L 13 SB 91/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 46 SB 173/11
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 SB 91/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 statt 70.

 

Der im Jahr 1951 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten erstmalig am 18. Februar 2011 die Feststellung einer Behinderung, des GdB sowie der hierdurch bedingten Merkzeichen. Er begründete dies mit erlittenen Wirbelfrakturen, einer Osteoporose und einem Zustand nach Schlaganfall. Aus steuerlichen Gründen begehrte er die rückwirkende Feststellung ab Oktober 2010.

 

Die Beklagte holte Befundberichte bei dem Orthopäden G. und dem Neurologen und Psychiater H. ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes stellte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 2011 einen GdB von 30 für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 9. Februar 2011 und einen GdB von 50 ab dem 10. Februar 2011 fest. Hierbei berücksichtigte sie eine Funktionsstörung der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom rechts und eine Osteoporose (Einzel-GdB von 30) sowie Konzentrationsstörungen mit Depressionen nach Hirninfarkt (Einzel-GdB von 30).

 

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte einen höheren GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) geltend. Die Beklagte holte einen weiteren Befundbericht des Orthopäden ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2011 zurück, da die erfolgte GdB-Feststellung zutreffend sei und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G nicht vorlägen.

 

Am 8. Juli 2011 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat angegeben, unter erheblichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule bei schwerer Osteoporose zu leiden. Weitere Einschränkungen ergäben sich aufgrund eines im Jahr 1979 erlittenen Unfalls am rechten Arm, einer Arthrose im rechten Großzehgrundgelenk, neurologischer Ausfälle verbunden mit Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen sowie einer schweren Depression. Auch habe er im Juni 2011 erneut einen Schlaganfall erlitten. Zudem könne er eine Wegstrecke von 50 Metern kaum bewältigen.

 

Das SG Bremen hat Befundberichte von dem Neurologen und Psychiater, dem Orthopäden und der Praxis für Physiotherapie I., J., K. eingeholt. Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Chirurgie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Chirotherapie L. mit Zusatzbegutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M.. Die Sachverständigen haben den Kläger am 4. Oktober 2012 untersucht.

 

In seinem Gutachten vom 30. Oktober 2012 führt der Sachverständige M. aus, dass bei dem Kläger eine leicht ausgeprägte hirnorganische Leistungsschwäche, vor allem in zeitlicher Hinsicht (Einzel-GdB von 20), leicht ausgeprägte depressive Störungen mit Neigung zum Alkoholmissbrauch (Einzel-GdB von 10) und leicht ausgeprägte Koordinationsstörungen (Einzel-GdB von 10) bestünden. Insgesamt erachtet der Sachverständige M. einen GdB von 30 auf nervenärztlichem Gebiet für angemessen.

 

Der Sachverständige L. kommt in seinem Gutachten vom 16. Januar 2013 zu dem Ergebnis, dass für die Folgen der erlittenen Wirbelbrüche ein GdB von 30, für das beidseits aufgetretene Schulterengpasssyndrom ein GdB von 10 und für die eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Handgelenks mit aufgehobener Unterarmwendbewegung ein GdB von 20 gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung der Einschätzung des Sachverständigen M. sei insgesamt ein GdB von 60 anzunehmen. Die Zuerkennung des Merkzeichens G sei hingegen nicht gerechtfertigt.

 

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2013 hat die Beklagte ein erstes Vergleichsangebot abgegeben, wonach bei dem Kläger unter Berücksichtigung einer Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogen- und Handgelenk (Einzel-GdB von 20) ein GdB von 60 ab dem 11. Juli 2011 feststellt werden könne. Der Kläger hat dieses nicht angenommen.

 

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass sich sein Gesundheitszustand auf HNO-ärztlichem Fachgebiet verschlechtert habe, hat das SG Bremen einen Befundbericht des HNO-Arztes N. eingeholt. Daraufhin hat die Beklagte als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, ohne den Gesamt-GdB hoch zu stufen.

 

Aufgrund eines zwischenzeitlich gestellten Verschlimmerungsantrags des Klägers bei der Beklagten hat das SG Bremen das Verfahren mit Beschluss vom 27. November 2013 ruhend gestellt. Im April 2014 ist das Verfahren wiederaufgenommen worden.

