen nachvollziehbar gewesen.

Die Klägerin hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen. Ihr stehe nach den gutachterlichen Ausführungen des
A1 mindestens ein GdB von 50 zu.

Das SG hat dann den die Klägerin behandelnden Hals-Nasen-Ohren- (HNO-)Arzt 
H2 als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Aus dem im Mai 2017 erstellten Tonaudiogramm habe sich eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts ergeben. Bei der Facialisparese sei infolge der intensiven Übungen eine Besserung eingetreten, hingegen habe sich das Hörvermögen rechts weiter verschlechtert. Der Einzel-GdB betrage 20. Die Audiometrie-Untersuchungen aus 2019 und 2020 sind der sachverständigen Zeugenaussage beigefügt gewesen.

Hierauf hat der Beklagte vergleichsweise die Feststellung eines GdB von 40 seit dem 18. Juni 2020 angeboten. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des
H3 seien die Gesichtsnervlähmung (Facialisparese), das Kopfschmerzsyndrom und die Gefühlsstörung im Gesichts, die seelische Störung und die Schwerhörigkeit rechts wie die Ohrgeräusche (Tinnitus) jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten gewesen. Die Sehminderung und der Bluthochdruck hätten jeweils zu einem Einzel-GdB von 10 geführt. Eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit habe nicht vorgelegen.
Die Klägerin hat auch dieses Vergleichsangebot nicht angenommen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG den Beklagten durch Gerichtsbescheid vom 12. März 2021 verpflichtet, seit dem 18. Juni 2020 einen GdB von 40 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin seien nicht mit einem höheren Gesamt-GdB als 40 zu bewerten. Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des
A1 begründe die inkomplette periphere Facialisparese nach Entfernung des Akustikneurinoms im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ einen Einzel-GdB von 20. In diesem Einzel-GdB seien die von der Klägerin beschriebenen Dreh- und Schwankschwindelattacken wie der chronisch-rezidivierende Spannungskopfschmerz bereits mitberücksichtigt. Wesentliche Folgen der beklagten Gleichgewichtsstörungen seien nicht objektivierbar gewesen, die in der gutachterlichen Untersuchung bei A1 erkennbaren Verdeutlichungstendenzen und Besserung der Symptomatik bei Ablenkung machten die geschilderte Schwindelsymptomatik nur sehr eingeschränkt verwertbar. Ein weiterer eigenständiger Einzel-GdB von 20 sei im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ für die leichtgradige depressive Anpassungsstörung zu vergeben, wie A1 überzeugend ausgeführt habe. Einer Höherbewertung stünden die bestehenden sozialen Beziehungen und der Tagesablauf der Klägerin entgegen.

Im Funktionssystem „Ohren“ sei nach der sachverständigen Zeugenaussage des
H2 ein Einzel-GdB von 20 wegen der hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts zu berücksichtigen. Der von der Klägerin beklagte Tinnitus wirke sich nicht erhöhend aus, da psychische Begleiterscheinungen nicht beschrieben seien. H2 habe hierzu in seiner sachverständigen Zeugenaussage überhaupt keine Angaben gemacht. Die weiteren bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen (Sehminderung, Bluthochdruck, Beschwerden an der BWS, Hypothyreose) führten zu keinem Einzel-GdB von mehr als 10.

Der Gesamt-GdB betrage 40. Die von
A1 vorgenommene Gesamt-GdB-Bildung mit einem Gesamt-GdB von 50 sei nicht nachvollziehbar gewesen.

Eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit habe nicht vorgelegen. Der von der Klägerin beklagte Schwindel habe von
A1 nicht nachvollzogen werden können; es hätten erhebliche Verdeutlichungstendenz bestanden.

Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten gewesen, da sich die Kammer erst aufgrund des Gutachtens des
A1 und der sachverständigen Zeugenaussage des H2 die notwendige Überzeugung hinsichtlich der Feststellung eines Gesamt-GdB von 40 ab dem 18. Juni 2020 habe bilden können.

