L 7 R 50/23

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 4 RS 745/17 zuvor S 4 RS 954/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 50/23 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 abgeändert. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 31. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 29. September 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 9. Juli 2012 und vom 25. März 2014 dahingehend abzuändern, dass – über den vom Sozialgericht Dresden im Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 für das Jahr 1969 (in Höhe von 224,82 Mark) ausgeurteilten Betrag hinaus – für die Jahre 1970 bis 1981 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1970

263,23 Mark

1971

274,08 Mark

1972

273,11 Mark

1973

275,19 Mark

1974

274,69 Mark

1975

287,19 Mark

1976

288,27 Mark

1977

288,68 Mark

1978

284,35 Mark

1979

333,89 Mark

1980

344,02 Mark

1981

348,48 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu vier Fünfteln.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines, von der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bereits eröffneten, Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1969 bis 1981 festzustellen.

 

Der 1942 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1962 bis Juli 1965 absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Bergelektronik" an der Bergingenieurschule "Z.... " Y...., seit 10. Juli 1965 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 9. August 1965 bis 30. August 1981 als Ingenieur für Elektroenergie, Elektroingenieur für Materialökonomie, Gruppenleiter Technik, Gruppenleiter Materialversorgung und Materialwirtschaftler im volkseigenen Betrieb (VEB) Braunkohlenwerk "X.... " W....  bzw. im – unmittelbaren Rechtsnachfolgebetrieb – VEB Braunkohlenkombinat "U.... " V....  bzw. (mit Wirkung ab 1. Oktober 1980) im VEB Braunkohlenwerk "U.... " V...., vom 31. August 1981 bis 11. Juli 1982 als Student an der Parteischule "T.... " der SED-Bezirksleitung S....  sowie vom 12. Juli 1982 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Leiter Materialversorgung und Materialwirtschaftler im VEB Braunkohlenwerk "U.... " V....  beschäftigt. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 4. Juli 2000 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte eine Entgeltbescheinigung der LMBV GmbH vom 29. März 2000 (für den Beschäftigungszeitraum vom 9. August 1965 bis 30. August 1981 und vom 12. Juli 1982 bis 30. Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 29. September 2000 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 9. August 1965 bis 30. August 1981 und vom 12. Juli 1982 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der LMBV GmbH vom 29. März 2000, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 3. September 2007 (Eingang bei der Beklagten am 10. September 2007) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau ("Bergbautreueprämien") bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Die Beklagte forderte daraufhin vom Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2010 die Übersendung konkret bezeichneter Unterlagen an und erinnerte mit Schreiben vom 26. April 2010 an die ausstehende Übersendung. Nachdem der Kläger erneut nicht reagierte, lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 2. Juni 2010 ab.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 19. September 2011 (Eingang bei der Beklagten am 20. September 2011) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien sowie von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau bei den festgestellten Arbeitsentgelten und legte arbeitsvertragliche Unterlagen sowie die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats Q....) und Dr. P....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats Q....) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien und zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau vor. Die Beklagte fragte daraufhin mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 bei der Rhenus Office Systems GmbH nach dem Vorliegen von Nachweisen über zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau an. Mit Schreiben vom 3. Juli 2012 teilte die Rhenus Office Systems GmbH mit, über keinerlei Nachweise zu verfügen und übersandte die fiktiv ermittelten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Jahre 1966 bis 1990. Mit Bescheid vom 9. Juli 2012 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 9. August 1965 bis 30. August 1981 und vom 12. Juli 1982 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie für die Jahre 1966 bis 1990 höhere Entgelte auf der Grundlage der von der Rhenus Office Systems GmbH mit Schreiben vom 3. Juli 2012 mitgeteilten fiktiv ermittelten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau als "nachgewiesene" Entgelte fest. Die Feststellung höherer Entgelte für das Jahr 1965 sowie wegen Jahresendprämien lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, derartige Entgelte seien nicht nachgewiesen worden. Den bisherigen Bescheid (vom 29. September 2000) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Mit erneutem Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2013 (Eingang bei der Beklagten am 27. Dezember 2013) begehrte der Kläger abermals die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2014 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Februar 2014 (Eingang bei der Beklagten am 25. Februar 2014) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien. Zur Glaubhaftmachung des Zuflusses von Jahresendprämien legte er erneut die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats Q....) und Dr. P....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats Q....) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien sowie sein Mitgliedsbuch der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit Beitragseintragungen von Januar 1971 bis Januar 1990 vor. Das SED Parteibuch enthält einen separaten Parteibetrag auf eine Jahresendprämie lediglich im Jahr 1982 (in Höhe von 37,50 Mark).

