L 2 R 596/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 776/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 596/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2019 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 21. April 2022 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2022 bis 30. September 2024 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1970 geborene Kläger hat den Beruf des Gas-Wasserinstallateurs erlernt und war in diesem Beruf bis 1998 versicherungspflichtig beschäftigt. Danach erhielt der Kläger zunächst Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und war bis 2014 (zeitweise) geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt als Helfer eines Hausmeisters. Von Mai 2014 bis April 2018 sind im von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf (Bl. 218 LSG-Akte) Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen für eine Pflegetätigkeit vermerkt (der Kläger pflegte seine im Wachkoma liegende Mutter zu Hause). Seit 2018 bezieht der Kläger (wieder) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Beim Kläger wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen „G“ festgestellt (vgl. Bescheid vom 05.11.2018, Bl. 35 VA Widerspruchsakte). Zudem besteht seit 2020 Pflegegrad 2 (vgl. Pflegegutachten vom 20.05.2020, Bl. 168 SG-Akte).

Der Kläger hatte bereits in der Vergangenheit von der Beklagten eine Erwerbsminderungsrente begehrt. Diese Begehren blieben allerdings erfolglos (vgl. Verfahren L 10 R 2585/12 und L 10 R 4106/12).

Am 23.02.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung verwies er insbesondere auf Arthrose in den Fußgelenken, Beeinträchtigungen im Kniegelenk, psychische Probleme und eine Gürtelrose.

Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die R1 begutachten. Diese untersuchte den Kläger am 07.06.2018 ambulant und stellte in ihrem Gutachten vom 12.06.2018 folgende Diagnosen:
1. Minderbelastbarkeit li. Sprunggelenk b. fortgeschrittener Arthrose der Fußwurzelknochen m. erheblicher Verschwellung und Verformung d. li. Sprunggelenkes
2. Minderbelastbarkeit re. Kniegelenk b. erhebl. Kniebinnenschaden m. Meniskusop., Kreuzbandplastik 1998, Arthrose Kniegelenk (MRT 2011)
3. Zustand nach fistelnder Knochenentzündung rechts Kniegelenk 2009 mit Fisteloperation, aktuell reizlos
4. Stark herabgesetzte Sehschärfe linkes Auge bei voller Sehschärfe rechtes Auge
R1 führte weiter aus, der Kläger leide unter einer ausgeprägten aktivierten Arthrose der Fußwurzelknochen und die Beweglichkeit im linken Sprunggelenk sei nahezu aufgehoben. Dennoch bestehe ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, nicht jedoch auf unebenen Boden, keine Tätigkeiten wie Bücken, Ersteigen von Leitern, Bewegen von Lasten und die Gang- und Standsicherheit erfordern sowie keine Tätigkeiten, die mit Nässe, Zugluft und schwankenden Temperaturen verbunden seien. Allerdings sei die Fähigkeit viermal 500m am Tag zu gehen mindestens seit 11/2017 nicht mehr gegeben.

Mit Bescheid vom 29.06.2018 (Bl. 163 VA) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin ab. Die Feststellungen und Behinderungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne nämlich noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Festgestellt wurde jedoch eine Einschränkung der Wegefähigkeit. Daher gewährte die Beklagte dem Kläger bereits mit Bescheid vom 25.06.2018 (Bl. 113 VA) folgende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Um Vorstellungsgespräche zur Erlangung eines Arbeitsplatzes zu erreichen, volle Übernahme der notwendigen Kosten; bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tätigkeit Erstattung der vollen Höhe notwendiger Fahrtkosten; Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung bei Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit (Zuschuss zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges bzw. falls wirtschaftlicher Beförderungskostenzuschuss).

Gegen den Bescheid vom 29.06.2018 erhob der Kläger am 16.07.2018 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2019 (Bl. 13 SG-Akte) als unbegründet zurückwies. Unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen und der daraus resultierenden Funktionseinschränkungen seien weiterhin noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkes überwiegend im Sitzen, ohne Bücken, zu ebener Erde und ohne Belastung durch Zugluft sowie Nässe sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Mit Bewilligung/ Zusicherung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 25.06.2018 sei die Möglichkeit Vorstellungsgespräche oder einen möglichen Arbeitsplatz zu erreichen (Wegefähigkeit) rentenrechtlich nicht (mehr) eingeschränkt.

Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Aufgrund der festgestellten Behinderungen sei der Kläger nicht in der Lage, ohne Gehhilfen zu gehen und er leide an erheblichen, dauerhaften Schmerzen. Er sei zudem gehalten, den Fuß möglichst häufig hochzulegen. Er sei daher nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt.

Der P1 (Bl. 36 SG-Akte) hat am 11.06.2019 erklärt, er halte den Kläger für beruflich belastbar im Rahmen einer fünf-Tage-Woche mit mindestens sechs Stunden täglich. Eine Verschlimmerung/ Besserung oder neue Befunde hätten sich nicht ergeben.
Die S1/ S2 (Bl. 38/39 SG-Akte) haben mit Schreiben vom 04.06.2019 mitgeteilt, dass es sich beim Kläger um eine eigenwillige, incomplainte und komplexe Persönlichkeitsstruktur handle. Sie haben keine Leistungseinschätzung des Klägers abgegeben und haben die maßgeblichen Einschränkungen auf orthopädischen Fachgebiet gesehen.
Der K1 (Bl. 51 SG-Akte) hat mit Schreiben vom 21.05.2019 bekundet, dass er den Kläger nur einmalig behandelt habe. Er halte ihn aber bei einer leichten körperlichen Tätigkeit für sechs Stunden täglich und unter der Voraussetzung einer suffizienten Schmerzbehandlung für voll leistungsfähig. Die maßgebliche Einschränkung sehe er auf orthopädischen Fachgebiet.
Der G1 hat mit Schreiben vom 05.06.2019 (Bl. 52 ff. SG-Akte) erklärt, dass er nicht im Stande sei, die Belastbarkeit des Klägers beurteilen zu können. Die Einschränkungen befänden sich seiner Meinung nach auf dem Fachgebiet der Orthopädie und der Psychiatrie. Es bestehe aufgrund des chronischen Schmerzzustandes inzwischen ein mittelgradiger depressiver Erschöpfungszustand. Auch eine gewisse Arbeitsaversion des Klägers könne bestehen.

