L 10 R 246/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1832/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 246/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Für die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist nicht die Bezeichnung der Tätigkeit entscheidend, sondern der Inhalt.
2. Bei Gruppenkursen im Fitness- und Gesundheitsbereich steht die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen im Vordergrund, auch wenn auf gesundheitliche Probleme einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer Rücksicht genommen und auf diese eingegangen wird. Zur Abgrenzung zwischen beratenden und lehrenden Tätigkeiten.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.12.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.


Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbständige Lehrerin sowie die Festsetzung von Pflichtbeiträgen ab 26.06.2013.

Die Klägerin ist neben ihrer abhängigen Beschäftigung in Teilzeit zusätzlich als Sport- und Gymnastiklehrerin, Sporttherapeutin sowie Personal-Trainerin tätig. Sie hat eine Personal-Trainer B-Lizenz (S. 49 Verwaltungsakte – VerwA) und zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. in den Bereichen Nordic Walking, Indoor Cycling, Yoga, Pilates, Aerobic, Tubing, Thai Bo, Power Plate sowie jeweils zweitägige Fortbildungen zum KIDS Adipositastrainer und für das entsprechende Programm für Erwachsene MOBILIS (S. 32 ff. VerwA). Sie gibt Kurse und Einzeltrainings in verschiedenen Fitnessstudios (L1 H2, e1 club E2 und bis Dezember 2021 zusätzlich D1 Sports M2) und auch bei Kunden der Fitness-Studios, z.B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und führt die Bewegungseinheiten in den Programmen KIDS und MOBILIS durch. Sie beschäftigt keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2016 (S. 89 VerwA) fest, dass die Tätigkeit als Kursleiterin und im Bereich Einzelcoaching bei Go for Life (Fitnessstudio L1) seit dem 26.06.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

Die Beklagte prüfte im Anschluss das Vorliegen von Rentenversicherungspflicht für die selbständige Tätigkeit. Die Klägerin gab im Fragebogen unter dem 12.09.2016 an, sie sei als Kursleiterin, im Einzelcoaching und als Referentin bei verschiedenen Auftraggebern tätig (S. 5 f. Teil 2 VerwA - VerwA II). Im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens hatte die Klägerin auf Nachfrage im Februar 2016 bereits angegeben, dass während einer Kurseinheit keine Einzelbetreuung erfolge. Mit Bescheid vom 07.11.2016 (S. 22 VerwA II) stellte die Beklagte die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest und setzte zugleich aufgrund der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide einkommensgerechte Beiträge fest.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Tätigkeit als Personal-Trainerin signifikante Unterschiede zum Lehrer aufweise. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2017 (S. 54 VerwA II) zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, für die Feststellung, ob eine lehrende Tätigkeit i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübte werde, sei nicht die Bezeichnung der Tätigkeit, sondern allein der Inhalt ausschlaggebend. Umfasse die Tätigkeit sowohl lehrende als auch beratende Inhalte, komme es auf den sachlichen Schwerpunkt an. Nach der Rechtsprechung (unter Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - 23.04.2015, B 5 RE 13/14 R, zitiert - wie sämtliche Rechtsprechung - nach juris) beruhe sowohl eine lehrende als auch beratende Tätigkeit auf einer Wissens- und Kompetenzdifferenz. Während eine Lehrtätigkeit durch eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen geprägt sei, liege der Schwerpunkt der Beratung auf der Erörterung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck. Die Arbeit als Sporttherapeutin bestehe in der theoretischen und praktischen Vermittlung sportlicher Übungen, die in Abstimmung mit anderen Maßnahmen/Beteiligten das Ziel hätten, eine Gewichtsreduktion zu erreichen und weiteres Wissen zu vermitteln, um dieses Gewicht auch zu halten. Die Tätigkeiten im Bereich Pilates, Flexibar, Body Art und Rückentraining bestehe darin, zielgerichtet Übungen zu vermitteln, individuelle Fehler zu korrigieren und in Kleingruppen individualisierte persönliche Erfolge zu erzielen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit Personal-Trainer/Sporttherapeut liege demnach in der Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen.

Mit weiterem Bescheid vom 22.01.2018 (S. 19 SG-Akte) setzte die Beklagte die Beiträge ab 01.03.2017 unter Berücksichtigung des Einkommens gemäß Einkommenssteuerbescheid für 2015 und ab 01.10.2017 nach dem Einkommen gemäß Einkommenssteuerbescheid für 2016 neu fest.

