L 2 BA 66/22

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Hildesheim (NSB)
Aktenzeichen
S 14 R 78/15
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 BA 66/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine beitragsbegünstigte Umwandlung von Teilen des bislang gezahlten Arbeitslohns in lohnsteuer- und beitragspriviligierte verwendungsgebundene Zusatzleistungen setzte in Zeiträumen vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 4 EStG schon im Ausgangspunkt eine ernstlich und dauerhaft gewollte arbeitsrechtlich wirksame Vereinbarung über die Lohnabsenkung voraus.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung noch gegen die Heranziehung von weiteren Beiträgen zur Sozialversicherung für die Prüfjahre 2006 und 2007, welche der beklagte Rentenversicherungsträger auf der Grundlage einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung festgesetzt hat.

ie Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Ingenieurbüro und erbringt entsprechende Leistungen im Bereich des Straßenbaus und der Wasserwirtschaft. In den Jahren 2005 bis 2007 beschäftigte sie bis zu 41 Arbeitnehmer.

Im April 2006 schloss die Klägerin nach ihren Angaben mit jedenfalls einigen ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit Wirkung ab Mai 2006 Änderungsverträge ab, welche eine Ersetzung von Bestandteilen des bis April 2006 gezahlten Arbeitslohns durch sog. Zusatzleistungen insbesondere in Form von Sachleistungen, und zwar namentlich in Form sog. Tankgutscheinen, einer sog. Internetpauschale, eines Fahrtkostenersatzes oder in Form von Kindergartenzuschüssen, vorgesehen haben sollen. Diese Zusatzleistungen sollten beitragsfrei ausgezahlt werden. Sie sollten nicht bei der Berechnung der individuellen Lohnsteuer berücksichtigt werden, sondern in Abhängigkeit von dem jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Anknüpfungspunkt pauschbesteuert oder gänzlich steuerfrei gewährt werden.

Ausweislich des letztlich denselben Ausgangssachverhalt betreffenden – sich seinerzeit an einem „Muster des Arbeitsvertrages in der Bp-Arbeitsakte“ orientierenden – Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16. Juni 2011 (11 K 81/10, vgl. Bl. 314 ff. VV) verpflichtete sich die Klägerin in den Änderungsverträgen bei Wegfall der persönlichen und/oder gesetzlichen Voraussetzungen für die vereinbarten Zusatzleistungen eine „entsprechende Zusatzleistung“ zu zahlen, deren Voraussetzungen vorlägen. Sollte auch dies nicht möglich sein, sollte sich die Höhe der Vergütung wieder nach den bis April 2006 maßgeblichen Vereinbarungen richten.

Entsprechendes sollte gelten, sofern ein Mitarbeiter der Klägerin mitteilte, dass er die gewährten Zusatzleistungen nicht mehr wünsche.

Im vorliegenden Berufungsverfahren hat die Klägerin den vom 28. April 2006 datierenden Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 16. vorgelegt (Bl. 422 f. GA). Nach diesem Vertrag ist der Beigeladene zu 16. erst mit Wirkung zum 1. Mai 2006 als Bauingenieur eingestellt worden. Als monatliches Bruttogehalt sollte er 3.530 € erhalten. Ferner erhielt er ausweislich der Vereinbarungen in der Anlage 1 zu diesem Vertrag (neben Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge) monatlich zusätzlich

a) einen „regelmäßigen Gutscheins-, Waren oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers“ mit einem Gegenstandswert von 44 €, wobei der Arbeitnehmer jeweils bis zum 30. November eines Jahres mitteilen sollte, welche konkreten Waren, Dienstleistungen oder Gutscheine er im Folgejahr beziehen wolle, für die Anfangszeit war ein Bezug von Waren und Dienstleistungen der in der Anlage benannten Tankstelle vorgesehen,

b) eine sog. Internetpauschale in Höhe von 50 €, wobei der Arbeitnehmer auf Anforderung der Klägerin zum Nachweis von Aufwendungen in dieser Höhe bis zum Anfang des jeweils folgenden Jahres mit der Maßgabe verpflichtet wurde, dass bei Nichtvorlage dieser Bestätigung der Arbeitgeber „berechtigt“ sei, eine berichtigte Lohnabrechnung für die betroffenen Lohnzahlungszeiträume zu erstellen, bei dem dieser Zuschuss der „regulären Abgabenbelastung“ unterworfen werde,

c) eine Erholungsbeihilfe (ausgehend von einem Jahresbetrag von 156 € für den Arbeitnehmer, 104 € für den Ehegatten und 52 € für jedes berücksichtigungsfähige Kind, der sich daraus konkret für den Beigeladenen zu 16. ergebende Betrag wurde in der Anlage nicht festgehalten; soweit nicht eine zweckentsprechende Verwendung auf einem dafür vorgesehenen Formblatt der Klägerin nachgewiesen werden sollte, behielt sich die Klägerin auch insoweit eine rückwirkende Korrektur der betroffenen Lohnabrechnungen auf der Basis der „regulären Abgabenbelastung“ vor,

d) einen Zuschuss für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte in Höhe von monatlich 112,50 € ausgehend von 30 Cent je Entfernungskilometer auf der Basis der im Rahmen einer „Pauschlierungsmethode“ berücksichtigten monatlich 15 Arbeitstage (wobei sich nach dem im Google-Routenplaner auf der Basis der in dem Vertrag festgehaltenen Wohn- und Geschäftsanschriften eine einfache Entfernung von 22 km ergibt; bei 30 Cent je Entfernungskilometer und 15 Arbeitstagen ermittelt sich auf dieser Basis rechnerisch ein Betrag von ca. 99 €).

Nach § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages mit dem Beigeladenen zu 16. verpflichtete sich die Klägerin bei Wegfall der Voraussetzungen für die genannten Zusatzleistungen zur Erbringung „entsprechender Zusatzleistungen“, deren Voraussetzungen erfüllt waren. Soweit dies nicht in Betracht kam, sollte sich ab dem 1. des Folgemonats der Vergütungsanspruch nach der im Monat April 2006 gewährten Vergütung (zuzüglich zwischenzeitlicher Anpassungen) richten, wobei allerdings der Beigeladene zu 16. nach Maßgabe des vorgelegten Arbeitsvertrages erst zum 1. Mai 2006 als Arbeitnehmer in das klägerische Unternehmen eingetreten ist und mithin im April 2006 noch gar keine Vergütung bezogen hatte.

