L 10 SF 972/23 E

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 SF 972/23 E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Wendet sich der Kläger nach Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG gegen eine Nachforderung weiterer Kosten, so ist die Erinnerung nach § 178 SGG statthafter Rechtsbehelf, eine Erinnerung nach GKG findet nicht statt.
2. Von einer Kostenerhebung ist unter analoger Anwendung von § 21 GKG dann abzusehen, wenn ein Gutachten unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht oder der Sachverständige gegen § 8a Abs. 4 JVEG verstößt.

Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen die Entscheidung der Kostenbeamtin vom 22.03.2023 wird zurückgewiesen.


Gründe


I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Ansatz der Kostenbeamtin beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vom 22.03.2023, wonach er zu weiteren 595,30 € herangezogen wird.

Der Erinnerungsführer begehrte als Kläger in dem beim LSG Baden-Württemberg anhängig gewesenen Verfahren L 9 U 3899/21 die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.06.2017 sowie die Gewährung von Verletztengeld. In diesem Verfahren beantragte er nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Einholung eines Gutachtens bei H1. Hierfür entrichtete er einen angeforderten Vorschuss i.H.v. 2.500 €. H1 regte die Einholung eines radiologischen Zusatzgutachtens an, wofür mit zusätzlichen Kosten i.H.v. 600 bis 1.200 € zu rechnen sei. Der Erinnerungsführer erklärte sich hiermit einverstanden und entrichtete einen weiteren angeforderten Vorschuss i.H.v. 1.200 €.

H1 erstattete am 20.01.2023 das Sachverständigengutachten, E1 am 13.01.2023 das radiologische Zusatzgutachten. E1 machte mit Rechnung vom 16.01.2023 einen Betrag i.H.v. 1.316,13 € geltend, H1 berechnete mit Schreiben vom 20.01.2023 2.979,17 €; die Vergütungen wurden in voller Höhe gezahlt. Mit Verfügung vom 22.03.2023 forderte die Kostenbeamtin den Erinnerungsführer auf, die den Vorschuss i.H.v. 3.700 € übersteigenden Kosten von 595,30 € nachzuzahlen.

Nach Rücknahme der Berufung lehnte der 9. Senat mit Beschluss vom 30.03.2023 die Übernahme der Kosten für die Gutachten des H1 und des E1 nach § 109 SGG auf die Staatskasse ab. Die Gutachten hätten nicht zu einem Prozesserfolg des Klägers beigetragen und auch keinen wesentlichen Beitrag zur weiteren Sachaufklärung geleistet.

Mit Schreiben vom 29.03.2023 hat sich der Erinnerungsführer gegen den Kostenansatz vom 22.03.2023 gewandt, ohne dies näher zu begründen.

II.

Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

Bei dem Antrag handelt es sich um eine Erinnerung nach § 178 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 109 Rn. 21; Thüringer LSG 23.12.2021 - L 1 SF 477/21 E; LSG Baden-Württemberg 30.04.2015 - L 12 KO 1307/13, zitiert - wie auch die nachfolgende Rechtsprechung - nach juris). Eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) kommt nicht in Betracht. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG findet das GKG Anwendung, soweit das SGG die Anwendung des GKG bestimmt. Zwar wird nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG das GKG für anwendbar erklärt, jedoch nur in den Fällen, in denen weder der Kläger noch der Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend gerade nicht, da für den Kläger als Versicherten in einem Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung das Verfahren nach § 183 Satz 1 SGG kostenfrei ist.

Nach § 178 SGG kann gegen die Entscheidungen der Urkundsbeamtin binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Kostenrechnung vom 22.03.2023, mit der die Kostenbeamtin weitere Kosten i.H.v. 595,30 € von ihm fordert. In gerichtskostenpflichtigen Verfahren wäre ein Anspruch des Erinnerungsführers auf Nichterhebung von Kosten aus § 21 GKG zu prüfen. Für Kosten nach § 109 SGG kennt das SGG eine vergleichbare Regelung nicht. Eine direkte Anwendung von § 21 GKG scheitert bereits daran, dass es sich bei Kosten, die für ein Gutachten nach § 109 SGG anfallen und die von dem Kläger endgültig zu tragen sind, nicht um Gerichtskosten im Sinne des GKG handelt. Zum einen ist das GKG mangels Verweis in § 109 SGG für diese Kosten nicht anwendbar. Zum anderen fallen sie gerade in gerichtskostenfreien Verfahren an und werden weder von der Kostenentscheidung nach § 193 SGG erfasst, noch wird für sie Prozesskostenhilfe gewährt (§ 73a Abs. 3 SGG). Da es sich um Kosten in einem gerichtlichen Verfahren handelt, ist § 21 GKG jedoch analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, da § 109 SGG keine Regelung darüber enthält, wie die Kosten für ein Gutachten gegenüber dem Kläger konkret geltend gemacht werden (Thüringer LSG 23.12.2021 - L 1 SF 477/21 E; LSG Baden-Württemberg 30.04.2015 - L 12 KO 1307/13).

§ 21 Abs. 1 GKG ermöglicht, Kosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Von der Kostenerhebung ist nach dieser Vorschrift nur dann abzusehen, wenn ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 04.04.2023 - L 10 SF 230/23 E-B; Bundessozialgericht - BSG - 30.07.2021, B 5 SF 12/21 S), ein Gutachten unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (vgl. Hartmann in Hartmann, Kostengesetze online, Stand 11/22, GKG § 21 Rn. 24) oder wenn das Gericht dem Sachverständigen eine Vergütung zahlt, auf die dieser bei richtiger Behandlung der Sache keinen Anspruch gehabt hätte.

Im Verfahren L 9 U 3899/21 ist - nach Erhöhung auf Hinweis von H1 - ein Kostenvorschuss i.H.v. insgesamt 3.700 € angefordert worden. Für Haupt- und Zusatzgutachten ist ein Betrag von insgesamt 4.295,30 € als Vergütung geltend gemacht worden. Ein Verstoß des Sachverständigen gegen § 8a Abs. 4 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG), wonach er bei einer erheblichen Überschreitung des angeforderten Auslagenvorschusses (erneut) gehalten gewesen wäre, rechtzeitig auf diesen Umstand hinzuweisen, liegt nicht vor. Als erheblich anzusehen ist nur eine Überschreitung des Kostenvorschusses von mindestens 20%, die hier nicht vorliegt (Weber in Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., JVEG § 8a Rn. 66 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 12.05.2020 - L 10 KO 1418/20; Thüringer LSG 15.04.2019 - L 1 SF 576/18 E; LSG Baden-Württemberg 27.06.2017, L 12 SF 4975/15 E-B; auch der Gesetzgeber geht von einer Erheblichkeitsgrenze bei 20% aus, BT-Drs. 17/11471, S. 260). Der Erinnerungsführer ist mit der Anforderung des Vorschusses ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er Mehrkosten zu tragen hat. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Abrechnung durch die Sachverständigen nicht den Vorgaben des JVEG entspricht und in der geforderten Höhe kein Anspruch auf die Vergütung bestand. Daher kann der Betrag i. H.v. 595,30 € von dem Erinnerungsführer nachgefordert werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178 SGG).




 

Rechtskraft
Aus
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