 

Der Kläger hat mitgeteilt, dass er unter einer Alkohol- und Medikamentensucht leide und diesbezüglich ebenfalls von H. behandelt werde. Ein Attest des Internisten O. hat er zur Akte gereicht.

 

Auf Antrag des Klägers hat das SG Bremen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie P., der den Kläger am 5. November 2014 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 18. Februar 2015 kommt P. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Verschlechterung gegenüber der letzten Begutachtung im Jahr 2013 eingetreten sei. Die Osteoporose sei weiter fortgeschritten. Er verweist auf einen seinem Gutachten beigefügten Entlassungsbericht des Q., wo der Kläger am 29. Oktober 2014 untersucht worden war und weitere Wirbelfrakturen festgestellt worden waren. Bei dem Kläger bestünden nunmehr mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in der Brust- und Lendenwirbelsäule mit einem chronischen Schmerzsyndrom und einer Belastungsinsuffizienz beim Gehen und längeren Stehen. Hierfür könne ein GdB von 50 angesetzt werden. Für die Funktionseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks mit mangelnder Umwendbewegung sei ein GdB von 10 anzusetzen. Unter Berücksichtigung der Folgen des cerebralen Insults und der Depression sei ein Gesamt-GdB von 70 angemessen. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G vor.

 

Daraufhin hat die Beklagte am 9. März 2015 ein zweites Vergleichsangebot unterbreitet. Unter Berücksichtigung einer Höherbewertung der Funktionsstörung der Wirbelsäule, dem Schulter-Arm-Syndrom rechts und der Osteoporose (Einzel-GdB von 40) könne ab dem 11. Juli 2011 ein GdB von 60 und ab dem 29. Oktober 2014 (Untersuchung im R.) ein GdB von 70 angeboten werden. Der Kläger hat dem nicht zugestimmt und darauf verwiesen, dass im Januar 2015 eine indolente systemische Mastozytose diagnostiziert worden sei. Den entsprechenden Arztbrief des Internisten S. vom 29. Januar 2015 hat er zur Akte gereicht.

 

Das Gericht hat dem Sachverständigen L. das Gutachten des P. mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt. Der Sachverständige L. hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 bestätigt, dass eine Zunahme der Wirbelsäulenveränderungen aufgrund der von P. erhobenen Befunde zu erkennen sei. Entgegen der Auffassung des P. sei ein GdB von 50 jedoch nicht gerechtfertigt. Mithin scheide die Zuerkennung des Merkzeichens G bereits aus formalen Gründen aus.

 

Nachdem der Kläger unter Verweis auf zwei Arztbriefe des Kardiologen T. aus Juli 2015 mitgeteilt hatte, dass er nunmehr auch an einer koronaren Herzkrankheit leide und bereits mit Stents versorgt worden sei, hat die Beklagte als weitere Funktionsbeeinträchtigung koronare Gefäßveränderungen und Stenteinlagen (Einzel-GdB von 10) berücksichtigt, ohne den Gesamt-GdB hoch zu stufen.

 

Im Rahmen eines im Dezember 2015 stattgefundenen Erörterungstermins hat der Kläger eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend gemacht und einen weiteren Antrag nach § 109 SGG angekündigt. Zudem hat er mitgeteilt, dass nunmehr auch ein Lungenemphysem infolge einer chronischen Bronchitis vorliege.

 

Das SG Bremen hat daraufhin einen Befundbericht der Pneumologin U. eingeholt. Sodann hat es auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Internisten, Hämatoonkologen, Gastroenterologen und Rettungsmediziners V. (Untersuchung des Klägers am 25. Mai 2016) und eines weiteren Gutachtens des P. (Untersuchung des Klägers am 17. August 2016).

 

In seinem Gutachten vom 14. Juli 2016 führt V. aus, dass bei dem Kläger eine indolente systemische Mastozytose mit Mastozytose-induzierter Osteoporose und Nahrungsmittelunverträglichkeiten bestehe. In Analogie zu ähnlichen systemisch sich manifestierenden hämatoonkologischen Erkrankungen mit Knochenmarksinfiltration durch immunologische aktive Zellen wie dem Hypereosinophilen-Syndrom betrage der GdB im onkologischen Fachgebiet 50.