Mit ihrer am 12.06.2017 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, sie habe bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt und nachgewiesen, dass der Schwerpunkt eindeutig auf beratender Tätigkeit liege. In den Kursen Pilates, Flexi Bar, Body Art und Rückentraining werde eine Tätigkeit ausgeübt, die des Sporttherapeuten und damit einer individuellen Beratung vergleichbar sei. Kennzeichnend seien kleine Gruppen mit maximal 10 Teilnehmern, die darauf ausgerichtet seien, im persönlichen Einzelgespräch ein zielgerichtetes Übungsprogramm zu erstellen und den Teilnehmern individuell zu vermitteln. Es fänden nach den Einheiten Einzelgespräche statt, um Erfolgskontrolle und Problemlösungen anbieten zu können. Selbst wenn man wegen des Vorliegens einer Gruppe lehrende Aspekte annehme, hielten sich in diesen Fällen lehrende und beratende Aspekte die Waage. Hiervon ausgehend liege der Schwerpunkt wegen der Programme KIDS und MOBILIS, die unstreitig konkret individuellen Charakter hätten, insgesamt auf der beratenden Tätigkeit.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und verweist darauf, den Rechnungen und Kursplänen lasse sich eine selbständige Tätigkeit in der Vermittlung von sportlichen Übungen entnehmen. Die Bezeichnung „Therapeut“ stehe der Beurteilung als Lehrer i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen, sofern die lehrenden Inhalte den sachlichen Schwerpunkt ausmachten. Eine Einzelbetreuung während der Kurse habe die Klägerin bereits im Februar 2016 verneint.

Mit Urteil vom 12.12.2018 hat das SG den Bescheid vom 07.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2017 und den Bescheid vom 22.01.2018 aufgehoben, festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI besteht und der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Die Tätigkeit der Klägerin als Personal-Trainerin und Sporttherapeutin sei nicht als eine Tätigkeit selbständiger Lehrer i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu beurteilen. Keine Lehrtätigkeit liege vor, wenn die Tätigkeit überwiegend als Beratung zu qualifizieren sei. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, in ihren einzelnen Kursen (Reha-Kurse, Rückentraining, Pilates, Abnehmgruppen MOBILIS und KIDS) auf die individuellen (gesundheitlichen) Probleme und Bedürfnisse der Patienten und Teilnehmer einzugehen und mit diesen individuell Pläne und Lösungsansätze aus verschiedenen Komponenten auszuarbeiten und anzuwenden. In den Kursen MOBILIS und KIDS erarbeite zusammen mit der Klägerin als Sporttherapeutin ein Kardiologe, ein Ernährungsberater und ein Psychologe für jeden Teilnehmer einen individuellen Plan. Auch wenn die Kurse mit einer Teilnehmerzahl von 10 bis 15 Personen stattfänden, gehe die Klägerin in den Kursen auf die individuellen Probleme der Teilnehmer ein. Es finde kein Training im Sinne eines Frontalunterrichts statt, das mit einer Fitness- oder Aerobic-Gruppe vergleichbar wäre. Der Schwerpunkt liege auf der individuell beratenden Tätigkeit der jeweiligen Teilnehmer der Kurse. Soweit die Klägerin auch lehrende Elemente wie bestimmte Bewegungsabläufe vermittele, sei dies im jeweiligen Fall anwendungsbezogen erforderlich. Ziel sei eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustands bzw. eine Lösung eines gesundheitlichen Problems, was sich gerade in dem Rückentraining oder den Abnehmgruppen zeige. Mit den Teilnehmern werde vor Beginn der Kurse individuell ein Konzept erarbeitet, das auf die jeweiligen Teilnehmer eingehe und auf die spezifischen Probleme des Teilnehmers zugeschnitten sei. Damit übe die Klägerin keine Lehrtätigkeit aus.