Nach Antrag des Klägers hat das SG den B1 mit der Erstellung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragt. Dieser hat den Kläger am 15.07.2020 ambulant untersucht und in seinem Gutachten vom 31.07.2020 (Bl. 114 ff. SG-Akte) folgende Diagnosen gestellt:
1. Medial betonte Gonarthrose rechts, Z.n. Kreuzbandplastik, Instabilität des vorderen Kreuzbandes
2. Arthrotische Veränderungen im Bereich des linken Rück- und Mittelfußes mit Abflachung des Fußlängengewölbes und des Talus Cacaneus Winkel
3. Rezidivierend Lumbalgien
B1 hat bekundet, auf orthopädischem Fachgebiet könne der Kläger im Rahmen einer fünf-Tage-Woche noch sechs Stunden täglich und mehr arbeitstätig sein. Nicht möglich seien schwere bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, insbesondere im Stehen oder Gehen. Arbeiten in ungünstiger Körperhaltung, sowie Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien ebenfalls nicht mehr zumutbar. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens sehe er nicht. Die Wegefähigkeit sei eingeschränkt; insbesondere die Länge der möglichen Gehstrecke sei problematisch. Diese sei aktuell sicher geringer als 500m einzuschätzen. Nicht nachvollziehbar aus orthopädischer Sicht sei allerdings, dass der Kläger im Rollstuhl sitze. Auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel halte er für zumutbar. Eine (sofortige) Besserung der Symptomatik sei zu erwarten, wenn die verordneten Hilfsmittel (orthopädische Schuhe, Kniegelenksorthese) konsequent benutzt würden. Auch die vorgeschlagene Arthrodese des unteren Sprunggelenkes könne eine Besserung bringen. Zur endgültigen Beurteilung sei sicher eine psychiatrisch/psychosomatische Beurteilung notwendig.

Der Kläger ist dem Gutachten entgegengetreten. Seine gesundheitlichen Einschränkungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Schon die Erhebung des Befundes sei nicht richtig erfolgt. So habe der Kläger sich z.B. nicht selbständig ausziehen können und das Bewegen im Raum sei nur unter Schmerzen möglich gewesen. Auch der Langsitz und das Setzen auf die Liege sei bei weitem nicht problemfrei möglich gewesen. Das Bewegen der Hüfte, Kniegelenke, Schultern Hände und Ellenbogen sei weiter jeweils nur verzögert bzw. unter erheblichen Schmerzen möglich gewesen. Dem Gutachten könne also nicht gefolgt werden, zumal dies auch mit den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und dem Pfleggutachten bewiesen werden könne.

Hierzu hat B1 mit Schreiben vom 26.10.2020 Stellung genommen. Er halte an seinem Gutachten fest. Insbesondere habe er die vorgelegten Befunde und ärztlichen Berichte berücksichtigt und gewürdigt. Weiterhin habe er in dem Gutachten seine Beobachtungen wiedergegeben. Schmerzen und Anstrengung habe der Kläger bei den Übungen nicht geäußert, soweit dies nicht im Gutachten festgestellt worden sei. Im Übrigen habe er wahrgenommene Schmerzen des Klägers entsprechend berücksichtigt.

Das SG hat sodann nach vorheriger Anhörung die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.02.2021 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Nach den Feststellungen der Kammer verfüge der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer fünf Tage Woche. Die bei ihm bestehenden Erkrankungen führten nicht zur Einschränkung seines arbeitstäglichen quantitativen Leistungsvermögens für den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf orthopädischem Fachgebiet schränkten das qualitative Leistungsvermögen des Klägers ein, berührten aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Hierbei stütze sich das Gericht auf die schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen B1 und auf die sachverständigen Zeugenaussagen der K1, G1 und P1. Das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten der R1 verwerte die Kammer dabei im Wege des Urkundenbeweises.
Dabei gehe die Kammer von folgenden Leistungsbild aus: Der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne große körperliche Belastung ausüben, sofern orthopädisches Schuhwerk getragen werde. Zu vermeiden seien schwere bis mittelschwere Tätigkeiten, insbesondere im Gehen oder Stehen, Arbeiten in ungünstiger Körperhaltung sowie Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.
Soweit der Kläger auf dem orthopädischen Fachgebiet unter einer Minderbelastbarkeit des linken Sprunggelenks bei fortgeschrittener Arthrose, Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenks bei erheblichen Kniebinnenschädigungen mit Arthrose, Dauerschmerzen in den Füßen leide, ergebe sich hieraus zur Überzeugung des Gerichts eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens nicht. Die Aussagen des P1, K1 und des Gutachters B1 stimmten bezüglich der Leistungsfähigkeit des Klägers überein. Insbesondere habe B1 für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorliege. Diese Einschätzung begründe der Gutachter für das Gericht nachvollziehbar zunächst mit den von ihm erhobenen Befunden im Rahmen der Untersuchung. So sei der Kläger bei der Untersuchung in der Lage gewesen, sich selbstständig auf die Untersuchungsliege zu legen, sich von dort in den Langsitz zu begeben und diese Position einzuhalten. Der Kläger habe sich ohne Unterstützung zügig aufsetzen und den Nacken- und Schürzengriff durchführen können. Die Lendenwirbelsäule des Klägers weise danach eine normale Beweglichkeit auf. Aus orthopädischer Sicht sei es nach den Befunden nicht notwendig, dass der Kläger dauerhaft in seinem Rollstuhl sitze. Eine Milderung der Einschränkungen im Bereich des Fußes könnte durch das Tragen der orthopädischen Schuhe verschaffen werden, da diese eine ausreichende Stabilisierung des Rückfußes ermöglichen würden. Diese Schuhe würden vom Kläger jedoch nicht getragen, wie auch P1 angemerkt habe. Diese getroffenen Feststellungen seien für das Gericht logisch, ohne Verstöße gegen die Denkgesetze dargestellt und an der Sachkunde des Gutachters habe das Gericht aufgrund der langen Berufserfahrung als Facharzt für Orthopädie keine Zweifel. Die von dem Kläger gegen das Gutachten eingebrachten Einwände überzeugten nicht. Der Gutachter habe objektive Beobachtungen festgehalten und gewürdigt. Unerheblich sei es insoweit, wenn der Kläger nachträglich vortrage, er habe Schmerzen bei den einzelnen Untersuchungsübungen gehabt. Der Gutachter habe ebenso die vorgelegten ärztlichen Befunde und Aussagen der sachverständigen Zeugenaussagen berücksichtigt. An das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 20.05.2020 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit sei das Gericht nicht gebunden. Im Rahmen der Begutachtung durch den MDK sei die Pflegebedürftigkeit festzustellen, welche nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit stünde. An der gerichtlichen Einschätzung zur Leistungsfähigkeit des Klägers vermöge auch der Verweis des Klägers auf das sozialmedizinische Gutachten des F1 für die Agentur für Arbeit vom 24.07.2019 nichts ändern. Er stützte sich dabei maßgeblich auf die von R1 in Zweifel gezogene Wegefähigkeit des Klägers. Eigene relevante Befunde, die über die von der Gutachterin R1 erhobenen, ausschließlich orthopädische Befunde hinausgehen würden, habe F1 dagegen nicht erhoben.
Die von der R1 festgestellte Wegeunfähigkeit des Klägers begründe hier ausnahmsweise keinen Rentenanspruch. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaube eine Arbeitsstelle aufzusuchen, stelle zwar grundsätzlich eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen sei (BSG, Beschluss vom 19.121996, - GS 2/95 - juris). Die dadurch entstehende Wegeunfähigkeit könne aber durch die Durchführung einer vom Versicherungsträger bewilligten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt werden, was hier durch den Bescheid vom 25.06.2018 und die darin bewilligten Leistungen (Fahrtkosten, Kraftfahrzeugbeihilfe) erfolgt sei. Das Gericht sei schließlich auch unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nicht gehalten, gemäß dem zum Schluss vorgebrachten nicht sachdienlichen klägerischen Begehren einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und zu diesem Termin den Sachverständigen B1 zu laden. Gemäß § 103 SGG erforsche das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und sei an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Der hier gestellte Antrag erfülle nicht die Anforderungen an einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag. Die Ausübung des Fragerechts setze vielmehr eine hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte voraus.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 08.02.2021 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.02.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen und sein Begehren weiter verfolgt. Dem Gutachten von B1 sei, wie bereits in erster Instanz ausgeführt, nicht zu folgen. Die beim Kläger vorliegende Erwerbsminderung ergebe sich zudem aus dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zum Pflegegrad sowie der gutachterlichen Stellungnahme von F1, die für die Arbeitsagentur erstellt worden sei, und wonach nur noch ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich gegeben sei. Es ist zudem ein Attest der behandelnden W1 (orthopädische Praxis B2) vom 05.01.2021 (Bl. 48 LSG-Akte) vorgelegt worden, die darin eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers im Sinne einer außergewöhnlichen Gehbehinderung bescheinigte. Der Kläger sei permanent auf einen Rollstuhl angewiesen. Lediglich ganz kurze Gehstrecken von einigen Metern könne er mit einer Gehhilfe wie Rollator eigenständig zurücklegen.