Am 29. März 2021 hat die Kläger gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. März 2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 23. September 2021 hat sie bekräftigt, dass der GdB mit 40 weit unterbewertet sei. Sie hat das im Verfahren S 10 P 5214/20 nach Hausbesuch bei ihr am 4. Mai 2021 von der examinierten Krankenschwester K1 erstellte pflegefachliche Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit gemäß § 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) vorgelegt.

Aus dem vorgenannten Gutachten hat sich seit März 2020, spätestens jedoch seit August 2020 der Pflegegrad 3 ergeben.

Der Ehemann der Klägerin sei berufstätig gewesen, habe der Klägerin aber beim Ankleiden und bei der Köperpflege geholfen. Er habe den Haushalt übernommen, Medikamente gerichtet und die Klägerin zu Arztterminen begleitet. Ihr Sohn sei aktuell zu Hause gewesen, habe bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen geholfen, ebenso die Klägerin zu Arztterminen begleitet und Botengänge durchgeführt. Die Klägerin selbst habe sich einen Kaffee zubereiten oder ein vorbereitetes Brot belegen können. An Aufräum- und Reinigungsarbeiten habe sie sich nicht beteiligt, auch nicht bei der Wäschepflege.

Beim Hausbesuch sei die Klägerin im Bett liegend angetroffen worden, sie habe über starken Schwindel bereits seit dem Vortag geklagt. Die Ausprägung des Schwindels sei aber nicht immer so stark wie zum Zeitpunkt des Hausbesuchs gewesen. Der Schwindel träte täglich auf. Trotz des Schwindels habe sich die Klägerin in liegender Position selbständig drehen können. Sie sei auffallend müde gewesen, punktuell im Gespräch auch kurz eingeschlafen. Täglich habe sie zudem unter Kopfschmerzen auf der rechten Seite, ausgehend von der Operationsnarbe gelitten.

Der Allgemein- und Kräftezustand seien reduziert, der Ernährungszustand übergewichtig gewesen. Die Klägerin habe seit dem operativen Eingriff an einer Hörminderung rechts gelitten, während des Gesprächs hätten sich jedoch insofern keine Auffälligkeiten ergeben, die Verständigung in Zimmerlautstärke sei gut möglich gewesen. In psychischer Hinsicht sei sie freundlich, kooperativ und ausreichend orientiert gewesen. Auffälligkeiten hätten sich im Kurzzeitgedächtnis wie in der Merk- und Konzentrationsfähigkeit gezeigt. Der Antrieb habe gemindert, die Stimmungslage subdepressiv imponiert. 

Nach den Ausführungen ihres Ehemanns habe sich die Klägerin in der Wohnung unter Festhalten an den Möbeln selbständig fortbewegen können, außerhalb der Wohnung halte er sie fest und die Klägerin verwende zusätzlich einen Gehstock. 
Der Beklagten hat das vorgenannte Gutachten versorgungsärztlich auswerten lassen. Es hätten sich hieraus keine Gesichtspunkte ergeben, die für eine Erhöhung des GdB gesprochen hätten. Derart ausgeprägte Schwindelerscheinungen, auch in Verbindung mit Ängsten vor Stürzen, als dass diese eine ausgeprägtere Mobilitätseinschränkung begründen könnten, seien nicht eindeutig feststellbar gewesen und auch im Gutachten des A1 nicht beschrieben worden, weiter nicht durch den HNO-ärztlichen Befund belegt. Inwieweit demonstrative Tendenzen bei der Pflegebegutachtung eine Rolle gespielt hätten, habe nach Lage der Akten nicht sicher entschieden werden können.

