S 22 AS 595/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 22 AS 595/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 219/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, sowie die darlehensweise Übernahme einer Mietkaution im Rahmen von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Der 1962 geborene Kläger bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. Zunächst lebte er in einer Wohnung in der C-Straße in C-Stadt. Die Kosten der Unterkunft beliefen sich auf 330,00 € Miete zuzüglich kalten Nebenkosten in Höhe von 49,35 € und Heizkosten in Höhe von 45,00 €. Zum 15.11.2008 verzog der Kläger in eine Wohnung im D-Straße in C-Stadt. Den entsprechenden Mietvertrag unterzeichnete er am 4.10.2008. Die Kosten der Unterkunft in der neuen, 65 m² großen Wohnung betragen 430,00 € Miete zuzüglich 130,00 € Nebenkosten einschließlich Heizkosten. Eine Zustimmung zum Umzug durch den Beklagten lag nicht vor. 

Am 11.2.2009 beantragte der Kläger eine finanzielle Unterstützung für den Umzug. Im Einzelnen macht er die Kaution in Höhe von 900,00 €, Umzugskosten in Höhe von 500,00 € und Renovierungsbedarf in Höhe von 150,00 € geltend. Mit Schreiben vom 24.2.2009 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an. Mit Bescheid vom 2.4.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Eine Übernahme der geltend gemachten Kosten komme ohne vorherige Zustimmung zum Umzug nicht in Betracht.

Den hiergegen am 28.4.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4.6.2009 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte die Gründe der Ausgangsentscheidung näher aus.

Dagegen hat der Kläger am 2.7.2009 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Er trägt vor, er habe die Wohnung in der C-Straße sehr kurzfristig räumen müssen, nachdem es zu Differenzen zwischen ihm und dem Vermieter gekommen war. Er habe versucht eine Wohnung zu finden, die sich in den Angemessenheitsgrenzen des Beklagten gehalten hätte. Dies sei ihm aber nicht gelungen. Derartige Wohnungen seien auf dem Wohnungsmarkt nicht verfügbar. Er bezweifelt daher, dass die Feststellung der Angemessenheitsgrenze rechtmäßig sei. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass für den Umzug eine vorherige Zusicherung erforderlich sei. Daher habe er eine solche auch nicht eingeholt. Letztlich habe der Beklagte daher seine Beratungspflicht verletzt, weshalb er aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen sei, als ob eine Zusicherung vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Wohnungsbeschaffungskosten, Umzugskosten sowie darlehensweise eine Mietkaution zu bewilligen und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Kläger sei durch ein Hinweisschreiben auf die Notwendigkeit einer vorherigen Zusicherung zum Umzug hingewiesen worden. Dieses Schreiben erhalte jeder Leistungsempfänger bei der erstmaligen Antragstellung. Es befinde sich auf Bl. 19 des Bands I der Verwaltungsakte. Ein Beratungsmangel liege daher nicht vor.

Er meint, der angemessene Kaltmietzins für C-Stadt betrage für eine Personen 262,00 € (5,82 €/m² * 45 m²). Der Beklagte geht davon aus, seine Berechnungen beruhten auf einem schlüssigen Konzept. 

Er habe sein Zuständigkeitsgebiet in sechs Vergleichsräume aufgeteilt: Der Vergleichsraum „Bergstraße“ bestehe aus den größeren Städten C-Stadt, A-Stadt und D-Stadt. Der Vergleichsraum „Odenwald II“ sei die Gemeinde E-Stadt, der Vergleichsraum „Odenwald I“ beinhalte die übrigen Odenwaldgemeinden des Kreises Bergstraße. Dadurch sei abgebildet, dass die Gemeinde D-Stadt hinsichtlich Infrastruktur, Verkehrsanbindung und Mietniveau eine Sonderstellung im Odenwald einnehme. Die Gemeinden in der Rheinebene seien auf die Vergleichsräume „Ried I“ und „Ried II“ aufgeteilt. Die Stadt F-Stadt bilde einen weiteren Vergleichsraum für sich, da sie durch die Nähe zu G-Stadt wiederum eine Sonderstellung habe. Die Vergleichsräume ergäben sich aus den Besonderheiten in der Infrastruktur, von sozialen und kulturellen Angeboten, der Verkehrsanbindung und des Mietniveaus. Sie stellten zudem sicher, dass ein ausreichender Wohnungsmarkt in den Vergleichsräumen vorhanden sei, um statistisch valide Daten zu erhalten. 

