L 11 BA 3282/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 BA 1532/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 BA 3282/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Geschäftsführer einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ein eingetragener Verein ist, ist abhängig beschäftigt. Der Umstand, dass der GmbH-Geschäftsführer auch alleinvertretungsberechtigtes Mitglied des aus drei Personen bestehenden Vereinsvorstandes ist, begründet keine selbstständige Tätigkeit.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.09.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand

Streitgegenstand ist die im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der G1 (im Folgenden: Beigeladene) gegenüber dem Kläger getroffene Feststellung, dieser sei im Zeitraum vom 13.01.2014 bis 28.07.2015 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Im Jahre 2013 gründete sich der (im Folgenden: der Verein). Die Satzung des Vereins vom 27.08.2013 in der Fassung vom 05.11.2013 lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1 Name und Sitz

Der Verein führt den Namen
Er soll in das Vereinsregister eingetragen werden und trägt dann den Zusatz „e.V.“
Der Sitz des Vereins ist M1.

(…)

§ 3 Zwecke des Vereins

Zweck des Vereins ist die Förderung von Maßnahmen und Projekten, die der Wiederaufnahme des Linien- oder linienähnlichen Flugbetriebes von und nach M1 und in die Metropolregion R1 dienen. (…)

§ 4 Mitgliedschaft

Mitglied des Vereins kann jede natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung werden, die bereit ist, die Ziele des Vereins zu fördern. (…)

Die Mitgliedschaft beträgt mindestens 12 Monate und verlängert sich um jeweils weitere 12 Monate, wenn diese nicht vom Vereinsvorstand durch Mehrheitsbeschluss oder vom Mitglied gekündigt wird, vorbehaltlich der Sonderrechte gem. § 4 Abs. 12 der Satzung.

Außer durch Kündigung endet die Mitgliedschaft durch Tod oder Ausschluss aus dem Verein, bei juristischen Personen mit deren Auflösung.

Handelt ein Mitglied den Zwecken des Vereins zuwider oder ist es mit dem Mitgliedsbeitrag trotz zweifacher Mahnung in Verzug, so kann der Vorstand den sofortigen Ausschluss des Mitgliedes beschließen. (…)

Gründungsmitglieder sind von der Beitragspflicht befreit.

(…)

§ 7 Vorstand

Der Vorstand des Vereins besteht aus dem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern, die den Verein gerichtlich und außergerichtlich jeweils allein vertreten. (…)

Der Vorstand hat, bevor er für den Verein Verpflichtungen eingeht, über diese im Rahmen einer Vorstandssitzung zu beschließen. (…)

Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung des Vereins auf die Dauer von drei Jahren (…) gewählt. (…) Zu Vorstandsmitgliedern können nur die Gründungsmitglieder oder ordentliche Mitglieder des Vereins gewählt werden.

Nach Beendigung der ordentlichen Mitgliedschaft im Verein endet auch das Amt eines Vorstandsmitgliedes. (…) Die Abberufung des Vorstands im Sinne von § 27 Abs. 2 BGB kann nur aus wichtigem Grund erfolgen.

(…)

§ 9 Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung ist das oberste Vereinsorgan. (…)

Die Mitgliederversammlung ist für folgende Angelegenheiten zuständig:
- Wahl und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes.
- Beschlussfassung über Satzungsänderung. (…)

Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen. (…)

Die Mitgliederversammlung des Vereins wählte einen Vorsitzenden sowie zwei stellvertretende Vorsitzende, hierunter den Kläger. Die entsprechende Eintragung ins Vereinsregister erfolgte am 14.11.2013. Am 29.11.2013 beurkundete der Kläger als Vertreter des Vereins vor dem R2 in S1 die Gründung der beigeladenen GmbH (Eintragung im Handelsregister B des Amtsgerichts Mannheim, 13.01.2014). In der sofort abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden er und E1 zu Geschäftsführern bestellt und hinsichtlich ihrer Vertretungsberechtigung auf den Gesellschaftsvertrag (Satzung) verwiesen.  Der Gesellschaftsvertrag vom 02.12.2013 lautet auszugsweise wie folgt:

(…)

§ 2 Gegenstand

(1) Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Wideraufnahme des Linienflugbetriebs sowie die Einrichtung eines Bedarfsluftverkehrs zu festen Zeiten auf dem M1. (…)

§ 3 Stammkapital

(1) Das Stammkapital beträgt € 25.000,00 (…)
(2) Hierauf übernimmt der Verein zur Förderung der Wideraufnahme des Linienflugbetriebs auf dem Cityairport M1 e.V. in M1 einen Geschäftsanteil (…) im Nennbetrag von € 25.000,00.