Der Kläger beantragt,

            den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2021 und den Be- scheid der Beklagten vom 29. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom          29. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 23. Feb-          ruar 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

Die ehemalige Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 13.08.2021 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Auf Nachfrage hat der Kläger hier angegeben, dass bei ihm hauptsächlich neurologische Probleme und orthopädische Probleme bestünden. Der Beklagtenvertreter hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass aufgrund der Pflegetätigkeit die besonderen Versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin gegeben seien. Der Beklagten ist zudem aufgegeben worden, weitere Ausführungen dazu zu machen, wie die fehlende Wegefähigkeit des Klägers überwunden werden könne, sodass diese als Voraussetzung für eine Rentengewährung entfällt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 02.11.2021 mitteilen lassen, dass sich die bereits erteilte Zusage der Beklagten nicht auf die Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs beschränke. Vielmehr ergebe sich schon aus dem Bescheid vom 25.06.2018, dass auch ein Beförderungskostenzuschuss bewilligt worden sei. Diese würden danach nach Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses die Fahrtkosten so lange pauschal in voller Höhe übernommen werden, bis die Entscheidung über Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung unter Berücksichtigung der konkreten Möglichkeiten des Klägers, den neuen Arbeitsplatz zu erreichen, umgesetzt seien.

Es ist zudem weiter Beweis erhoben worden, zunächst durch die Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage beim behandelnden B2. Dieser hat mit Schreiben vom 24.11.2021 erklärt, dass die postinfektiöse Gonarthrose rechts kombiniert mit der deutlichen Arthrose im linken oberen und unteren Sprunggelenk eine berufliche Tätigkeit insgesamt nur sehr eingeschränkt möglich mache. Schon allein die Wege von und zur Arbeit könnten nicht allzu groß sein. Eine gehende oder stehende Tätigkeit sei wohl nicht machbar, auch das Tragen von Lasten sei kaum möglich. Eine sitzende Tätigkeit ohne größere körperliche Belastung und mit der Möglichkeit, eines zwischenzeitlichen Haltungswechsels erscheine, zumindest in Teilzeit, machbar. Eine vollschichtige Tätigkeit sei nicht mehr möglich, nur noch eine leichte Tätigkeit im Rahmen von unter 3h täglich sei möglich, wenn der Transfer zum Arbeitsplatz und zurück gewährleistet wird.

Die Beklagte hat auf Grundlage einer Sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19.01.2022 von S3 mitgeteilt, dass man an der bisherigen Leistungseinschätzung festhalte. Neue medizinische Erkenntnisse ergäben sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Unfallchirurgen und Orthopäden nicht. Hinsichtlich der mitgeteilten Bewegungsausmaße im Bereich des rechten Kniegelenks und linken Sprunggelenks lägen keine wesentlichen Abweichungen zu den Befunden im orthopädischen Gutachten von B1 vor, so dass das von dem B2 auf unter drei Stunden eingeschätzte Leistungsvermögen nicht plausibel sei. Die vom Kläger geltend gemachte eingeschränkte Gehfähigkeit werde weiterhin sozialmedizinisch nicht angezweifelt. Leistungen zur Teilhabe bei eingeschränkter Wegefähigkeit des Versicherten seien bereits mit Bescheid vom 25.06.2018 bewilligt.