Der Datenbestand aus dem der Beklagte seine Angaben zum Mietpreisniveau in den Vergleichsräumen erhalte, werde differenziert nach der Anzahl der die Wohnung bewohnenden Personen erhoben. Er beinhalte die Größe der Wohnung in Quadratmeter, die Kaltmiete, die kalten Nebenkosten und die Heizkosten. Die Daten erhalte der Beklagte in Ermangelung anderer zugänglicher Datenquellen vor allem aus seiner eigenen Datenhaltung zu den tatsächlichen – auch unangemessen hohen – Mieten seiner Kunden, zum anderen aus dem entsprechenden Datenbestand des Sozialhilfeträgers. Alleine die eigenen Daten des Beklagten bestünden aus rund 5.600 Wohnungen. Aus dem Datenbestand herausgenommen seien alle Wohnungen, deren Miete wegen Unangemessenheit gekürzt sei. Die letzte vollständige Auswertung des Datenbestands habe der Beklagte im Herbst 2008 vorgenommen und daraus die angemessenen Mietpreise für die einzelnen Vergleichsräume und Bedarfsgemeinschaftsgrößen ermittelt.

Die Ermittlung des angemessenen Mietpreises erfolge gesondert für die Anzahl der Personen in der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft nach folgendem Berechnungsmodus: Bei jeder Wohnung im Datenbestand werde die tatsächliche Kaltmiete geteilt durch die tatsächliche Wohnungsgröße in Quadratmeter. Da man davon ausgehe, dass bei den gespeicherten Wohnungen jeweils „Ausreißer“ nach oben und nach unten enthalten seien, kappe man pauschal die teuersten und günstigsten fünf Prozent der Quadratmetermietpreise. Aus den übrigen Quadratmetermietpreisen aller Wohnungen im Datenbestand werde ein Durchschnitt gebildet und mit der angemessenen Wohnungsgröße, die sich aus § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) ergeben, multipliziert. 

Die dabei gefundenen Ergebnisse gleiche der Beklagte vierteljährlich dahingehend ab, ob zu dem so ermittelten Mietzins tatsächlich Wohnungen in ausreichender Anzahl verfügbar seien. Als ausreichend sehe man die Zahl von 4 Wohnungen pro Vergleichsraum und Bedarfsgemeinschaftsgröße im Quartal an. Für die Ermittlungen habe der Beklagte in seinen Regionalbüros insgesamt vier Mitarbeiter mit Teilen ihrer Arbeitskraft dazu eingesetzt, Zeitungsinserate in mehreren regionalen Tageszeitungen, Internetangebote und Rundschreiben von Gemeinden betreffend Mietangebote zu sichten, auszuwerten und zu dokumentieren. Diese Auswertung werde ebenfalls in eine Datenbank eingepflegt. Sie beziehe sich auf Mietangeboten zum angemessenen Preis bzw. 10 Prozent darüber. Die jeweiligen Mietangebote würden archiviert, aber nicht an Hilfebedürftige weitergegeben, weil die Hilfe bei der Wohnungssuche durch den Beklagten nicht zulässig sei. Es sei dabei selbstverständlich, dass ein solches Vorgehen nicht den gesamten Wohnungsmarkt abbilden könne, weil viele Wohnungen auch vermittelt würden, ohne dass sie in allgemein zugänglichen Quellen annonciert würden. Man könne aber davon ausgehen, dass mindestens ein Großteil des unteren Segments des Wohnungsmarktes erfasst sei. Zudem erhalte er Daten aufgrund von Anträgen auf Übernahme von Mietkautionen. Damit seien alle zugänglichen Datenquellen genutzt.