 

P. kommt in seinem zweiten Gutachten vom 7. September 2016 zu dem Ergebnis, dass ein Fortschreiten der Osteoporose mit weiteren Wirbelfrakturen und einer Zunahme der dadurch bedingten Schmerzsituation bei Bewegungen, besonders beim Gehen, feststellbar sei. Bei der durch die Mastozytose induzierten manifesten Osteoporose sei trotz Therapie eine Progredienz aufgetreten. Dadurch sei es zu einer weitgehenden Versteifung der Wirbelsäule sowie einer vermehrten Schmerzhaftigkeit beim Gehen und Bewegen, gerade nach kurzer Zeit, gekommen. Für die mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit chronischem Schmerzsyndrom und Belastungsinsuffizienz beim Gehen und längeren Stehen sei ein GdB von 40, für die weitgehende Versteifung der Wirbelsäule ein GdB von 40 und für das rechte Ellenbogengelenk mit weitgehender Aufhebung der Umwendbewegung ein GdB von 10 anzusetzen. Insgesamt betrage der GdB auf orthopädischen Fachgebiet 50. Unter Berücksichtigung eines GdB von 50 auf onkologischen Fachgebiet und eines GdB von 30 auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet sei daher ein GdB von 80 angemessen. Da die Wirbelsäule in einer deutlichen Fehlstellung fast versteift und das Gehvermögen schon nach kurzen Strecken deutlich durch Schmerzhaftigkeit und eine verminderte Gehfähigkeit eingeschränkt sei, sei das Merkzeichen G zuzuerkennen.

 

Mit Schriftsätzen vom 21. Oktober 2016 und vom 6. Januar 2017 hat die Beklagte ein drittes Vergleichsangebot abgegeben. Bei dem Kläger könne ab dem 11. Juli 2011 ein GdB von 60, ab dem 29. Oktober 2014 ein GdB von 70 und ab dem 17. August 2016 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G festgestellt werden. Dabei hat sie folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt: 1. Funktionsstörung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom rechts, multiple Wirbelkörperfrakturen, Osteoporose und wechselnde Beschwerden infolge einer Mastozytose (Einzel-GdB von 50), 2. Konzentrationsstörungen und Depressionen nach Hirninfarkt (Einzel-GdB von 30), 3. Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogen- und Handgelenk (Einzel-GdB von 20), 4. Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche (Einzel-GdB von 10), 5. Koronare Gefäßveränderungen und Stenteinlagen (Einzel-GdB von 10). Der Kläger hat dem Vergleich nicht zugestimmt.

 

Auf seinen Antrag hin hat das Gericht erneut nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Kardiologen W., der dieses nach Untersuchungen des Klägers am 1. Juni 2017 und 18. Juli 2018 unter dem 29. November 2018 erstattet hat. Der Sachverständige W. kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger im Wesentlichen eine koronare Herzerkrankung vorliegt, die einen GdB von 70 bedingt.

 

Das Gericht hat sodann einen Befundbericht des Kardiologen X. eingeholt.

 

Zwischenzeitlich ist der Kläger im November 2018 mit einem Bypass im rechten Bein versorgt worden. Den entsprechenden Behandlungsbericht hat der Kläger zur Akte gereicht. Auch hat er einen weiteren Arztbrief des Kardiologen vom 18. November 2019 vorgelegt.

 

Die Beklagte hat aufgrund des im November 2018 erfolgten Eingriffs als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine operierte arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beines mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt, ohne den Gesamt-GdB hoch zu stufen.

 

Im Dezember 2019 ist ein weiterer operativer Eingriff (Anlage eines aortokoronaren Bypasses) erfolgt. Den entsprechenden Behandlungsbericht hat der Kläger zur Akte gereicht.

 

Das SG Bremen hat erneut einen Befundbericht des Kardiologen eingeholt.

 

Daraufhin hat die Beklagte die Herzleistungsminderung mit einem GdB von 20 bewertet, ohne den Gesamt-GdB hoch zu stufen.

 

Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass zuletzt ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom festgestellt worden sei und das entsprechende Attest der HNO-Ärztin Y. vom 14. Juli 2020 vorgelegt.