 

Mit Teilabhilfebescheid vom 25. März 2014 stellte die Beklagte abermals die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 9. August 1965 bis 30. August 1981 und vom 12. Juli 1982 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie für das Jahr 1982 ein höheres Entgelt (in Höhe von zusätzlich 1.041,67 Mark = fünf Sechstel von 1.250,00 Mark) wegen einer glaubhaft gemachten Jahresendprämie gemäß der separaten Beitragseintragung (in Höhe von 37,50 Mark) im SED-Parteibuch des Klägers fest. Den bisherigen Bescheid (vom 9. Juli 2012) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte, soweit ihm nicht bereits mit dem Bescheid vom 25. März 2014 abgeholfen wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Die allgemeine Zeugenerklärung sei nicht ausreichend. Das SED-Parteibuch des Klägers weise nur für das Jahr 1982 eine separate Verbeitragung der Jahresendprämie aus, sodass für die übrigen Jahre hieraus nichts abgeleitet werden könne.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juni 2014 Klage zum Sozialgericht Dresden (im Verfahren S 4 RS 954/14) und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien als glaubhaft gemachte Entgelte. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 beschränkte er sein Begehren auf die Zuflussjahre 1969 bis 1981 und 1983 in einer (jeweils konkret bezifferten) Mindesthöhe. Er legte im Laufe des Klageverfahrens erneut sein SED-Parteibuch, die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats Q....) und Dr. P....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats Q....) vom 11. und 26. April 2010 sowie eine Erklärung des Zeugen O....  vom 15. Dezember 2014 vor.

 

Das Sozialgericht Dresden hat – nach Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit Beschluss vom 1. Februar 2016 (im Verfahren S 4 RS 954/14), Anordnung der Fortführung des Verfahrens mit Verfügung vom 13. Juni 2017 (im Verfahren S 4 RS 745/17) und Einholung einer schriftlichen Auskunft des Zeugen O....  am 5. Januar 2022 – mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 (im Verfahren S 4 RS 745/17) die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 31. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014, verurteilt, den Feststellungbescheid vom 29. September 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 9. Juli 2012 und vom 25. März 2014 dahingehend abzuändern, dass für die Zuflussjahre 1969 bis 1981 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1969

224,82 Mark

1970

337,47 Mark

1971

354,17 Mark

1972

360,62 Mark

1973

363,01 Mark

1974

362,66 Mark

1975

377,60 Mark

1976

380,40 Mark

1977

381,01 Mark

1978

375,87 Mark

1979

434,79 Mark

1980

452,89 Mark

1981

458,07 Mark

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe den Zufluss von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1969 bis 1981 dem Grunde nach glaubhaft gemacht. Für das Zuflussjahr 1983 sei eine Jahresendprämie nicht glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger im Planjahr 1982 nicht während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Braunkohlenwerk "U.... " V....  gewesen sei. Die Höhe der Jahresendprämien habe der Kläger für die Zuflussjahre 1970 bis 1981 auf der Grundlage der schriftlichen Erklärung der Zeugen R....  und Dr. P....  vom 11. und 26. April 2010 (jedoch ausgehend von seinem ausdrücklichen, bezifferten Klageantrag beschränkt auf ein Drittel eines Zwölftels eines Bruttomonatsverdienstes des vorangegangenen Jahres) sowie für das Zuflussjahr 1969 auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts glaubhaft gemacht.

 

Gegen den am 25. Januar 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 6. Februar 2023 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus: Das Sozialgericht verletze mit seiner Entscheidung die Vorschriften der §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 AAÜG. Sie halte den rechtlichen Ansatz des Sozialgerichts, Jahresendprämien in einer Mindesthöhe zu bestimmen, für rechtsfehlerhaft. Die angefochtene Entscheidung lehne sich inhaltlich und teilweise wortwörtlich voll und ganz an die "Mindest-JEP"-Judikatur des ehemals 5., jetzt 7. Senats des Berufungsgerichts an. Mit seiner "Mindest-JEP"-Rechtsprechung vertrete der 7. Senat des Berufungsgerichts einen isolierten Rechtsstandpunkt. Die Gewährung einer Jahresendprämie in einer Mindesthöhe sei rechtlich nicht zulässig. Die Prämienverordnungen der DDR hätten keine individuelle Mindesthöhe einer Jahresendprämie vorgesehen. Das unzulässige Schätzergebnis würde nur mit einem anderen Namen versehen. Die bloß einfache Möglichkeit, dass den Anspruchsstellern Arbeitsentgelt im Minimum zugeflossen sei, genüge keinesfalls. Ein solches Ergebnis beruhe hauptsächlich auf Annahmen. Die Vorgehensweise des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts sei mit den rechtlichen Regularien unvereinbar. So habe sich der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts nun auch "rechtsförmlich" mit seinen Entscheidungen vom 21. April 2020 (in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV und L 4 R 461/19 ZV) gegen die "Mindest-JEP"-Judikatur des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts gestellt. Ebenso habe sich bereits das Bayerische Landessozialgericht "als erstes Obergericht" mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Oktober 2019 (im Verfahren L 1 RS 2/16) positioniert. Im Übrigen habe das Landessozialgericht Berlin/Brandenburg mit Urteilen vom 10. März 2022 (im Verfahren L 17 R 471/19) und vom 24. März 2022 (im Verfahren L 17 R 360/19) sowie das Thüringer Landessozialgericht mit Urteil vom 14. September 2022 (im Verfahren L 3 R 332/19) ihre Ansicht gestärkt, sodass sie sich deren Begründungen zu eigen mache. Zudem weise sie darauf hin, dass der Kläger in den Jahren von 1968 bis 1980 Angehöriger des VE Braunkohlenkombinates "U...." gewesen sei. Dieses volkseigene Kombinat sei mit Wirkung vom 1. Juli 1968 aus den Betrieben