Im vorliegenden Fall erhalte der Kläger aber aus Vertrauensschutzgesichtspunkt den zuvor nicht als unangemessen beanstandeten Betrag von 330,00 € als Mietzahlung. Im vorliegenden Fall spiele dies aber deshalb keine Rolle, weil die neue Wohnung jedenfalls auch teurer sei, als dieser Betrag.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme seiner Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, sowie auf die darlehensweise Übernahme der Mietkaution. 

Gem. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden; eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden.

Im vorliegenden Fall, liegt eine Zusicherung nicht vor. Bereits hieran scheitert der Anspruch des Klägers. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes kann auf das Zusicherungserfordernis nicht verzichtet werden. Dies ist auch sachgerecht, um den Leistungsempfänger vor der vertraglichen Verpflichtung zu schützen, unangemessen hohe Mietzinsen zu zahlen, deren Übernahme der Leistungsträger ablehnt.

Eine Zusicherung kann hier auch nicht gestützt auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden. Die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nicht geeignet, den Klageantrag zu begründen. Daher kann die Kammer dahinstehen lassen, ob der Beklagte – wie der Kläger behauptet – eine Beratungspflicht verletzt hat.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des jeweiligen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers ihm Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (vgl. statt vieler: BSG, Urteil vom 12.07.1998 - 7 RAr 62/88). Ziel des Herstellungsanspruchs ist also die Vornahme einer Amtshandlung. Grundsätzlich kann nur die Erfüllung des infolge des Verwaltungsfehlers beeinträchtigten oder gefährdeten, originären (Haupt-)Anspruchs verlangt werden. Damit ist zugleich gesagt, dass das mit dem Herstellungsanspruch Begehrte „rechtlich zulässig sein“ muss (Seewald in Kasseler Kommentar, 58. EL, 2008 Vorbemerkung §§ 38-47 SGB I, Rn. 43). 

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch dient also der rückwirkenden Korrektur eines Sozialrechtsverhältnisses durch die Vornahme eines Verwaltungsakts oder einer tatsächlichen Handlung. Der dadurch hergestellte Zustand muss vom Gesetz vorgesehen sein.

Im vorliegenden Fall wäre der vom Kläger gewünschte Zustand – die Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, sowie darlehensweise der Mietkaution – nicht vom Gesetz vorgesehen. Der Beklagte wäre nicht zur Erteilung einer Zusicherung verpflichtet gewesen. 

§ 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II sieht vor, dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung nur dann besteht, wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sein.

Die neue Wohnung des Klägers ist aber unangemessen teuer.
Die Angemessenheit der Wohnungskosten ist in mehreren Schritten zu prüfen: Bei der Wohnungsgröße ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen. Dazu ist auf die Wohnungsgrößen, die sich aus § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (WoFG) ergeben, abzustellen (vgl. hierzu auch Rips, WuM 2004, 439, 441). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Mietwohnungsbau die Anerkennung von bestimmten Grenzen für Wohnungsgrößen nach Grundsätzen der Angemessenheit regeln (Rips, aaO). Hierbei erlassen die einzelnen Bundesländer Richtlinien. Für das Land Hessen beträgt die förderfähige Wohnfläche gem. Nr. 4.2.1 der Richtlinien zur sozialen Wohnungsraumförderung vom 20.2.2003 (Hess. StAnz. S. 1346), geändert durch die Richtlinien vom 19.1.2004 (Hess. StAnz S. 628) ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 45 m², für zwei Personen bis 60 m² und für jede weitere Person 12 m² angemessen (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az: B 7b AS 18/06 R; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.10.2005, Az: 9 AS 48/05 ER).

Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20). Sie muss dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen (BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 1/08 R – juris Rn. 15). Die Wohnung muss deshalb hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dadurch ergibt sich einerseits ein Mindestanspruch, gleichzeitig aber im Rahmen des Begriffs der Angemessenheit auch ein Maximalanspruch, der sich aus dem Schutz (nur) des soziokulturellen Existenzminimums herleitet, dem die Ansprüche aus dem SGB II dienen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20). 

Der sogenannten Produkttheorie (vgl. Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 32 m.w.N.) folgend, ist im Ergebnis alleine auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und dem Quadratmetermietpreis, der sich letztlich aus dem Wohnstandard ergibt, abzustellen. Es kommt weder isoliert auf die Wohnungsgröße noch auf den Quadratmetermietpreis an. Eine unangemessen große Wohnung kann bei einem geringen Quadratmetermietpreis also im Ergebnis angemessen sein, ebenso wie eine besonders kleine Wohnung gehobenen Standards.

Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, kann von ihm im Regelfall nicht verlangt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach dem hessischen Kommunalrecht orientieren muss. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann (BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R – juris Rn. 24). 

Der Grundsicherungsträger hat bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen jeweils die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen. Liegen keine entsprechenden Mietspiegel bzw. Mietdatenbanken (§§ 558c ff. Bürgerliches Gesetzbuch) vor, so hat der Grundsicherungsträger grundsätzlich für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene - grundsicherungsrelevante - Mietspiegel oder Tabellen zu erstellen. Nur soweit Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiter führen, kann ein Rückgriff auf die ggf. maßvoll zu erhöhenden Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum Wohnraumförderungsgesetz erlassenen landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen in Betracht kommen. Hinsichtlich der vom Grundsicherungsträger selbst erstellten und geführten Mietdatenbanken genügt es, wenn ihnen ein schlüssiges und nachvollziehbares Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen zugrunde liegt (so auch BSG Urteil vom 19.3.2008 – B 11b AS 43/06 R – juris Rn. 19). Es muss die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden. Gewährleistet sein muss jedenfalls, dass das untere Mietpreisniveau realistisch abgebildet wird (BSG Urteil vom 20.8.2009 – B 14 AS 41/08 R). Bezüglich der Ausgestaltung dieses Konzepts steht der Verwaltung ein umfassender Gestaltungsspielraum zu, der von den Gerichten im Sinne einer Einschätzungsprärogative, zu respektieren ist (vgl. Berlit in info also 2010, 195, 196). Die Anforderungen an ein solches schlüssiges Konzept wurden in der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) näher präzisiert (vgl. insbesondere Urteil vom 2.7.2009, B 14 AS 33/08 R; Urteil vom 20.8.2009, B 14 AS 41/08 R; Urteil vom 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R). Nach Auffassung der Kammer sind unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (insbesondere BSG Urteil vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R) folgende Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zu stellen (vgl. insoweit auch Groth in juris-PraxisReport 17.6.2010 Anmerkung zum Urteil des BSG vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R; Berlit in info also 2010, 195, 198):

a) Die Datenerhebung muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, wobei der Vergleichsraum sachgerecht ermittelt werden muss.

b) Es muss nachvollziehbar sein, welche Wohnungen in die Datenerhebungen einbezogen wurden. Wird nur ein Bestand an Wohnungen einfachen Standards zugrunde gelegt, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat.

c) Informationen zu Größe, Zimmerzahl, Ausstattung, Lage und Bausubstanz der Wohnungen müssen erhoben werden, soweit danach differenziert wird.

c) Das Konzept muss Angaben über den Beobachtungszeitraum enthalten.

d) Die Art und Weise der Datenerhebung (welche Erkenntnisquellen wurden ausgewertet) muss offen gelegt werden.

e) Datenerhebung und die Datenauswertung müssen repräsentativ und valide sein und anerkannten mathematisch-statistischen Standards entsprechen.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte dargelegt, in Ermangelung einer Datengrundlage im Sinne des §§ 558c ff. BGB eine eigene Mietdatenbank zu führen. Der Datensatz speist sich schwerpunktmäßig aus den von den eigenen Leistungsbeziehern und den Leistungsbeziehern des Sozialhilfeträgers angegebenen, ungekürzten Kosten der Unterkunft. Hieraus errechnet er den von ihm zugrunde gelegten angemessenen Mietzins.