Der Senat hat daraufhin die Akte S 10 P 5214/20 vom SG Stuttgart beigezogen. Diese hat im Wesentlichen nur das vorgenannte Gutachten enthalten, worauf der Berichterstatter die Beteiligten mit Verfügung vom 28. März 2022 hingewiesen hat.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat nachfolgend bei K2 nach ambulanter Untersuchung am 20. Juli 2022 ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten erhoben. Bei der Klägerin hätten eine chronifizierte mittelgradige depressive Episode und der Verdacht auf (V. a.) eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (Einzel-GdB 30 bis 40), eine inkomplette periphere Facialisparese rechts nach Resektion eines rechtsseitigen Akustikneurinoms (Einzel-GdB 20), chronisch-rezidivierende Spannungskopfschmerzen (Einzel-GdB 20), eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts und rezidivierende Dreh- und Schwankschwindelattacken, am ehesten im Rahmen eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels, (Einzel-GdB 10) vorgelegen. Der Gesamt-GdB habe 60 bis 80 betragen. A1 sei von einem Gesamt-GdB von 50 ausgegangen, seitdem habe sich die Symptomatik verschlechtert. Die depressive Symptomatik habe sich chronifiziert und die Schmerzstörung sei hinzugekommen. Hieraus habe sich die Erhöhung des Gesamt-GdB ergeben.

Anamnestisch habe die Klägerin angegeben, die meiste Zeit des Tages zu liegen. Die Symptomatik sei seit 2020 weiter verschlechtert. Permanent habe sie Kopfschmerzen am Hinterkopf; es fühle sich an, als ob jemand mit einem Hammer auf ihren Kopf einschlage. Außerdem leide sie unter starken Dreh- und Schwankschwindelattacken, die zwischen zwei- bis fünfmal täglich aufträten, unter einem Hörverlust rechts, Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich, einer gedrückter Stimmung, einem Antriebsmangel, einem verminderten Freudeempfinden, einer Kraftlosigkeit, einer verminderten Belastbarkeit, einer verminderten Stressresistenz, Aufmerksamkeits- und Konzentrations- wie Gedächtnisstörungen, Ein- und Durchschlafstörungen und einem Taubheitsgefühl der rechten Gesichtshälfte.

Seit 2018 sei sie in dreimonatigen Abständen in psychiatrischer Behandlung bei S3. Stationäre Behandlungen seien bislang weder in psychiatrischer noch in neurologischer Hinsicht erfolgt. 2018 sei eine dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme in B2 durchgeführt worden.

Je nachdem wie es ihr gehe, stehe sie zu unterschiedlichen Zeiten auf, gehe dann ins Bad, frühstücke etwas und mache ihre Übungen. Anschließend sehe sie fern, höre Musik, lege sich hin, gehe in Begleitung ihres Ehemanns oder Sohnes spazieren, jedoch maximal einen Kilometer und nur mit Gehstöcken. Größtenteils übernähmen ihr Ehemann und ihr Sohn den Haushalt, sie helfe beim Kochen. Manchmal lese sie, aber nur für wenige Minuten, weil dann ihre Augen oft mit Sehstörungen reagierten, manchmal sehe sie auch fern. Gegen 22 Uhr gehe sie zu Bett und liege oft zwei bis drei Stunden wach, bis sie einschlafen können.

Beim Romberg-Versuch sei die Klägerin beim Verlust der visuellen Kontrolle nach hinten gestürzt, der Unterberger-Tretversuch sowie erschwerte Gang- und Standprüfungen seien nicht durchführbar gewesen. Hinweise für eine Simulation hätten sich nicht gefunden, auch die im Gutachten des A1 beschriebenen Aggravationstendenzen hätten bei der jetzigen Untersuchung nicht festgestellt werden können.

Der Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage der versorgungsmedizinischen Stellungnahme des H4 entgegengetreten. Der Einzel-GdB von 30 bis 40 für die diagnostizierte mittelgradige depressive Episode und der V. a. eine chronische Schmerzstörung sei nicht hinreichend zu begründen. Eine Verdachtsdiagnose könne nicht in die Bewertung des GdB einfließen, die Therapiemöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Die psychiatrischen Gespräche fänden nur in relativ langen Zeitabständen statt, nämlich nur alle drei Monate, und eine stationäre fachärztliche Behandlung sei bislang nicht erfolgt.  

Zur Berufungsbegründung führt die Klägerin aus, der Beklagte und auch des SG hätten die bei ihr bestehenden Funktionsstörungen unterbewertet. Der GdB betrage 80. Sie verweist auf das Gutachten der K2. Die bisherige Bewertung des Beklagten gehe an der Realität vorbei, da sie aufgrund der bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen so gut wie lebensunfähig sei. Ständig sei sie auf fremde Hilfe angewiesen. Der vom Beklagten anerkannte GdB von 40 stelle schlicht eine Zumutung dar. 