  • VEB Braunkohlenwerk U....,
  • VEB Braunkohlenwerk "X....",
  • VEB Braunkohlenwerk "N...." und
  • VEB Braunkohlenwerk "M...."

gebildet worden. Das VE Braunkohlenkombinat "U...." sei der VVB Braunkohle S....  unterstellt gewesen. Die Bildung des VE Braunkohlenkombinates Q....  aus den Betrieben

  • VEB Braunkohlenwerk "L...." Q....  und
  • VEB Braunkohlenwerk K....

sei auf die gleiche Verfügung zurückzuführen. Auch das VE Braunkohlenkombinat Q....  habe mit Wirkung vom 1. Juli 1968 der VVB Braunkohle S....  unterstanden. Bis zum 30. September 1980 hätten somit das VE Braunkohlenkombinat "U...." und das VE Braunkohlenkombinat Q....  existiert. Daneben hätten weitere volkseigene Braunkohlenkombinate bestanden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1969 sei die VVB Braunkohle S....  in VVB Braunkohle umbenannt worden. Die VVB Braunkohle sei Rechtsnachfolger der VVB Braunkohle J....  und der VVB Braunkohle I....  gewesen. Dem Statut der VVB Braunkohle vom 1. Oktober 1973 könnten deren Aufgaben entnommen werden. Zu den Aufgaben hätten nicht die Festlegung der Jahresendprämien in den der VVB unterstellten Kombinaten und Betrieben gehört. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1980 sei das VE Braunkohlenkombinat Q....  gegründet worden. Zu diesem hätten folgende Betriebe gehört:

  • VE BKK Q...., Stammbetrieb, Sitz H...., Kreis Q....;
  • VEB Braunkohlenwerk "U.... ", Sitz V...., Kreis G....;
  • VEB Braunkohlenwerk F...., Sitz E...., Kreis D....;
  • VEB Braunkohlenwerk S...., Sitz C...., Kreis S.... -Land;
  • VEB Braunkohlenwerk Oberlausitz, Sitz ZZ...., Kreis XX….-Land;
  • VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau F...., Sitz F.... , Kreis D....;
  • Institut für Braunkohlenbergbau, Sitz K...., Kreis Q.....

Somit sei festzustellen, dass die Erklärung der Zeugen R....  und Dr. P....

nicht dazu geeignet sei, sie für Jahresendprämienzahlungen im Zeitraum 1969 bis 1980 im

VE Braunkohlenkombinat "U...." heranzuziehen. Das VE Braunkohlenkombinat "U...." sei in der Erklärung nicht genannt. Die Erklärung könne sich unter Beachtung der vorgenannten Historie nur auf das VE Braunkohlenkombinat Q....  im Zeitraum 1969 bis 1980 und ab 1980 auf das VE Braunkohlenkombinat Q....  und die ab 1. Oktober 1980 zugehörigen Betriebe erstrecken. Die Feststellung des Sozialgerichts Dresden, die Erklärung der Zeugen R....  und Dr. P....  gelte "für alle Betriebe der VVB Braunkohle Q...." überzeuge nicht, denn dem Statut der VVB Braunkohle könne unter § 1 Abs. 3 entnommen werden, welche Kombinate und Betriebe dieser unterstanden hätten. Der Erklärung der Zeugen könne hingegen lediglich entnommen werden (Zitat Punkt 2 "Jahresendprämie"): "Ausgehend von den in dem jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinates …". Hier werde eindeutig in der Einzahl gesprochen. Ferner sei auch nicht ersichtlich, dass die Zeugen R....  und Dr. P....  Beschäftigte der VVB Braunkohle S....  beziehungsweise später der VVB Braunkohle gewesen wären, wie dem Register der volkseigenen Wirtschaft entnommen werden könne. Ergänzend sei festzustellen, dass der Rahmenkollektivvertrag (RKV) aus 1967, auf den sich die Erklärung der Zeugen R....  und Dr. P....  stütze, durch den Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen der volkseigenen Betriebe der Kohleindustrie (RKV Kohle), registriert unter Nummer 103/78, in Kraft getreten am 1. Januar 1979, außer Kraft gesetzt worden sei. Der RKV Kohle, Nummer 103/78, Abschnitt III "Arbeitslohn", enthalte – anders als der RKV aus 1967 in Abschnitt 1, Unterabschnitt I, Punkt 7 – keine Aussage mehr zur Jahresendprämie.

 

Die Beklagte beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 abzuändern und die Klage in Gänze abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung führt er aus: Die Entscheidung des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 sei nicht zu beanstanden. Sie entspräche in vollem Umfang den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des 7. Senates des Sächsischen Landessozialgerichts zur Berücksichtigung von Mindest-Jahresendprämien als glaubhaft gemachtes Entgelt nach § 6 Abs. 6 AAÜG.