Nach Auffassung der Kammer erfolgt die Ermittlung des angemessenen Mietzinses durch ein schlüssiges Konzept. Die oben dargestellten Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Datenerhebung erfolgte jeweils über einen vollständigen Vergleichsraum. Der Vergleichsraum wurde nach sachgerechten Kriterien gebildet. Der örtliche Zuständigkeitsbereich des Beklagten umfasst 22 Städte und Gemeinde. Er ist geprägt von Mittelzentren entlang der Bergstraße und kleineren Städten und Gemeinden im Odenwald und dem hessischen Ried. Durch die Nähe zu Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet im Norden und dem Rhein-Neckar-Gebiet im Süden entstehen weitere regionale Besonderheiten, die mietpreisprägend sind. Der Beklagte hat diese Strukturmerkmale, sowie Gemeinsamkeiten von Teilen seines Zuständigkeitsgebiets betreffend Infrastruktur, soziales und kulturelles Angebot und Verkehrsanbindung zum Anlass genommen, eine räumliche Aufteilung in sechs Vergleichsräume vorzunehmen. Dabei hat er auch die Unterschiede im örtlichen Mietpreisniveau berücksichtigt. Dieses Vorgehen ist schlüssig. Zwar hätte auch eine feinere Aufteilung der Städte und Gemeinden in noch mehr Vergleichsräume vorgenommen werden können. Dies hätte stärker die kommunalpolitischen Grenzen betont. Eine feinere Unterteilung hätte jedoch den Nachteil gehabt, einen statistisch kaum noch valide fassbaren Wohnungsmarkt je Vergleichsraum abzubilden. Gerade in den ländlicheren Gebieten des Rieds oder des Odenwalds besteht eine geringe Fluktuation im Mietwohnungsmarkt mit einer entsprechend geringen Möglichkeit, die Angemessenheitsgrenzen in regelmäßigen Abständen abzugleichen. Nach Auffassung der Kammer ist deshalb das Vorgehen des Beklagten rechtmäßig. Zwar ist insbesondere der Vergleichsraum „Odenwald I“ flächenmäßig sehr groß gewählt. Gerade hier wirkt sich aber wegen der dort vorhandenen, sehr kleinen und eher ländlichen Gemeinden, das oben dargestellt Problem besonders schwerwiegend aus. Dies ist aber im Rahmen der Berechnung der abstrakten Angemessenheit nach Meinung der Kammer hinnehmbar, weil eine Korrektur dahingehend, dass nicht verlangt wird, dass ein Hilfeempfänger vom äußersten Süden des Flächenkreises in den äußersten Norden umzieht, bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Umzugs bzw. der Verfügbarkeit von alternativem Wohnraum erfolgen kann.

Der Datenbestand wurde aus allen Wohnungen gebildet, die dem Beklagten von eigenen Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) gemeldet wurde. Er enthält nur tatsächliche, auch unangemessene Mieten. Gekürzte Mieten wurden nicht mit einbezogen. Die Daten bestehen daher aus einem Querschnitt von Bestandsmieten aller Leistungsempfänger. Sie enthalten deshalb sowohl sehr teure, als auch sehr günstige Wohnungen, dürften aber tendenziell einen Querschnitt vor allem des unteren bis hin zum mittleren Marktsegment abbilden. Der Beklagte hat seine Datenerhebung nicht auf das einfache Marktsegment beschränkt. Daher war er nach Auffassung der Kammer auch nicht verpflichtet, Daten zur Zimmerzahl, Ausstattung, zur Lage oder zur Bausubstanz zu erheben, weil er darauf verzichtet hat, höherwertige Wohnungen im Sinne dieser Kriterien auszusortieren. Soweit also mit der Datenerhebung auch Wohnung mit hoher Zimmerzahl, höherwertiger Ausstattung, besonders guter Lage oder besonders qualitativer Bausubstanz erfasst wurden, verschiebt dies den angemessenen Quadratmetermietpreis zugunsten des Hilfeempfängers nach oben.