Ein Gehalt nach Maßgabe dieser Bestimmung sollte dem Beigeladenen zu 16. auch dann zustehen, falls er der Klägerin schriftlich anzeigt, dass er die Zusatzleistungen „nicht mehr wünschte“ (§ 5 Abs. 4 des Vertrages).

Im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung der Finanzverwaltung gelangten die Prüfer im Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 6. Mai 2008 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 4. Februar 2010 zu der Auffassung, dass die betroffenen Zusatzleistungen nicht die nach den gesetzlichen Vorgaben erforderliche Zusätzlichkeit erkennen ließen, sondern sich als eine nicht statthafte Barlohnumwandlung darstellen würden. Sie seien daher in voller Höhe als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu berücksichtigen. Die davon betroffenen Entgeltbestandteile führte die Finanzverwaltung im Lohnsteuerprüfbericht vom 17. April 2008 im Einzelnen unter der Teilziffer (Tz) 5 auf.

Die dagegen beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobene Klage der Klägerin (11 K 81/10) hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Mit Urteil vom 16. Juni 2011 hat das Gericht unter Abweisung der Klage im Übrigen die zur Überprüfung gestellten Bescheide nur hinsichtlich der Zusatzleistungen „Sachbezug“ in Höhe von 44 € je Monat aufgehoben. 

Zur Begründung der Abweisung der Klage im Übrigen hat das Finanzgericht insbesondere dargelegt, dass die Klägerin die in Form einer Internetpauschale, eines Fahrtkostenersatzes sowie in Form von Kindergartenzuschüssen gewährten Zusatzleistungen nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt habe. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen würden den betroffenen Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf eine Gehaltszahlung unter Einschluss auch der rechnerisch für Zusatzleistungen in Ansatz gebrachten Beträge vermitteln, soweit die Voraussetzungen für die Zusatzleistungen nicht vorliegen würden. Damit seien dies Gehaltsbestandteile, auf die der Arbeitnehmer ohnehin Anspruch habe.

Angesichts des vereinbarten Wahlrechts im Sinne eines dem Arbeitnehmer eingeräumten Rechts zum Verzicht auf die Zusatzleistungen mit der Folge einer Wiederbegründung des zuvor gezahlten Barlohnanspruchs sei ohnehin kein eindeutiger Verzicht auch nur auf Teile dieses Barlohns festzustellen.

Bei dieser Ausgangslage könne dahingestellt bleiben, inwieweit anders ausgestaltete Gehaltsumwandlungen der Inanspruchnahme der lohnsteuerrechtlichen Privilegierungstatbestände entgegenstehen würden.

Bezüglich der in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlten Erholungsbeihilfe habe die Klägerin auch nicht die gesetzlich geforderte Sicherstellung einer zweckgerichteten Verwendung bewirkt.

Die Revision der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage im genannten Umfang hatte keinen Erfolg (vgl. Urteil des BFH vom 19. September 2012 – VI R 55/11 –, Bl. 322 ff. VV).

Die Beklagte ihrerseits hatte die im Rahmen der finanzbehördlichen Lohnsteueraußenprüfung aufgeworfenen Fragen im Rahmen der damaligen Betriebsprüfung zunächst nicht eigenständig geprüft.

Eine von ihrer Seite am 10. März 2008 durchgeführte Betriebsprüfung führte nur aus anderen Gründen zu einer Nachforderung von 92,28 €. Der Prüfbescheid vom 9. April 2008 erhielt folgenden Zusatz: „Der Bericht über die letzte Lohnsteueraußenprüfung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt lag im Zeitpunkt der Betriebsprüfung noch nicht vor. Nach Eingang des Prüfberichtes/Bescheides der Finanzbehörde wird gebeten, diesen unmittelbar nach dem Eingang sozialversicherungsrechtlich auszuwerten. Eventuell nachzuzahlende Beträge sind bis zum drittletzten Bankarbeitstag des Monates, der der Bestandskraft der Entscheidung der Finanzverwaltung folgt, an die zuständig Einzugsstelle zu zahlen. Bei Fragen hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Auswertung bitten wir, sich mit der zuständigen Einzugsstelle bzw. dem zuständigen Rentenversicherungsträger in Verbindung zu setzen.

Entsprechend hielt die Beklagte im nachfolgenden Bescheid vom 11. April 2012 (welcher aus anderen Gründen einen Nachforderungsbetrag von 601,06 € festsetze) fest: „Im Prüfzeitraum hat eine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden, die auch beitragsrechtliche Konsequenzen für den Bereich der Sozialversicherung beinhaltet. Nach Abschluss des Revisionsverfahrens ist der endgültige Prüfbescheid des Finanzamtes der DRV Braunschweig-Hannover zur sozialversicherungsrechtlichen Auswertung vorzulegen. Insofern ergeht dieser Bescheid über die Betriebsprüfung vom 13.03.2012 zunächst unter Vorbehalt…“

Nach Vorlage der Revisionsentscheidung des BFH leitete die Beklagte eine weitere Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 2006 bis 2013 ein und setzte mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 in Auswertung insbesondere des Lohnsteuerprüfberichts vom 6. Mai 2008 nachzuentrichtende Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung (einschließlich Umlagen) in Höhe von 32.323,93 € (einschließlich 4.698,50 € Säumniszuschläge) fest.

Die Nachforderungen ergaben sich insbesondere aufgrund einer beitragsrechtlichen Umsetzung der von der Finanzverwaltung im Rahmen der Lohnsteuerprüfberichte vom 17. April 2008 unter Tz 5 aufgeführten Tatbestände (soweit diese vom Niedersächsischen Finanzgericht bestätigt worden waren), in denen die Klägerin nach der im Finanzrechtsstreit bestätigten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu Unrecht lohnsteuerfreie (und damit beitragsfreie) Zusatzleistungen angenommen hatte.