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. März 2021 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 28. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2018 zu verurteilen, ab dem 20. Juli 2017 einen Grad der Behinderung von 80, die Schwerbehinderteneigenschaft und die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit nach § 33b Einkommenssteuergesetz festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf das Gutachten des A1 wie die von ihm zur Vorlage gebrachten versorgungsärztlichen Stellungnahmen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 12. März 2021, mit dem das SG auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Klägerin den Beklagten unter sinngemäßer Abänderung und nicht unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2018 (§ 95 SGG) verpflichtet hat, ab dem 18. Juni 2020 einen GdB von 40 festzustellen, wie die weitergehende Klage auf Feststellung eines höheren GdB, der Schwerbehinderteneigenschaft und der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit bereits ab Antragstellung, dem 20. Juli 2017, abgewiesen hat. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist hingegen, ob das SG den Beklagten zu Recht durch den vorgenannten Gerichtsbescheid zur Feststellung eines GdB von 40 ab dem 18. Juni 2020 verpflichtet hat, da der Beklagte selbst weder Berufung noch Anschlussberufung erhoben hat. Der Gerichtsbescheid vom 12. März 2021 ist demnach insoweit rechtskräftig geworden (§ 141 Abs. 1 SGG). 

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54, Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 28. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2018 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) als der Beklagte auf ihren Antrag vom 20. Juli 2017 bis zum 17. Juni 2020 einen GdB von 20 festgestellt und weitergehende von dieser begehrte Feststellungen abgelehnt hat. Nachfolgend ergibt sich aus dem rechtskräftigen Gerichtsbescheid des SG vom 12. März 2021 (vgl. oben) ein GdB von 40 ab dem 18. Juni 2020.

Nach Auswertung der im Verwaltungs-, im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Unterlagen und Meinungsäußerungen, der sachverständigen Zeugenaussage des H2 sowie der bei A1 und bei K2 erhobenen Gutachten hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats, wie auch des SG, keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, der Schwerbehinderteneigenschaft und der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Das SG hat demnach zu Recht die weitergehende Klage durch Gerichtsbescheid vom 12. März 2021 abgewiesen.


Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX).

Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung ­­– VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2, c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.

Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2, e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB-Werte anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet.
Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG, Teil A, Nr. 3, a). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG, Teil A, Nr. 3, c). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d).

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Einzel- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 13). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Einzel-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Erstantragstellung, dem 20. Juli 2017, mit einem GdB von 20 und ab dem 18. Juni 2020 mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet sind. Ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB, der Schwerbehinderteneigenschaft oder der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit besteht zugunsten der Klägerin nicht.

Führend sind bei der Klägerin die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bestehenden Funktionsstörungen. Diese sind vor dem 18. Juni 2020 mit einem Teil-GdB von 20 und danach mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten.

Nach den VG, Teil B, Nr. 2.4 wird eine einseitige periphere Fazialisparese mit einer kosmetisch nur wenig störenden Restparese mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10, bei einer ausgeprägteren Restparese oder Kontrakturen mit einem Einzel-GdB von 20 bis 30 und bei einer kompletten Lähmung oder ausgeprägten Kontraktur mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet. Ist die komplette Lähmung beidseitig, beträgt der Einzel-GdB 50.

