L 14 R 75/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 520/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 75/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 12.12.2019 aufgehoben.

Der Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

 

Die Klägerin wendet sich gegen die erfolgte Neuberechnung ihrer Witwenrente unter Anrechnung von Einkommen, das sie aus der Ausübung eines Mi­nijobs erzielt hat.

 

Die Beklagte gewährte der 1948 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 11.08.2004 große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes mit einem Rentenbeginn ab dem 28.06.2004 in monatlicher Höhe von rund 490,- € netto. Im Rahmen der Bewilligung wurde Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit i.H.v. rund 354,- € monatlich angerechnet, das sie aus einer Vollzeitbeschäftigung bei einem Rechtsanwalt mit einem Jahreseinkommen in 2003 i.H.v. rund 31.500 € erzielte. In dem Bescheid heißt es bei den Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten u.a., dass Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben könne; daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung solchen Einkommens unverzüglich mitzuteilen.

 

In der Folgezeit erfolgten - wegen etwaig anzurechnenden Einkommens - jährliche Nachprüfungen zur Witwenrente. Im Anschluss an den Bewilligungsbescheid vom 11.08.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin insofern zur Witwenrente einen Neufeststellungsbescheid (vom 23.09.2004) und einige Neuberechnungsbescheide; in deren Rahmen wurde Einkommen aus Beschäftigung und Arbeitslosengeld angerechnet, dabei ab 2006 nur noch aus einem Minijob mit einem monatlichen Verdienst von 165,- € bei der Rechtsanwaltskanzlei, bei der die Klägerin zuvor in Vollzeit tätig war (vgl. Neuberechnungsbescheide vom 19.05.2006 und vom 27.05.2008).  

 

Mit Bescheid vom 16.06.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen für die Zeit ab dem 01.08.2008; bei der Berechnung der Altersrente wurde die Witwenrente als die Altersrente minderndes Einkommen angerechnet.

 

Mit den in der Folgezeit erteilten Neuberechnungsbescheiden zur Witwenrente wurde (daraufhin) neben dem weiterhin erzielten Einkommen aus Minijob nunmehr auch die Altersrente (als Erwerbersatzeinkommen) angerechnet (beginnend mit Neuberechnungsbescheid vom 02.07.2008). Nachdem die Klägerin der Beklagten die Beendigung ihres Minijobs zum 31.05.2010 meldete, berechnete die Beklagte (zuletzt) mit Bescheid vom 09.06.2010 die Witwenrente für die Zeit ab dem 01.06.2010 neu; angerechnet wurde - nach Wegfall von Einkommen aus Beschäftigung - nur noch die Altersrente (als Erwerbsersatzeinkommen); es ergab sich hiernach ein Zahlbetrag der Witwenrente i.H.v. rund 790,- € netto monatlich.

 

Am 01.06.2017 erhielt die Beklagte eine mit der Aufforderung, ggs. eine Einkommensanrechnung zu überprüfen, verbundene Meldung, dass die Klägerin (erneut) eine Beschäftigung aufgenommen habe (und zwar bei der Physiotherapiepraxis L. in Y.). Auf Rückfrage teilte die Klägerin mit am 27.06.2017 bei der Beklagten eingegangenem Formular mit, seit dem 09.05.2017 Einkünfte aus einer Minijob-Beschäftigung bei dem Arbeitgeber L. in Y. i.H.v. monatlich 240,- € zu erzielen.

 

Ausweislich ihrer darauf vermerkten handschriftlichen Notiz ging der Klägerin am 22.07.2017 eine „Rentenanpassung zum 01.07.2017“ der G. AG, Niederlassung Renten Service, K. zu, in der ausgeführt ist, dass die Leistungen der Deutschen Rentenversicherung zum 01.07.2017 angepasst würden und in diesem Bescheid gezeigt werde, wie sich die Anpassung auf die Höhe der Renten der Klägerin auswirke. Im Folgenden ist unter A) die zum 01.07.2017 vorzunehmende Anpassung der Altersrente und unter B) die zum 01.07.2017 vorzunehmende Anpassung der Witwenrente dargestellt. Unter B) ist der bisherige Betrag der Witwenrente (874,94 € netto) und der ab dem 01.07.2017 zustehende Betrag der Witwenrente im Vergleich ausgewiesen, der zum 31.07.2017 erstmals ausgezahlt werde, und ausgeführt, dass auf die Rente Einkommen angerechnet werde. Dazu wird im Anschluss unter 1) die Höhe der Witwenrente vor der Anrechnung von Einkommen, unter 2) das maßgebende Einkommen – hierbei allein die Altersrente - und unter 3) das anzurechnende Einkommen ab dem 01.07.2017 sowie unter 4) die Witwenrente nach der Anrechnung von Einkommen angeführt. Dabei ergab sich für die Witwenrente nach – alleiniger - Anrechnung der Altersrente für die Zeit ab dem 01.07.2017 noch ein monatlicher Zahlbetrag von 891,62 € netto. Weiter heißt es bei den „Erläuterungen zur Berechnung der neuen Beträge“ unter der Überschrift „Höhe der Rente“, dass der aktuelle Rentenwert um 1,90 % von 30,45 € auf 31,03 € steige und sich durch die Veränderung des aktuellen Rentenwerts die Höhe der monatlichen Rente verändere. Unter der Rubrik „Hinweise zum Anpassungsbescheid“ ist unter der Überschrift „Warum erhalte ich diesen Bescheid“ ausgeführt: „Dieser Bescheid ersetzt ab dem 01.07.2017 den zuletzt erteilten Bescheid über die Höhe Ihrer Rente. Sie erhalten diesen Bescheid, weil der aktuelle Rentenwert neu bestimmt wurde. Dies geschieht jährlich zum 01.07. durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats.“; weiter ist unter der Überschrift „Was ist die Rechtsgrundlage dieses Bescheides“ ausgeführt, dass Rechtsgrundlage der Rentenanpassung die Rentenwertbestimmungsverordnung 2017 sei. Unter der Rubrik „Ihr Recht“ ist auf das Recht zur Widerspruchseinlegung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hingewiesen mit dem Zusatz, dass sich der Widerspruch nur gegen Sachverhalte richten könne, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden seien.