Ausreichend – aber auch zwingend notwendig, um die unterschiedlichen Mietniveaus bei verschiedenen Wohnungsgrößen abzubilden (siehe BSG Urteil vom 20.8.2009 – B 14 AS 41/08 R; so auch Berlit in info also 2010, 195, 199) - war daher, dass der Beklagte den Datenbestand nach der Anzahl der (tatsächlichen) Bewohner und nach der Wohnungsgröße differenziert.

Das vom Beklagten vorgetragene Konzept enthält Angaben über den Beobachtungszeitraum. Die Datenerhebung erfolgt fortlaufend. Der Abgleich des angemessenen Mietpreises mit der Verfügbarkeit von Wohnungen zu diesem Preis erfolgt vierteljährlich. Diese Frequenz erscheint der Kammer ausreichend zu sein, um Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt ohne erhebliche zeitliche Verzögerung abbilden zu können.

Der Beklagte hat seine Erkenntnisquellen offengelegt. Er wertet seinen eigenen Mietdatenbestand und den des Sozialhilfeträgers aus. Der Abgleich und die Korrektur dieser Daten erfolgt ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Tabellen anhand von mehreren Tageszeitungen (hier mindestens drei Zeitungen: Bergsträßer Anzeiger, Mannheimer Morgen, Starkenburger Echo), dem Internet (hier mindestens vier Portalen: Immobilienscout24, Immowelt, Rhein-Mainclick und Quoka.de) und Rundschreiben von Gemeinden. Im Übrigen verfügt er über einen weiteren laufenden Dateneingang in Form von Anträgen auf Übernahme von Mietkautionsdarlehen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die Datenerhebung und Datenauswertung repräsentativ und valide ist und anerkannten mathematisch-statistisch Standards entsprechen. Der von dem Beklagten ermittelte Datensatz ist groß genug, um die Grundlage für eine statistische Auswertung bieten zu können. Durch die Aussortierung von je 5 Prozent der teuersten und günstigsten Wohnungen, werden „Ausreißerwerte“ eliminiert. Im Übrigen wird ein Durchschnitt der Quadratmetermietpreise gebildet. Dadurch bildet der ermittelte angemessene Mietzins die unteren 50 Prozent des zugrunde gelegten Wohnungsbestands ab. Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass dieser Wohnungsbestand nicht nur das einfache Segment des Wohnungsmarktes umfasst, sondern auch zu nicht unwesentlichen Teilen das mittlere – evtl. auch teilweise das gehobene – Segment, weil Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten in den Leistungsbezug nach dem SGB II fallen können. Dieses Vorgehen ist nach Auffassung der Kammer weder mathematisch-statistisch zu beanstanden, noch unrepräsentativ hinsichtlich des zumutbaren Wohnungsmarktes, der nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz nur den einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen muss. 

Nach diesem schlüssigen Konzept hat der Beklagte richtigerweise einen angemessenen Kaltmietzins für den Vergleichsraum „Bergstraße“ und damit für die Stadt C-Stadt in Höhe von 262,00 € (5,82 €/m² * 45 m²) ermittelt.

Die neue Wohnung des Klägers ist mit einem Kaltmietzins in Höhe von 430,00 € deutlich teurer. Selbst bei rechtzeitiger Beantragung einer Zusicherung zum Umzug, hätte der Beklagte diese also ablehnen können. Selbst ein etwaiger Beratungsmangel würde daher den Klageantrag des Klägers nicht rechtfertigen. Feststellungen darüber, ob ein solcher Beratungsmangel hier vorgelegen hat, waren daher von der Kammer nicht zu treffen. 

Lediglich klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die Kammer – außer dem Vortrag des Klägers – auch keinerlei Hinweise auf das Vorliegen eines Beratungsmangels hat.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Sie war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
 

Rechtskraft
Aus
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