Gemessen hieran wird ein Einzel-GdB von mehr als 20 nicht erreicht. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht der m&i-Fachkliniken
H1 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 28. Februar bis zum 22. April 2017, den der Senat im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 415 ff. Zivilprozessordnung <ZPO>) verwertet, ist unmittelbar nach der Entfernung des Akustikneurinom rechts am 13. Februar 2017 eine ausgeprägte periphere Facialisparese rechts (House Brackmann Grad V) aufgetreten. Bereits innerhalb des maßgeblichen sechs Monats-Zeitraums (VG, Teil A, Nr. 2, f) ist jedoch, wie sich aus dem Bericht des Klinikums S1 über die Vorstellung der Klägerin am 24. August 2017 ergibt, eine wesentliche Besserung eingetreten. Die Facialisparese war nach House Brackmann nur noch dem Grad IV zuzuordnen, die Lidschlussinsuffizienz war bei weiterhin positivem Bell`schem Phänomen nur noch sehr gering, so dass eine Ausschöpfung des Einzel-GdB-Bewertungsrahmens von 20 bis 30 zum damaligen Zeitpunkt nicht begründbar war. Im weiteren Verlauf hat sich die Facialisparese weiterhin verbessert, so hat sie A1 gutachterlich nur noch nach House Brackmann Grad III eingestuft. Auch K2 hat in dem bei ihr nach § 109 SGG erhobenen Gutachten eine höhere Bewertung als mit einem Einzel-GdB von 20 nicht vertreten.

Zusätzlich ist bei der Klägerin eine leichte depressive Anpassungsstörung, wie sie sich für den Senat aus dem Gutachten des
A1 ergibt, mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 ab dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 18. Juni 2020 zu berücksichtigen.      

Nach den insoweit maßgeblichen VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen Einzel-GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen Einzel-GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen Einzel-GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen Einzel-GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017              – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung <SGB V>) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Orientiert an diesen Vorgaben leidet die Klägerin zur Überzeugung des erkennenden Spruchköpers nicht an einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert oder somatoforme Störungen), für die ein Bewertungsrahmen mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 eröffnet ist. Es besteht nur eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung, die unter Ausschöpfung des Bewertungsrahmens mit einem Einzel-GdB von 0 bis 20, mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzen ist.

Gegen eine höhere Berücksichtigung spricht der von A1 gutachterlich erhobene Tagesablauf der Klägerin, aus dem sich noch eine hinreichende Strukturierung und ebenso entsprechende Aktivitäten wie vorhandene soziale Kontakte der Klägerin ergeben, die nicht auf eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit schließen lassen, für die ein GdB-Bewertungsrahmen von 30 bis 40 gegeben ist. So steht die Klägerin selbständig auf, geht dann ins Bad und bereitet ihr Frühstück zu. Dann macht sie eigenständig für 30 bis 45 Minuten ihre Übungen zur Behandlung der Facialisparese, das tägliche Durchführen dieser Übungen lässt auf eine mehr als hinreichende Fähigkeit zur Tagesstrukturierung schließen, sieht anschließend fern oder hört Musik, ist damit zudem zur eigenständigen Mediennutzung in der Lage. Dann geht sie in Begleitung ihres Sohnes oder ihres Ehemanns spazieren, verfügt damit über soziale Kontakte und ist nicht an die Wohnung gebunden. Zwar werden nach ihren Angaben die Haushaltsaufgaben größtenteils von ihrem Sohn oder ihrem Ehemann übernommen, teilweise beteiligt sie sich aber am Kochen und ist damit nicht gänzlich von den Haushaltstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen. Abends sieht sie zusammen mit ihrer Familie fern und ist damit auch insofern sozial integriert, was gegen einen sozialen Rückzug und letztlich gegen eine Höherbewertung des GdB spricht.

Weitergehende GdB-relevante Einschränkungen ergeben sich zur Überzeugung des Senats weder aus dem zur Vorlage gekommenen und urkundsbeweislich berücksichtigten Pflegegutachten aus dem Verfahren S 10 P 5214/20 oder aus der diesbezüglich beigezogenen Verfahrensakten noch aus dem nach § 109 SGG bei K2 im Berufungsverfahren erhobenen Gutachten. Gegenüber K2 hat die Klägerin vielmehr einen Tagesablauf berichtet, der nicht relevant von A1 berichteten abweicht.

Soweit K2 einen Einzel-GdB-Bewertungsrahmen von 30 bis 40 als eröffnet angesehen hat, steht dem entgegen, dass sie sich zur Begründung hierfür auf die Verdachtsdiagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, damit nicht auf eine objektivierte Erkrankung gestützt hat. H4 hat dazu überzeugend versorgungsärztlich ausgeführt, dass allein der Verdacht auf eine Funktionseinschränkung eine Höherbewertung des GdB nicht zu begründen vermag.