 

Mit Urteil vom 16. Juli 2021 hat das SG Bremen die Beklagte verurteilt, bei dem Kläger unter Abänderung ihres Bescheids vom 7. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2011 entsprechend ihres Vergleichsangebots vom 6. Januar 2017 einen GdB von 60 ab dem 11. Juli 2011, einen GdB von 70 ab dem 29. Oktober 2014 und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G ab dem 17. August 2016 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

 

Für das Wirbelsäulenleiden hat das SG Bremen einen GdB von 50 angesetzt. Dabei hat es maßgeblich auf die medizinischen Feststellungen des P. in seinem zweiten Gutachten vom 7. September 2016 und des V. in seinem Gutachten vom 14. Juli 2016 abgestellt. Nach den Ausführungen des SG Bremen seien die Auswirkungen der systemischen Mastozytose hiervon mitumfasst, da sich diese in erster Linie in der Osteoporose mit multiplen Frakturen und dem Schmerzsyndrom manifestierten. Soweit P. den von V. angesetzten GdB von 50 auf onkologischem Fachgebiet zusätzlich berücksichtigt habe, handele es sich um eine unzulässige Doppelbewertung der Osteoporose, Wirbelkörperfrakturen und des Schmerzsyndroms. Denn maßgeblich seien die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, nicht hingegen die Bewertung von einzelnen Diagnosen.

 

Für die leicht ausgeprägte hirnorganische Leistungsschwäche, die leichtgradige depressive Störung mit Neigung zum Alkoholmissbrauch und die leicht ausgeprägten Koordinationsstörungen sei entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen M. ein GdB von 30 anzusetzen.

 

Das Herzleiden bedinge einen GdB von 20. Dabei hat das SG Bremen maßgeblich auf die Berichte des Kardiologen X. abgestellt. In seinem Befundbericht aus April 2019 habe X. angegeben, dass keine kardialen Beschwerden, keine Einschränkung der Herzleistung und keine kardiale Limitierung der Belastbarkeit vorlägen. Im November 2019 habe eine Belastung halbsitzend auf dem Fahrradergometer mit 50 Watt über zwei Minuten stattgefunden. Bei 75 Watt habe der Kläger nach 10 Sekunden wegen Dyspnoe abgebrochen. Nachdem im Dezember 2019 in der Klinik Z. eine komplette arterielle Myokardrevaskularisation vorgenommen worden sei, habe nach den Angaben des X. im Februar 2020 noch eine geringe Einschränkung der Herzleistung bei leichter Belastung bestanden. Diese Befunde stützten nicht die von dem Sachverständigen W. vorgenommene Bewertung mit einem GdB von 70. Auch dem Gutachten des Sachverständigen W. ließen sich keine Befunde entnehmen, die eine solche GdB-Bewertung rechtfertigten.

 

Anhaltspunkte für eine Höherbewertung der arteriellen Verschlusskrankheit (Einzel-GdB von 20), der Funktionsstörungen des rechten Ellenbogen- und Handgelenks (Einzel-GdB von 20) sowie der Schwerhörigkeit und den Ohrgeräuschen (Einzel-GdB von 10) seien nicht ersichtlich.

 

Bei dem geltend gemachten Schlaf-Apnoe-Syndrom handele es sich um eine Verdachtsdiagnose. Eine Untersuchung im Schlaflabor habe noch nicht stattgefunden, so dass diese nicht berücksichtigt werden könne.

 

Der Gesamt-GdB von 70 ab dem 29. Oktober 2014 sei gerechtfertigt aufgrund der Höherbewertung des Wirbelsäulenleidens einschließlich der Osteoporose. Maßgeblich sei hier der Bericht des Q. über die erstmalige Vorstellung des Klägers in der dortigen Osteologie am 29. Oktober 2014. Ausgangspunkt sei ein Einzel-GdB von 50 für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom rechts, ausgeprägter Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperbrüchen und weiteren Folgen der systemischen Mastozytose. Das Ausmaß der dadurch bedingten Behinderung werde durch die Auswirkungen der zutreffend mit einem Einzel-GdB von 30 bewerteten psychischen Störungen sowie der mit einem Einzel-GdB von 20 anerkannten Ellenbogen- und Handgelenksstörungen erhöht. Die übrigen mit einem GdB von 20 bzw. 10 bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen seien indes nicht geeignet, den Gesamt-GdB weiter zu erhöhen. Eine weitere Zunahme des Ausmaßes der Behinderung könne hier nicht angenommen werden.