 

Mit Bescheid vom 15.08.2017 berechnete die Beklagte die Höhe der großen Witwenrente für die Zeit ab dem 09.05.2017 neu. Dabei errechnete sie für die Zeit vom 09.05. bis 31.07.2017 eine Überzahlung i.H.v. 85,27 €, die zu erstatten sei, und als laufende monatliche Zahlung für die Zeit ab dem 01.08.2017 eine Rente i.H.v. 806,35 € netto. In den Gründen wird ausgeführt, die Rente werde neu berechnet, weil eine Rentenanpassung durchzuführen gewesen sei und sich das mit der Rente zusammentreffende Einkommen geändert habe. Die Rentenan­passungsmitteilung zum 01.07.2017 werde hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 45 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zurückgenommen; die entstandene Überzahlung sei nach § 50 SGB X zu erstatten. Das Entgelt aus der seit dem 09.05.2017 ausgeübten Beschäftigung wirke sich ab dem 01.07.2017 mindernd auf die Hinterbliebenenrente aus. Die Rücknahme der Rentenanpassungsmitteilung sei sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zulässig, da eine Berufung auf Vertrauen nicht möglich sei (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X), die Fristen des § 45 Absätze 3 und 4 SGB X gewahrt seien und die vorzunehmende Ermessensausübung zu keinem anderen Ergeb­nis führe. Wegen des der Klägerin bekannten Sachverhaltes sei von einem formellen Anhörungsverfahren abgesehen worden. Sämtliche bekannten Umstände zur Vermeidung einer Rücknahme seien bei der durchzuführenden Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Das Vertrauen sei nicht schützenswert, weil die Klägerin habe wissen können, dass auch das erzielte Entgelt als Einkommen auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sei. Auch im Wege des Ermessens werde eine Rücknahme der Rentenanpas­sungsmitteilung für gerechtfertigt gehalten, weil hieran ein überwiegendes öffentliches Inte­resse bestehe und die Gleichbehandlung aller Rentenbezieher sowie die zweckentspre­chende Verwendung der Mittel die Korrektur der Rentenanpassungsmitteilung rechtferti­ge. Die konkrete Berechnung der Witwenrente für die Zeit ab dem 09.05.2017 fügte die Beklagte dem Bescheid als Anlage bei, ebenso wie die Ermittlung des anzurechnenden Einkommens; hier setzte die Beklagte für die Zeit ab dem 09.05.2017 ein Erwerbseinkommen von 240,- € monatlich an und gelangte nach Abzug u.a. eines Freibetrags für die Zeit ab dem 09.05.2017 zu einem anzurechnenden monatlichen Einkommen i.H.v. 56,19 € und für die Zeit ab dem 01.07.2017 i.H.v. 153,26 €.

 

Mit ihrem (am 11.09.2017 erhobenen) Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie wende sich ge­gen die Anrechnung eigenen Einkommens; in einer Broschüre der Beklagten stehe, dass ein Bruttoeinkommen von 1.365,32 € überhaupt nicht zur Anrechnung komme; sie bitte daher um Prüfung, ob nicht aufgrund ihres geringen Einkommens sowieso kein Abzug erfolge, auch für die Vergangenheit. I.Ü. wende sie sich gegen die Anrechnung aufgrund ihres Alters; zur Regelaltersrente dürfe sie ohne Kürzung dazu verdienen; sie verlange, dass das auch für sie als Witwe gelten müsse; sie wisse, dass es vor Jahren eine entsprechende Grundsatzentscheidung gegeben habe, wonach ein Abzug für Verwitwete als richtig gehalten worden sei; diese Entscheidung sei aller­dings nicht mehr zeitgemäß; das Rentenniveau habe sich seitdem verringert, der Freibe­trag, der sich nach dem Rentenfaktor richte, habe mit der Wirklichkeit nichts zu tun; jeder andere Rentner oder sonstige Berufstätige dürfe einen sogenannten Minijob ausüben, ohne dass es eine Kürzung gebe; von ihren 240 € bekomme sie faktisch 85 € abgezogen. I.Ü. bitte sie um Bezeichnung der Rechtsgrundlage für die Entscheidung.

 

Die Beklagte erläuterte der Klägerin daraufhin (Schreiben vom 14.09.2017), dass gemäß § 97 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Einkommen, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, auf diese angerechnet werde; anrechenbar sei nach Abs. 2 das Einkommen, das monatlich das 26,4-fache des aktuellen Rentenwerts übersteige; das nicht anrechenbare Einkommen erhöhe sich um das 5,6-fache des aktuellen Rentenwerts für jedes Kind des Berechtigten, das Anspruch auf Waisenrente habe oder nur deshalb nicht habe, weil es nicht ein Kind des Verstorbenen gewesen sei; von dem danach ver­bleibenden anrechenbaren Einkommen würden 40 vom 100 angerechnet. Diese Anrech­nung sei im Bescheid vom 15.08.2017 zutreffend vorgenommen worden. Der Widerspruch habe daher keine Aussicht auf Erfolg.

 

Nachdem eine weitere Stellungnahme der Klägerin nicht erfolgte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 unter Wiederholung ihrer im Erläuterungsschreiben vom 14.09.2017 gemachten Ausführungen als unbegründet zurück.

 

Mit der dagegen am 06.03.2018 vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, ihr Wit­wenrente ohne Anrechnung des Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung zu gewähren und zu viel einbehaltene Rentenbeträge nachzuzahlen, und hierzu ausgeführt, es handele sich um eine nicht hinnehmbare Ungleichheit, dass sie zu ihrer Altersrente geringfügig dazuverdienen dürfe, bei der Witwenrente aber eine Anrechnung erfolge; es grenze schon an Diskriminierung, dass eine Witwe mit anderen Rentner nicht gleichgestellt werde; darauf sei die Rentenstelle nicht eingegan­gen; i.Ü. könne der Freibetrag nach dem Rentenfaktor längst nicht mehr mit der Realität standhalten.

 

Im Erörterungstermin (am 26.02.2019) hat die Kammervorsitzende des SG den Beteiligten einen Ausdruck der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.1998 (1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86) sowie des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.06.2014 (L 11 R 3853/13) überreicht und mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Ausführungen in diesen Urteilen eine Verfassungswidrigkeit der erfolgten Anrechnung des Einkommens der Klägerin wohl nicht in Betracht komme und dass eine unzutreffende Rechtsanwendung seitens der Klägerin nicht geltend gemacht werde. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, es sei schon richtig, dass sie davon ausgehe, dass die Beklagte das Recht den Vorschriften entsprechend angewandt habe, sie finde es allerdings so nicht richtig und sehe sich diskriminiert. Nachdem die Vorsitzende erklärt hat, dass die Sach- und Rechtslage als hinreichend geklärt erscheine und daher eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehen sei, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

 

Anschließend hat die Klägerin noch vorgetragen, die im Termin übergebenen Urteile seien nicht einschlägig, sondern beträfen nur den allgemeinen Fall des Hinzuver­dienens und die Ärzte/Beamtenversorgung. Hiergegen wende sie sich gar nicht, zumal ihre Witwenrente von Anfang an aufgrund des eigenen Renteneinkommens gekürzt worden sei. Hier gehe es hingegen um die Anrechnung von Einkommen aus geringfügiger Be­schäftigung. Jedem Altersrentner stehe ein Hinzuverdienst von 6.300 € zu. Nur bei Ver­witweten solle dies nicht greifen, was ein Manko an diesem Gesetz sei. Das Grundsatzurteil sei vom 18.02.1998; ihr Ehemann sei 2004 verstorben.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

„Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid im Sinne von § 105 SGG entschei­den, denn der Sachverhalt ist geklärt und die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen sind einfacher Natur. Die Klage hat keinen Erfolg, denn die Klägerin wird durch die angefochtenen Verwal­tungsentscheidungen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Ermächtigungsgrundlage für die Neuberechnung der Witwenrente der Klägerin ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 der genannten Norm ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Voraussetzungen, unter denen der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soll, werden in Satz 2 geregelt und ist unter anderem dann anzunehmen, soweit der Betroffene nach Antragstel­lung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (vgl. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X). Die Beklagte stützt die Rentenneuberechnung im Bescheid vom 15.08.2017 auf § 45 SGB X und nimmt eine vorangegangene Rentenanpassungsmitteilung zurück. Insoweit geht sie unzutreffend davon aus, die Rentenanpassungsmitteilung enthalte eine eigenständige Regelung über das Unterbleiben einer Einkommensanrechnung. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen, denn der Regelungsgehalt eines Rentenanpassungsbescheides er­streckt sich allein auf die konkret durchgeführte Rentenanpassung. Gleichwohl hat die Klägerin aufgrund der vorgenannten Überlegungen keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen, denn dieser ist bei Anwendung von § 43 Abs. 1 SGB X in einen rechtmäßigen Neufeststellungsbescheid gemäß § 48 SGB X um­zudeuten. Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwal­tungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassen­den Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erteilt werden können und wenn die Voraussetzungen für diesen Erlass erfüllt sind. Diese Anforderungen sind vorliegend gegeben. Im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X erhielt die Klägerin auf der Grundlage eines Verwal­tungsaktes mit Dauerwirkung Witwenrente. Eine Änderung der Verhältnisse ergab sich durch das anzurechnende Einkommen aufgrund des Minijobs. Insoweit liegen die Vorausset­zungen für eine rückwirkende Berücksichtigung der Änderung gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X vor, denn die Klägerin hat Einkommen erzielt, das zur Minderung ihres Renten­anspruchs geführt hat. Detaillierte Ausführungen bezogen auf die Neuberechnung der niedrigeren Witwenrente ab 01.07.2017 erübrigen sich, denn diese ist zwischen den Be­teiligten unstreitig. Die Beklagte hat der Klägerin die Rechtsgrundlagen für die Berechnung im Widerspruchsverfahren in Ergänzung zu den Ausführungen im Bescheid vom 15.08.2017 erläutert. Nachfolgend erhebt die Klägerin insoweit ausdrücklich keine Ein­wände. Anhaltspunkte für eine Abweichung von der Sollvorschrift in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X, d.h. für die Annahme eines so genannten „atypischen“ Falles ergeben sich vorliegend nicht. Vertrauensgesichtspunkte gegen die rückwirkende Neufeststellung der Witwenrente hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sonstige Aspekte - wie beispielsweise ein Mitver­schulden der Beklagten - sind nicht erkennbar.

Im Kernbereich des vorliegenden Verfahrens wendet sich die Klägerin dagegen, dass ihr Einkommen aus dem Minijob überhaupt Auswirkungen auf die Höhe ihrer Witwenrente hat, was sie im Verhältnis zu den Beziehern von Altersrente als Diskriminierung und Un­gleichbehandlung erachtet. Sie erhebt hiermit sinngemäß verfassungsrechtliche Einwän­de gegen die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen des SGB VI bei der Berech­nung von Witwenrenten, soweit das Einkommen durch einen Minijob erzielt wird. In den im durchgeführten Termin überreichten Entscheidungen des Bundesverfassungs­gerichtes vom 28.02.1998 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.06.2014 wurde erläutert, dass die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzein­kommen auf Hinterbliebenenrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungs­rechtlich und auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist. Auf die nachvollziehbaren Ausführungen in den Gründen der den Beteiligten bekannten Entscheidungen wird Bezug genommen. Eine Veranlassung, die Rechtslage im Falle der Anrechnung des Einkommens aus einem Minijob auf eine Witwenrente anders zu beurteilen, ergibt sich nicht. So unterliegt die Hin­terbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dem Eigentums­schutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), denn es handelt sich nicht um ein Äquiva­lent eigener Beitragsleistungen. Das von der Klägerin als Diskriminierung und Ungleichbehandlung dargestellte subjektive Unrechtsempfinden kann auch nicht als ein Verstoß gegen Art. 3 GG angesehen werden. Der allgemeine Gleichheitssatz wäre verletzt, wenn durch die Mitberücksichtigung des Minijob-Einkommens entsprechend den gesetzlichen Vorgaben bei Berechnung der Wit­wenrente ohne einen hinreichenden sachlichen Grund gleiche Sachverhalte ungleich be­handelt würden. Dies ist nicht anzunehmen, insbesondere nicht bezogen auf die von der Klägerin dargestellten Vergleichsgruppen, die Gruppe der Altersrentner und die Gruppe der Bezieher von Witwenrente bzw. Hinterbliebenenversorgung. Wie das Bundesverfas­sungsgericht in der o. g. Entscheidung ausführt, ist der Gesetzgeber nicht gehindert, die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf anre­chenbares Einkommen abweichend von anderen Rentenleistungen zu regeln. Die Hinter­bliebenenrenten unterscheiden sich von den Versichertenrenten systematisch, weil sie nicht dem Lohnersatz, sondern dem Unterhaltsersatz dienen (vgl. juris Rn. 83f).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat“.

 

Mit der am 16.01.2020 beim SG und am 22.01.2020 beim Landessozialgericht NRW eingegangenen Berufung gegen den der Klägerin am 19.12.2019 zugestellten Gerichtsbescheid trägt diese - nunmehr über ihre Bevollmächtigte - vor, dass ihre Einkünfte aus dem Minijob auf überobligatorischer Eigenleistung beruhen würden, so dass es nicht gerechtfertigt erscheine, diese auf die - auf Unterhaltsersatzfunktion beruhender - Witwenrente anzurechnen. I.Ü. sei die vom SG zitierte Rechtsprechung aufgrund der veränderten Lebensverhältnisse und der Kostenentwicklungen inzwischen überholt. Außerdem werde im angefochtenen Gerichtsbescheid lediglich ausgeführt, dass die Prüfung eines atypischen Falls nicht erfolgt sei, weil hierzu nicht vorgetragen worden sei; daher sei nicht beurteilbar, ob hier die Voraussetzungen eines atypischen Falls vorliegen würden oder ob hier noch weitere Ermittlungen des Gerichts erforderlich gewesen wären; die Klägerin gehe hierbei davon aus, dass aufgrund der mangelnden Altersvorsorge ein atypischer Fall vorliege, da sie sich nicht ausreichend versorgt fühle.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 12.12.2019 und den Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie erwidert, dass, soweit mit der Berufungsbegründung die Annahme eines atypischen Falls aufgrund einer mangelnden Altersvorsorge nahe gelegt werde, sie dies zurückweise; für einen atypischen Fall einschlägige Umstände (z.B. ein grober Behördenfehler oder besondere Umstände, die die Aufhebung als unbilligen Eingriff erscheinen lassen würden) seien im Rahmen der hier erfolgten Rückforderung i.H.v. 85,27 € nicht ersichtlich; die mit jeder Rückforderung verbundene Härte begründe allein noch keinen atypischen Fall. Soweit in der Berufungsbegründung verfassungsrechtliche Aspekte anklingen würden, verweise sie darauf, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich allein die Ausführung von Gesetzen liege, nicht aber, Gesetze zu kommentieren.