Der Senat hat sodann ein Gutachten von Amts wegen bei dem R2 der R3 Kliniken S4, eingeholt. Dieser hat den Kläger am 21.04.2022 ambulant untersucht und in seinem Gutachten vom 14.09.2022 (Bl. 120 ff. LSG-Akte) folgende Diagnosen gestellt: eine gegenwärtig mittelschwere depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Gutachter hat über die Erhebung des Befundes wie folgt ausgeführt: Der Kläger sei pünktlich und korrekt gekleidet zum Untersuchungstermin erschienen. Das Aus- und das Ankleiden sei verlangsamt erfolgt und von Schmerzäußerungen begleitet gewesen. Die Muskeleigenreflexe seien an den Armen und Beinen seitengleich mittellebhaft auslösbar. Pathologische Reflexe aus der Babinski-Gruppe seien nicht gegeben gewesen. Bei der Gangprüfung im Untersuchungszimmer sei der Kläger in der Lage gewesen, selbstständig aufzustehen und für fünf bis zehn Meter im Untersuchungsraum umherzugehen. Dabei habe das Gangbild schwerfällig und schmerzgeplagt gewirkt. Der Zehen-, der Hacken-, der Seiltänzer- und der Blindgang seien nicht durchführbar gewesen. Während der Exploration habe der Kläger offen, gesellig und anfangs konzentriert gewirkt. Auf an ihn gerichtete Fragen habe er prompt und bereitwillig Auskunft gegeben. Im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung sei es aber nach drei Stunden zu einem deutlichen Nachlassen der Konzentriertheit und der Aufmerksamkeit gekommen. Die Antriebslage habe zunächst leichtgradig und nach drei Stunden mittelgradig gestört gewirkt. Hinweise für eine äußerlich erkennbare, innere Unruhe hätten sich nicht gefunden. Hinsichtlich der Stimmungslage habe der Kläger durchgehend depressiv gewirkt. Beim Besprechen angenehmer Themen sei es nur verzögert zu einer Stimmungsaufhellung gekommen. Die affektive Modulationsfähigkeit sei mittelgradig eingeschränkt gewesen. Die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsdauer seien zunächst leichtgradig und nach drei Stunden mittelgradig gestört gewesen.
Zum Tagesablauf und zur Wohnsituation befragt, hat der Kläger beim Gutachter angegeben, dass er in einer 80 Quadratmeter großen Eigentumswohnung lebe, die sich im Erdgeschoss befinde und die er von seiner im Jahr 2018 verstorbenen, damals 78 Jahre alten Mutter, geerbt habe. Zuvor habe er mit seiner Mutter zehn Jahre lang in der Wohnung gelebt und diese gepflegt. Vor dem Haus gebe es eine Rampe, die er mit seinem E-Rollstuhl benutzen könne. Im Haus sei der Eingang zur Wohnung ebenerdig. Vor dem Haus gebe es zwei Stufen. Sein Vater sei 84 Jahre alt und wohne in einer Entfernung von 500 Metern. Auch gebe es einen Bruder, der den Kläger einmal innerhalb von zwei Wochen einen Besuch abstatte und sich um das Wäschemachen bzw. das Bügeln kümmere. Auch das Einkaufen übernähmen Vater und Bruder. Auf die Körperhygiene angesprochen, habe der Kläger erklärt, dass er täglich in der Badewanne dusche und dabei der Unterstützung von Nachbarn oder Freunden bedürfe, die er zuvor telefonisch anfordere. Urlaube, Restaurant-, Kino- oder Theaterbesuche habe er schon jahrelang nicht mehr gemacht. In einem Verein sei er nicht. Zum weiteren Tagesablauf habe der Kläger erklärt, dass er vom Vater gegen 8:00 Uhr aufgesucht werde, der zuvor das Frühstück bei einem nahegelegenen Bäcker eingekauft habe. Das vom Vater gekochte Mittagessen nehme er zwischen 12:00 Uhr 13:00 Uhr ein. Abends gebe es eine kalte Mahlzeit. Hinsichtlich der Haushaltstätigkeiten gibt der Kläger an, dass das Geschirr vom Vater oder von Freunden von Hand gespült werde. Nur gelegentlich helfe er selbst beim Reinigen des Geschirrs, könne dann aber nicht länger als zehn Minuten stehen. Das Staubsaugen werde vom Bruder übernommen. Die Waschmaschine sei im Kellergeschoss untergebracht. Der Vater kümmere sich um das Wäschemachen. Drei- bis viermal pro Monat übernachte der Kläger bei einem Freund, der in W2 lebe, der ihn von zuhause abhole und bekoche. Der Kläger habe angegeben, dass er den Führerschein besitze, zuletzt aber im Jahr 2017 am Steuer gesessen sei. Sein Auto habe er inzwischen verkauft. Ab und zu unternehme er Spaziergänge, dabei nutze er aber zumeist den Rollstuhl und lege nur einige Meter mit den Unterarmgehstützen zurück. Fahrrad sei er zuletzt im Jahr 2018 gefahren. Zum Schwimmen sei er letztmals 2014 gewesen.
Der Gutachter kommt daraufhin in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass es ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit dem Kläger aus neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischer Sicht nur noch möglich sei, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten auszuführen. Er solle aber keine Lasten mehr mit einem Gewicht von mehr als 10 Kilogramm heben bzw. tragen. Die genannten Tätigkeiten sollten vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie dies zum Beispiel beim Bücken oder bei knienden Tätigkeiten der Fall ist, sollten vermieden werden. Arbeiten auf Leitern oder auf Gerüsten seien angesichts der Schmerzsymptomatik nicht mehr leidensgerecht. Treppensteigen sei jedoch noch zumutbar. Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollten vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen nicht grundsätzlich auszuschließen seien. Nicht mehr möglich seien Nachschichtarbeiten. Ebenso seien Arbeiten mit Publikumsverkehr wegen des durchgehend depressiven Stimmungsbildes nur noch gelegentlich zumutbar. Eine erhöhte oder hohe Anforderung an die psychische Leistungsfähigkeit, wie dies zum Beispiel beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen der Fall sei, könne dem Probanden aufgrund der vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen nicht mehr abverlangt werden.
Wegen der oben beschriebenen, durchgehenden depressiven Stimmungslage und aufgrund der vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen sei der Kläger nicht mehr in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Vielmehr könne es dem Kläger zum aktuellen Zeitpunkt nur noch zugemutet werden, drei bis unter sechs Stunden, am ehesten vier Stunden, pro Tag leichte Tätigkeiten zu verrichten. Diese Einschätzung gelte auch, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werde, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz erreichen könne. Die oben genannten Gesundheitsstörungen bedingten ebenso Beschränkungen des Arbeitsweges. So liege eine mittelschwere, algophobe Gangstörung vor, die es dem Kläger unmöglich mache, mehr als nur wenige Schritte zu gehen. Zur Behebung der Einschränkungen der Wegefähigkeit sei eine stationäre Rehabilitation in einer Einrichtung, in der Neurologen, Schmerzmediziner, Psychiater, Psychotherapeuten, Orthopäden und Physiotherapeuten zusammenarbeiten, sinnvoll. Dabei sei der Einsatz schmerzdistanzierender und antidepressiver Psychopharmaka zu empfehlen. Darüber hinaus sollte ein Geräte-gestütztes Gehtraining erfolgen. In Kenntnis der mangelnden Fahrpraxis (siehe Tagesablauf und Alltagsaktivitäten) könne es dem Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zugemutet werden, einen PKW zu führen. Sollten die oben genannten Maßnahmen nicht zu einer Restitution der Gehfähigkeit führen, so bestehe die Möglichkeit für den Kläger, ein Rollstuhltraining zu absolvieren, um die Wegstrecke zu einem Arbeitsplatz zu überwinden.
Es sei davon auszugehen, dass die jetzt anzutreffende mittelschwere Depression und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen seit Anfang des Jahres 2021 vorhanden seien. Da bisher keine psychiatrische Therapie stattgefunden habe, sei davon auszugehen, dass es unter dem Einsatz einer antidepressiven Medikation und einer stationären Therapie innerhalb von einem Jahr zu einer so nachhaltigen Besserung kommen könne, als dass die oben genannten quantitativen Leistungseinschränkungen voraussichtlich wegfallen würden und der Kläger wieder in der Lage sein werde, sechs Stunden und mehr pro Tag zu arbeiten.

Mit Schreiben vom 06.10.2022 (Bl. 170 SG-Akte) hat der Kläger ausgeführt, dass im Gutachten des R2 nicht sein wahrer Gesundheitszustand wiedergegeben worden sei. Durch die massiven Einschränkungen der sehr schmerzhaften orthopädischen Erkrankungen (Arthrose beider Sprunggelenke, Lendenwirbel, Kreuzbandruptur rechts mit nicht vollständig ausgeheilter Sepsis mit Knochendefizit und Vernarbungen der Haut mit schmerzhaften Missempfindungen) sei eine Arbeitsfähigkeit weder durch therapeutische noch durch operative Eingriffe auch nur ansatzweise wiederherzustellen. Selbst eine sitzende Tätigkeit sei nur unter unzumutbaren großen Schmerzen durchführbar.

Die Beklagte ist unter Bezugnahme auf eine sozialmedizinische Stellungnahme von N1 vom 07.10.2022 (Bl. 179 ff. LSG-Akte) sowie von S5 vom 08.12.2022 (Bl. 185 f. LSG-Akte) der Leistungseinschätzung von R2 entgegengetreten.