Soweit die Beklagte mit dem genannten Bescheid darüber hinaus weitere Beträge insbesondere anknüpfend an einen weiteren Lohnsteuerprüfbericht vom 25. März 2014 und unter dem Gesichtspunkt eines in Ansatz zu bringenden geldwerten Vorteils für übernommene Steuerzahlungen geltend gemacht hat, ist dies im vorliegenden Berufungsverfahrens angesichts des (im Sinne einer Teilrücknahme der Berufung) eingeschränkten Antrages nicht mehr zu prüfen.

Mit Änderungsbescheid vom 13. November 2014 brachte die Beklagte die Umlage U1 nicht mehr in Ansatz, dadurch reduzierte sich der nachzuentrichtende Beitrag auf 31.049,88 € (einschließlich 4.506 € Säumniszuschläge).

Mit weiterem Änderungsbescheid 26. November 2014 korrigierte die Beklagte für eine der betroffenen Mitarbeiterinnen die zuständige Einzugsstelle; Änderungen hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beträge waren damit nicht verbunden.

Im Übrigen wies die Beklagte den von der Klägerin mit Schreiben vom 13. November 2014 eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 8. Januar 2015 zurück.

Zur Begründung der am 10. Februar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin insbesondere die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf schutzwürdiges Vertrauen berufen.

Mit Urteil vom 10. Oktober 2022, der Klägerin zugestellt am 28. November 2022, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen, zumal die Beklagte in den anfänglichen Betriebsprüfungsbescheiden unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass bei ihnen die Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung noch nicht berücksichtigt worden seien.

Mit der am 22. Dezember 2022 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beruft sich insbesondere auf das Urteil des BFH vom 1. August 2019 – VI R 32/18 –, BFHE 265, 513 und die aus ihrer Sicht eingetretene Verjährung. Es könne nicht ihr als Arbeitgeberin angelastet werden, wenn die Beklagte jahrelang untätig geblieben sei.

Die Klägerin will den angefochtenen Bescheid im Berufungsverfahren nur in Teilen zur Überprüfung stellen, und zwar nur soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid Beiträge und Umlagen anknüpfend an die „Auswertung der Lohnsteuerprüfberichte vom 17. April 2008 – Tz 5“ (einschließlich der darauf entfallenden) Säumniszuschläge nacherhoben hat. Diese Regelungen werden aus Sicht der Klägerin von der Auslegung des sog. Zusätzlichkeitserfordernisses geprägt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie schon materiell-rechtlich nicht zur Abführung von Beiträgen und Umlagen für die streitbetroffenen Zusatzleistungen verpflichtet sei, weil sie insoweit alle maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben für beitragsfreie Zusatzleistungen beachtet habe. Jedenfalls stehe der Geltendmachung der Nachforderungen die vor Erlass des angefochtenen Bescheides eingetretene (Regel-)Verjährung entgegen. Für die Annahme einer vorsätzlichen Beitragshinterziehung sei aus ihrer Sicht kein Raum.

 

Die Klägerin beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts vom 10. Oktober 2022 zu ändern und
  2. den Beitragsnacherhebungsbescheid vom 21. Oktober 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. November 2014 und vom 26. November 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2015 aufzuheben, soweit Beiträge und Umlagen für die Beitragszeiträume 2006 und 2007 mit der Begründung „Auswertung der Lohnsteuerprüfberichte vom 17. April 2008 – Tz 5“ festgesetzt worden sind.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Bezüglich des von der Klägerin herangezogenen Urteils des BFH vom 1. August 2019 hat sich die Beklagte zunächst auf einen sog. Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Februar 2020 berufen. Auf Hinweis des Senates musste die Beklagte nachfolgend allerdings einräumen, dass das BMF im Schreiben v. 5.1.2022 – IV C 5 - S 2334/19/10017 :004 (DOK 2022/0007642; BStBl. 2022 I S. 61; vgl. auch Krüger in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 8 EStG, Rn. 80) Folgendes festgehalten hatte: Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist das BMF-Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 - S 2334/19/10017 :002, DOK 2020/0097878, BStBl. I 2020, 222, DStR 2020, 292) für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 nicht mehr anzuwenden. Damit ist in allen offenen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 das BFH-Urteil vom 1.8.2019 – VI R 32/18 (BStBl II 2020, 106, DStR 2019, 2247) über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ist somit erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel). Ansonsten liegt eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor (BFH v. 1.8.2019 – VI R 32/18, BStBl II 2020, 106, DStR 2019, 2247 Rn. 30…

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat den Berufungsantrag im Laufe des Berufungsverfahrens eingeschränkt und in der mündlichen Verhandlung nur noch das Begehren weiterverfolgt, den Beitragsnacherhebungsbescheid vom 21. Oktober 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. November 2014 und vom 26. November 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2015 aufzuheben, soweit Beiträge und Umlagen für die Beitragszeiträume 2006 und 2007 mit der Begründung „Auswertung der Lohnsteuerprüfberichte vom 17. April 2008 – Tz 5“ festgesetzt worden und bezüglich dieser Teilbeträge Säumniszuschläge erhoben worden sind. Alle weiteren Regelungsbestandteile sind damit vom Senat nicht mehr zu prüfen.

Bezüglich der noch zu überprüfenden Regelungsbestandteile, bezüglich derer sich nach den Berechnungen der Klägerin (B. 429 GA) die Gesamthöhe der noch streitbetroffenen Beträge auf 17.857,07 € beläuft, lässt der angefochtene Bescheid keinen Fehler zu Lasten der Klägerin erkennen.

1. Rechtsgrundlage der Beitrags- und Umlagenfestsetzung durch die Beklagte ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5). Die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltenden Vorschriften des SGB IV sind auf die Umlage für das Insolvenzgeld entsprechend anzuwenden (§ 359 Abs. 1 Satz 2 SGB III; vgl. zum Vorstehenden:  BSG, Urteil vom 13. Dezember 2022 – B 12 R 3/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 11).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs. 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –, SGb 2011, 633.)