Zudem spricht entscheidend gegen die Bewertung mit einem Einzel-GdB von mehr als 20, dass sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt in einer engmaschigen fachärztlichen psychiatrischen und/oder neurologischen Behandlung befunden hat. Wie bereits ausgeführt (vgl. oben), äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Stärke des empfundenen Leidensdrucks aber auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 SGB V) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018                   – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31). Die Klägerin stellt sich hingegen nach ihren Angaben gegenüber K2 lediglich in dreimonatigen Abständen bei S3 zur psychiatrischen Behandlung vor. Stationäre Therapien, welche bei einem Einzel-GdB von 30 bis 40 zu erwarten wären, sind bislang weder in psychiatrischer noch in neurologischer Hinsicht erfolgt.

Die weiteren im vorliegenden Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zu berücksichtigenden Funktionsstörungen, die Schwindelsymptomatik, der Tinnitus und der chronisch rezidivierende Spannungskopfschmerz, begründen jeweils keinen Einzel-GdB von mehr als 10.

Sowohl für den Tinnitus als auch für die Schwindelsymptomatik ergibt sich nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme kein organisches Korrelat, so dass sie im vorliegenden Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zu bewerten sind.

Bei Ohrgeräuschen (Tinnitus) ist nach den VG, Teil B, Nr. 5.3 ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen ein Einzel-GdB-Bewertungsrahmen von 0 bis 10, mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen ein Einzel-GdB von 20, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägte depressive Störungen) ein Einzel-GdB-Bewertungsrahmen von 30 bis 40 und mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein Einzel-GdB von mindestens 50 gegeben.

Über erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen des Tinnitus hat die Klägerin weder gegenüber A1 noch gegenüber K2 berichtet. Maßgeblich gegen eine mehr als leichtgradige funktionelle Störung aufgrund des Tinnitus und damit gegen einen Einzel-GdB von mehr als 10 spricht zudem, dass H2, der die Klägerin behandelnde HNO-Arzt, die Diagnose eines Tinnitus als sachverständiger Zeuge im erstinstanzlichen Verfahren nicht mitgeteilt hat. Die Klägerin hat sich demnach wegen des Tinnitus, dessen Ursache sie als medizinischer Laie nicht eruieren kann, nicht einmal in eine naheliegende fachärztliche Behandlung begeben; woraus wiederum auf keinen Leidensdruck geschlossen werden kann, der bei einem Einzel-GdB von mehr als 10 zu erwarten wäre.

Auch aufgrund der Schwindel- und Kopfschmerzsymptomatik wird ein Einzel-GdB von mehr als 10 nicht erreicht. Schlüssige und überzeugende Gründe für eine Höherbewertung kann der Senat weder dem im Verfahren S 10 P 5214/20 erhobenen Pflegegutachten noch dem Gutachten nach § 109 SGG der K2 entnehmen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 5.3 werden Gleichgewichtsstörungen (Normabweichungen in den apparativ erhobenen neurootologischen Untersuchungsbefunden bedingen für sich allein noch keinen GdB) ohne wesentliche Folgen (beschwerdefrei, allenfalls Gefühl der Unsicherheit bei alltäglichen Belastungen <z. B. Gehen, Bücken, Aufrichten, Kopfdrehungen, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung>, leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen <Schwanken> bei höheren Belastungen <z. B. Heben von Lasten, Gehen im Dunkeln, abrupte Körperbewegungen>, stärkere Unsicherheit mit Schwindelerscheinungen <Fallneigung, Ziehen nach einer Seite> erst bei außergewöhnlichen Belastungen <z. B. Stehen und Gehen auf Gerüsten, sportliche Übungen mit raschen Körperbewegungen>, keine nennenswerten Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen) mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10, mit leichten Folgen (leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallsschritte bei alltäglichen Belastungen, stärkere Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen, leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höherer Belastungsstufe) mit einem Einzel-GdB von 20, mit mittelgradigen Folgen (stärkere Unsicherheit, Schwindelerscheinungen mit Fallneigung bereits bei alltäglichen Belastungen, heftiger Schwindel <mit vegetativen Erscheinungen, gelegentlich Übelkeit, Erbrechen>, bei höheren und außergewöhnlichen Belastungen deutliche Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen bereits auf niedriger Belastungsstufe) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, mit schweren Folgen (heftiger Schwindel, erhebliche Unsicherheit und Schwierigkeiten bereits beim Gehen und Stehen im Hellen und bei anderen alltäglichen Belastungen, teilweise Gehhilfe erforderlich) mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 und bei Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder zu stehen, mit einem Einzel-GdB von 80 bewertet.