 

Mit Schriftsätzen vom 24. April 2023 (Kläger) sowie vom 28. April 2023 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist lediglich zu einem geringen Teil für die Zuflussjahre 1970 bis 1981 begründet und im Übrigen unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 überwiegend zu Recht verurteilt hat, die dem Kläger in den Jahren 1969 bis 1981 zugeflossenen Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe festzustellen; lediglich in der ausgeurteilten Höhe sind die Jahresendprämienbeträge für die Zuflussjahre 1970 bis 1981 geringfügig zu hoch ausgeurteilt worden. Insoweit schließt sich der Senat nach Überprüfung den Gründen im angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 an und nimmt darauf zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen zunächst vollständig Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Ergänzend ist jedoch Folgendes auszuführen:

 

1.

Entgegen der Ansicht der Beklagten im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21. Februar 2023 ist die Feststellung bzw. Nichtfeststellung einer Jahresendprämie für das Zuflussjahr 1983 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Denn für das Zuflussjahr 1983 hat bereits das Sozialgericht Dresden die Klage insoweit (im Übrigen) abgewiesen und der lediglich insoweit beschwerte Kläger hat keine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 eingelegt; dieser ist vielmehr bereits insoweit rechtkräftig geworden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Deshalb kann die Beklagte – entgegen ihrem ausdrücklichen Berufungsantrag im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21. Februar 2023 – auch nicht beantragen "den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023, Aktenzeichen S 4 RS 745/17, aufzuheben", weshalb ihr Berufungsantrag vom Senat sinngemäß und sachdienlich gefasst (§§ 153 Abs. 1, 123 Halbsatz 2 SGG) wurde.

 

Vorab ist zudem darauf hinzuweisen, dass das Sozialgericht Dresden im vorliegenden konkreten Fall die von der Beklagten abschätzig als sog. "Mindest-JEP"-Rechtsprechung bezeichnete ständige Rechtsprechung des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts zutreffend für das Zuflussjahr 1969 zu Grunde gelegt hat (dazu nachfolgend unter 2.) und diese im konkreten Fall im Ergebnis auch für die Zuflussjahre 1970 bis 1981 zu Grunde zu legen ist, weil das VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  nicht zum Verantwortungsbereich des volkseigenen (VE) Braunkohlenkombinats Q....  gehörte – was die Beklagte allerdings erstmals im Berufungsverfahren ausführte (dazu nachfolgend unter 4.). Im Übrigen hat das Sozialgericht Dresden jedoch zutreffend auf die einheitliche Rechtsprechung des 4., 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts zu den Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des volkseigenen (VE) Braunkohlenkombinats Q....  hingewiesen (dazu nachfolgend unter 3.).

 

2.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 entspricht (in Bezug auf das Zuflussjahr 1969 sowie im Ergebnis auch hinsichtlich der, lediglich der Höhe nach abzuändernden, Zuflussjahre 1970 bis 1981) der – den Beteiligten hinlänglich bekannten – ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der sich der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts vollinhaltlich angeschlossen hat. Auf die den Beteiligten bekannten und jeweils vollständig in JURIS veröffentlichten Entscheidungen des 5. und des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts wird lediglich der Vollständigkeit halber hingewiesen:

 

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 entspricht dabei – im Gegensatz zu anderen erstinstanzlichen Entscheidungen – nicht nur im Abstrakten dieser ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der sich der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts vollinhaltlich angeschlossen hat, sondern – wenngleich in den Urteilsgründen nur knapp erwähnt – auch im Konkreten. Jedenfalls die erforderlichen Ermittlungsanstrengungen hat das Sozialgericht Dresden geleistet. Denn der konkrete Einzelfall – und nur um diesen geht es jeweils – wurde vom Sozialgericht Dresden dabei – sowohl was die Ermittlungen als auch was deren Würdigung anbelangt – konkret in den Blick genommen. Im vorliegenden Fall liegen

  1. eine konkrete individuelle Zeugenaussage eines Arbeitskollegen des Klägers, O...., bezogen auf den konkreten streitgegenständlichen Zeitraum vor, in der der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach an den Kläger glaubhaft bestätigt wird, sowie
  2. arbeitsvertragliche Unterlagen des Klägers vor (Beurteilung vom 31. Dezember 1965, Leistungseinschätzung vom 26. Januar 1977, Leistungsgesprächsprotokoll vom 4. Dezember 1984, Arbeitsänderungsverträge mit Hinweisen auf höheres Gehalt und höherwertige Arbeitsaufgaben als Ausdruck der Würdigung der vom Kläger gezeigten Arbeitsleistungen, Auszeichnungen mit dem Ehrentitel als Mitglied eines "Kollektiv[s] der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1979 bis 1984 in Würdigung für hervorragende Leistungen im sozialistischen Wettbewerb), die Auskunft über dessen individuelle Arbeitsleistungen geben und plausibel bestätigen, dass der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen und daher Nichtauszahlungen der Jahresendprämien wegen unerträglich schlechter Arbeitsleistungen des Klägers ausgeschlossen sind.