Gegen das ihr am 21.12.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.01.2019 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, die überwiegende Tätigkeit der Klägerin bestehe in der Tätigkeit einer Trainerin/Kursleiterin mit entsprechendem Kursangebot in mehreren Fitnessstudios. Dabei sei die Klägerin als „Vorturner“ für alle teilnehmenden Sportler tätig. Es sei Sache der Kursleiterin, die entsprechenden Übungen und Bewegungsabläufe zu vermitteln und die richtige Ausführung der Kursteilnehmer zu überwachen. Dies entspreche den Anforderungen des selbständigen Lehrers (unter Hinweis auf BSG 22.06.2005, B 12 RA 6/04 - Aerobic-Trainer). Eine therapeutische oder beratende Tätigkeit sei nach den vorliegenden Unterlagen und Einlassungen nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.12.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Auffassung, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der individuell beratenden Tätigkeit der jeweiligen Kursteilnehmer liege und lehrende Elemente jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil der Lösung individueller gesundheitsbezogener Problemstellungen dienten. Soweit die Beklagte die Klägerin despektierlich als „Vorturner“ bezeichne, gehe dies an der Realität vorbei. Das SG habe zutreffend den Schluss gezogen, dass gerade kein Frontalunterricht stattfinde. Die individuelle Beratung stehe bei der gesamten Tätigkeit im Vordergrund, es sei nicht sinnvoll, zwischen verschiedenen Einsatzorten zu differenzieren.

Auf Nachfrage hat die Beklagte die weiteren Beitragsbescheide vom 25.10.2021 (zur Dynamisierung; S. 85 ff. Senatsakte) und vom 07.02.2022 (zur Berücksichtigung des nachgewiesenen Arbeitseinkommens gemäß Einkommenssteuerbescheid für 2017 i.H.v. 8.752 € ab 01.10.2021 und Dynamisierung, S. 97 ff. Senatsakte) vorgelegt.

Der Senat hat von der Internetseite www. L1.de am 01.09.2020 und 18.10.2022 Kurspläne, Programme und Informationen zum Team abgerufen (S. 49 ff. Senatsakte) und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, sie ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung darauf geeinigt, den Streitgegenstand hinsichtlich der Höhe der Beiträge auf die Zeit bis 31.12.2018 zu beschränken und die Beklagte hat sich bereit erklärt, für den Fall, dass das angefochtene Urteil rechtskräftig wird, die Bescheide vom 25.10.2021 und vom 07.02.2022 aufzuheben.

Die Klage ist zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) erhoben worden. Zwar hätte sich die Klägerin als Adressatin belastender Verwaltungsakte auf deren Anfechtung beschränken können, sie hat - rechtskundig vertreten - indes ausdrücklich zusätzlich die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht im Wege der negativen Feststellungsklage begehrt. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dies gilt ebenso für den Bescheid vom 22.01.2018, der den Ausgangsbescheid hinsichtlich der Höhe der Pflichtbeiträge abändert und daher nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt, dass die Klägerin ab 26.06.2013 als selbständige Lehrerin der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Die auf Feststellung des Gegenteils gerichtete Klage kann somit keinen Erfolg haben. Auch die Festsetzung der von der Klägerin zu zahlenden Beiträge ist rechtmäßig, soweit diese noch Streitgegenstand sind (bis 31.12.2018).

Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind versicherungspflichtig selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Klägerin war im Zeitraum ab 26.06.2013 - und ist auch weiterhin - selbständig tätig als Trainerin in mehreren Fitness-Studios und im Rahmen der Programme MOBILIS und KIDS. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit ist in Abgrenzung zu einer nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung zu verstehen (BSG 15.06.2000, B 12 RJ 4/99 R, Rn. 18). Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Unternehmer ist, wer die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG 28.06.2022, B 12 R 3/20 R; BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 20.05.1996, 1 BvR 21/96). Der Wortlaut des § 2 Satz 1 SGB VI knüpft damit an den Status des Selbständigen und an seine Tätigkeit an.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze übt die Klägerin - soweit für das vorliegende Verfahren von Belang - eine selbständige Tätigkeit aus; die in Teilzeit ausgeübte abhängige Beschäftigung bei der AOK ist davon unabhängig zu sehen und spielt hier keine Rolle. Für die Tätigkeit für das L1, die den überwiegenden Umfang der Tätigkeit als Trainerin ausmacht, folgt dies bereits aus dem gegenüber dem Inhaber und der Klägerin erlassenen bestandskräftigen Bescheid vom 06.04.2016, der seine Grundlage in § 7a Abs. 1 SGB IV hat. Nichts anderes gilt für die Tätigkeiten für die übrigen Auftraggeber, denn auch insoweit liegen die Voraussetzungen einer Beschäftigung, nämlich Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Dritten mit Unterwerfung unter dessen Direktionsrechts bezüglich Zeit, Dauer, Ort, Art und Weise der Durchführung der zu verrichtenden Aufgaben, nicht vor. Nach ihren glaubhaften Angaben hat die Klägerin regelmäßige Arbeits- und Anwesenheitszeiten nicht einzuhalten, sie gibt vielmehr allein die vorher vereinbarten Kurse und unterliegt hierbei keinen Weisungen eines anderen. Dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Klägerin hat im Zeitraum ab 26.06.2013 keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und zudem die Grenzen einer (versicherungsfreien) geringfügigen Tätigkeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) überschritten. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht umstritten und ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Einkommensteuerbescheiden, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zwischen 8.854 € (2013) und 15.125 € (2016) ausweisen.