 

Mit richterlichem Hinweisschreiben vom 25.08.2021 ist die Beklagte um Prüfung und ggs. Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 gebeten worden. Ob im vorliegenden Fall § 45 oder § 48 SGB X als Rechtsgrundlage in Frage komme - ggs. erst durch eine Umdeutung nach § 43 SGB X, wie vom Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt, oder aber durch schlichtes Auswechseln der Rechtsgrundlage möglich – könne hier ggs. offen gelassen werden, weil mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2017, wie er auf seiner Seite 2 ausweise, allein eine Rücknahme der „Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2017 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.07.2017 (nach § 45 SGB X)“ erfolgt sei und der  Verfügungssatz des Bescheides vom 15.08.2017 keine Ausführungen zu einer etwaigen Aufhebung eines (konkreten) Bescheides enthalte. §§ 45, 48 SGB X seien jedoch auf Anpassungsmitteilungen nicht anwendbar, weil auf ihrer Grundlage nur begünstigende Regelungen aufgehoben werden können, die durch Verwaltungsakt getroffen worden seien. Mit den ergangenen Rentenpassungsmitteilungen sei jeweils keine eigenständige Regelung zur (Nicht-) Anrechnung des Einkommens aus der geringfügigen Beschäftigung getroffen worden. Rentenanpassungsmitteilungen seien nur bei Fehlern in der Anpassung aufzuheben. Im Ergebnis könne daher der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 nicht geeignet sein, das - durch den rentenbewilligenden Bescheid vom 11.08.2004 bzw. durch in der Folgezeit etwaig noch erteilte Neufeststellungsbescheide - begründete Recht der Klägerin zum Empfang einer ohne Berücksichtigung ihres Einkommens aus Arbeitsentgelt berechneten Witwenrente (vollständig) zu beseitigen. Es dürfte an einer ordnungsgemäßen Aufhebung derjenigen Verwaltungsakte, auf deren Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen in der Vergangenheit erbracht worden und in der Zukunft zu erbringen seien, fehlen. Insofern dürfte es, auch soweit mit dem Aufhebungs- und  Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 unter Berufung auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom 09.05. bis zum 31.07.2017 überzahlten Witwenrente in Höhe von 85,27 € beansprucht werde, an einer ordnungsgemäßen Aufhebung des Verwaltungsakts, auf dessen Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen erbracht worden sind, fehlen.

 

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.09.2021 erwidert, sie stimme den Erwägungen zur Anwendbarkeit der §§ 45, 48 SGB X auf Rentenanpassungsmitteilungen nur teilweise zu. Geregelt werde mit der Rentenanpassungsmitteilung - und nur insoweit bestehe auch die Eigenschaft als Verwaltungsakt - der Grad der Anpassung aufgrund der Änderung des aktuellen Rentenwerts (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.07.2002, B 4 RA 120/00 R). Die Rentenanpassungsmitteilung erfülle also nicht die Funktion eines Bewilligungsbescheides, sondern setzte diesen voraus (u.a. Urteile des BSG vom 29.10.2002, B 4 RA 22/02 R, und vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R). Sofern mit der Rentenanpassungsmitteilung auch eine Einkommensanrechnung vorgenommen werde (§§ 93,97 SGB VI), liege hierin eine eigenständige zusätzliche Regelung im Sinne des § 31 SGB X über die Rentenhöhe. Sei mit der Rentenanpassungsmitteilung eine Einkommensanrechnung in unzutreffender Höhe vorgenommen (bspw., weil eine zwischenzeitliche Arbeitsaufnahme – wie im zu Grunde liegenden Fall - unberücksichtigt geblieben sei), so erweise sich der mit der Rentenanpassungsmitteilung erteilte Verwaltungsakt über die Rentenhöhe als anfänglich rechtswidrig. Die Rücknahme dieses Verwaltungsaktes sei somit nach Auffassung der Beklagten nach Maßgabe des § 45 SGB X zu prüfen. Wäre hingegen mit der Rentenanpassungsmitteilung keine Einkommensanrechnung vorgenommen worden, sei hinsichtlich eines in der Zwischenzeit hinzugetretenen Einkommens eine Aufhebung des ursprünglichen Rentenbescheides bzw. des Bescheides nach § 48 SGB X erforderlich, der zuletzt für den entsprechenden Zeitraum die Rentenhöhe geregelt habe (bspw. ein Neuberechnungsbescheid). Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Da die Rentenanpassungsmitteilung nicht unter einem konkreten Tagesdatum ergehe, könne der wegen der Einkommensanrechnung erteilte Verwaltungsakt über die Rentenhöhe im Falle einer Rücknahme nicht mit einem Datum benannt werden; das Bestimmtheitsgebot im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X sei trotzdem erfüllt, da in jedem Jahr nur eine Rentenanpassungsmitteilung versandt werde und somit eine hinreichende Spezifizierung erfolgen könne. Ihrer Auffassung nach sei die Rentenneuberechnung im Bescheid vom 15.08.2017 daher zu Recht nach § 45 SGB X erfolgt.

 

Mit richterlichem Hinweisschreiben vom 19.02.2022 ist die Beklagte erneut um Prüfung und ggs. Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 gebeten worden. Entgegen der Annahme der Beklagten liege hier kein Fall vor, in dem mit einer Rentenanpassungsmitteilung eine Einkommensanrechnung in unzutreffender Höhe vorgenommen worden sei; vielmehr habe die zum 01.07.2017 erteilte Rentenanpassungsmitteilung eine Regelung zur etwaigen Anrechnung des von der Klägerin bezogenen Einkommens aus ihrer zum 09.05.2017 aufgenommenen Beschäftigung nicht enthalten (können) und insofern auch keine (eigenständige) Regelung getroffen. Es komme hier allein auf die Frage an, ob im Rahmen der zum 01.07.2017 ergangenen Rentenanpassungsmitteilung eine Entscheidung und damit Regelung über die Anrechnung eines etwaigen Einkommens der Klägerin aus der am 09.05.2017 aufgenommenen Beschäftigung erfolgt sei. Hier liege der Fall vor, dass mit der Rentenanpassungsmitteilung eine Einkommensanrechnung – bezogen auf das hier (allein) in Rede stehende Einkommen aus der am 09.05.2017 aufgenommenen Beschäftigung der Klägerin - nicht geregelt worden sei. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 09.09.2021 zu Grunde legend, dass dann, wenn mit der Rentenanpassungsmitteilung keine Einkommensanrechnung vorgenommen worden sei, hinsichtlich eines in der Zwischenzeit hinzugetretenen (und bekanntgewordenen) Einkommens eine Aufhebung des ursprünglichen Rentenbescheides bzw. des Bescheides nach § 48 SGB X erforderlich sei, der zuletzt für den entsprechenden Zeitraum die Rentenhöhe geregelt habe, wäre demnach hier der Bescheid vom 11.08.2004 bzw. der Bescheid, der zuletzt für den entsprechenden Zeitraum die Rentenhöhe geregelt habe (Bescheid vom 09.06.2010), nach § 48 SGB X aufzuheben gewesen, nicht aber, wie jedoch erfolgt, die zum 01.07.2017 erteilte Rentenanpassungsmitteilung, weil diese zu einer etwaigen Anrechnung des von der Klägerin seit dem 17.05.2017 bezogenen Einkommens mangels zu diesem Zeitpunkt vorliegender Kenntnisse zum (konkreten) Einkommen keine Regelung habe treffen können und auch nicht getroffen habe.