Für die Bewertung der Kopfschmerzsymptomatik ist eine Orientierung an den Vorgaben für die Bewertung der echten Migräne (VG, Teil B, Nr. 2.3) angezeigt (VG, Teil B, Nr. 1, b), wonach die echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen bei einer leichten Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) zu einem Einzel-GdB von 0 bis 10, bei einer mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) zu einem Einzel-GdB von 20 bis 40 und bei einer schweren Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) zu einem Einzel-GdB von 50 bis 60 führt.

Unter Berücksichtigung dieser Bewertungsvorgaben wird für die Schwindel- und Kopfschmerzsymptomatik ein höherer Einzel-GdB als 10 nicht erreicht. Gegen eine Höherbewertung spricht, dass nach dem Rehabilitationsentlassungsbericht der m&i-Fachkliniken H1 sowohl der Romberg- als auch der Unterberger-Versuch gut durchführbar waren und damit keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen aufgrund des Schwindels objektiviert werden konnten. Hiermit korrespondierend war die Klägerin in der Lage, selbständig und sicher im Wechselschritt eine Treppe zu besteigen. Auch war sie (tagesformabhängig) als freie Fußgängerin oder mit dem Rollator mobil, Gehstrecken ohne Hilfsmittel waren bis zu 600 Meter möglich. Es sind nur leichte Gleichgewichtsstörungen diagnostiziert worden, das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin war für die von ihr zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Raumpflegerin (Reinigungskraft) mit sechs Stunden und mehr im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche bewertet worden. Über eine Kopfschmerzsymptomatik hat sie zum Zeitpunkt der Rehabilitationsmaßnahme nicht geklagt.

Eine Verschlechterung ist im weiteren Verlauf nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Schlüssig und überzeugend hat A1 gutachterlich die bei der Klägerin bestehenden Verdeutlichungstendenzen herausgearbeitet, die durch den BDI und die Selbstbeurteilungsinstrumente objektiviert sind. So hat die Klägerin beim Hinlegen und Aufstehen von der Untersuchungsliege zwar einen heftigen Schwindel beklagt, hierfür typische physische Zeichen, wie etwa ein Nystagmus, haben aber nicht vorgelegen. Auch ist sie in scheinbar unbeachteten Momenten am Arm ihres Ehemanns sehr viel sicherer gegangen. Muskuläre Atrophien als Zeichen eines schwindelbedingten Mindergebrauchs der Gliedmaßen haben nicht bestanden, was die tatsächliche Wegefähigkeit eindrucksvoll unterstreicht. Unter Ablenkung war der Klägerin auch das freie Stehen sicher möglich, ebenso hat unter ständiger Ablenkung wie auch zum Zeitpunkt der Rehabilitationsmaßnahme in den m&i-Fachkliniken H1
der Romberg-Versuch sicher durchgeführt werden können.

Ebenso überzeugend hat A1 vor diesem Hintergrund auf den sekundären Krankheitsgewinn der Klägerin infolge einer erlernten Hilflosigkeit durch die überprotektive Unterstützung durch ihre Familie, die zu einer erheblichen familiären Zuwendung geführt hat, hingewiesen. Ihr Sohn hat nach den Angaben der Klägerin sogar seine Arbeitsstelle gekündigt, um sie während der Zeit unterstützen und pflegen zu können, in der ihr Ehemann arbeitstätig ist.