2. Im streitbetroffenen Prüfzeitraum 2006 und 2007 waren die Beigeladenen zu 1. bis 22. nach Maßgabe der vorstehend erläuterten Kriterien abhängig beschäftigte Mitarbeiter/innen der Klägerin, wobei der Beigeladene zu 16. die Beschäftigung erst zum 1. Mai 2006 aufgenommen hat. An der Beitragspflicht der Beschäftigungsverhältnisse dem Grunde nach besteht auch aus Sicht der Beteiligten keine Zweifel. Für den Grundlohn hat auch die Klägerin im streitbetroffenen Prüfzeitraum regelmäßig Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung für die Beigeladenen zu 1. bis 22. abgeführt.

3. Neben diesem von der Klägerin bereits verbeitragten Grundlohn hat die Klägerin für zumindest viele ihrer Beschäftigten, und zwar jedenfalls für die Beigeladenen zu 1. bis 22., im Zeitraum Mai 2006 bis Dezember 2007 Zusatzleistungen namentlich in Form der in dem erläuterten Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 16. im Einzelnen aufgeführten zusätzlichen Leistungen erbracht. Für diese Zusatzleistungen hat die Klägerin keine Beiträge und Umlagen abgeführt. Dazu war sie jedoch von Rechts wegen jedenfalls in dem Umfang verpflichtet, welcher in dem zur Überprüfung gestellten Bescheid vom 21. Oktober 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. November 2014 und vom 26. November 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2015 ausgewiesen worden ist.

a) Dabei wird auch von Seiten der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass entsprechende – bislang nicht verbeitragte – Zusatzleistungen für die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den streitbetroffenen Nacherhebungszeiträumen jedenfalls in Höhe der in den zur Überprüfung gestellten Bescheiden jeweils mitarbeiterbezogenen ausgewiesenen Beträge für „Entgelt bisher unberücksichtigt“ tatsächlich gewährt worden sind.

Nach § 14 Abs. 1 SGB IV zählen jedoch im Ausgangspunkt zum (sofern damit nicht eine maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze überschritten wird, was im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht erfolgt ist) beitragspflichtigen Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Diesen Ausgangspunkt hat der Gesetzgeber jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:

(1) Als Ausnahme von diesem Grundsatz sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV (im Jahr 2006 galt noch die entsprechende Vorgängervorschrift des § 1 der Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung – Arbeitsentgeltverordnung – ArEV) dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Davon erfasst werden im vorliegenden Zusammenhang insbesondere gemäß § 3 Nr. 33 EStG „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten“ Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen.

(2) Ferner galten in den Jahren ab 2006 folgende Vorgaben nach § 8 EStG: Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen (Abs. 2 Satz 1). Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten sind, bleiben außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht übersteigen (Abs. 2 Satz 9).

(3) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV (bzw. im Jahr 2006 nach § 2 ArEV) sind dem Arbeitsentgelt des Weiteren nicht zuzurechnen Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG. Davon betroffen sind im vorliegenden Fall insbesondere folgende Tatbestände einer Pauschbesteuerung nach § 40 Abs. 2 EStG:

(a) Erholungsbeihilfen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG), wenn diese zusammen mit Erholungsbeihilfen, die in demselben Kalenderjahr früher gewährt worden sind, 156 Euro für den Arbeitnehmer, 104 Euro für dessen Ehegatten und 52 Euro für jedes Kind nicht übersteigen und der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Beihilfen zu Erholungszwecken verwendet werden,

(b) Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung gezahlt werden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG),

(c) Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder Fahrten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden, soweit die Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG).

b) Das erläuterte Regel-Ausnahme-Verhältnis, dass sich einerseits aus § 14 Abs. 1 SGB IV und andererseits aus den erläuterten Bestimmungen der SvEV (bzw. im Jahr 2006 der ArEV) ergibt, hat zur Folge, dass sich ein Arbeitgeber nur dann auf die Beitragsfreiheit von neben dem Grundlohn ausgezahlten weiteren Zuwendungen berufen kann, wenn er die – seine eigene Sphäre betreffenden – tatbestandlichen Voraussetzungen der angesprochenen Ausnahmebestimmungen der SvEV (bzw. im Jahr 2006 der ArEV) substantiiert darlegen und möglichst belegen kann. Die materielle Beweislast trägt in diesem Zusammenhang der sich auf die ihn begünstigenden Ausnahmevorschriften berufende Arbeitgeber.

Ebenso wie es sachgerecht Aufgabe des Arbeitgebers ist, die ihm wohlbekannten, der Einzugsstelle und der für die Betriebsprüfung zuständigen Stelle aber genuin unbekannten Tatsachen zum Bestehen oder Fehlen eines Arbeitsverhältnisses zu dokumentieren und zu offenbaren, um eine Überprüfung zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR
31/16 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-7862 § 7 Nr 1, Rn. 25), hat er auch die Umstände, aus denen sich aus seiner Sicht eine Beitragsfreiheit von Zusatzleistungen ergeben soll, verlässlich zu dokumentieren und zu offenbaren, um eine Überprüfung zu ermöglichen.

c) Mit den erläuterten Regelungen der SvEV (bzw. im Jahr 2006 der ArEV) wollte der Verordnungsgeber eine übereinstimmende Behandlung von Zuschlägen im beitrags- wie im lohnsteuerrechtlichen Sinne herbeiführen. Dementsprechend würde es schon im Ausgangspunkt dem gesetzgeberischen Ansatz widersprechen, wenn die entsprechenden Vorgaben im Sozialrecht abweichend von der gefestigten finanzgerichtlichen Rechtsprechung ausgelegt würden.

Damit ist insbesondere auch in beitragsrechtlichen Streitigkeiten dem Urteil des BFH vom 1. August 2019 – VI R 32/18 –, BFHE 265, 513 zu folgen, zumal dies auch von Seiten des Bundesfinanzministeriums für Zeiträume bis 2019 befürwortet wird. Dies gilt unabhängig davon, ob steuerrechtlich bezüglich der streitbetroffenen Nacherhebungszeiträume noch Festsetzungen im Streit sind.

Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, konnte der Arbeitgeber in Veranlagungszeiträumen bis 2019 nach Maßgabe des o.g. BFH-Urteils bei Beachtung der dafür in diesem Urteil vorgegebenen Voraussetzungen eine entsprechende Lohnminderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Erst mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2020 hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I, 3096) die neue Regelung des § 8 Abs. 4 EStG eingeführt, welche entsprechende Umwandlungsmöglichkeiten nachhaltig einschränkt.

Allerdings hatte auch schon der BFH mit seinem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom 1. August 2019 (aaO) keineswegs grenzenlos eine Ersetzung bislang erbrachter Lohnzahlungen durch zusätzliche – weder dem individuellen Lohnsteuerabzug noch der Beitragsabführung unterliegende – Zuwendungen als gesetzeskonforme Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitgeber anerkannt. Vielmehr weist schon die BFH-Entscheidung ausgehend insbesondere von den gesetzgeberischen Zielvorgaben detaillierte Vorgaben für die Nutzung der Lohnsteuer- und Beitragsfreiheit (Lohnsteuerfreiheit bezogen auf die individuelle Lohnsteuerberechnung; die angesprochenen gesetzlichen Tatbestände sehen teilweise eine Pauschbesteuerung vor) aus, welche im Einzelfall jeweils zu gewährleisten sind.

Auch wenn nach dieser BFH-Entscheidung ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel nicht als solcher bereits als begünstigungsschädlich anzusehen ist, so hat doch seine lohnsteuer- (und entsprechend beitrags-)rechtliche Relevanz jedenfalls zur Voraussetzung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herabsetzen. Nur auf dieser Basis kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen (BFH, aaO, Rn. 22).

Auch nach der einleuchtenden Auffassung des BFH sollen hingegen Leistungen, die unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden, nicht lohnsteuerfrei (und damit beitragsfrei) sein. Dem Arbeitgeber ist es insbesondere verwehrt, einseitig, d.h. ohne Vertragsänderung, eine im Hinblick auf die vorhandenen Begünstigungstatbestände optimierte Berechnung der Lohnsteuer zu bewirken (aaO, Rn. 26).

Nur wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herabsetzen, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen (BFH, aaO, Rn. 22; vgl. auch unter Rn. 27 die Bezugnahme auf die dort angeführte Rechtsprechung des BSG, U.v. 2. März 2010 – B 12 R 5/09 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr. 12, wonach die Leistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft arbeitsvertraglich geändert [noviert] und durch die nunmehr vereinbarten Entgeltmodalitäten ersetzt werden muss). Eine arbeitsrechtlich wirksame Herabsetzung des "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" hat insbesondere eine von beiden Beteiligten des Arbeitsverhältnisses ernstlich gewollte dauerhaft wirksame Herabsetzung dieses Lohns zur Voraussetzung.

Überdies gehört zu den Voraussetzungen einer beitragsfreien Gewährung von Zusatzleistungen, dass die – auch vom BFH in seiner o.g. Entscheidung (aaO, Rn. 24) ausschlaggebend berücksichtige – Förderung der verwendungsgebundenen Zwecke– soweit nach den gesetzlichen Vorgaben erforderlich – einzelfallbezogen mit aussagekräftigen Unterlagen wird (wobei § 40 Abs. 2 Nr. 3 EStG in Bezug auf die dort geregelten Sachverhalte dem Arbeitgeber sogar eine „Sicherstellung“ auferlegt). In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch auf die Lohnsteuerrichtlinien „R 40.2 Bemessung der Lohnsteuer nach einem festen Pauschsteuersatz (§ 40 Abs. 2 EStG)“ hingewiesen.

d) Der für den – erst zum 1. Mai 2006 in die Dienste der Klägerin tretenden – Beigeladenen zu 16. vorgelegte Arbeitsvertrag macht in der gebotenen Gesamtauslegung deutlich, dass die dort in der Anlage 1 vorgesehenen Zusatzleistungen nicht „zusätzlich“ im Sinne der erläuterten gesetzlichen Vorgaben zu dem vereinbarten Grundgehalt gewährt werden sollten, sondern Bestandteile eines dem Beigeladenen zu 16. völlig unabhängig von der Erfüllung in Betracht kommender tatbestandlicher Voraussetzungen für beitragsfreie Zuwendungen zustehenden Arbeitsentgeltanspruchs waren.

Das Tatbestandsmerkmal der Zusätzlichkeit ist nach Maßgabe der im Prüfzeitraum maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben zu interpretieren. Die insbesondere auch in Reaktion auf das o.g. BFH-Urteil vom Gesetzgeber mit Art. 1 Nr. 6b des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I, 3096) vorgenommene Neuregelung in § 8 Abs. 4 EStG ist erst nachfolgend, und zwar mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2020, in Kraft getreten.

Aber auch auf der Grundlage der damaligen normativen Vorgaben hat die Klägerin im streitbetroffenen Prüfzeitraum Mai 2006 bis Dezember 2007 die streitbetroffenen Zusatzleistungsbeträge an den Beigeladenen zu 16. nicht „zusätzlich“ im Sinne der damaligen gesetzlichen Vorgaben zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern lediglich in Anrechnung auf diesen erbracht.

Nach dem Zusammenhang der vertraglichen Vereinbarungen sollten die Zusatzleistungen im Ergebnis auf den vereinbarten höheren Gesamtentgeltanspruch angerechnet werden. Dieser Gesamtentgeltanspruch entsprach der Summe des in § 4 Abs. 1 des Vertrages vereinbarten Bruttomonatsgehalts von 3.530 € und der in der Anlage 1 zu diesem Vertrag vereinbarten monatlichen Zusatzleistungen in Form eines Gutscheins-, Waren oder Dienstleistungsbezug mit einem Gegenstandswert von 44 €, einer sog. Internetpauschale in Höhe von 50 €, einer Erholungsbeihilfe nach Maßgabe der im Vertrag festgehaltenen Berechnungsvorgaben sowie eines Zuschusses für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte in Höhe von monatlich 112,50 €; aus in den genannten Beträgen ergibt sich ein Gesamtentgeltanspruch des Arbeitnehmers von monatlich größenordnungsmäßig 3.750 €.