 

Soweit die Beklagte im konkreten Verfahren erneut ausführt, mit der Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der sich der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts vollinhaltlich angeschlossen hat, nicht konform zu gehen und meint, die Gewährung einer Jahresendprämie in einer Mindesthöhe sei rechtlich nicht zulässig, da die Prämienverordnungen der DDR keine individuelle Mindesthöhe einer Jahresendprämie vorgesehen hätten und nur auf Annahmen beruhen würde, kann nur erneut und wiederholt auf Folgendes hingewiesen werden:

 

Für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit der die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" [nachfolgend: Prämienfond-VO 1982] vom 9. September 1982 [DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595] am 1. Januar 1983) kommt eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für "diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes" nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinnes und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie" dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine „statische Fortschreibung“ der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit sich die Beklagte im Übrigen auf die Urteile des – seit 1. Juni 2021 nicht mehr für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen – 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. April 2020 in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 60) und L 4 R 461/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 63) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat – trotz Überprüfung – keinen Anlass sieht seine begründete und ausgewogene Rechtsauffassung aufzugeben oder abzuändern. Denn die von der Beklagten zitierten Urteile des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts setzen sich mit der eingehend begründeten Argumentation des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts nicht auseinander, sondern gehen lediglich vom Gegenteil aus und weisen noch dazu darauf hin, dass diese Rechtsfrage in den dort entschiedenen Fällen gerade nicht entscheidungstragend war (wörtlich heißt es dort: "unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Prämien-Verordnungen – wie vom 5. Senat des Sächsischen LSG und dem Sozialgericht angenommen – in den vorliegend streitigen Zuflussjahren von 1977 bis 1983 überhaupt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf Auszahlung von Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen in einer gesetzlich bestimmten Höhe herangezogen werden können, …"). Im Übrigen behandelt der erkennende Senat die Prämienverordnungen der DDR auch nicht – wie die Beklagte meint – "als Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen"; der Auszahlungsanspruch ergibt sich allein aus § 117 Abs. 1 DDR-AGB; insoweit besteht auch keinerlei Divergenz zur Rechtsansicht des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2019 im Verfahren L 1 RS 2/16 (JURIS-Dokument). Denn auch in diesem wird – neben dem lediglich fast zehnseitigem "Abschreiben" aus den Urteilen des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts – nur angeführt, dass die Prämienverordnungen keinen konkreten individuellen Anspruch des einzelnen Beschäftigten vermitteln. Davon geht – nochmals – auch der erkennende Senat aus. Die Prämienverordnungen werden vom erkennenden Senat lediglich als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" (vgl. zu diesem Aspekt nochmals: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) für die Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen herangezogen, wenn und soweit dieser einzelne Werktätige im konkreten Verfahren aufgrund individueller Umstände glaubhaft gemacht hat, dass er im jeweils konkreten Jahresendprämienjahr die Anspruchsvoraussetzungen nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB konkret erfüllt hatte. Einen "Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämien aus den Prämienverordnungen" nimmt der erkennende Senat – entgegen der wiederholten Behauptungen der Beklagten – weder an, noch leitet er ihn hieraus ab. Die Prämienverordnungen dienen lediglich als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach. Aus diesen – bereits aufgezeigten – Gründen kann die Beklagte auch nicht mit ihrem Hinweis auf die Urteile des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg vom 10. März 2022 im Verfahren L 17 R 471/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 33 ff.) und vom 24. März 2022 im Verfahren L 17 R 360/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 37 ff.) sowie auf das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 14. September 2022 im Verfahren L 3 R 332/19 durchdringen. Denn – wie bereits dargelegt – handelt es sich bei der vom erkennenden Senat angewandten Heranziehung der Prämienverordnungen (als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach) nicht um eine – wie vom Landessozialgericht Berlin/Brandenburg und vom Thüringer Landessozialgericht behauptete – "konservative Schätzung der Höhe der Jahresendprämie".

 

3.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Januar 2023 entspricht zwar auch im Übrigen der – den Beteiligten hinlänglich bekannten – ständigen Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts im Hinblick auf die Jahresendprämienbegehren von Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats Q...., auf der Grundlage der gerichtsbekannten, schriftlichen Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats Q....) und Dr. P....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats Q....) vom 11. und 26. April 2010 sowie der ebenfalls gerichtsbekannten, schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 13. Februar 2012. Im Grundsatz hat das Sozialgericht Dresden diese Maßgaben zutreffend hervorgehoben. Allerdings beziehen sich diese Zeugenerklärungen, die sich auf die Jahresendprämienjahre 1969 bis 1989 beziehen, nur auf die Betriebe die zum Verantwortungsbereich des ehemaligen VE Braunkohlenkombinats Q....  gehören; und damit zwar auf den Beschäftigungsbetrieb des Klägers ab 1. Oktober 1980, nämlich den VEB Braunkohlenwerk "U...." V...., nicht aber auch auf den Beschäftigungsbetrieb des Klägers bis zum 30. September 1980, nämlich den VEB Braunkohlenkombinat "U...." V.....

 

Insoweit zutreffend hat die Beklagte mit ihrem ergänzenden Berufungsbegründungsschriftsatz vom 28. April 2023 dargelegt, dass der VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  nicht zum Verantwortungsbereich des VE Braunkohlenkombinats Q....  gehörte und deshalb im konkreten Fall die gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats Q....) und Dr. P....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats Q....) vom 11. und 26. April 2010 sowie die ebenfalls gerichtsbekannte, schriftliche Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 13. Februar 2012 nicht zu Grunde gelegt werden können.