N1 hat ausgeführt, dass eine psychische Erkrankung wesentlichen Ausmaßes über Jahre hin zu keinem Zeitpunkt dokumentiert worden sei. R2 weise daher auch darauf hin, dass eine nicht besonders schwer ausgeprägte Depressivität nur „aktuell", also nur ganz punktuell zum Gutachtenszeitpunkt vorhanden gewesen sei, während es nachvollziehbare Belege für einen derartigen Zustand zuvor (und vielleicht aber auch danach) nicht gegeben habe, sodass somit ein gemindertes quantitatives Leistungsvermögen nicht mit der zu fordernden Sicherheit nachzuvollziehen sei.
Bislang seien noch nicht einmal irgendwelche Befunde, sei es ambulanter oder stationärer Art, vorhanden, die über psychotherapeutische Bemühungen, ambulante nervenärztliche oder psychiatrische Interventionen oder gar stationäre Rehabilitationsmaßnahmen, vielleicht sogar akut stationäre psychiatrische Behandlungen berichten würden. Vorliegend sei weiter noch nicht einmal in der Berufungsbegründung weder vom Kläger selbst noch von seinem Rechtsvertreter irgendeine wie auch immer geartete psychische Erkrankung begründend ins Feld geführt worden.
Der punktuelle Eindruck einer nicht besonders schwer ausgeprägten Depressivität, die R2 mitgeteilt habe, lasse sich noch nicht einmal aus dem „aktuellen Beschwerdebild" des Klägers ableiten. Hier werde vieles über körpernahe Beschwerden wie Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit, Schwindel, Stuhlverstopfungen, „Schwarz werden" vor den Augen, verschiedenste orthopädische Schmerzen und anderes mehr erzählt, aber gar nichts über eine psychische Erkrankung. Es sei nicht plausibel, dass eine psychiatrische Diagnose gestellt werde, wenn der Kläger überhaupt keine Beschwerden auf fachpsychiatrischen Gebiet habe. Wie zu erwarten, sei noch nicht einmal eine Psychopharmakotherapie, eine Psychotherapie, aber auch nicht eine multimodale Schmerztherapie nachvollziehbar befundet, was darauf hinweise, dass der Kläger gar nicht so schwer krank sein könne, wie das Gutachten von R2 ohne nachvollziehbare Belege behaupte.
Widme man sich den mitgeteilten Befunden, so falle auf, dass auch hier erhebliche Diskrepanzen zu bemerken seien, die als in sich widersprüchlich zu bezeichnen seien. Der mitgeteilte psychopathologische Befund erfüllte noch nicht einmal die Kriterien einer wenigstens leichten depressiven Episode. Massive Diskrepanzen fänden sich allerdings in der Selbsteinschätzung des Klägers hinsichtlich der Depressionsschwere, die sich weder im psychopathologischen Befund noch in der inhaltsleeren Anamnese diesbezüglich abbildeten. Dementsprechend fehle auch eine Beschwerdevalidierung, während die fachlichen Fehler sich auch fortsetzten, wenn die Behauptung aufgestellt werde, dass im MVVT-B „keine Hinweise auf eine bewusste Aggravation oder Simulation im Rahmen der Beschwerdevalidierung" vorliegen würden. Es handele sich hier nicht um eine Beschwerdevalidierung, weil dieses Verfahren nicht dazu geeignet sei, eine Beschwerdevalidierung vorzunehmen.
Der mitgeteilte Tagesablauf erbringe einen von jeglichen Verpflichtungen entbundenen Menschen, der Haushaltsaktivitäten an seine Umgebung delegiert habe, während nicht so recht klar werde, was der Kläger so die ganze Zeit unternähme oder nicht, jedoch bestehe eine gute psychosoziale Integration mit Kontakt zu Angehörigen, Spaziergängen und gemeinsamen Feierlichkeiten, was den Eindruck erwecke, dass hier keine wesentliche Einschränkung der Genussfähigkeit zu erwarten sei.
Insofern sollte in erster Linie die somatisch orientierte Darstellung des vorliegenden nervenfachärztlichen Gutachtens auch aus der somatischen Perspektive (z. B. chirurgisch) bewertet werden, da auf rein fachpsychiatrischen Gebiet die psychiatrisch dargestellten Inhalte einschließlich der sozialmedizinischen Schlussfolgerungen nicht nachvollzogen werden könnten.
S5 hat in seiner Stellungnahme angegeben, dass eine erhebliche Diskrepanz der Angabe des Gutachters zur ohnehin nur geringen Medikamenteneinnahme und die nachfolgenden Serumspiegel vorliege. Der Kläger sei auch in der Lage gewesen, ein exzellentes Hilfesystem um sich herum zu organisieren mit Vater, aber auch Freunden, wo er übernachten könne, die ihm beim Duschen regelhaft zur Hilfe kämen, ebenso immer dann wenn er Transfers benötige. Dies erfordere genauso wie die eigenständige Vertretung im Rechtsverfahren ja durchaus einen erheblichen Antrieb und könne schwer mit dem Postulat einer mittelschweren depressiven Episode zusammen gebracht werden. Betrachte man weiter die tatsächlich vorhandenen somatischen Erkrankungen und die dadurch bedingen Einschränkungen so habe schon B1 festgestellt, dass letztlich nichts Gravierendes vorliege. Es bestünden lediglich somatische Beschwerden und diese belegten eben nur eine geringe Einschränkung, denen durch qualitative Einschränkungen bzgl. Arbeitsschwere und Arbeitsart hinreichend Rechnungen getragen werden könne. Daher gebe es weiterhin seitens der somatischen Erkrankungen definitiv keinen Grund das quantitative Leistungsvermögen auch nur ansatzweise einzuschränken soweit die genannten qualitativen Einschränkungen eingehalten werden könnten.