Vor diesem Hintergrund sind die gutachterlichen Ausführungen der K2 und das Ergebnis des im Verfahren S 10 P 5214/20 erhobenen Pflegegutachtens, auch hinsichtlich der von der Klägerin beklagten Kopfschmerzsymptomatik, zu relativieren. Sowohl aus dem Pflegegutachten als auch aus dem Gutachten der K2 ergibt sich zwar, dass Aggravatationstendenzen nicht bestanden hätten. Nachvollziehbar begründet ist diese Feststellung in den Gutachten jedoch nicht, insbesondere aufgrund den der K2 bekannten Ausführung des A1 hätte hierzu jedoch Veranlassung bestanden. Darüber hinaus hat auch K2 die Schwindelsymptomatik mit einem Einzel-GdB von lediglich 10 bewertet.

Im Übrigen nimmt die Klägerin auch wegen der Schwindel- und der Kopfschmerzsymptomatik keine engmaschige fachärztliche Behandlung in Anspruch, was aber in Anbetracht des von ihr in den Gutachtenssituationen berichteten enormen Leidensdrucks zwingend zu erwarten wäre (vgl. hierzu auch oben).

Im Funktionssystem „Ohren“ leidet die Klägerin, wie der Senat insbesondere der erstinstanzlichen sachverständigen Zeugenaussage des H2 entnimmt, an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts, die nach den von diesem vorgelegten Ergebnissen der audiometrischen Untersuchungen mit einem Einzel-GdB von 20 (VG, Teil B, Nr. 5.2) zu bewerten ist. Gegen eine Höherbewertung spricht, dass nach dem im Verfahren S 10 P 5214/20 erhobenen Pflegegutachten eine Kommunikation mit ihr in Zimmerlautstärke uneingeschränkt möglich war.

Die weiteren bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen, die arterielle Hypertonie, die Hypothyreose und der Z. n. Embolisation einer spinalen Malformation im BWK 12, führen in den jeweiligen Funktionssystemen „Herz–Kreislauf“, „innere Sekretion und Stoffwechsel“ und „Rumpf“ zu keinem höheren Einzel-GdB als 10
.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 wird eine leichte Form der Hypertonie (keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung <höchstens Augenhintergrundveränderungen>) mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 bewerten. Ein GdB-Bewertungsrahmen von 20 bis 40 wird erst bei einer mittelschweren Form der Hypertonie (mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades <Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I-II – und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie>, diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung) erreicht. Eine solche Organbeteiligung, die einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigt, ist bei der Klägerin hingegen nicht objektiviert.    

Auch infolge der Hypothyreose sind anhaltende Beschwerden nicht nachgewiesen, sodass auch hierfür nach den VG, Teil B, Nr. 15.6 ein Einzel-GdB von mehr als 10 nicht erreicht wird.

Zuletzt bestehen auch im Funktionssystem „Rumpf“ nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme keine Funktionseinschränkungen, die m
it mehr als geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einhergehen (VG, Teil B. Nr. 18.9) und damit einen Einzel-GdB von mehr als 10 rechtfertigen.

Nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB, wonach
von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen, und es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d) wird ein höherer Gesamt-GdB als 40 ab dem 18. Juni 2020 und davor von 20 nicht erreicht.

Der weitere Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft hat ebenso keinen Erfolg, da nach § 2 Abs. 2 SGB IX Voraussetzung hierfür ein Gesamt-GdB von 50 ist, der nicht erreicht wird.

Zuletzt hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Unabhängig davon, dass hierfür seit der Änderung des § 33b EStG ab dem 15. Dezember 2020 keine Rechtsgrundlage mehr besteht (vgl. auch BR-Drucks. 432/20 S. 10), haben nach den obigen Ausführungen auch für den Zeitraum davor die entsprechenden Voraussetzungen bei einer lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Schwindelsymptomatik zur Überzeugung des Senats nicht vorgelegen. 

 
Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Meinungsäußerung, sachverständigen Zeugenaussagen und die bei A1 und K2 erhobenen Gutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Eine weitere Beweiserhebung war deshalb nicht durchzuführen. Bei einer solchen würde es sich vielmehr um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln, mithin um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).    

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.




 

Rechtskraft
Aus
Saved