 

Das VEB Braunkohlenkombinat "U...." V...., also der Beschäftigungsbetrieb des Klägers vom 1. Juli 1968 bis 30. September 1980, wurde gemäß der "Verfügung Nr. 10/68 über die Bildung von Kombinaten und Zusammenlegung von Betrieben der Braunkohleindustrie" vom 24. Juni 1968 (vgl. "Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Grundstoffindustrie" 1968, Nr. 4, S. 19, vom 10. Juli 1968) mit Wirkung vom 30. Juni 1968 aus den Betrieben

  • VEB Braunkohlenwerk U....,
  • VEB Braunkohlenwerk "X....",
  • VEB Braunkohlenwerk "N...." und
  • VEB Braunkohlenwerk "M...."

gebildet und war der VVB Braunkohle S....  unterstellt.

 

Zum selben Zeitpunkt und auf der Grundlage der gleichen "Verfügung Nr. 10/68 über die Bildung von Kombinaten und Zusammenlegung von Betrieben der Braunkohleindustrie" vom 24. Juni 1968 (vgl. "Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Grundstoffindustrie" 1968, Nr. 4, S. 19, vom 10. Juli 1968) wurde auch das VEB Braunkohlenkombinat Q....  aus den Betrieben

  • VEB Braunkohlenwerk "L...." Q....  und
  • VEB Braunkohlenwerk K....

gebildet und ebenfalls der VVB Braunkohle S....  unterstellt.

 

Bis zum 30. September 1980 existierten das VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  und das VEB Braunkohlenkombinat Q....  nebeneinander. Denn erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1980 wurden mit der "Verfügung Nr. 9/80 über Veränderungen in der Organisationsstruktur im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie" vom 29. Juli 1980 (in der Fassung der Verfügung vom 14. Oktober 1980 zur Änderung und Ergänzung und der Zweiten Verfügung vom 24. Dezember 1980 zur Änderung der Verfügung Nr. 9/80)

  • zum einen das VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  in den VEB Braunkohlenwerk "U...." V....  umbenannt (Ziffer III. Nr. 18 Buchst. h] der Verfügung Nr. 9/80) und
  • zum anderen das VE Braunkohlenkombinat Q....  (mit Sitz in H....) gegründet (Ziffer I.... Nr. 1 Buchst. b] der Verfügung Nr. 9/80).

Dabei gehörten zu dem mit Wirkung vom 1. Oktober 1980 gegründeten VE Braunkohlenkombinat Q....  (mit Sitz in H....) folgende Betriebe:

  • VE BKK Q...., Stammbetrieb, Sitz H...., Kreis Q....;
  • VEB Braunkohlenwerk U...., Sitz V...., Kreis G....;
  • VEB Braunkohlenwerk F...., Sitz E...., Kreis D....;
  • VEB Braunkohlenwerk S...., Sitz C...., Kreis S.... -Land;
  • VEB Braunkohlenwerk Oberlausitz, Sitz ZZ...., Kreis XX.... -Land;
  • VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau F....,  Sitz F...., Kreis D.... ;
  • Institut für Braunkohlenbergbau, Sitz K...., Kreis Q....

(Ziffer I.... Nr. 5 der Verfügung 9/80).

 

Aus diesem Grund ist die von der Beklagten in ihrer ergänzenden Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 28. April 2023 enthaltene Feststellung, dass die Erklärung der Zeugen R....  und Dr. P....  nicht dazu geeignet ist, sie für Jahresendprämienzahlungen im streitgegenständlichen Zeitraum der Zuflussjahre 1969 bis 1981 im VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  heranzuziehen, zutreffend. Denn zum einen ist das VEB Braunkohlenkombinat "U...." V....  in der Erklärung nicht aufgeführt und zum anderen bezieht sich die Erklärung unter Beachtung der historischen An-, Aus- und Umgliederungen nur auf das VEB Braunkohlenkombinat Q....  im Zeitraum von 1969 bis 1980 und ab 1980 auf das VE Braunkohlenkombinat Q....  und die ab 1. Oktober 1980 zugehörigen Betriebe.

 

Lediglich ergänzend wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Senat an der, auch der Beklagten hinreichend bekannten, einheitlichen Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts zu den Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats Q....  – so wie sie vom Sozialgericht Dresden im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 dargelegt wurde – festhält. Was die Beklagte mit dem gelegentlichen Hinweis (in anderen Verfahren) auf eine "Judikatur [mit] Alleinstellungsmerkmal dieses Senats" bezweckt, erschließt sich dem Senat nicht, zumal sämtliche für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen und zuständig gewesenen Senate des Sächsischen Landessozialgerichts (4. Senat, 5. Senat und 7. Senat) diesbezüglich einheitlich judiziert haben. Hingewiesen sei insofern auf folgende, nahezu vollständig jeweils in JURIS veröffentlichten, "Parallelentscheidungen":

 