R2 hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 14.04.2023 (Bl. 203 ff. LSG-Akte) zu den Einwendungen der Beklagten ausgeführt, dass richtig sei, dass in den bisherigen Unterlagen keine psychische Erkrankung dokumentiert sei. Dies sei richtig, allerdings habe sich eben mittlerweile eine mittelschwere Depression mit einer vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen, des Antriebs und des formalen Denktempos entwickelt.
N1 schreibe weiter, dass sich der „punktuelle Eindruck einer nicht besonders schwer ausgeprägten Depressivität noch nicht einmal aus dem aktuellen Beschwerdebild" ableiten lasse und hier im wesentlichen körpernahe Beschwerden wie Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit, Schwindel, Stuhlverstopfungen, Schwarzwerden vor den Augen, verschiedenste orthopädische Schmerzen und anderes mehr, aber vom Kläger keine Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet geschildert worden seien. Hierzu sei anzumerken, dass gerade bei sogenannten „somatisierten Depressionen" psychische Beschwerden von dem Betroffenen in Form körperlicher Symptome ausgedrückt würden. Der Umstand, dass der Kläger nicht eine psychische Erkrankung als Ursache seiner körperlichen Beschwerden erkenne, sei kein Argument gegen das Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose, sondern eher typisch für eine „Somatisierung".
Soweit N1 weiter bemängle, dass „nicht einmal eine Psychopharmakotherapie, eine Psychotherapie oder eine multimodale Schmerztherapie" durchgeführt worden seien, was darauf hinweise, dass „der Versicherte gar nicht so schwer krank" sei, sei anzumerken, dass das vorliegende psychiatrische Krankheitsbild erst vor kurzem in einem relevanten Ausprägungsgrad entstanden sei und somit noch keine fachspezifische Behandlung habe erfolgen können. Er selbst habe hierzu ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass es unter dem Einsatz einer antidepressiven Medikation und einer stationären Therapie innerhalb von einem Jahr zu einer so nachhaltigen Besserung kommen werde, als dass die festgestellten quantitativen beruflichen Leistungseinschränkungen voraussichtlich wegfallen könnten und der Kläger dann wieder in der Lage sein werde, sechs Stunden und mehr pro Tag zu arbeiten. Einschränkend sei allerdings zu ergänzen, dass die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen dazu geeignet seien, die diagnostizierte mittelschwere Depression über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Soweit weiter kritisiert werde, dass der mitgeteilte psychopathologische Befund „noch nicht einmal die Kriterien einer wenigstens leichten depressiven Episode" erfüllten, werde übersehen, dass in dem erhobenen Befund ein durchgehend depressives Stimmungsbild, eine mittelgradige Einschränkung der affektiven Modulationsfähigkeit und eine mittelgradige Störung der Auffassungsgabe, der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeitsdauer, des Antriebs und des Denktempos beschrieben würden. Jene Symptome seien sehr charakteristisch für eine mittelschwere Depression und erfüllten die definitionsgemäßen Kriterien. Sofern darüber hinaus bemängelt werde, dass keine Beschwerdevalidierungstests eingesetzt worden seien, sei dies falsch. Bei den verwendeten Tests in Form des MVVT und des KAI handle es sich sehr wohl um Beschwerdevalidierungsinstrumente, deren Vorteil darin liege, dass sie verdeckt eingesetzt werden könnten. In der Tat bestehe allerdings die schwierigste Aufgabe eines neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Gutachters in der Beurteilung einer fraglichen Simulation beziehungsweise der objektiven psychischen Leistungsfähigkeit. N1 habe zudem kritisiert, dass er die diagnostizierte „anhaltende somatoforme Schmerzstörung nicht nachvollziehen“ könne, da es nur wenige „somatische Befunde" gebe. Dem sei entgegenzuhalten, dass es sich bei der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung um eine psychiatrische und nicht um eine somatische Diagnose handele, und deren Symptome beim Kläger vorlägen. Hinsichtlich der Stellungnahme von S5 sei anzumerken, dass diese gut nachvollzogen werden könne. Er habe aber die festgestellte quantitative berufliche Leistungsminderung auch nicht durch körperliche, sondern durch psychiatrische Krankheitsbilder verursacht angesehen. Abschließend wolle er noch in Anspruch nehmen, in seinem Gutachten sorgfältig vorgegangen zu sein sowie die relevanten medizinischen Vorbefunde beachtet und seine Einschätzung der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar begründet zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.  



Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung ist auch im tenorierten Umfang begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid vom 29.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat ab dem 01.11.2022 bis zum 30.09.2024 einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, da sein Leistungsvermögen (zumindest) ab dem Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung bei R2 (21.04.2022) auf unter sechs Stunden herabgesunken ist und zum Eintritt des Versicherungsfalls auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
 
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in KassKomm, Stand 114. EL Mai 2021, SGB VI, § 43 Rn. 58 und 30 ff.). Nach der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur "konkreten Betrachtungsweise" ist von einem verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt auszugehen, wenn die Versicherte nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten kann und arbeitslos ist bzw. keine Tätigkeit ausübt (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.01.2010 - L 3 RJ 139/04 -, juris, Rn. 64 - 66 mit Verweis auf BSGE 43, 75 f).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine Rente aus eigener Versicherung wird gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzung für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, indem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat angeleistet, indem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
 
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Sie kann verlängert werden, wobei es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI erfolgen Verlängerungen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wovon bei einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen ist. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Sofern die medizinischen Ermittlungen eine Besserungsaussicht vor Ablauf eines Zeitraums von drei Jahren ergeben, kann die Befristung aus medizinischen Gründen im Einzelfall auch kürzer als drei Jahre angesetzt werden. Sofern medizinische Gründe eine Besserung zu einem definierten Zeitpunkt nahelegen, kann von der (Regel-)Befristung aus medizinischen Gründen daher sowohl nach unten aber auch nach oben abgewichen werden, so dass die Befristung auch kürzer oder ggf. auch länger als drei Jahre ausfallen kann (vgl. hierzu Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 102 SGB VI [Stand: 12.06.2023], Rn. 19).

Der Kläger ist zur Überzeugung des Senates (zumindest) ab dem Zeitpunkt der Begutachtung bei R2 (21.04.2022) nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine zumindest leichte körperliche Tätigkeit auszuüben. Es besteht lediglich noch ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erwerbstätig war, ist ihm aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (s.o.) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Der Senat gelangt zu diesem Ergebnis auf der Grundlage des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des R2, der schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen, der von ihm erhobenen Untersuchungsbefunde einschließlich des Tagesablaufs beim Kläger eine inzwischen eingetretene auch zeitliche Minderung des Leistungsvermögens annimmt.

R2 ist auf Basis der von ihm erhobenen Befunde, der eruierten eigenanamnestischen Angaben sowie der ausgewerteten aktenkundigen Vorbefunde zu folgenden Diagnosen gelangt: gegenwärtig mittelschwere depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Im Rahmen der Befunderhebung ist ein zunächst konzentrierter Kläger aufgefallen, der an ihn gerichtete Fragen prompt und bereitwillig beantworten konnte. Im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung ist es dann aber nach drei Stunden zu einem deutlichen Nachlassen der Konzentriertheit und der Aufmerksamkeit gekommen. Die Antriebslage wird zunächst als leichtgradig und nach drei Stunden mittelgradig gestört beschrieben. Hinsichtlich der Stimmungslage wirkte der Kläger durchgehend depressiv, selbst beim Besprechen angenehmer Themen konnte der Gutachter nur eine verzögert eintretende Stimmungsaufhellung beim Kläger feststellen. Die affektive Modulationsfähigkeit wird als mittelgradig eingeschränkt beschrieben.
Hieraus leitet der Gutachter dann nachvollziehbar und schlüssig ab, dass nur noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten zumutbar sind. Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 Kilogramm sollen nicht mehr gehoben oder getragen werden. Die genannten Tätigkeiten sollten darüber hinaus vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie dies zum Beispiel beim Bücken oder bei knienden Tätigkeiten der Fall ist, sollten vermieden werden. Arbeiten auf Leitern oder auf Gerüsten sind nicht mehr leidensgerecht. Treppensteigen ist jedoch noch zumutbar. Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollten vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen nicht grundsätzlich auszuschließen sind. Nicht mehr möglich sind Nachschichtarbeiten. Ebenso sind Arbeiten mit Publikumsverkehr wegen des durchgehend depressiven Stimmungsbildes nur noch gelegentlich zumutbar. Eine erhöhte oder hohe Anforderung an die psychische Leistungsfähigkeit, wie dies zum Beispiel beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen notwendig ist, können dem Kläger aufgrund der vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen nicht mehr abverlangt werden.
Wegen der oben beschriebenen, durchgehenden depressiven Stimmungslage und aufgrund der vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen ist der Kläger auch bei Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Auch solche Tätigkeiten sind nur noch drei bis unter sechs Stunden, am ehesten vier Stunden, pro Tag zumutbar.