(…)

§ 6 Geschäftsführung

(1) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Weisungen der Gesellschafter zu befolgen, insbesondere eine von den Gesellschaftern aufgestellte Geschäftsordnung zu beachten und von den Gesellschaftern als zustimmungspflichtig bezeichnete Geschäfte nur mit deren Zustimmung vorzunehmen.
(2) Die Geschäftsführer bedürfen zu folgenden Rechtsgeschäften und Maßnahmen der vorherigen Zustimmung des Beirats (im Innenverhältnis): (…)

§ 7 Vertretung

(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich oder von einem Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.
(2) Durch Gesellschafterbeschluss kann einzelnen Geschäftsführern die Befugnis zur Alleinvertretung und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden.

§ 8 Beirat

(1) Die Gesellschaft hat einen Beirat. (…)
(2) Dem Beirat stehen alle Aufgaben und Rechte zu, die ihm durch das Gesetz, den Gesellschaftsvertrag oder in sonstiger Weise zugewiesen werden. Er hat insbesondere die Geschäftsführung zu beraten und zu überwachen. (…)

In der Folgezeit stellte der Kläger der A1 GmbH eine monatliche, als „Honorar“ bezeichnete Vergütung für die Tätigkeit als Geschäftsführer in Höhe von 2.500,00 € nebst Umsatzsteuer in Rechnung. Am 28.07.2015 erfolgte der Eintrag über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der beigeladenen GmbH ins Handelsregister.

Mit Bescheid vom 13.12.2018 - gerichtet an die Beigeladene, dem Kläger bekanntgegeben - teilte die Beklagte mit, die sich aus einer für den Prüfzeitraum vom 13.01.2014 bis 31.12.2017 stichprobenweise durchgeführten Betriebsprüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 32.023,72 €. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge in Höhe von 10.664,50 € enthalten. Die Beklagte führte zur Begründung aus, im Rahmen der Betriebsprüfung sei der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers als ehemaliger Fremdgeschäftsführer der Beigeladenen überprüft worden. Der Kläger sei kapitalmäßig nicht an der Gesellschaft beteiligt gewesen. Er sei daher als Fremdgeschäftsführer zwingend der Kontrolle der Gesellschafter der GmbH unterlegen, die die maßgebliche Rechtsmacht besessen hätten. Dies habe Sozialversicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie auch die Umlagepflicht zur Insolvenzgeldumlage zur Folge. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, sei für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 v.H. zu zahlen (§ 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gelte dies nach § 24 Abs. 2 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit des Klägers hätten im Einzugsstellen- und/oder Anfrageverfahren zweifelsfrei geklärt werden können. Der Arbeitgeber habe sich sorgfältig über die Rechtslage zu informieren und gegebenenfalls kundigen Rat einzuholen sowie im Zweifel die zuständige Einzugs- bzw. Clearingstelle einzuschalten. Dies sei in der Vergangenheit nicht praktiziert worden. Der Anlage „Berechnung der Beiträge“ zum Bescheid ist zu entnehmen, dass sich die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf einen Beschäftigungszeitraum vom 13.01.2014 bis 28.07.2015 bezieht.

Der Kläger und die Beigeladene legten hiergegen am 04.01.2019 bzw. 08.01.2019 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, der Kläger sei kein klassischer Fremdgeschäftsführer gewesen. Er habe vielmehr als Vorstandsmitglied des Trägervereins der GmbH diese selbst gegründet und das Unternehmen daher nach eigenem Gutdünken geleitet. Aufgrund seiner Tätigkeit als Vorstand des Trägervereins habe seiner Tätigkeit für die GmbH angesichts der Rechtsmachtverteilung auch nicht ohne seine Zustimmung jederzeit ein Ende gesetzt werden können. Die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer der Beigeladene habe aufgrund der Stellung des Klägers im Trägerverein zwingend dessen Zustimmung bedurft, so dass schon deshalb eine Selbstständigkeit zu bejahen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 16.07.2019 berichtigte die Beklagte daraufhin eine im angefochtenen Bescheid unterlaufene Doppelberücksichtigung des Entgelts für Januar 2015, wodurch sich die Nachforderung auf 30.547,47 € (davon 10.184,50 € Säumniszuschläge) reduzierte. Im Übrigen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheiden vom 14.05.2020, jeweils gerichtet an den Kläger und die Beigeladene, zurück. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV seien in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften Personen versichert, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien. Beschäftigung in diesem Sinne sei nach § 7 SGB IV die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Beschäftigter sei, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei der Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Diese Weisungsgebundenheit könne - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber werde eine selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Bei der Beurteilung, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, sei darauf abzustellen, welche Merkmale überwögen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimme. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne seien die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlaubten. Hierzu gehöre unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich sei die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert werde, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig sei. Bei der statusrechtlichen Beurteilung sei auf die jeweils zustehende abstrakte Rechtsmacht abzustellen. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH sei weder aufgrund seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübe. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübe, könne seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend sei vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Insoweit sei von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter sei, aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH habe und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern könne. Darüber hinaus sei von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich sei, dass ihm nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen seien und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen könne. Ohne den Besitz von Geschäftsanteilen an der beigeladenen GmbH habe dem Kläger gegenüber indes ein grundsätzliches Bestimmungsrecht durch deren Gesellschafter bestanden. Hieran ändere auch der Umstand, dass er in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Einfluss auf die GmbH habe nehmen können, nichts.