 

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15.07.2022 erwidert, sie vertrete weiterhin die Auffassung, dass es einer Rücknahme der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2017 nach § 45 SGB X bedurft habe; es werde insoweit auf das Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2018 (L 14 R 703/16) hingewiesen; dort sei die Rentenanpassung zum 01.07. jeweils nicht durch Rentenanpassungsbescheide – bzw. Rentenanpassungsmitteilungen der vorliegenden Art, sondern durch von der Beklagten selbst erstellte Neuberechnungsbescheide erfolgt; bei der Einkommensanrechnung seien über Jahre hinweg immer zwei Einkommen angerechnet worden; dann sei aufgrund eines Verwaltungsfehlers nur noch ein Einkommen angerechnet worden; der erkennende Senat habe (zutreffend) entschieden, dass die Rentenanpassungsbescheide rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 SGB X seien. Selbst unter Zugrundelegung, dass nicht die Rentenanpassung zum 01.07.2017, sondern der Bescheid vom 09.06.2010, und dies nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X aufzuheben gewesen wäre, sei hier jedoch von einer wirksamen Bescheidaufhebung auszugehen; erstens sei es ohne Bedeutung, dass als aufzuhebender Bescheid ein falscher Bescheid genannt worden sei, wozu auf das BSG-Urteil vom 07.07.2005 (B 3 P 8/04 R) verwiesen werde, welches eine konkludente Aufhebung des zutreffenden Bescheides zulasse; zweitens sei ohne Bedeutung, dass die Korrektur auf § 45 SGB X statt auf § 48 SGB X gestützt worden sei, denn es handele sich beim Auswechseln der Rechtsgrundlage nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung.

 

Die Klägerbevollmächtigte hat hierzu erwidert, die Klägerin schließe sich der Rechtsauffassung des Gerichts zur Anwendung des § 48 SGB X an; aus Gründen des Vertrauensschutzes sei erheblich, dass der aufzuhebende Bescheid falsch benannt worden sei; das Urteil des BSG vom 07.07.2005 bezeichne einen Fall, in dem der Bescheid überhaupt nicht aufgehoben worden sei, eine Falschbezeichnung liege gerade nicht vor.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug ge­nom­men, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats war.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das SG Dortmund die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2019 abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf eine ohne Berücksichtigung ihres Einkommens aus Arbeitsentgelt berechnete Witwenrente. Der Gerichtsbescheid vom 12.12.2019 und der Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 waren daher aufzuheben.

 

A.

Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 begegnet zwar keinen formellen Bedenken. Dabei kann dahinstehen, dass die Klägerin vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom 15.08.2017 nicht angehört worden ist. Unabhängig davon, ob hier ggs. nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X von der Anhörung abgesehen werden konnte, weil einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollten, gilt hier jedenfalls, dass eine im Vorfeld des Bescheides vom 15.08.2017 ggs. erforderliche, aber nicht erfolgte Anhörung der Klägerin nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X unbeachtlich ist, weil die Anhörung durch das sich an den Erlass des Bescheides angeschlossene und durchgeführte Widerspruchsverfahren als nachgeholt gilt; insoweit ersetzt das Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit gegeben war, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern (Schütze in: v. Wulffen, Kommentar zum SGB X, 9. Auflage 2020, § 41, Rdn. 15), wie es hier der Fall war.

 

B.

Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 war jedoch aus materiellen Gründen aufzuheben, weil die Klägerin weiterhin Anspruch auf Gewährung einer ohne Berücksichtigung ihres Einkommens aus Arbeitsentgelt berechneten Witwenrente hat. Es fehlt hier an einer ordnungsgemäßen Aufhebung desjenigen Verwaltungsaktes, auf dessen Grundlage die in Rede stehende Rentenleistung in der Vergangenheit erbracht worden und in der Zukunft zu erbringen ist. Der angefochtene Aufhebungs- und  Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 ist nicht geeignet, das – zunächst durch den rentenbewilligenden Bescheid vom 11.08.2004 und den anschließenden Neufeststellungsbescheid vom 23.09.2004 und sodann durch die in der Folgezeit erteilten Neuberechnungsbescheide, zuletzt vom 09.06.2010, begründete - Recht der Klägerin auf eine Witwenrente, die ohne Berücksichtigung ihres aus der Ausübung eines Mi­nijobs seit dem 09.05.2017 erzielten Einkommens berechnet ist, (vollständig) zu beseitigen (dazu I.).

 

Insofern fehlt es, auch soweit mit dem Aufhebungs- und  Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 unter Berufung auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom 09.05. bis zum 31.07.2017 überzahlten Witwenrente in Höhe von 85,27 € beansprucht wird, ebenfalls an einer ordnungsgemäßen Aufhebung des Verwaltungsakts, auf dessen Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen erbracht worden ist (dazu II.).

 

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 hat die Beklagte ausdrücklich allein die der Klägerin von der G. AG erteilte Rentenanpassung zum 01.07.2017 zurückgenommen, nicht aber denjenigen Bescheid, der – zuletzt - das Recht der Klägerin zum Empfang einer ohne Berücksichtigung ihres Einkommens aus Arbeitsentgelt berechneten Witwenrente begründet hat (Neuberechnungsbescheid vom 09.06.2010). Dieses Recht steht der Klägerin daher weiterhin zu.

 

Ob dabei hier § 45 oder § 48 SGB X als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme in Frage kam - ggs. erst durch eine Umdeutung nach § 43 SGB X, wie vom SG im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt, oder aber durch schlichtes Auswechseln der Rechtsgrundlage möglich, wie die Beklagte meint – kann der Senat dabei dahinstehen lassen.

Denn mit dem zum 01.07.2017 ergangenen Rentenpassungsbescheid der G. AG ist jedenfalls keine eigenständige Regelung zur (Nicht-) Anrechnung des Einkommens aus der geringfügigen Beschäftigung der Klägerin getroffen worden (dazu 1. und 2.). Wie auch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 12.12.2019 im Ansatz richtig erkannt hat, geht die von der Beklagten allein vorgenommene Rücknahme der Rentenanpassung zum 01.07.2017 insofern ins Leere. Nicht bedacht hat das SG jedoch, dass es sowohl für die von ihm als einschlägig erachtete Rechtsgrundlage des § 48 SGB X als auch im Falle der Anwendbarkeit des § 45 SGB X stattdessen einer ordnungsgemäßen Aufhebung des Verwaltungsakts bedurft hätte, auf dessen Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen erbracht worden sind.

 

Selbst wenn aber die zum 01.07.2017 erteilte Rentenanpassung nicht nur als Regelung hinsichtlich der (zum 01.07. jährlich) angepassten Höhe der Rente, sondern auch als Regelung/Verfügung über die Höhe des Anspruchs nach Einkommensanrechnung angesehen würde, wie es die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 09.09.2021 vertritt, änderte dies nichts am Ergebnis (dazu 3.).