Die von der Beklagten unter Berufung auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von N1 und S5 gegen die Leistungseinschätzungen von R2 erhobenen Einwände greifen nach Überzeugung des Senats letztlich nicht durch. R2 hat diese zur Überzeugung des Senates schlüssig und nachvollziehbar widerlegt.
R2 hat zunächst für den Senat überzeugend dargelegt, warum er trotz bislang fehlender Unterlagen für eine psychische Erkrankung und noch nicht durchgeführter Psychopharmakotherapie, Psychotherapie oder multimodaler Schmerztherapie nun eine mittelschwere depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit entsprechenden auch zeitlichen Leistungseinschränkungen festgestellt hat. Hier verweist der Gutachter insbesondere darauf, dass auch nach seinen Feststellungen sich das psychiatrische Krankheitsbild erst vor kurzem in einem relevanten Ausprägungsgrad mit einer vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen, des Antriebs und des formalen Denktempos entwickelt hat. Weiter nachvollziehbar entkräftet der Gutachter den Einwand des N1, wonach sich der „punktuelle Eindruck einer nicht besonders schwer ausgeprägten Depressivität noch nicht einmal aus dem aktuellen Beschwerdebild" ableiten lasse und hier im wesentlichen körpernahe Beschwerden wie Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit, Schwindel, Stuhlverstopfungen, Schwarzwerden vor den Augen, verschiedenste orthopädische Schmerzen und anderes mehr, aber vom Kläger keine Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet geschildert worden seien. R2 erklärt hier überzeugend, dass gerade bei sogenannten „somatisierten Depressionen" psychische Beschwerden von dem Betroffenen in Form körperlicher Symptome ausgedrückt werden. Er beschreibt den Umstand, dass der Kläger nicht eine psychische Erkrankung als Ursache seiner körperlichen Beschwerden erkenne, gerade nicht als Argument gegen das Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose, sondern eher typisch für eine „Somatisierung". Der Gutachter betont zudem weiter, dass in dem von ihm erhobenen Befund ein durchgehend depressives Stimmungsbild, eine mittelgradige Einschränkung der affektiven Modulationsfähigkeit und eine mittelgradige Störung der Auffassungsgabe, der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeitsdauer, des Antriebs und des Denktempos beschrieben werden. Er weist zudem darauf hin, dass zunächst ein konzentrierter Kläger aufgefallen sei, der an ihn gerichtete Fragen prompt und bereitwillig beantworten konnte. Im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung ist es dann aber nach drei Stunden zu einem deutlichen Nachlassen der Konzentriertheit und der Aufmerksamkeit gekommen. Hier wird für den Senat gerade überzeugend deutlich, dass hier eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens gegeben ist. Jene Symptome sind nach den Ausführungen des Gutachters gerade charakteristisch für eine mittelschwere Depression und erfüllen die definitionsgemäßen Kriterien. Soweit N1 weiter eine fehlende Beschwerdevalidierung kritisiert, war zu berücksichtigen, dass R2 in seiner ergänzenden Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er sich bewusst sei, dass die schwierigste Aufgabe eines neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Gutachters in der Beurteilung einer fraglichen Simulation beziehungsweise der objektiven psychischen Leistungsfähigkeit liege. Er stellt aber überzeugend und nachvollziehbar dar, warum er vorliegend die Beschwerden des Klägers für valide hält. Soweit weiter durch S5 kritisiert wird, dass die körperlichen Beschwerden lediglich qualitative aber nicht quantitative Leistungseinschränkungen bedingten, führt R2 zu Recht aus, dass das von ihm festgestellte reduzierte Leistungsvermögen von ihm nicht durch körperliche, sondern durch psychiatrische Leiden begründet worden ist.

Der Senat konnte sich allerdings nicht von einem früheren Eintritt der Leistungsminderung als dem Zeitpunkt der Begutachtung bei R2 überzeugen. Zum einen ist der Senat, wie auch schon das SG, nicht davon überzeugt, dass aufgrund der Beschwerden auf orthopädischen Fachgebiet neben qualitativen Einschränkungen auch eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens eingetreten ist. Das SG hat auf Grundlage des Gutachtens von B1 zu Recht festgestellt, dass die orthopädischen Beschwerden nicht zu einer Reduzierung des zeitlichen Leistungsvermögens führen. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung dieser Einschätzung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung in Bezug auf diese Beschwerden hier ab. Auch aus den im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts Anderes. Das vom Klägervertreter vorgelegte Attest der behandelnden W1 vom 05.01.2021 enthält lediglich Angaben zur Wegefähigkeit des Klägers. Aussagen zum zeitlichen Leistungsvermögen werden nicht gemacht. In der Aussage des behandelnden Orthopäden als sachverständiger Zeuge vom 24.11.2021 wird zwar von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen ausgegangen. Dieser Aussage ist aber keine wesentliche Befundverschlechterung gegenüber der Untersuchung bei B1 zu entnehmen, so dass diese Einschätzung nicht plausibel begründet ist. Aber auch aufgrund der nun festgestellten Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet und der hieraus resultierenden Leistungseinschränkung kann ein früherer Zeitpunkt als der der Begutachtung bei R2 nicht sicher festgestellt werden. Hier wurden erstmals Diagnosen auf psychiatrischem Fachgebiet gestellt und eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit beschrieben. Ob die Leistungseinschränkung bereits, wie R2 annimmt, Anfang 2021 vorgelegen hat, lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats belegen. Es spricht zwar einiges dafür, dass die zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens irgendwann zwischen der Entscheidung des SG und der Untersuchung bei R2 eingetreten ist. Mangels vorliegender medizinsicher Unterlagen aus psychiatrisch-/psychotherapeutischer Behandlung lässt sich der genaue Eintritt aber nicht mehr im Nachhinein bestimmen, so dass der Eintritt des Leistungsfalles sicher erst zum Zeitpunkt der Begutachtung bei R2 belegt ist.
Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlaufs vom 02.06.2023 sind beim Kläger zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles am 21.04.2022 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so dass eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgehend von einem am 21.04.2022 eingetretenen Leistungsfall zu gewähren ist.