Die Klägerin war entgegen ihrer Vorstellung auch als Lehrerin oder Erzieherin i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI tätig. Lehrer in diesem Sinne sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, Personen, die durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, gleich auf welchem Gebiet (BSG 12.10.2000, B 12 RA 2/99 R). Dabei kann sozialversicherungsrechtlich bereits jede Anleitung zu einem gemeinsamen Tun genügen, selbst wenn sie keinerlei Gedächtnisspuren hinterlässt und das angeleitete gemeinsame Tun deshalb außerhalb des Unterrichts nicht reproduziert werden kann (BSG 22.06.2005, B 12 RA 6/04 R - Aerobic-Trainer). Die erstrebte „Gemeinsamkeit“ entsteht dabei aus der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug. Im Übrigen hängt der weite Versicherungspflichttatbestand nicht von einer bestimmten Geisteshaltung oder Weltanschauung ab und enthält weder Vorgaben zu den Lehrinhalten und Lernzielen, zum Niveau, zur Qualität, Methode und Form des Unterrichts (z.B. Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer) noch zur Qualifikation des Lehrers oder zur Vorbildung seiner Schüler und erfordert keine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle der Teilnehmer und kein Ausstellen von Zeugnissen     oder Bescheinigungen (BSG 23.04.2015, B 5 RE 23/14 R). In Abgrenzung dazu basiert zwar auch eine Beratertätigkeit auf einer vorhandenen Wissens- und Kompetenzdifferenz. Ihr Schwerpunkt liegt jedoch auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck, wobei Berater auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend eingehen und Handlungsoptionen aufzeigen, deren Vor- und Nachteile sie in der Regel erläutern. Wird Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern vermittelt, so spricht dies eher für eine Lehrertätigkeit, während sich Berater eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befassen. Hauptmotiv für die Teilnahme an einer Beratung (und für die Befolgung eines etwaigen Ratschlags) ist daher die Aussicht auf eine erfolgreiche und gelingende Problemlösung, während der Antrieb zur Schulungsteilnahme primär im erhofften Wissens- und Erkenntnisgewinn liegt und eher auf den Erwerb eigener Problemlösungskompetenzen ausgerichtet ist (BSG 23.04.2015, a.a.O., Rn. 16).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die selbständige Tätigkeit der Klägerin als die einer Lehrerin i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu qualifizieren. Dabei stellt der Senat zunächst fest, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin in der Tätigkeit als Kursleiterin für verschiedene Sportkurse (Gruppenkurse mit ca. 10 Teilnehmern) liegt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den vorliegenden Rechnungen und Stundenübersichten (S. 54 ff. VerwA, S. 34 ff. VerwA II) sowie dem eigenen Vorbringen der Klägerin. In nur geringem Umfang war die Klägerin für D1 Sports tätig, hier hat sie lediglich monatlich zwischen zwei und vier Stunden für eine Trainertätigkeit abgerechnet. Bei e1 fitness hat die Klägerin ebenfalls ausschließlich Gruppenkurse gegeben (Pilates, Flexi Bar, Body Art, Rückentraining), wobei im Rahmen derartiger Gruppenkurse zwar auf einzelne Teilnehmer anleitend oder korrigierend eingegangen werden kann, es jedoch keinesfalls um eine Behandlung spezifischer Probleme von Einzelpersonen geht. Entsprechend hat die Klägerin im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens auch selbst eingeräumt, dass während der Gruppenstunden grundsätzlich keine Einzelbetreuung stattfindet. Überwiegend ist die Klägerin für das Fitnessstudio L1 tätig; hier gibt sie ebenfalls Kurse, die im Kursprogramm aufgeführt sind (u.a. Rückentraining, Pilates, Bauch intensiv, mit Spaß aktiv, Thai bo) sowie für Privatgruppen („rent-a-trainer“), externe Kunden (etwa betriebliches Gesundheitsmanagement) oder Personal-Training für Einzelpersonen. Letzteres beinhaltet nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Training für Einzelpersonen wie in den Kursen; dabei wird gezeigt, wie z.B. ein Ganzkörpertraining oder spezielles Bauchtraining geht und wie Übungen beispielsweise unter Berücksichtigung der Anatomie der Muskulatur optimiert werden können. Insoweit unterscheidet sich die Tätigkeit - außer dass sie Einzelpersonen und nicht Gruppen betrifft - inhaltlich nicht von dem Kurstraining. Davon abgesehen macht das Personal-Training aber auch nicht den Schwerpunkt aus. So hat die Klägerin etwa im Januar 2015 gegenüber ihrem Auftraggeber 28 (Zeit-)Stunden Kurse und lediglich 2 x 30 Minuten Personal-Training abgerechnet (S. 54 VerwA; in der Übersicht für Januar werden 3 x 30 Minuten ausgewiesen; S. 55 VerwA), im Februar 2015 waren es 30,25 Kursstunden und 15 Stunden und 10 Minuten Personal-Training (S. 56 VerwA), im März 2015 wiederum 30,25 Kursstunden gegenüber 4 Stunden Personal-Training (S. 59 VerwA), ähnlich gestaltet sich diese Verteilung auch während der Folgezeit (im April 2015 3 Stunden Personal-Training, S. 62 VerwA, im Mai 2015 2,5 Stunden Personal-Training, S. 67 VerwA und im Juni 2015 1,5 Stunden Personal-Training). Schon dies zeigt, dass die Gruppenkurse weit überwiegen. Davon abgesehen spiegelt auch die individuelle Arbeit mit den Kunden, deren Einstufung nach dem vorgefundenen physischen Zustand, das Entwerfen individueller Trainingspläne, die Überwachung des Trainings, die Anleitungen, um Fehlhaltungen zu vermeiden, die Nachbesprechungen und die Kontrolle des Erfolges der Trainingseinheiten wesentliche Elemente der Lehrtätigkeit wieder. Schließlich werden beim Vormachen von Übungen Körperbewegungen lehrend vermittelt (vgl. BSG 27.09.2007, B 12 R 12/06 R; BSG, 22.06.2005, B 12 RA 6/04 R).