 

Daran, dass die von der Beklagten allein vorgenommene Rücknahme der Rentenanpassung zum 01.07.2017 ins Leere geht und die Beklagte stattdessen den Neuberechnungsbescheid vom 09.06.2010 als letzten rentengewährenden Bescheid hätte aufheben müssen, ändert auch ihr Vortrag mit Schriftsatz vom 15.07.2022 nichts, sie verweise für ihre Auffassung, dass es einer Rücknahme der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2017 nach § 45 SGB X bedurft habe, auf das Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2018, L 14 R 703/16 (dazu 4.).

 

Der angefochtene Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass die Beklagte damit entgegen des darin erklärten ausdrücklichen Wortlauts statt einer Aufhebung der Rentenanpassung zum 01.07.2017 den (zuletzt erteilten) Rentengewährungsbescheid vom 09.06.2010 aufheben wollte, und dies nach § 48 SGB X statt nach § 45 SGB X; die dahingehenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.07.2022 überzeugen den Senat nicht (dazu 5.).

 

1.

Anpassungsmitteilungen der G. AG, wie die vorliegend der Klägerin zum 01.07.2017 erteilte Rentenanpassung der G. AG, sind zwar originär dem zuständigen Rentenversicherungsträger zuzuordnen; bei ihnen handelt es sich grundsätzlich und faktisch in aller Regel auch um Verwaltungsakte (Urteil des BSG vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R, SozR 3 - 1300 § 31 Nr. 13, dort Orientierungssatz 2). Sie beschränken sich inhaltlich aber auf die wertmäßige Fortschreibung bereits zuerkannter Rentenrechte (Leitsatz 1 des Urteils des BSG vom 23.03.1999, a.a.O.), d.h. ihr einziger Regelungsgehalt besteht in der neuen wertmäßigen Bestimmung der Rentenhöhe aufgrund der (zum 01.07 jährlich) vorzunehmenden Anpassung. Anpassungsbescheide setzen der Sache nach ein früher durchgeführtes und mit Rentenbescheid beendetes Verwaltungsverfahren fort, um die Bestimmung des subjektiven Rentenwertes entsprechend der allgemeinen Entwicklung zu aktualisieren und zukunftsgerichtet fortzuschreiben und den insofern früher getroffenen Verwaltungsakt zu ersetzen; auch wirksame Anpassungsmitteilungen haben demgemäß stets einen allein auf die Änderung der wertmäßigen Bestimmung des betroffenen Rentenrechts beschränkten Regelungsgehalt, setzen also stets gleichermaßen eine einschlägige Vorregelung des in Erfüllung eines Einzelanspruchs jeweils höchstens zu zahlenden Betrages wie auch die Zuerkennung des entsprechenden Rechts nach Art und Dauer überhaupt unabdingbar voraus; hierauf beschränkt sich schon ihrer Funktion nach objektiv ihr Regelungsgehalt, so dass auch allein insofern ggf. eine Überprüfung im Rechtsmittelverfahren oder im Rahmen eines abermaligen Verwaltungsverfahrens nach den §§ 44 ff. SGB X in Betracht kommt; weder wiederholen sie demgemäß frühere Regelungen noch begründen sie ihrerseits das anzupassende Recht neu; vielmehr greift der Anpassungsbescheid selbst nur regelnd in den den Wert des Rechts (sog. Rentenhöhe) betreffenden Verfügungssatz ein, trifft jedoch keine darüber hinausgehenden Regelungen zum Recht auf Rente und dessen Bewilligung; als umfassender, d.h. alle für Entstehen und Zahlbarkeit von Einzelansprüchen auf Rente konstituierender Bescheid - und in diesem Sinne als "Verwaltungsakt" i.S. von § 50 Abs. 1 SGB X - kann demgemäß ein Anpassungsbescheid allein nicht in Betracht kommen; allein auf dieser Grundlage geleistete Zahlungen sind demgemäß rechtsgrundlos i.S. von § 50 Abs. 2 SGB X erbracht; ohne eine derartige Basis ergehende "Anpassungsregelungen" sind mangels eines denkbar zu erhöhenden rechtlichen Vorteils von vornherein ohne sachlichen Anwendungsbereich und gehen notwendig ins Leere; sie sind damit nichtig, § 40 Abs. 1 SGB X (Rdn. 33 des Urteils des BSG vom 23.03.1999, a.a.O.). In Rentenanpassungsmitteilungen ist somit zwar grundsätzlich und in aller Regel ein Verwaltungsakt bezüglich des geänderten Rentenwerts, jedoch kein Rentenbewilligungsbescheid zu sehen (Rdn. 19 des Urteils des BSG vom 23.03.1999, a.a.O.).

 

Dieser Rechtsprechung des BSG schließt sich der erkennende Senat an. Der Entscheidung des BSG vom 23.03.1999 hat das Urteil des erkennenden Senats vom 26.06.1998 (L 14 RA 1/97, juris) zu Grunde gelegen, das durch das Urteil des BSG vom 23.03.1999 volle Bestätigung erfahren hat. In seinem Urteil vom 26.06.1998 hat der erkennende Senat bereits ausgeführt, dass (entgegen BSG, Urteil vom 24.01.1995, 8 RKn 11/93, BSGE 75, 291 und SozR 3-1300 § 50 Nr. 17) eine vom Postrentendienst erstellte und versandte Rentenanpassungsmitteilung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht als ein die Leistung bewilligender Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X anzusehen ist.

 

2.

Aufgrund des unter 1. aufgezeigten begrenzten Regelungsgehalts von Anpassungs-Verwaltungsakten kommt allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, dass sie aus der Sicht eines "idealen" Empfängers als Zuerkennung von Rentenrechten verstanden werden können (Leitsatz 2 des Urteils des BSG vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R, a.a.O. in Abgrenzung gegenüber BSG, Urteil vom 24.01.1995, 8 RKn 11/93, a.a.O.).

 