Am 18.06.2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, auf Betreiben verschiedener Unternehmen aus der R1-Region sei 2013 vom Verein zur Förderung der Wiederaufnahme des Linienflugbetriebs auf dem M1 e.V. die beigeladene GmbH gegründet worden. Er sei als Gründungsmitglied und alleinvertretungsberechtigter Vorstand des Vereins sowie gleichzeitiger Geschäftsführer des Tochterunternehmens des Vereins rechtlich und tatsächlich weisungsfrei im Tochterunternehmen tätig gewesen. Nach der Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Statusbeurteilung von Geschäftsführern einer GmbH durch die Urteile vom 07./08.07.2020 sei die Frage, ob eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft vorliege, nicht mehr der entscheidende Punkt. Die Rechtsmacht des Geschäftsführers in der Gesellschaft könne auch daraus resultieren, dass der Geschäftsführer kraft seiner Stellung in einer anderen Gesellschaft in der Lage sei, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Die Mitglieder des Vereins könnten den Vorstand zwar abberufen, aber, solange dieser Vorstand sei, keinerlei Einfluss auf seine Tätigkeit in der Gesellschafterversammlung des Tochterunternehmens ausüben.
 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend darauf hingewiesen, das Amt, welches der Kläger im Förderverein innegehabt habe, könne keinen Einfluss auf die sozialversicherungspflichtige Beurteilung der Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen haben. Denn andernfalls würde ein eventuelles Ausscheiden aus dem Amt im Förderverein oder selbst eine Neuregelung der dortigen Kompetenzen zu einer unmittelbaren Änderung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Geschäftsführers der Beigeladenen führen. Der Vorstand des Trägervereins habe im Auftrag der Vereinsmitglieder als ausübendes Organ den Vereinszweck zu verfolgen gehabt. Ein Handeln des Vorstands nach Gutdünken sei nicht möglich. Den Vereinsmitgliedern stehe auch die Möglichkeit offen, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu erzwingen und durch Mitgliederbeschluss den Vorstand durch Vorgaben zu binden bzw. sogar Neuwahlen zu erzwingen. § 34 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schließe eine Stimmberechtigung des betroffenen Vereinsmitglieds sogar aus, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines ihn und den Verein betreffenden Rechtsgeschäfts betreffe. Darüber hinaus sei der Kläger lediglich stellvertretender Vorsitzender in einem aus insgesamt drei Personen bestehenden Vorstand des Trägervereins gewesen. Ihm sei es damit trotz seines Amtes in dem Verein nicht möglich gewesen, sämtliche ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern.