 

Gegen das ihm am 13. August 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. September 2021 Berufung eingelegt. Explizit begehrt er nur noch die Feststellung eines GdB von 80 für die Zeit ab dem 17. August 2016. Das SG Bremen habe nicht berücksichtigt, dass die von den Sachverständigen AA. und AB. ermittelten Einzel-GdB lediglich für deren jeweiliges Fachgebiet gelten würden. Entgegen der Annahme das SG Bremen komme es hier nicht zu Überschneidungen. Es bestünde mithin jeweils ein GdB von 50 auf orthopädischen und onkologischen Fachgebiet. Hinzu komme ein Einzel-GdB von 70 auf kardiologischem Fachgebiet. Dies habe der Sachverständige W. festgestellt. Dessen Einschätzung sei zu folgen. Die Angaben des Kardiologen X. seien indes nicht geeignet, diese Bewertung zu erschüttern, da hier nur eine oberflächliche kardiologische Behandlung erfolgt sei.

 

Der Kläger beantragt unter Zugrundelegung seiner Berufungsbegründung sinngemäß,

 

das Urteil des SG Bremen vom 16. Juli 2021 insoweit abzuändern, als dass die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2011 auch verurteilt wird, bei dem Kläger einen GdB von 80 ab dem 17. August 2016 festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und hält diese für zutreffend.

 

Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, dass über den Rechtsstreit durch Beschluss gem.      § 153 Abs. 4 S. 1 SGG entschieden werden soll, und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, dass er eine Erörterung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter im Rahmen einer mündlichen Verhandlung für notwendig erachtet. Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Februar 2022 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass weiterhin eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 S. 1 SGG beabsichtigt ist.

 

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beschlussfassung gewesen sind.

 

 

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten in Anwendung von § 153 Abs. 4 S. 1 SGG durch zurückweisenden Beschluss der Berufsrichter des Senats, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind bereits erstinstanzlich gehört worden. Eine Einigung hat hier nicht erzielt werden können. Auch enthält das Berufungsvorbringen keinen wesentlichen neuen Sachvortrag. Streitig ist allein die Bewertung einzelner Leiden sowie die Gesamtbewertung aller bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen ab einem bestimmten Zeitpunkt. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger nur noch die Feststellung eines GdB von 80 ab dem 17. August 2016.

 

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet. Das Urteil des SG Bremen vom 16. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann die Feststellung eines GdB von 80 ab dem 17. August 2016 nicht beanspruchen. Ab diesem Zeitpunkt ist keine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten, die eine Hochstufung des GdB von 70 auf 80 rechtfertigt.

 

Der Senat folgt der ausführlichen und überzeugenden Begründung des Urteils des SG Bremen vom 16. Juli 2021, der er sich nach eigener Sachprüfung anschließt und die er daher nicht wiederholt (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Hinsichtlich des Berufungsvorbringens des Klägers ist noch Folgendes auszuführen:

 

Zutreffend hat das SG Bremen ausgeführt, dass die von P. vorgenommene zusätzliche Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 50 auf onkologischem Fachgebiet gemäß der Einschätzung des V. nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das SG Bremen zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Teilhabebeeinträchtigungen – auch für den Zeitraum ab 17. August 2016 – einen GdB von nicht mehr als 70 rechtfertigen. Insbesondere hat es für das Wirbelsäulenleiden einschließlich der Auswirkungen der indolenten systemischen Mastozytose zutreffend lediglich einen GdB von 50 gebildet.