Die im Ergebnis nach dem Gesamtzusammenhang der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vereinbarte Anrechnung auf den Gesamtentgeltanspruch nahm den Zusatzleistungen ihre lohnsteuer- und damit beitragsrechtliche Privilegierung. Sie wurden nicht „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten“ Arbeitslohn gewährt, sondern waren Bestandteil dieses Arbeitslohns.

Der Vertrag sah ausdrücklich vor, dass eine Korrektur der Lohnabrechnungen auf der Basis der „regulären Abgabenbelastung“ erfolgen sollte, falls der Beigeladene zu 16. die insoweit maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme beitragsfreier Zusatzleistungen nicht erfüllte, insoweit aus Sicht der Klägerin notwendige Nachweise nicht beibrachte oder auch nur schlicht seinen Wunsch erklärte, keine entsprechenden Zusatzleistungen mehr beziehen zu wollen. In all diesen Fällen sollte nach den vertraglichen Vereinbarungen – welche teilweise auch ausdrücklich eine rückwirkende Neuberechnung vorsahen – eine Lohnneuberechnung unter Einbeziehung der Gesamtheit aller betroffenen Zusatzleistungen in das reguläre beitragspflichtige Einkommen erfolgen. Schon dies macht deutlich, dass es sich – entsprechend der bereits vom Niedersächsischen Finanzgericht im Urteil vom 16. Juni 2011 (11 K 81/10) vertretenen Rechtsauffassung – nicht um „zusätzlich“ zum regulären beitragspflichtigen Entgelt gewährte Leistungen gehandelt hat.

Ebenso wenig vermochte die Klägerin die gesetzlich geforderte Förderung der verwendungsgebundenen Zwecke bezogen auf den Beigeladenen zu 16. einzelfallbezogen mit aussagekräftigen Unterlagen zu belegen. Auch nach Hinweis des Senates auf die unzureichende Substantiierung des ihre eigene Sphäre betreffenden Vortrages konnte die Klägerin nicht einmal näher erläutern, wie im Einzelnen sich die zusätzlich zum Regelgehalt an den Beigeladenen zu 16. ausgezahlten Zuwendungen (in Höhe von 1.468 € im Jahr 2006, wobei das Arbeitsverhältnis ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrages aber erst zum 1. Mai 2006 begonnen hat, dies entspricht für die acht Monate von Mai bis Dezember 2006 einem Monatsdurchschnittsbetrag von 183,50 €, und von 1.122 € für das Jahr 2007, Bl. 444 VV, entsprechend 93,50 € im Monatsdurchschnitt) jeweils zusammengesetzt haben sollen. Erst recht sind insoweit keine Belege für einen verwendungsentsprechenden Einsatz entsprechend den Vorgaben der Lohnsteuerrichtlinien vorgelegt worden.

Bezeichnenderweise war der Klägerin schon in den streitbetroffenen Nacherhebungszeiträumen die Nachweisproblematik durchaus bewusst. Sie hatte seinerzeit sogar eigens für den Beigeladenen zu 16. ein Bestätigungsformular entworfen (Bl.425 GA). Jedoch ist dieses Formular nur in einer vom Beigeladenen nicht unterzeichneten Ausfertigung dem Senat vorgelegt worden; die nach dem Zusammenhang des Formulars erbetene inhaltliche Bestätigung der dortigen Angaben durch den Beigeladenen zu 16. ist damit gerade unterblieben. Es handelt sich lediglich um den Entwurf einer Bestätigung, welcher schon im Ausgangspunkt zur Erbringung von Nachweisen ungeeignet ist.

Ausweislich dieses von der Klägerin gefertigten, vom Beigeladenen zu 16. aber nicht unterzeichneten Entwurfs sind an den Beigeladenen zu 16. im Jahr 2006 als Zusatzleistungen monatlich 50 € für die Aufwendungen für die Internetnutzung, 30 € Erholungsbeihilfen und eine Entfernungspauschale für einen 3 km umfassenden Arbeitsweg gewährt worden. Ausgehend von dem im Arbeitsvertrag festgehaltenen Berechnungsmodus auf der Basis von 15 Arbeitstagen im Monat und dem dort vereinbarten Satz von 0,30 € je Entfernungskilometer hätte sich eine daran anknüpfende Wegeentschädigung auf 13,50 € im Monat belaufen. Die Summe dieser drei Beträge hätte 93,50 € im Monat ausgemacht. Insgesamt hat die Klägerin allerdings in den acht Monaten Mai bis Dezember 2006 an den Beigeladenen zu 16. (ausgehend von dem in tatsächlicher Hinsicht auch von Seiten der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen in dem angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Gesamtbetrag der zu verbeitragenden Zuwendungen für das erst zum 1. Mai 2006 aufgenommene Arbeitsverhältnis im Jahr 2006 von 1.468 €) monatlich 183,50 € an zu verbeitragenden Zuwendungen gezahlt. Wie sich der Differenzbetrag erklären könnte, vermochte auch die Klägerin nicht zu erläutern.

Bei dieser Ausgangslage sei nur ergänzend darauf hingewiesen, dass sich ohnehin nicht hinreichend erschließt, ausgehend von welcher seit wann bestehenden Wohnadresse in diesem Formular nunmehr eine Entfernung zwischen der Wohnung des Beigeladenen zu 16. und seiner Arbeitsstätte von lediglich 3 km angenommen worden ist. Eine lediglich pauschale Versicherung einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Erholungsbeihilfe von Seiten des Arbeitnehmers im Sinne dieses – ohnehin nicht unterzeichneten – Erklärungsentwurfs würde überdies schon im Ausgangspunkt nicht den im o.g. BFH-Urteil vom 19. September 2012 aufgestellten Anforderungen an die der Arbeitgeberin obliegende „Sicherstellung“ des zweckgerichteten Mitteleinsatzes genügen. Dies gilt jedenfalls solange, wie entsprechende Beihilfen in monatlich gleichbleibenden Beträgen (nach Maßgabe des nicht unterzeichneten Erklärungsentwurfs: in Höhe von monatlich 30 €; Unterlagen zu den für die Ermittlung dieses Betrages maßgeblichen familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers im Prüfzeitraum hat die Klägerin nicht vorgelegt) ausbezahlt werden.

e) Bezüglich der übrigen beigeladenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren Beschäftigungsverhältnisse bei der Klägerin bereits vor Mai 2006 begonnen hatten, vermochte die Klägerin auch auf Nachfrage des Senates schon im Ausgangspunkt nicht substantiiert aufzuzeigen, wann im Einzelnen sie welche konkreten Änderungsverträge mit den Betroffenen im Zuge der Vergütungsumstellung zum 1. Mai 2006 abgeschlossen haben will. Noch weniger vermochte Sie auch nur für eine/n der betroffenen Arbeiternehmer/innen einen entsprechenden Änderungsvertrag mit Wirkung zum 1. Mai 2006 tatsächlich vorzulegen.