Soweit die Beklagte in anderen Verfahren ergänzend auf ein Urteil des 3. Senats des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg vom 15. Dezember 2021 im Verfahren L 3 R 231/18 WA (nicht veröffentlicht) verwies und ausführte, sie sehe sich hierdurch in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, führt auch dieser Vortrag zu keiner anderen Bewertung. Zwar werden in diesem Urteil vom dort zur Entscheidung berufenen Senat Zweifel an der Glaubhaftigkeit der sog. "R.... -Erklärung" dargelegt. Diese vermögen den erkennenden Senat jedoch nicht zu einer anderen Bewertung Veranlassung zu geben, weil es sich ausschließlich um eine Tatsachenwürdigung handelt. Im Übrigen setzt sich der 3. Senat des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg auch nicht mit den gegenteiligen Bewertungen der sog. "R.... -Erklärung" durch den 4., 5. und 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts sowie durch den 27. Senat des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg (Urteil vom 19. Oktober 2017 im Verfahren L 27 R 124/15; Urteil vom 22. Februar 2017 im Verfahren L 27 R 540/15) auseinander, sondern geht aufgrund der Würdigung der Tatsachenebene lediglich vom Gegenteil aus.

 

Vor diesem Hintergrund beanspruchen in Bezug auf die Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats Q....  nach wie vor folgende Überlegungen Geltung:

 

Die Zeugen R....  und Dr. P....  führten in ihrer (gerichtsbekannten) gemeinsamen schriftlichen Erklärung vom 11. und 26. April 2010 aus, dass im Rahmenkollektivvertrag die Zahlung einer Jahresendprämie an die Beschäftigten festgelegt war und ausgehend von den im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinates (also des VE Braunkohlenkombinats Q....) jeweils der zutreffende Prozentsatz zur Ermittlung der Jahresendprämie festgestellt wurde. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei immer das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten im Vorjahr, also ein Zwölftel des Jahresbruttoverdienstes des Vorjahres. Als verbindliche Prozentsätze wurden für die einzelnen Jahre festgelegt:

  • für das Jahr 1969                                          86,65 Prozent,
  • für das Jahr 1970:                                         87,80 Prozent,
  • für das Jahr 1971:                                         84,50 Prozent,
  • für das Jahr 1972:                                         79,10 Prozent,
  • für das Jahr 1973:                                         88,30 Prozent,
  • für das Jahr 1974:                                         87,75 Prozent,
  • für das Jahr 1975:                                         92,55 Prozent,
  • für das Jahr 1976:                                         89,15 Prozent,
  • für das Jahr 1977:                                         93,65 Prozent,
  • für das Jahr 1978:                                         94,30 Prozent,
  • für das Jahr 1979:                                         94,07 Prozent,
  • für das Jahr 1980:                                         87,03 Prozent,
  • für das Jahr 1981:                                         91,94 Prozent und
  • für die Jahre 1982 bis 1989 jeweils:              88,64 Prozent (anstatt 89,85 Prozent, gemäß Berichtigung durch den Zeugen R....  mit schriftlicher Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012).

In seiner (gerichtsbekannten) schriftlichen Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012 führte der Zeuge R....  zudem aus, dass diese verbindlichen Prozentsätze durch den ehemaligen Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats Q.... , YY....  (bereits Anfang 2010 verstorben), akribisch aus den ehemaligen Betriebsunterlagen herausgearbeitet wurden und, dass die Jahresendprämien in den Kombinatsbetrieben wegen der jeweiligen Planerfüllung zugeführt wurden. Oberstes Gebot für diese Zuführung im Kombinat über die Mindestgrenze hinaus, die jedem Beschäftigten im Kombinat zustand, war dabei stets die Planerfüllung des Vorjahres durch den einzelnen Betrieb. Die Planerfüllung des Kombinats wurde grundsätzlich durch das übergeordnete Organ (bis 1971 die VVB Braunkohle S...., seit 1972 bis 1990 das Ministerium für Kohle und Energie) bestätigt. Nach Bestätigung der Jahresendprämien durch das übergeordnete Organ erfolgte die Auszahlung derselben meist in den Monaten Februar oder März des Folgejahres. In Fällen geringerer Planerfüllung erfolgte auf Antrag der Kombinatsleitung beim übergeordneten Organ immer nachträglich eine sog. Plankorrektur, sodass das Ist-Ergebnis zum Soll-Ergebnis erhoben wurde. Da der Anteil jedes Einzelnen an der Planerfüllung des Kombinats nicht exakt mess- bzw. nachweisbar und damit nicht bewertbar war, wurde die Jahresendprämie quasi als 13. Monatsgehalt angesehen.

 