 

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 152 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG, BGBl. I 2016, 3234 ff.). Nach dieser Vorschrift, die im Rahmen der vorliegenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage anwendbar ist und die die bisherigen Regelungen des § 69 SGB IX (Fassung bis zum 31. Dezember 2017) im Wesentlichen unverändert übernommen hat, stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (Abs. 1 S. 1). Als GdB werden dabei nach § 152 Abs. 1 S. 5 SGB IX n. F. die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Grundlage der Bewertung waren dabei bis zum 31. Dezember 2008 die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP). Dieses Bewertungssystem ist zum 1. Januar 2009 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen abgelöst worden durch die aufgrund des § 30 Abs. 17 (bzw. Abs. 16) BVG erlassene und zwischenzeitlich mehrfach geänderte Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I 2412). Die darin niedergelegten Maßstäbe waren nach § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX (in der bis zum 14. Januar 2015 gültigen Fassung) auf die Feststellung des GdB entsprechend anzuwenden. Seit dem 15. Januar 2015 existiert im Schwerbehindertenrecht eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung, in der die Grundsätze für die medizinische Bewertung des GdB und auch für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen aufgestellt werden (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 gültigen Fassung bzw. § 153 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung). Hierzu sieht der zeitgleich in Kraft getretene § 159 Abs. 7 SGB IX (nunmehr § 241 Abs. 5 SGB IX n. F.) als Übergangsregelung vor, dass bis zum Erlass einer solchen Verordnung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten.

 

Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) erlassen worden, in denen u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) i. S. des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend (vgl. Teil A Nr. 2 a VMG). Die AHP und die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen VMG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. z. B. Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rn. 10 m. w. N.).

 

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 152 Abs. 3 S. 1 SGB IX n. F. nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s. § 2 Abs. 1 SGB IX) und die damit einhergehenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 c VMG) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in den VMG feste Grade angegeben sind (Teil A Nr. 3 b VMG). Hierbei führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 d ee VMG; vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rn. 29).

 

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. BSG a.a.O. Rn. 30). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Maßgeblich für die darauf aufbauende GdB-Feststellung ist aber nach § 2 Abs. 1§ 152 Abs. 1 und 3 SGB IX n. F., wie sich nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Bei der rechtlichen Bewertung dieser Auswirkungen sind die Gerichte an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen nicht gebunden (BSG, Beschluss vom 20. April 2015 - B 9 SB 98/14 B - juris Rn. 6 m. w. N.).

 

Die Einzel-GdB-Bewertung erfolgt mithin für Funktionssysteme und nicht – wie P. und der Kläger annehmen – für fachmedizinische Bereiche. Dies ist dem Wortlaut des Teil A Nr. 2e) VMG klar zu entnehmen. Als einzelne Funktionssysteme werden hiernach umfasst: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf.

 

Diesen Vorgaben folgend unterfällt die diagnostizierte indolente systemische Mastozytose insbesondere dem Funktionssystem Rumpf. Nicht die Diagnose, sondern die durch die Diagnose hervorgerufene Beeinträchtigung ist zu bewerten. Nach den Angaben des Sachverständigen V. ist die indolente systemische Mastozytose ursächlich für die bei dem Kläger vorliegende ausgeprägte Osteoporose. Aufgrund der Osteoporose wiederum hat der Kläger bereits multiple Wirbelkörperfrakturen erlitten. Ebenfalls hierdurch bedingt ist die damit einhergehende Schmerzsymptomatik.

 

Die GdB-Bewertung hierfür richtet sich nach Teil A Nr. 18.9 VMG. Hiernach bedingen Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30, solche mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40 und solche mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) einen GdB von 50 bis 70. Dabei sind anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) zusätzlich zu berücksichtigen. Bei einem außergewöhnlichen Schmerzsyndrom kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB von über 30 in Betracht kommen.

 

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und dem nach den medizinischen Unterlagen vorliegenden Befund gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass für das Wirbelsäulenleiden kein höherer GdB als 50 anzusetzen ist. Dies entspricht der Bewertung durch den Sachverständigen P. in seinem zweiten Gutachten, der auf „orthopädischem Fachgebiet“ einen GdB von 50 angenommen hat. Bei dem Kläger wurden mehrfache Sinterungsfrakturen sowohl in der Brust- als auch in der Lendenwirbelsäule festgestellt. Die Wirbelsäule ist fast versteift in einer Fehlstellung in Form einer deutlich vermehrten Kyphosierung. Ein Aufrichten bis zur Geraden der Wirbelsäule ist nicht mehr möglich. Das Gangbild erfolgt mit vorgebeugtem Oberkörper. Dies hat Auswirkungen auf die Statik, sodass der Kläger bei längeren Wegstrecken auf die Benutzung eines Hilfsmittels, etwa einem Gehwagen, angewiesen ist. Zusätzlich leidet der Kläger an einer Schmerzsymptomatik, die allerdings nicht einem außergewöhnlichen Schmerzsyndrom zuzuordnen ist. So erfolgt weder eine regelmäßige Einnahme von Schmerztabletten noch wurde eine spezielle Schmerztherapie eingeleitet. Auch konnte der Kläger während der Untersuchung bei dem Sachverständigen V. eine Wegstrecke von etwa 50 Metern ohne größere Probleme zurücklegen und dabei ein Stockwerk mittels Treppe überwinden. Da der Kläger trotz der Beschwerden weiterhin mobil war – gegenüber dem Sachverständigen V. hat er etwa angegeben, dass er noch relativ viel mit dem Rollator unterwegs sei –, ist ein höherer GdB für das Wirbelsäulenleiden nicht anzusetzen.