Mit Beschluss vom 10.02.2021 hat das SG die A1 GmbH gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beigeladene hat ausgeführt, der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt eine in einem fremden Unternehmen tätige abhängig beschäftigte Person gewesen. Ohne seine Zustimmung seien eine Absetzung als Mitgeschäftsführer und eine Beendigung des Geschäftsführervertrags nicht möglich gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.09.2021 abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene im Zeitraum vom 13.01.2014 bis 28.07.2015 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, und die hierfür anfallenden Sozialversicherungsbeiträge nebst den dem Grunde und der Höhe nach den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Säumniszuschlägen nachgefordert. Zwar habe das BSG u.a. mit Urteil vom 08.07.2020 (B 12 R 2/19 R) entschieden, eine abhängige Beschäftigung eines Geschäftsführers einer GmbH könne auch kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft ausgeschlossen sein, wenn die Rechtsmacht des Geschäftsführers im Gesellschaftsrecht wurzele, durch Gesellschaftsvertrag geregelt sei und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlage. Ein Verein sei jedoch keine Gesellschaft. Gesellschaftsrechtlich begründete Rechtsmacht könne dem Vorstandsmitglied eines Vereins daher schon aus diesem Grunde nicht zukommen. So sei der Kläger zwar gemäß § 7 der Satzung des Trägervereins für drei Jahre gewählt und das Recht der Mitgliederversammlung zu seiner Abberufung im Sinne von § 27 Abs. 2 BGB war auf den Fall eines wichtigen Grundes beschränkt worden. Das Amt eines Vorstandsmitglieds ende jedoch auch nach Beendigung der ordentlichen Mitgliedschaft im Verein. Die Mitgliedschaft betrage gemäß § 4 der Satzung mindestens zwölf Monate und verlängere sich jeweils um weitere zwölf Monate, wenn diese nicht vom Vereinsvorstand durch Mehrheitsbeschluss oder vom Mitglied gekündigt werde. Außer durch Kündigung ende die Mitgliedschaft u.a. bei Ausschluss aus dem Verein. Handele ein Mitglied den Zwecken des Vereins zuwider oder sei es mit dem Mitgliedsbeitrag trotz zweifacher Mahnung in Verzug, so könne der Vorstand den sofortigen Ausschluss des Mitglieds - mit der Folge des Verlusts seines Amtes im Vorstand - beschließen. Der Vorstand des Vereins wiederum bestehe gemäß § 7 der Satzung aus dem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern, die jeweils alleinvertretungsberechtigt seien. Auch oblägen sämtliche Geschäfte, laufende Verwaltung sowie die Durchführung sämtlicher Vereinsangelegenheiten dem Vorstand. Der Vorstand habe, bevor er für den Verein Verpflichtungen eingehe, über diese im Rahmen einer Vorstandssitzung zu beschließen. Für die Stellung des Klägers im Trägerverein der Beigeladenen ergebe sich aus diesen Bestimmungen der Satzung des Trägervereins Folgendes: Zum einen sei der Kläger schon deshalb nicht etwa mit dem Mehrheitsgesellschafter einer Muttergesellschaft zu vergleichen, weil er eben nicht eine gesellschaftsvertraglich begründete Rechtsmacht in einer Muttergesellschaft besessen habe, sondern lediglich ein Vorstandsamt in einem Verein, der letztlich von den die Mitgliederversammlung bildenden Mitgliedern getragen werde. Nicht der Kläger allein habe den Entschluss gefasst und umgesetzt, eine Wiederaufnahme des Linienflugbetriebes auf dem Flugplatz in Mannheim zu ermöglichen, sondern eine Reihe von Gesellschaftern, darunter nicht nur natürliche Personen, sondern auch an einem solchen Flugbetrieb interessierte Unternehmen aus dem Rhein-Neckar-Raum. In letzter Konsequenz sei der Kläger in seiner Stellung als Geschäftsführer der Beigeladenen damit von der den Mitgliedern des Trägervereins zustehenden Rechtsmacht abhängig. Selbst wenn man die von der Satzung des Vereins ausgeformte starke Stellung des Vorstandes des Trägervereins gegenüber der Mitgliederversammlung als weitgehende Weisungsfreiheit interpretiere, ändere sich im Ergebnis nichts an der Stellung des Klägers als abhängig beschäftigt. Der Kläger sei nämlich nur eines von drei Vorstandsmitgliedern gewesen. Mangels abweichender konkreter Regelungen sei ihm damit bei der Beschlussfassung innerhalb des Vorstandes des Trägervereins lediglich ein Gewicht von einem Drittel zugekommen, er habe somit jederzeit von den beiden anderen Mitgliedern des Vereinsvorstandes überstimmt werden können. Weisungen aufgrund einer Mehrheitsentscheidung im Vorstand des Trägervereins gegenüber ihm als Geschäftsführer der Beigeladenen habe der Kläger also nicht verhindern können, ebenso wenig seine Abberufung aus wichtigem Grund oder auch den Ausschluss aus dem Trägerverein mit der Folge des Wegfalls des Vorstandsamtes unter den oben beschriebenen, in der Satzung geregelten Voraussetzungen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 27.09.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.10.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es sei völlig unerheblich, dass das Amt eines Vorstandsmitgliedes nach der Beendigung der Mitgliedschaft im Verein ende. Auch eine Gesellschafterstellung könne jederzeit enden und in entsprechenden Fällen auch gegen den Willen des Gesellschafters. Weisungen aufgrund einer Mehrheitsentscheidung im Vorstand habe er dadurch verhindern können, dass er diese Weisung im selben Augenblick schlicht aufgehoben habe. Der Vorstand habe nur Vorstandsbeschlüsse fassen können und müssen, sofern er Verpflichtungen für den Verein eingegangen sei. Solange der Kläger Vorstandsmitglied gewesen sei, habe er eine rechtliche Stellung innegehabt, die zwar nicht gesellschaftsrechtlich, jedoch körperschaftsrechtlich vermittelt und die einem Mehrheitsgesellschafter einer Muttergesellschaft völlig vergleichbar gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.09.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2020 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer bei der Beigeladenen im Zeitraum 13.01.2014 bis 28.07.2015 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch statthaft. Ein Ausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben.

2. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2020 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen im Zeitraum vom 13.01.2014 bis 28.07.2015 als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Dabei wendet sich der Kläger allein gegen die Feststellung der Versicherungspflicht, nicht jedoch gegen die gegenüber der Beigeladenen festgesetzten Beiträge und Säumniszuschläge.

a) Rechtsgrundlage ist § 28p Abs. 1 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.11.2016. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers (hier des Klägers) als Drittbetroffener einzugreifen. Die Beklagte kann somit entweder den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen, bekanntgeben. Sie kann aber ebenso unter Bezugnahme auf die Betriebsprüfung einen zwar formell, aber nicht materiell eigenständigen Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen erlassen (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr. 4, SozR 4-2400 § 7 Nr. 23, Rn. 2; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg 12.08.2002, L 1 KR 66/02, juris; Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2023, § 28p Rn. 241 ff. m.w.N.).

b)
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG 07.06.2019, B 12 R 6/18 R, juris Rn. 13 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss 20.05.1996, 1 BvR 21/96, juris Rn. 6).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, juris Rn. 22 m.w.N.).

Trotz seiner Organstellung gemäß § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz ist ein GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich abhängig Beschäftigter (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des BSG zum sog. „Fremdgeschäftsführer“ zuletzt etwa BSG 23.02.021, B 12 R 18/18 R, juris Rn. 15; BSG 19.09.2019, B 12 R 25/18 R, BSGE 129, 95-106 m.w.N.). Dies gilt auch, obwohl er regelmäßig bestimmendes Organ der Gesellschaft ist. Denn auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene unterliegt er den Weisungen der Gesellschafterversammlung, die zwar nicht das Tagesgeschäft, aber die gesellschaftsrechtlichen und damit unternehmerischen Geschicke der GmbH bestimmen (vgl. hierzu
§§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 1, 46 Nr. 5 und 6 GmbHG). Dass Geschäftsführer im Hinblick auf das tägliche Geschäft von den Gesellschaftern keine Weisungen erhalten, entspricht ihrer vorgegebenen Stellung im Unternehmen. Die Position eines GmbH-Geschäftsführers kann sich jedoch dann ändern, wenn er in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Mitgesellschafter auch maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Einzelweisungen, die an ihn in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer gerichtet sind, im Bedarfsfalle jederzeit verhindern kann. So liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (z.B. BSG 24.09.1992, 7 RAr 12/92, juris Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingesellschafter ist (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris Rn. 23 m.w.N.), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 15) und wenn der Geschäftsführer über eine qualifizierte Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (z.B. BSG 23.02.2021, B 12 R 18/18 R, juris Rn. 15; BSG 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 21 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten selbst dann, wenn alle Gesellschafter der GmbH zugleich Geschäftsführer sind (BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, juris). Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung in diesem Sinne hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen (sog. „Kopf und Seele“-Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung hat der für Statusentscheidungen zuständige 12. Senat des BSG inzwischen zu Gunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R, juris Rn. 26, 30, sowie BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, juris Rn. 31).

Vorliegend war der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Gesellschafter der Beigeladenen, sondern lediglich ein (stell­ver­tretendes) Vorstandsmitglied (von insgesamt dreien) des (einzigen) Gesellschafters. Auch an der Gesellschafterin, dem Verein, war er nicht beteiligt. Er verfügte mithin über keinerlei Kapitalbeteiligung an der beigeladenen GmbH sowie dem Gesellschafter (Verein) und trug damit auch keinerlei unternehmenstypisches Risiko. Er war damit nicht in seinem „eigenen“ Unternehmen, sondern einem fremden Betrieb tätig. Er war in den Betrieb der Beigeladenen in funktionsgerecht dienender Teilhabe eingliedert. Eine gesellschafts­rechtliche Position, mit der er fremde Weisungen von sich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH verhindern hätte können, hatte der Kläger damit nicht inne (so auch Schleswig-Holsteinisches LSG 24.02.2010, L 5 KR 3/09, juris Rn. 26).