Nach ihrem der Klägerin bekannt gegebenen Inhalt hat die zum 01.07.2017 erteilte Rentenanpassung jedoch keinen Anlass zu einem solchen weitergehenden Verständnis gegeben. Zwar ist aus der insofern maßgeblichen Sicht eines mit der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen vertrauten und redlichen "idealen" Empfängers nicht von vornherein auszuschließen, dass eine derartige Mitteilung ausnahmsweise im Kontext der Einzelfallumstände nach Treu und Glauben über die genannte Anpassungsregelung hinaus weitergehende/andere Verwaltungsakte verlautbart hat und demgemäß so zu verstehen sein kann, dass sie (auch) das Recht auf Rente bewilligt und dessen Höhe erstmals selbst feststellt (Urteil des BSG vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R, a.a.O., Rdn. 34). Indessen liegen Umstände, die ausnahmsweise ein solches erweitertes Verständnis rechtfertigen würden, hier nicht vor. Denn mit der zum 01.07.2017 erteilten Rentenanpassung der G. AG ist nur die seit dem Wegfall des vorherigen Minijobs zum 31.05.2010 allein noch vorgenommene Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente (ab dem Bescheid vom 09.06.2010) mit Blick auf die sich durch die Rentenerhöhung zum 01.07.2017 ergebenden neuen Zahlbeträge der Witwen- und der Altersrente samt den sich daraus ergebenden neuen Anrechnungsbeträgen rechnerisch fortgeschrieben worden, so dass dieser letztlich nur im Hinblick auf die rechnerisch richtige Umsetzung dieser Rentenanpassung Regelungswirkung zukommt. Dies folgt hier - obwohl in der zum 01.07.2017 ergangenen Rentenanpassung unter Punkt B) zur Witwenrente auch Ausführungen zur „Anrechnung von Einkommen auf die Witwenrente“ gemacht worden sind - schon daraus, dass es bei den „Erläuterungen zur Berechnung der neuen Beträge“ unter der Überschrift „Höhe der Rente“ heißt, dass der aktuelle Rentenwert um 1,90 % von 30,45 € auf 31,03 € steige und sich durch die Veränderung des aktuellen Rentenwerts die Höhe der monatlichen Rente verändere, und dass unter der Rubrik „Hinweise zum Anpassungsbescheid“ unter der Überschrift „Warum erhalte ich diesen Bescheid“ ausdrücklich ausgeführt ist: „Dieser Bescheid ersetzt ab dem 01.07.217 den zuletzt erteilten Bescheid über die Höhe Ihrer Rente. Sie erhalten diesen Bescheid, weil der aktuelle Rentenwert neu bestimmt wurde. Dies geschieht jährlich zum 01.07. durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats.“, und dass unter der Überschrift „Was ist die Rechtsgrundlage dieses Bescheides“ ausdrücklich ausgeführt ist: „Rechtsgrundlage der Rentenanpassung ist die Rentenwertbestimmungsverordnung 2017.“ Dies folgt schließlich auch draus, dass unter der Überschrift „Ihr Recht“ auf das Recht zur Widerspruchseinlegung bei der Deutschen Rentenversicherung hingewiesen ist mit dem Zusatz, dass sich der Widerspruch nur gegen Sachverhalte richten könne, die erst mit diesem Bescheid neu festgestellt worden sind. Da ausweislich der zuvor erteilten Hinweise allein die Höhe der Rente aufgrund einer Anpassung entsprechend der Rentenwertbestimmungsverordnung 2017 neu festgestellt wird, kann sich nach dem Verständnis auch eines mit der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen vertrauten und redlichen "idealen" Empfängers ein Widerspruch nur gegen einen damit in Zusammenhang stehenden Sachverhalt – also mit der Anpassung in Zusammenhang stehenden Sachverhalt - richten. Insgesamt kommt daher hinsichtlich der der Klägerin zum 01.07.2017 erteilten Rentenanpassung auch aus der Sicht eines mit der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen vertrauten und redlichen "idealen" Empfängers nicht in Betracht, dass diese als Zuerkennung von Rentenrechten verstanden werden könnte.

 

3.

Selbst wenn den zuvor gemachten Ausführungen entgegengesetzt die zum 01.07.2017 der Klägerin von der G. AG erteilte Rentenanpassung nicht nur als Regelung hinsichtlich der (zum 01.07. jährlich) angepassten Höhe der Rente, sondern auch,- sofern mit ihr auch eine Einkommensanrechnung vorgenommen worden wäre und darin eine eigenständige zusätzliche Regelung im Sinne des § 31 SGB X über die Rentenhöhe liegen würde,- als Regelung/Verfügung über die Höhe des Anspruchs nach Einkommensanrechnung angesehen würde, wie es die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 09.09.2021 vertritt, änderte dies nichts am Ergebnis.

 

Denn auch dann wäre in der Rentenanpassung zum 01.07.2017 gleichwohl kein Bescheid zu sehen, den die Beklagte mit dem hier angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 hätte zurücknehmen können (oder müssen) - anstelle des Bescheides vom 09.06.2010, mit dem die Beklagte eine (seit dem Wegfall des vorherigen Minijobs zum 31.05.2010 allein der Altersrente erfolgte) Anrechnung zuletzt geregelt hat. Eine so verstandene Anpassungsmitteilung wäre wegen absoluter sachlicher Unzuständigkeit nichtig, weil unter keinem denkbaren Gesichtspunkt hierfür eine Zuständigkeit der die Verfügung erlassenden Behörde – hier der G. AG – gegeben ist (Rdn. 37 des Urteils des BSG vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R, a.a.O. mit Verweis auf  BSG SozR 2200 § 1286 RVO Nr. 2 m.w.N.). Dies folgt schon aus § 119 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI), wonach die Deutsche Post AG, soweit sie laufende Geldleistungen für die Träger der Rentenversicherung auszahlt, auch Arbeiten zur Anpassung der Leistungen durchführt (Satz 1) und die Anpassungsmitteilungen im Namen des Trägers der Rentenversicherung ergehen (Satz 2); dabei nimmt der Renten Service jedoch nach § 119 Absatz 3 SGB VI nur solche Aufgaben wahr, die mit der Auszahlung und der Durchführung der Anpassung von Geldleistungen im Zusammenhang stehen. Eine Einkommensanrechnung - vorliegend von Einkommen aus Beschäftigung auf die Witwenrente - ist jedoch keine Aufgabe, die mit der Auszahlung und der Durchführung der Anpassung von Geldleistungen - hier aufgrund der zum 01.07. durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Rentenwertbestimmungsverordnung 2017 als Rechtsgrundlage der Rentenanpassung, wie es die zum 01.07.2017 ergangene Rentenanpassung der G. AG ausdrücklich in ihren „Hinweisen zum Anpassungsbescheid“ ausweist -  im Zusammenhang steht.

 

4.

Daran, dass die von der Beklagten allein vorgenommene Rücknahme der Rentenanpassung zum 01.07.2017 ins Leere geht und die Beklagte stattdessen den Neuberechnungsbescheid vom 09.06.2010 als letzten rentengewährenden Bescheid (und dies mit Wirkung zum 01.07.2017 nach § 48 SGB X) hätte aufheben müssen, ändert auch ihr Vortrag mit Schriftsatz vom 15.07.2022 nichts, sie verweise für ihre Auffassung, dass es einer Rücknahme der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2017 nach § 45 SGB X bedurft habe, auf das Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2018 (L 14 R 703/16). Dort sei die Rentenanpassung zum 01.07. jeweils nicht durch Rentenanpassungsbescheide – bzw. Rentenanpassungsmitteilungen der vorliegenden Art, sondern durch von der Beklagten selbst erstellte Neuberechnungsbescheide erfolgt; bei der Einkommensanrechnung seien über Jahre hinweg immer zwei Einkommen angerechnet worden; dann sei aufgrund eines Verwaltungsfehlers nur noch ein Einkommen angerechnet worden; der erkennende Senat habe (zutreffend) entschieden, dass die Rentenanpassungsbescheide rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 SGB X seien.