Damit kann der Senat schon im Ausgangspunkt nicht hinreichend verlässlich überblicken, ob seinerzeit überhaupt entsprechende Änderungsverträge abgeschlossen worden sind oder ob etwa entsprechende Änderungen zwar zunächst angedacht worden sein mögen, dann jedoch nicht effektiv umgesetzt worden sind.

Bei der beschriebenen Ausgangslage vermag der Senat erst recht keine konkrete Beurteilung der arbeitsrechtlichen Wirksamkeit entsprechender – ohnehin nicht konkret erkennbarer – Arbeitsvertragsänderungen im Sinne der erläuterten BFH-Rechtsprechung vorzunehmen.

Soweit es überhaupt entsprechende Änderungsverträge gegeben haben sollte, hätten diese überdies – in Anlehnung an den vorgelegten Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 16. – auch nach den (unzureichend substantiierten) Angaben der Klägerin jedenfalls sog. „Rückfallklauseln“ (entsprechend oder jedenfalls ähnlich dem vorgelegten Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen zu 16.) aufgewiesen.

Schon daran wird deutlich, Arbeitgeber und Arbeitnehmer seinerzeit den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume jedenfalls nicht arbeitsrechtlich wirksam im Sinne der erläuterten BFH-Rechtsprechung herabgesetzt haben, vielmehr sollte dieser bis April 2006 maßgebliche "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" weiterhin rechtswirksam vereinbart bleiben, wenn die Voraussetzungen für eine privilegierte Zulagenerbringung fehlen, wegfallen oder nicht nachzuweisen sein sollten oder der Arbeitnehmer die entsprechende Entgeltausgestaltung auch nur als nicht mehr „gewünscht“ bewerten sollte.

Soweit überhaupt Änderungsverträge abgeschlossen sein mögen, liefen sie bei der beschriebenen Ausgangslage darauf hinaus, dass die Klägerin jedenfalls bis zu einem eventuellen Widerspruch von Seiten des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin arbeitsvertraglich ermächtigt werden sollte, einseitig, d.h. auch ohne weitere Vertragsänderungen, eine im Hinblick auf in Betracht kommende Begünstigungstatbestände optimierte Berechnung der Lohnsteuerzahlungen (und Beitragspflichten) zu bewirken. Die Klägerin wollte damit gerade das erreichen, was ihr nach der erläuterten Entscheidung des BFH (aaO, Rn. 26) verwehrt ist, solange sie die im vorliegenden Zusammenhang in Betracht kommenden lohnsteuer- und beitragsrechtlichen Privilegierungstatbestände in Anspruch nehmen will. Die Klägerin hat in den Prüfjahren die streitbetroffenen Zusatzleistungsbeträge damit jedenfalls unzulässigerweise "ersatzweise an Stelle von" regelbesteuertem (und regelverbeitragtem) Arbeitslohn geleistet (vgl. zu diesem Kriterium ebenfalls BFH, U.v. 1. August 2019, aaO, Rn. 26). Mit diesem Vorgehen hat sie die von Seiten des Gesetzgebers mit der Normierung des Zusätzlichkeitserfordernisses verfolgten Regelungsziele (vgl. dazu ebenfalls die o.g. BFH-Entscheidung) unterlaufen.

Auch bezüglich der weiteren beigeladenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vermochte die Klägerin (auch nach Hinweis des Senates auf die unzureichende Substantiierung des ihre eigene Sphäre betreffenden Vortrages) nicht näher zu erläutern, wie im Einzelnen sich die zusätzlich zum Regelgehalt an den Beigeladenen zu 16. ausgezahlten Zuwendungen sich zusammengesetzt haben sollen. Erst recht sind insoweit keine Belege für einen verwendungsentsprechenden Einsatz entsprechend den Vorgaben der Lohnsteuerrichtlinien vorgelegt worden.

f) Vergeblich beruft sich die Klägerin auf den Eintritt der Verjährung. Da den verantwortlichen Geschäftsführern der Klägerin Vorsatz jedenfalls im Sinne eines dolus eventualis vorzuwerfen ist, ist die – ihrerseits natürlich noch nicht abgelaufene – dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV maßgeblich.

 

Ansprüche auf Beiträge verjähren auch dann erst in 30 Jahren, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Beschluss vom 21. September 2005 – B 12 KR
64/04 B –, juris).

Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zwar zunächst von Beginn des folgenden Kalenderjahres an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 S 2 SGB IV), wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Bösgläubigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht erst bei einer absichtlichen bzw. bewusst vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung - zB bei klassischer "Schwarzarbeit" - anzunehmen, es reicht vielmehr aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt. Bedingter Vorsatz liegt nach der Rechtsprechung des BSG in diesem Zusammenhang nahe, wenn etwa Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder zumindest ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 R 7/14 R –, Rn. 27, juris mwN.)

Das Vorgehen der Klägerin im Jahr 2006 macht deutlich, dass sich ihre Geschäftsführung seinerzeit intensiv mit den rechtlichen Möglichkeiten einer Gewährung beitrags- und lohnsteuerfreier Leistungen an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befasst hat und von diesen Möglichkeiten zielgerichtet im Sinne der angestrebten Reduzierung der Lohnsteuer- und Beitragslasten Gebrauch gemacht hat. Bei dieser Ausgangslage muss der Geschäftsführung der Klägerin klar vor Augen gestanden haben, dass die entsprechenden (vorstehend erläuterten) gesetzlichen Vorgaben einen Gleichklang der lohnsteuer- und beitragsrechtlichen Vorgaben vorsehen.