Die zu gewährende Rente war hier weiter zu befristen. Dies ergibt sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wonach Renten wegen Erwerbsminderung auf Zeit geleistet werden. Abweichend von § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI war diese Rente hier nicht für die Dauer von drei Jahren zu gewähren. Von dieser Frist kann nämlich in medizinisch begründeten Fällen auch abgewichen werden (s.o.). Ein solcher Fall liegt hier vor. R2 hat in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bislang keinerlei psychiatrische Therapie stattgefunden hat, davon auszugehen ist, dass es unter dem Einsatz einer antidepressiven Medikation und einer stationären Therapie innerhalb von einem Jahr zu einer so nachhaltigen Besserung kommen kann, als dass die oben genannten quantitativen Leistungseinschränkungen voraussichtlich wegfallen und der Kläger wieder in der Lage sein werde, sechs Stunden und mehr pro Tag zu arbeiten. Ausgehend vom Tag der Entscheidung des Senats war daher die Rentengewährung auf den 30.09.2024 zu befristen. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden darüber hinaus nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Ausgehend von einem Leistungsfall spätestens zum Zeitpunkt der Begutachtung am 21.04.2022 ist Rentenbeginn hier also der 01.11.2022.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der möglicherweise aufgehobenen Wegefähigkeit des Klägers. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R -, juris, Rn. 20). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 47, 50; BSG SozR Nr. 101 zu § 1246 RVO). Dementsprechend ist das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos anzusehen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200, § 1247 Nr. 10). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; SozR 3-2600 § 44 Nr. 10).
Die medizinischen Ermittlungen, insbesondere das Gutachten von R2, aber auch B1 und als auch die von der Beklagten beauftragte Gutachterin R1, gehen zwar davon aus, dass der Kläger zumindest die genannte Anforderung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewältigen kann. Die Gehfähigkeit der Kläger ist zumindest derzeit erheblich eingeschränkt und unter den von der Rechtsprechung geforderten Umfang (viermal täglich mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten) abgesunken. Damit ist - abstrakt - ausgeschlossen, dass der Kläger Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß erreichen kann, unabhängig von der konkreten Situation im Einzelfall.

Ein Wegfall der Wegefähigkeit ist aber nur zu bejahen, wenn der Kläger auch nicht anderweitig in der Lage wäre, einen potentiellen Arbeitsplatz zu erreichen. Ein Kfz zur Erreichung des Arbeitsplatzes ist hier nicht vorhanden. Auch spricht vorliegend vieles dafür, dass der Kläger (zumindest derzeit) nicht ohne weiteres in der Lage sein dürfte, ein solches zu führen (vgl. Feststellungen von R2). Zur Behebung der Wegeunfähigkeit reicht es aber aus, dass dem Versicherten auf seine individuellen Verhältnisse (z.B. Besitz einer Fahrerlaubnis; generelle Fahrtüchtigkeit) ausgerichtete rechtsverbindliche Zusagen gemacht werden, welche für den Fall von Vorstellungs- und Bewerbungsgesprächen sowie einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme das Defizit der reduzierten oder aufgehobenen Wegefähigkeit dergestalt kompensieren, dass er in den geschilderten Situationen einem insoweit nicht eingeschränkten Versicherten gleichsteht (Peter Kamprad in: Hauck/Noftz SGB VI, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 43 SGB 6, Rn. 87). Nicht ausreichend ist, dass Teilhabeleistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) für den Fall einer Arbeitsaufnahme lediglich in Aussicht gestellt werden. Vielmehr muss bereits eine Bewilligung derartiger Leistungen erfolgen. Auch in Fällen, in denen noch kein konkreter Arbeitsplatz für den Betroffenen zur Verfügung steht, können Teilhabeleistungen so konkret zugesichert werden, dass damit die Wegeunfähigkeit beseitigt wird. Es können sowohl unmittelbar bewilligte Leistungen, aber auch Zusicherungen nach § 34 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) ausreichen, wenn sie hinreichend konkret und vorbehaltlos sind (BSG, Urteile vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R -, juris). Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2018 erfüllt diese Anforderungen. Er enthält seinem Wortlaut nach eine vorbehaltlose rechtliche Bindung der Beklagten. Er umfasst nicht nur die (mögliche) Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs, sondern auch, falls notwendig, die Übernahme von Fahrtkosten. Soweit die Textgestaltung die Zusicherung in die Zukunft hinsichtlich einer Änderung der Verhältnisse begrenzt, liegt darin kein unzulässiger Vorbehalt oder eine Einschränkung der Rechtswirksamkeit des Bewilligungsbescheides. Vielmehr wird lediglich darauf hingewiesen, dass es bei einer Änderung der Verhältnisse rechtlich zulässig und inhaltlich sinnvoll ist, einen bisher bestehenden, unanfechtbar gewordenen Bescheid für die Zukunft anzupassen. Erst mit einer auf eine solche Änderung gestützten neuen Entscheidung soll die Wirkung der bisherigen Entscheidung entfallen. Auch inhaltlich ist es sinnvoll, bei Vorliegen eines Dauerarbeitsplatzes die neuen Gegebenheiten noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob andere Teilhabeleistungen wie Kostenzuschuss zur Beschaffung eines eigenen Kfz oder die Stellung eines regelmäßigen Beförderungsdienstes dann vorrangig erscheinen (vgl. hierzu auch Bayerisches LSG, Urteil vom 20.10.2016 - L 19 R 976/14 -, juris, Rn. 79; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.06.2020 - L 3 R 15/20 -, juris, Rn. 58 - 59). Nicht zuletzt ist vorliegend nicht auszuschließen, dass es durch entsprechendes Training zu einem Wegfall der Wegefähigkeit kommen kann. So schließen B1, aber auch R2 die Möglichkeit der Besserung der Wegefähigkeit bei entsprechendem Einsatz aller möglichen Hilfsmittel sowie entsprechendem Training nicht aus.

Nach alledem war der Berufung des Klägers im tenorierten Umfang stattzugeben und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostengrundentscheidung ist nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG vom Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Die Ermessensentscheidung des Gerichts hat sich dabei an den Erfolgsaussichten (voraussichtliches Obsiegen oder Unterliegen), dem erreichten Prozessergebnis und den zur Klageerhebung sowie zur Erledigung des Rechtsstreits führenden Umständen zu orientieren. Werden erst während des Rechtsstreits die Anspruchsvoraussetzungen für das Begehren durch eine Veränderung der Verhältnisse erfüllt, hat die Beklagte dann keine Kosten zu tragen, wenn sie unverzüglich ein Anerkenntnis abgibt oder einen sachgerechten Vergleich anbietet (BSG, Beschluss vom 24.05.1991 - 7 RAr 2/91 - SozR 3-1500 § 193 Nr. 2). In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf einen neuen Antrag hin die Leistung zuerkannt hätte und der Rechtsstreit nicht erforderlich gewesen wäre (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.12.2011 - L 3 R 247/10 -, juris, Rn. 44). Hier hat die Beklagte auch nach Vorlage des Gutachtens von R2 an dem ihrem auf Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang gerichteten Antrag festgehalten. Nach billigem Ermessen war dem Kläger daher eine Kostenerstattung für das Berufungsverfahren im Umfang einer Quote von einem Drittel zuzusprechen, da der Senat die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung nicht bereits wie beantragt ab Antragstellung, sondern erst ausgehend von einem Leistungsfall am 21.04.2022 und auch  nur zeitlich befristet zugesprochen hat. Die Erstattung von Kosten für das Klageverfahren kam nicht in Betracht, da der Leistungsfall erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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