 

Dem Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2018 lag, wie die Beklagte auch selbst ausführt, der Sachverhalt zugrunde, dass die dortigen Rentenanpassung zum 01.07. (der Jahre 2009 bis 2011) jeweils nicht durch Rentenanpassungsbescheide – bzw. Rentenanpassungsmitteilungen der G. AG der vorliegenden Art erfolgt war, sondern durch vom Rentenversicherungsträger erteilte Neuberechnungsbescheide,- mithin durch Rentengewährungsbescheide des Rentenversicherungsträgers,- in deren Rahmen dieser jeweils neben einer Einkommensanrechnung auch die Rentenanpassung zum 01.07. mit geregelt hatte. In dieser Sachverhaltskonstellation hat der erkennende Senat mit seiner Entscheidung bestätigt, dass die dortigen Neuberechnungs(Anpassungs-)bescheide, die durch den dort streitgegenständlichen Bescheid nach § 45 SGB X aufgehoben worden waren, rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 SGB X sind. Insofern bestätigt das Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2018 das hier aufgezeigte Ergebnis, dass die von der Beklagten hier allein vorgenommene Rücknahme der Rentenanpassung zum 01.07.2017 ins Leere geht und die Beklagte stattdessen den Neuberechnungsbescheid vom 09.06.2010 als letzten rentengewährenden Bescheid (und dies mit Wirkung zum 01.07.2017 nach § 48 SGB X) hätte aufheben müssen.

 

5.

Der angefochtene Bescheid vom 15.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass die Beklagte damit entgegen des darin erklärten ausdrücklichen Wortlauts statt einer Aufhebung der Rentenanpassung zum 01.07.2017 den (zuletzt erteilten) Rentengewährungsbescheid vom 09.06.2010 aufheben wollte, und dies nach § 48 SGB X statt nach § 45 SGB X.

 

Die dahingehenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.07.2022, dass vorliegend selbst unter Zugrundelegung, dass nicht die Rentenanpassung zum 01.07.2017, sondern der Bescheid vom 09.06.2010, und dies nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X aufzuheben gewesen wäre, von einer wirksamen Bescheidaufhebung auszugehen sei, weil es ohne Bedeutung sei, dass als aufzuhebender Bescheid ein falscher Bescheid genannt worden sei, nachdem das BSG-Urteil vom 07.07.2005 (B 3 P 8/04 R) eine konkludente Aufhebung des zutreffenden Bescheides zulasse (dazu a.), und weil es sich beim Auswechseln der Rechtsgrundlage nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung handele (dazu b.), überzeugen den Senat nicht.

 

a.

Die Ausführungen, es sei ohne Bedeutung, dass als aufzuhebender Bescheid ein falscher Bescheid genannt worden sei, nachdem das BSG-Urteil vom 07.07.2005 (B 3 P 8/04 R) eine konkludente Aufhebung des zutreffenden Bescheides zulasse, überzeugen schon dadurch nicht, dass das BSG in seinem Urteil vom 07.07.2005 in dem besonderen Fall, dass ein Rentenversicherungsträger mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid nicht den von ihm erlassenen aktuellen Bewilligungsbescheid, sondern den ursprünglichen Bewilligungsbescheid aufgehoben hatte, entschieden hat, dass es sich bei dem aktuellen Bescheid um einen bloßen Folgebescheid – Zweitbescheid – gehandelt habe, der den ursprünglichen Leistungsbescheid ersetzt habe (Rdn. 18 des Urteils), und dass in diesem Fall die Verfügungssätze des angefochtenen Aufhebungsbescheides bei Berücksichtigung des erkennbaren Willens des dortigen beklagten Rentenversicherungsträgers nicht den gegenstandslos gewordenen ursprünglichen Bescheid, sondern den maßgebenden Folgebescheid erfassen würden; dieser Bescheid sei konkludent aufgehoben worden (Rdn. 20 des Urteils). In seinem Urteil vom 07.07.2005 ist das BSG insofern nur deshalb zu der Auffassung gelangt, dass der Versicherungsträger einen anderen als den im Aufhebungsbescheid genannten Bescheid zulässigerweise konkludent – dort nach § 48 SGB X statt nach § 45 SGB X – habe aufheben dürfen, weil es sich bei diesem konkludent aufgehobenen Bescheid um den Zweitbescheid zum unrichtigerweise ausdrücklich aufgehobenen Ausgangsbescheid gehandelt habe.

 

Diese Überlegungen – konkludente Aufhebung eines Zweitbescheides (Folgebescheides) anstelle des ursprünglichen Leistungsbescheides – greifen jedoch vorliegend nicht, selbst wenn man dem BSG im Urteil vom 07.07.2005 folgen würde und eine konkludente Aufhebung eines Zweitbescheides (Folgebescheides) anstelle des ursprünglichen Leistungsbescheides grundsätzlich für zulässig erachten sollte. Denn der zum 01.07.2017 erteilte Anpassungsbescheid ist schon nicht von dem hier beklagten Rentenversicherungsträger, sondern von der G. AG erteilt worden, und er ist auch mitnichten bloßer (ändernder) Zweitbescheid (Folgebescheid) zum zuletzt ergangenen rentengewährenden Neuberechnungsbescheid vom 09.06.2010, sondern würde ohne (einen solchen) Rentengewährungsbescheid sogar ins Leere gehen (BSG, Urteil vom 23.03.1999, B 4 RA 41/98, a.a.O., Rdn. 33 a.E. juris), wie oben aufgezeigt wurde. Es ist vorliegend daher nicht statthaft, in Übertragung der Grundsätze des Urteils des BSG vom 07.07.2005 davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 15.08.2017 entgegen seinem ausdrücklichen anderen Wortlaut - konkludent - ein ganz anderer Bescheid, nämlich der vom 09.06.2010, und nicht wie im angefochtenen Bescheid vom 15.08.2017 ausdrücklich erfolgt die Rentenanpassung zum 01.07.2017 aufgehoben worden wäre.

 

b.

Vor dem unter a.) aufgezeigten Hintergrund kann der Senat die weiteren Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.07.2022 dahinstehen lassen, dass vorliegend selbst unter Zugrundelegung, dass nicht die Rentenanpassung zum 01.07.2017 nach § 45 SGB X, sondern der Bescheid vom 09.06.2010 nach § 48 SGB X aufzuheben gewesen wäre, von einer wirksamen Bescheidaufhebung auszugehen sei, weil es sich beim Auswechseln der Rechtsgrundlage nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung handele. Denn auf die Frage, auf welche Rechtsgrundlage eine Aufhebung zu stützen war, kommt es nicht mehr an, wenn sich die Aufhebung schon auf den unzutreffenden Bescheid gerichtet hat, wie es hier der Fall ist.

 

Dahinstehen lassen kann der Senat insofern letztlich auch die von der Klägerin ursprünglich allein in den Fokus dieses Rechtsstreits gestellte Frage einer Verfassungsmäßigkeit von § 97 SGB VI, weil Altersrentner anrechnungsfrei geringfügig hinzuverdienen dürften, Bezieher einer Witwenrente hingegen nicht.

 

II.

Auch soweit mit dem Aufhebungs- und  Erstattungsbescheid vom 15.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 unter Berufung auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom 09.05. bis zum 31.07.2017 überzahlten Witwenrente in Höhe von 85,27 € beansprucht wird, fehlt es aus den unter I. aufgezeigten Gründen ebenfalls an einer ordnungsgemäßen Aufhebung des Verwaltungsakts, auf dessen Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen erbracht worden ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem vollständigen Unterliegen der Beklagten Rechnung.

 

Die Revision war nicht gemäß § 160 Abs. 1 SGG zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen; die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und der Senat hat seine Entscheidung auf dem Boden der aufgezeigten gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung getroffen, von der er nicht abweicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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