Soweit die Beklagte wiederholt in anderen Verfahren meinte, die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen R....  seien zu bezweifeln, sodass deren Beweiswert gegen Null tendiere, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Aus dem Umstand, dass der Zeuge R....  mittels eines immer wiederkehrenden – gerichtsbekannten – Standardschreibens seiner Rechtsanwältin (im konkreten sozialgerichtlichen Verfahren zum Beispiel vom 12. Januar 2016 sowie vom 29. Januar 2016) auf massenhafte Anfragen von Sozialgerichten der Länder Sachsen, Brandenburg, Berlin und Thüringen seit dem Jahr 2015 jeweils mitteilen lässt, er könne "zum Gegenstand seiner Vernehmung keinerlei Aussage treffen", kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, er distanziere sich von seiner im Jahr 2010 abgegebenen Erklärung. Zum einen geht diese von der Beklagten "unterlegte" Distanzierung aus dem Standardschreiben seiner Rechtsanwältin nicht hervor. Zum anderen übersieht die Beklagte, dass die Erklärung aus dem Jahr 2010 nicht allein von Herrn R...., sondern auch von dem – zwischenzeitlich verstorbenen – Herrn Dr. P....  abgegeben wurde. Zudem ergibt sich aus der – inzwischen ebenfalls gerichtsbekannten – schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 5. Juli 2017 zu dessen Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012, dass sich der Zeuge R....  keineswegs von seinen Erklärungen distanziert, sondern nach wie vor hinter diesen steht. Er gab in der schriftlichen Zusatzerklärung vom 5. Juli 2017 an, dass seine Angaben aus dem Jahr 2010 auf den akribischen Arbeiten der Fachkollegen YY....  und Dr. P....  beruhten, die auf dem Sachgebiet der Jahresendprämie jeweils von Dezember meist bis März eines Jahres fachlich-inhaltlich umfassend tätig waren und diese Fachkollegen aus unterschiedlichen Quellen (zum Beispiel Arbeitsbücher, spezielle Protokolle, statistische Erhebungen und dergleichen mehr) die erforderlichen umfangreichen Informationen zur Fertigung der Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012 zusammengetragen hatten. Dabei sind diese beiden Fachkollegen (ehemaliger Direktor für Sozialökonomie und Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats Q....) mit großer Umsicht und Gewissenhaftigkeit unter Berücksichtigung und umfassender Einbeziehung der spezifisch auf die Jahresendprämie zutreffenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen vorgegangen.

 

4.

Im Ergebnis sind damit im konkreten Fall in Bezug auf die streitgegenständlichen Planjahre 1969 bis 1980 (mit Zufluss in den Jahren 1970 bis 1981) nicht die schriftlichen Erklärungen der Zeugen R....  und Dr. P....  vom 11. und 26. April 2010 sowie die schriftliche Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 13. Februar 2012 zu Grunde zu legen, sondern die Maßgaben entsprechend der Mindestjahresendprämien.

 

Eine Abänderung der vom Sozialgericht Dresden im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 ausgeurteilten Jahresendprämienbeträge ergibt sich dabei nur insoweit, als der Kläger zwar – mit Klagebeschränkungsschriftsatz vom 14. Juli 2022 – ohnehin nur Jahresendprämien in der Mindesthöhe von einem Drittel eines durchschnittlichen Monatsbruttolohnes des vorangegangenen Planjahres konkret begehrte und das Sozialgericht Dresden diese Antragsbeschränkung im Gerichtsbescheid – auf Grund des Grundsatzes "ne ultra petita" (§ 123 SGG) – zutreffend berücksichtigte und die Jahresendprämienbeträge auf die vom Kläger konkret mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 begehrten Beträge begrenzte. Allerdings lag dieser Antragsbeschränkung des Klägers eine unzutreffende Berechnungsbasis zu Grunde, weil er von den Bruttoentgelten im Feststellungsbescheid vom 25. März 2014 ausging, die wegen der bereits in diesen Bruttoentgelten enthaltenen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau, die auf der Auskunft der Rhenus Office Systems GmbH vom 3. Juli 2012 basieren, nicht zu Grunde gelegt werden können.

 

Die Mindesthöhe der vom Kläger begehrten Jahresendprämien ist nur ohne die fiktiv von der Rhenus Office Systems GmbH mitgeteilten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 29. September 2000 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelten (Entgeltbescheinigung der LMBV vom 29. März 2000), hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die im konkreten Fall nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 29. September 2000 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte (Entgeltbescheinigung der LMBV vom 29. März 2000) sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel, weil die fiktiv ermittelten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau erst von der Rhenus Office Systems GmbH mit Auskunft vom 3. Juli 2012 mitgeteilt wurden.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger – neben dem vom Sozialgericht Dresden im Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2023 für das Zuflussjahr 1969 (in Höhe von 224,82 Mark) bereits zutreffend ausgeurteilten Betrag – Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1969 bis 1980 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1970 bis 1981 ausgezahlten Jahresendprämien lediglich wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1969

11.371,80 M

947,65 M

315,88 M

263,23 M

1970

1970

11.840,37 M

986,70 M

328,90 M

274,08 M

1971

1971

11.798,26 M

983,19 M

327,73 M

273,11 M

1972

1972

11.888,38 M

990,70 M

330,23 M

275,19 M

1973

1973

11.866,80 M

988,90 M

329,63 M

274,69 M

1974

1974

12.406,80 M

1.033,90 M

344,63 M

287,19 M

1975

1975

12.453,61 M

1.037,80 M

345,93 M

288,27 M

1976

1976

12.471,06 M

1.039,26 M

346,42 M

288,68 M

1977

1977

12.284,08 M

1.023,67 M

341,22 M

284,35 M

1978

1978

14.424,08 M

1.202,01 M

400,67 M

333,89 M

1979

1979

14.861,49 M

1.238,46 M

412,82 M

344,02 M

1980

1980

15.054,39 M

1.254,53 M

418,18 M

348,48 M

1981

  

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des gesamten Verfahrens sowie anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung war eine einheitliche Kostenquote für das gesamte Verfahren zu bilden.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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