 

Weitere durch die systemische Mastozytose bedingte Symptome sind Unverträglichkeitsreaktionen auf äußere Reize (etwa durch Nahrungsaufnahme, Temperaturwechsel, körperliche Anstrengung), die verbunden sind mit Blutdruckabfall und Müdigkeit. Diese Auswirkungen sind jedoch nach den Angaben des Sachverständigen V. unter der aktuellen Medikation gut kompensiert sind und bei der GdB-Bewertung daher nicht maßgeblich von Relevanz.

 

Schließlich hat das SG Bremen nach Auffassung des Senats zu Recht einen GdB von 20 für das Herzleiden zugrunde gelegt. Mit überzeugenden Argumenten, auf die der Senat verweist und sich zu eigen macht, ist das SG Bremen von der Einschätzung des Sachverständigen W. abgewichen. Auch der Senat erachtet die Befundberichte des den Kläger behandelnden Kardiologen X. als ausreichend und geeignet, um die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen bewerten zu können. Die klägerische Behauptung, durch X. habe nur eine oberflächliche Behandlung stattgefunden, ist durch die in den maßgeblichen Berichten dokumentierten Untersuchungen widerlegt. Insbesondere hat dieser sowohl Ruhe- als auch Belastungs-EKGs durchgeführt, die eine erhebliche Einschränkung der Herzleistung nicht belegen. Die Bewertung durch den Sachverständigen W. ist überhöht. Ein GdB von 70 ist nach Teil B Nr. 9.1.1 VMG erst bei einer Einschränkung der Herzleistung in Gestalt einer Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung wie etwa Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk und leichter körperlicher Arbeit, sowie Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt anzunehmen. Eine solche Leistungsminderung ist auch den von dem Sachverständigen W. erhobenen Befunden nicht zu entnehmen. Dieser führte mit dem Kläger eine sitzende Fahrrad-Ergometrie durch, die insgesamt knapp 14 Minuten andauerte. Der Abbruch erfolgte nicht sicher allein kardial bedingt, sondern wegen Knie- und Oberschenkelschmerzen und -schwäche, aber auch wegen Dyspnoe, wobei letztere im Rahmen der neurologischen Erkrankung und des Trainingszustandes zu bewerten sei. Auch die Leistungslimitation im Rahmen des erfolgten Gehtests war nach den Angaben des Sachverständigen W. nicht primär kardial bedingt. Verursacht wurde diese vielmehr durch Rücken- und Knieschmerzen, Schmerzen im Bereich des Vorderfußrückens rechts, Kribbelparästhesien der Füße, eine zunehmende Schwäche in den Oberschenkelmuskeln zusammen mit geringem Schmerz und zunehmender Luftnot. Nach Überzeugung des Senats kommt ein höherer GdB als 20 für das Herzleiden damit nicht in Betracht.

 

In Gesamtschau sind die bei dem Kläger vorliegenden Teilhabebeeinträchtigungen mit einem GdB von 70 zu bewerten. Das Rückenleiden mit einem GdB von 50 dominiert hier deutlich und ist aufgrund der psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen um weitere 10 Punkte hoch zu stufen. Eine weitere Erhöhung um 10 Punkte ist gerechtfertigt aufgrund der multiplen sonstigen – eher gering ausgeprägten – Erkrankungen, die jedoch zu weiteren Einschränkungen unterschiedlicher Art führen (Herzleiden, Beeinträchtigung des rechten Armes, pAVK).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.  

 

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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