So war zunächst die grundlegende Entscheidungsbefugnis des Gesellschafters in Geschäftsführungsangelegenheiten nicht beschränkt. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Bestimmung, die Einzelweisungen an den Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss untersagt. Vielmehr war der Kläger nach § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages satzungsrechtlich verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten. Darüber hinaus wurde die Tätigkeit des Geschäftsführers gemäß § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom Beirat überwacht, welcher den in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages beschriebenen Rechtsgeschäften und Maßnahmen zustimmen musste. Damit war der Kläger im hier streitigen Zeitraum nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des BSG (vgl. oben) als Fremdgeschäftsführer abhängig beschäftigt und nicht selbstständig tätig, da er ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft nicht verhindern konnte.

Hieran ändert auch seine Position als stellvertretendes Vorstandsmitglied des Gesellschafters nichts. Der Vorstand des Gesellschafters (Verein) ist nicht dessen einziges notwendiges Organ, sondern von einem anderen Organ abhängig (vgl. BSG 23.02.2021, B 12 R 15/19 R, BSGE 131, 266). Auch wenn der Kläger nach der Vereinssatzung berechtigt war, den Verein gerichtlich und außergerichtlich allein zu vertreten, ist oberstes und zwingend notwendiges Beschlussorgan eines eingetragenen Vereins die Mitgliederversammlung (vgl. § 9 der Vereinssatzung; §§ 27 Abs. 1 und 2, 36, 37 BGB). Durch ihren Beschluss erfolgt die im Grundsatz jederzeit widerrufliche Bestellung des Vorstandes (vgl. § 32, § 27 Abs. 1 und 2 BGB). Auch wenn die Abberufung des Vorstands vorliegend in § 7 Abs. 6 Satz 3 der Vereinssatzung auf den Fall beschränkt wurde, dass ein wichtiger Grund hierfür vorliegt, kann der Kläger eine Abberufung in diesem Fall nicht verhindern, da er in der Mitgliederversammlung keine Mehrheit hat. Weiterhin ist zu beachten, dass der Vorstand eines Vereins, vorliegend bei der Ausübung der Rechte und Pflichten als Gesellschafter der beigeladenen GmbH, nicht nach eigenem Gutdünken frei schalten und walten kann, sondern an den von der Mitgliedversammlung vorgegebenen Vereinszweck gebunden ist (vgl. § 27 BGB; ferner zu § 27 Abs. 3 BGB bei einer Stiftung BSG 23.02.2021, B 12 R 15/19 R, BSGE 131, 266). Hinzu kommt, dass neben dem Kläger dem Vorstand des Gesellschafters noch ein Vorsitzender und ein weiterer Stellvertreter angehörten. Gemäß § 28 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB entscheidet bei der Beschlussfassung des Vorstandes die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, so dass der Kläger als ein Vorstandsmitglied im Vorstand über keine Mehrheit verfügte. Auch ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden - ebenso wie der Kläger - im Außenverhältnis allein vertretungsberechtigten Vorsitzenden des Vereins nicht in der Lage gewesen sollten, ihre Vertretungsrechte für den Alleingesellschafter der Beigeladenen wahrzunehmen. Unter diesen Umständen unterscheidet sich die vorliegende Konstellation maßgeblich von der statusrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern einer GmbH, die mit jeweils 50 v.H. am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind und kraft ihrer Kapitalbeteiligung und gesellschaftsrechtlichen Stellung ihnen nicht genehme Weisungen verhindern können (BSG 04.04.2018, B 12 KR 51/17 B, juris Rn. 18).

Schließlich wird die Annahme von Beschäftigung durch die Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit bestätigt. So erhielt der Kläger insbesondere unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der GmbH eine feste Monatsvergütung nebst Reisekosten- und Fahrtkostenerstattung.   

Der Kläger ist auch nicht versicherungsfrei in den Zweigen der Sozialversicherung. Denn er erhielt für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen ein Arbeitsentgelt von ca. 2.500,00 € monatlich und lag damit über der Grenze der Entgeltgeringfügigkeit von 450,00 € (vgl. § 8 Abs. 1 SGB IV in der Fassung vom 05.12.2012).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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