Bei den Gruppenkursen steht ohnehin die von der Klägerin bestrittene Vermittlung von Wissen und Kenntnissen im Vordergrund. Dies ergibt sich insbesondere aus der Eigendarstellung der Kurse durch das Fitnesscenter L1. So wird zu dem Kurs „Stark im Rücken“ ausgeführt: „…Aspekte der Körperwahrnehmung, der Entspannungsfähigkeit der Muskulatur, des Erlernens richtiger Bewegungsmuster, des Vernetzens der Muskulatur mit dem Nervensystem und des Verbindens funktioneller Muskelketten sind unter anderem Bestandteil des Trainings. Über das Vermitteln von theoretischen Inhalten erlernt der Kursteilnehmer ein selbstverantwortliches Handeln im Bereich der Rückengesundheit. --- Kursleitung: Sportlehrerin M1“ (S. 53 Senatsakte). Ebenso gilt dies für andere Kurse, etwa Herz-Kreislauf-Training/Mit Spaß aktiv („Das 60minütige präventive Bewegungstraining schult alle für die Gesundheitsförderung wichtigen konditionellen Grundlagen; …Die Vermittlung von Gesundheitswissen sowie die Schulung von Entspannung, Atmung und Körperwahrnehmung ergänzen das Programm. ….“, S. 57 Senatsakte). Aber auch die Klägerin selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass sie die Kursteilnehmer dahin bringen will, dass sie „selbst wissen, wie sie Bauchmuskeln perfekt trainieren.“ Genau darin liegt indes die für die Lehrtätigkeit maßgebliche Vermittlung von Wissen und Kenntnissen zur Erweiterung der eigenen Kompetenzen hier der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kurse. Soweit die Klägerin über nach den Einheiten geführte Einzelgespräche mit den Kursteilnehmern eine beratende Tätigkeit in den Vordergrund rücken möchte, ist dies schon angesichts der vorliegenden Kurspläne nicht plausibel. Solche Einzelgespräche mögen zwar vorkommen, jedoch besteht angesichts der ohne Pause nahtlos folgenden weiteren Kurse (vgl. hierzu die Stundenübersichten, z.B. S. 65 VerwA; Kursplan L1 S. 56 Senatsakte) hierzu allenfalls eine marginale Möglichkeit. Auch das Eingehen auf Probleme einzelner Teilnehmer etwa durch die Abwandlung von Übungen führt nicht dazu, dass sich der Schwerpunkt der Tätigkeit auf eine Beratung verlagert. Damit steht eindeutig fest, dass im Vordergrund eine lehrende Tätigkeit steht.

Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung der Leitung der Bewegungseinheiten bei den Programmen MOBILIS und KIDS. Zum einen haben diese bezogen auf die gesamte selbständige Tätigkeit der Klägerin zeitlich nur eine untergeordnete Bedeutung, denn es geht um durchschnittlich - sofern die Kurse überhaupt zustande kommen - jeweils etwa 4 Stunden im Monat, wie sich aus der Abrechnung MOBILIS für Januar bis Juli 2016 ergibt (30 Stunden in sieben Monaten, S. 34 Rs. VerwA) sowie der Rechnung an Frau H1 betreffend KIDS (12 Stunden in 2,5 Monaten, S. 34 VerwA). Zum anderen handelt es sich jedoch auch hierbei nicht um eine einzelfallbezogene Beratungstätigkeit, sondern um die Anleitung der Bewegungsgruppen im Rahmen eines interdisziplinären Programms, das unter der Kursleitung einer Ökotrophologin unter Mitwirkung einer Diplom-Psychologin, eines Arztes und schließlich einer Sportlehrerin (sic!), nämlich der Klägerin, durchgeführt wird, so die Darstellung des Programms MOBILIS auf der Homepage des L1 (S. 63 Senatsakte). Insoweit stimmt der Senat mit den Bevollmächtigten der Klägerin überein, dass insgesamt keine Differenzierung nach Einsatzorten vorzunehmen ist, sondern letztlich alle Bereiche der selbständigen Tätigkeit den gleichen Schwerpunkt haben - anders als die Klägerin meint, liegt dieser indes eindeutig im lehrenden Bereich. Nur am Rande sei angemerkt, dass die Klägerin in der Teamübersicht auf der Homepage des L1 ebenfalls als „Sport- und Gymnastiklehrerin, Personal-Trainerin B-Lizenz, Nordic-Walking-Betreuerin“ vorgestellt wird (S. 50 und 67 Senatsakte). Nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung aller Umstände hat der Senat nach alledem keinerlei Zweifel, dass die Klägerin als Lehrerin im o.g. Rechtssinne tätig ist.

Auf der Grundlage der durch die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 nachgewiesenen erzielten Einkünfte hat die Beklagte gemäß §§ 161 Abs. 1, 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Sätze 3, 4, 8 bis 10 SGB VI die Beiträge in den angefochtenen Bescheiden in zutreffender Höhe festgesetzt. Dabei durfte sie die Änderungen des Einkommens gemäß § 165 Abs. 1 Satz 8 SGB VI jeweils ab dem Beginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommenssteuerbescheids berücksichtigen; vorliegend also die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2014 i.H.v. 8.854 € (Einkommenssteuerbescheid vom 14.03.2016, S. 7 f. VerwA II) ab 01.06.2016 und gemäß Bescheid vom 22.01.2018 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2015 i.H.v. 15.074 € (Einkommenssteuerbescheid vom 22.12.2016, S. 24 ff. Senatsakte) ab 01.03.2017 und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2016 i.H.v. 15.125 € (Einkommenssteuerbescheid vom 20.07.2017, S. 31 ff. Senatsakte) ab 01.10.2017. Diese Spezialregelung zur Änderung bei einkommensgerechter Beitragszahlung ist vorrangig gegenüber §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Wißing in jurisPK-SGB VI, § 165 Rn. 127). Auf der Grundlage dieser Einkünfte hat die Beklagte (unter Vornahme von Dynamisierungen) die Beiträge zutreffend festgesetzt. Gegen die Richtigkeit der Berechnungsmethode hat die Klägerin auch keine Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
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