Nachdem die Finanzverwaltung im Rahmen der damaligen Lohnsteuerprüfung im Jahr 2008 zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Klägerin (in den beanstandeten) Fällen nicht die gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung lohnsteuerfreier (und damit zugleich beitragsfreier) Entgeltbestandteile erfüllte, muss ihren Geschäftsführern bewusst geworden sein, dass die Möglichkeit einer Unrichtigkeit ihrer vorausgegangenen rechtlichen Beurteilung in Betracht zu ziehen war. Bei lebensnaher Betracht bietet der vorliegende Sachverhalt nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nur die Möglichkeit zur Feststellung eines entsprechenden jedenfalls bedingten Vorsatzes, bei der die Geschäftsführung der Klägerin spätestens im Jahr 2008 hinsichtlich der streitbetroffenen Nachforderungsbeträge die Möglichkeit einer bislang unterbliebenen Abführung gesetzlich geschuldeter Sozialversicherungsbeiträge erkannt und billigend in Kauf genommen hat.

Damit waren die Voraussetzungen einer bedingt vorsätzlichen Missachtung im Sinne jedenfalls eines sog. dolus eventualis (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 R 7/20 R –, Rn. 25, juris; U.v. 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209; BSG, Urteil vom 04. September 2018 – B 12 KR 11/17 R –, BSGE 126, 235) der Lohnsteuer- (und damit zugleich auch der im vorliegenden Verfahren streitbetroffenen Beitrags-)Abführungspflichten gegeben.

Auch von Seiten der diesbezüglich wiederum in ihrer eigenen Sphäre betroffenen Klägerin ist auch auf Hinweis des Senates kein Sachverhalt nachvollziehbar aufgezeigt worden, welcher Grundlage für eine abweichende Beurteilung sein könnte. Auch die Klägerin stellt hinsichtlich des inneren (subjektiven) Tatbestandes ihrer Geschäftsführer nicht in Abrede, dass diesen die prinzipielle Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht bekannt war. Gerade auf der Basis dieses Wissen verfolgte die Geschäftsführerin der Klägerin seinerzeit das Ziel, von den prinzipiell in Betracht kommenden Privilegierungstatbestände gleichermaßen lohnsteuer- wie beitragsrechtlich zu profitieren.

Bezeichnenderweise hat die Geschäftsführung der Klägerin (ausweislich der in der mündlichen Verhandlung überreichten Aufstellung „Sachverhalt im Zeitablauf“) bereits zum 1. Januar 2008 eine „Rückumstellung“ der erläuterten zum 1. Mai 2006 eingeführten Änderungen des Vergütungssystems im Hinblick auf die von Seiten der Prüfer der Finanzverwaltung im Rahmen der damals durchgeführten Betriebsaußenprüfung geäußerten Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Klägerin veranlasst.

Selbstverständlich hatte die Klägerin seinerzeit das Recht (vgl. nur Art. 19 Abs. 4 GG), die im Zuge der Lohnsteuerprüfung festgestellten Beanstandungen zur finanzgerichtlichen Überprüfung zu stellen; dessen ungeachtet musste ihr das Ergebnis der von der zuständigen Fachbehörde vorgenommenen Lohnsteuerprüfung aber vor Augen führen, dass auch die Möglichkeit einer Missachtung der gesetzlichen Vorgaben auf ihrer Seite in Betracht zu ziehen war. Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Klägerin seinerzeit im finanzgerichtlichen Verfahren überwiegend keinen Erfolg hatte; nur in diesem Rahmen hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid Beiträge nacherhoben.

g) Die Klägerin kann sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Mit den normativen Vorgaben des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hat bereits der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass vor Eintritt der Verjährung allein der Zeitablauf kein schutzwürdiges Vertrauen begründen soll. Sonstige ein schutzwürdiges Vertrauen begründende Umstände sind nicht ersichtlich. Überdies hatte die Beklagte in den anfänglichen Betriebsprüfungsbescheiden vom 10. März 2008 und vom 11. April 2012 jeweils bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass bei diesen die Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung noch nicht berücksichtigt worden waren und dass die Klägerin nach Abschluss des Rechtsstreits mit der Finanzverwaltung noch mit einer daran anknüpfenden beitragsrechtlichen Aufarbeitung zu rechnen habe.

h) Unter Berücksichtigung der Teilrücknahme der Berufung werden die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommenen Festsetzungen von Säumniszuschlägen nur insoweit vom fortbestehenden Streitgegenstand des Berufungsverfahrens erfasst, wie diese aufgrund der unterbliebenen Entrichtung von Beiträgen und Umlagen für die Beitragszeiträume 2006 und 2007, welche mit der Begründung „Auswertung der Lohnsteuerprüfberichte vom 17. April 2008 – Tz 5“ festgesetzt worden sind, erhoben worden sind. Diese Festsetzungen von Säumniszuschlägen, welche die Beklagte ohnehin auf den Zeitraum ab Januar 2013 beschränkt hat, lassen keine Fehler zulasten der Klägerin erkennen. Auf der, wie bereits erläutert, im vorliegenden Fall festzustellenden Basis eines jedenfalls bedingten Vorsatzes auf Seiten der verantwortlichen Geschäftsführer der Klägerin sind auch die Voraussetzungen für die Festsetzung von Säumniszuschlägen (§ 24 Abs. 2 SGB IV) erfüllt. Diese hat die Beklagte rechnerisch zutreffend ermittelt. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen in den zur Überprüfung gestellten Bescheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben, zumal der Beurteilung noch eine inzwischen außer Kraft getretene gesetzliche Grundlage im Hinblick darauf zugrunde zu legen war, dass erst mit Wirkung ab dem Beitrags- und Veranlagungszeitraum 2020 die nunmehr maßgebliche gesetzliche Neuregelung des § 8 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden kann.

Rechtskraft
Aus
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