L 8 SB 3829/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 3032/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3829/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.11.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Die im Jahr 1958 geborene Klägerin ist als Realschullehrerin tätig. Sie beantragte am 08.08.2019 erstmals die Feststellung eines GdB. Der Beklagte zog einen Rehaentlassungsbericht der K2  über eine stationäre orthopädische Rehabilitationsmaßnahme vom 23.05.2019 bis zum 19.06.2019 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. N1 bewertete in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.05.2020 den GdB mit insgesamt 40. Dabei berücksichtigte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen:
Seelische Störung - GdB 30,
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden - GdB 20,
Bronchialasthma - GdB 10,
Rosazea (chronisch-entzündliche, schubhaft verlaufende Erkrankung der Gesichtshaut), chronisches Kontaktekzem, Allergie - GdB 10.

Der Beklagte stellte, gestützt auf die Stellungnahme von N1, mit Bescheid vom 12.03.2020 den GdB ab dem 08.08.2019 mit 40 fest.

Die Klägerin legte am 15.03.2020 per Email und am 20.03.2020 schriftlich Widerspruch ein. Der Prozessbevollmächtigte trug mit Schreiben vom 27.04.2020 zur Begründung vor, dass insbesondere das Bronchialasthma zu gering bewertet sei. Auch halte die behandelnde Dermatologin einen GdB von 20 für die diesbezügliche Behinderung für angemessen. Der behandelnde Orthopäde sei der Ansicht, dass bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden ein GdB von 30 angemessen sei. In jedem Fall ergebe sich ein Gesamt-GdB von mindestens 50.

S1 hielt in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.05.2020 an der Bewertung des GdB mit 40 fest. Aus den aktenkundigen Befunden seien keine schweren Alltagsbeeinträchtigungen feststellbar, welche einem GdB von 50 entsprächen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2020 als unbegründet zurück.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 23.07.2020 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und hat zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.

Der Arzt C1 hat mit Schreiben vom 19.11.2020 mitgeteilt, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung mit Stimmungsschwankungen, (Zukunfts-)Ängsten, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und vegetativen Begleitsymptomen bestehe und diese mit einem GdB von 30 adäquat beurteilt sei.

Der Z1 hat in seiner Auskunft vom 30.11.2020 mitgeteilt, dass eine leichtgradige asthmatische Atemwegserkrankung vorliege. Eine kontinuierliche Inhalationstherapie sei notwendig. Eine klassische chronische Bronchitis liege nicht vor. Eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion sei nicht vorhanden. Stattdessen sei die bronchiale Hyperreagibilität zu beachten. Er halte einen GdB von 30 für angemessen.

Der W1 hat mit Schreiben vom 16.12.2020 vorgetragen, dass die psychosomatische bzw. psychiatrische Diagnose im Vordergrund stehe. Auf orthopädischem Fachgebiet habe er ein chronisches Cervicobrachialsyndrom bei degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen mit Prolaps C4/5 und Protrusion C5-7, eine Unkovertebralarthrose, eine sekundäre Spinalkanalstenose, ein chronisches Lumbalsyndrom, eine Listhese L4/5 (Grad 2 nach Meyerding) sowie eine Adipositas diagnostiziert. Die dauerhaften Funktionseinschränkungen der HWS und LWS seien in der Summe mit einem GdB von 30 zu bewerten.

Die S2 hat mit Schreiben vom 28.12.2020 angegeben, dass sie aufgrund der Ausprägung der Befunde, der Rezidivierung und der Chronifizierung der atopischen Erkrankung einen GdB von 20 empfehle.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 16.04.2021 eine versorgungsärztliche Stellungnahem von B1 vom 26.02.2021 eingereicht, wonach die aktenkundigen Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt zu bewerten seien:
-           Seelische Störung - GdB 30,
-           degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden - GdB 20,
-           Rosazea, chronisches Kontaktekzem, Allergie - GdB 20,
-           Bronchialasthma - GdB 10.
Der GdB sei mit 40 insgesamt angemessen bewertet.

Das SG hat D1 mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem Gutachten vom 02.10.2021 hat D1 ausgeführt, dass bei der Klägerin eine 17%ige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule bei rezidivierenden sensiblen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens des rechtsseitigen Spinalnervs (Rückenmarksnervs), eine endgradige Streckhemmung sämtlicher rechtsseitiger Langfinger und des linken Mittel-, Ring- und Kleinfingers sowie eine um ein Drittel eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Großzehe bei Hallux-Valgus-Bildung vorliege. Die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet hätten keine gravierende Auswirkung auf die Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft. Die Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule sei mit leicht- bis mittelgradigen funktionellen Auswirkungen eines Wirbelsäulenabschnitts gleichzusetzen. Unter Berücksichtigung der sensiblen Nervenwurzelreiz-Symptomatik sei die Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule als mittelschwer einzuschätzen, was einen GdB von 20 bedinge. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bedinge der komplette Funktionsverlust eines Langfingers (zum Beispiel bei Amputation) einen GdB von 10. Die endgradige Streckhemmung der genannten Langfinger sei demgegenüber ein so viel geringfügigerer Funktionsverlust, so dass daraus kein GdB resultiere. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bedinge die Amputation der Großzehe einen GdB von 10. Die um ein Drittel eingeschränkte Beweglichkeit sei demgegenüber ein so viel geringfügigerer Funktionsverlust, so dass daraus ebenfalls kein GdB resultiere. Seiner Ansicht nach liege der Gesamt-GdB seit Juni 2019 bei 40.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 23.11.2021 vorgetragen, dass D1 die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte in seinem Gutachten unberücksichtigt gelassen habe. W1 habe einen GdB von 30 vorgeschlagen. Zudem habe die Klägerin am rechten Knie einen Meniskusriss erlitten, welcher ihr bei längerem Gehen erhebliche Schmerzen bereite. Zudem leide sie am linken Knie verstärkt an Arthrose sowie an einem Meniskusanriss. Die von den befragten Fachärzten vorgeschlagenen GdB-Werte von 3 x 30 sowie 1 x 20 rechtfertigten einen GdB von insgesamt 50.

Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25.11.2021 abgewiesen. Im Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn seien in Übereinstimmung mit der sachverständigen Zeugenaussage von C1 keine Einschränkungen feststellbar, die einen höheren GdB als 30 bedingen. Im Funktionssystem Rumpf sei ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen, da die Klägerin nach dem Gutachten von D1 an mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen der HWS bei freier Beweglichkeit der BWS und LWS leide. Die leichtgradige Asthma-Erkrankung sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die Rosazea und das Kontaktekzem im Funktionssystem Haut rechtfertigten die Feststellung eines GdB von 20. Insgesamt lasse sich kein höherer GdB als 40 feststellen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihm am 26.11.2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 15.12.2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Zudem hat er vorgetragen, dass Z1 die Auffassung des Beklagten nicht geteilt habe. Das eosinophile Asthma (Anmerkung: das eosinophile Asthma ist gekennzeichnet durch eine schwere Verlaufsform, die erst im Erwachsenenalter ab circa 35 Jahren auftritt. Sie ist gekennzeichnet durch eine besonders häufige Exazerbationsrate, eine stark eingeschränkte Lungenfunktion und chronische Entzündungen der Nasen- und Nebenhöhlenschleimhaut) der Klägerin führe immer wieder zu Atemwegssymptomen. Diese seien Ausdruck der bronchialen Überempfindlichkeit. Eine Verengung der Atemwege fehle in solchen Fällen häufig. Nach den üblichen GdB-Werten bei Bronchialasthma für Erwachsene sei bei bronchialer Überempfindlichkeit mit häufig (mehrmals pro Monat) auftretenden Symptomen ein GdB von 30-40 anzunehmen, weshalb Z1 bei der Klägerin für das Bronchialasthma von einem GdB von 30 ausgehe. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB von 50 seien daher erfüllt.

Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass sich nach den von D1 erhobenen Befunden im Funktionssystem Rumpf kein höherer GdB als 20 begründen lasse. Bezüglich des Asthma bronchiale sei auszuführen, dass die erfolgten Lungenfunktionsuntersuchungen regelhaft unauffällig verliefen. Der zuerkannte Teil-GdB von 10 stelle nach der VersMedV einen Durchschnittswert dar, welcher auch die phasenweise bestehenden Verschlimmerungen aufgrund von Infekten oder Pollenflug angemessen berücksichtige. Die geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen seien daher im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend bewertet.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende schriftliche Vernehmung von Z1 und W1 als sachverständige Zeugen.

Z1 hat mit Schreiben vom 21.06.2022 ausgeführt, dass er die Klägerin zuletzt am 19.01.2021 behandelt habe. Damals sei keine relevante Einschränkung der Lungenfunktionsuntersuchungen festzustellen gewesen. Dieser Befund habe gut zur subjektiven stabilen Situation gepasst. Es liege daher ein leichtgradiges Asthma vor.

W1 hat mit Schreiben vom 04.07.2022 mitgeteilt, dass die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule als mittelgradig, die beginnende mediale Gonarthrose als leichtgradig einschätzen sei. Eine Veränderung des Zustandes sei nicht eingetreten.

Die Berichterstatterin hat am 22.11.2022 das Verfahren nicht öffentlich mit den Beteiligten erörtert.

Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 08.02.2023 Befundberichte von W1 vom 10.01.2019, von Z1 vom 16.12.2022 sowie einen Bericht über ein MRT der HWS vom 11.01.2023 eingereicht.

Mit Schreiben vom 29.03.2023 hat der Prozessbevollmächtigte ein psychiatrisches Gutachten vom 21.02.2022 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 05.10.2022 der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G1 anlässlich eines Dienstunfalls vom 07.01.2019 sowie ein amtsärztliches Zeugnis der T1 vom 26.01.2023 vorgelegt.

Der Senat hat K1 nach § 109 SGG mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. In seinem am 17.05.2023 erstellten Gutachten hat K1 folgende Diagnosen gestellt:
chronifiziertes Gesamtwirbelsäulensyndrom, muskulär, fehlstatisch und degenerativ bedingt, ohne sicheren Anhalt für das Vorliegen von Nervenwurzelreizzeichen mit mehrsegmentalen Bandscheibenschäden im oberen und mittleren Wirbelsäulenabschnitt (MRT 01/2023 und 08/2018),
leichtgradige degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit freien Gelenkbeweglichkeiten und ohne Reizzeichen,
mäßiggradige degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit freier Beweglichkeit beidseits und ohne Reizzeichen,
Knicksenkspreizfußbildung beidseits, Großzehenballenbildung beidseits, beginnende degenerative Veränderungen diverser Sprunggelenk- und Fußabschnitte, deutlicher ausgeprägt im Bereich des rechten Großzehengrundgelenkes,
knöcherne Engesituation beider Schultergelenke mit freien Gelenkbeweglichkeiten und ohne Reizzeichen,
Ausschluss höhergradiger Ellenbogengelenksschäden beidseits mit freien Gelenkbeweglichkeiten und ohne Reizzeichen sowie
degenerative Veränderungen beider Hände mit geringen endgradigen Bewegungseinschränkungen beidseits, Verhärtung der Palmaraponeurose rechts 3. Handstrahl entsprechend einem Morbus Dupuytren Grad I.
Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Schultergelenke mit einem GdB von 10 und die Funktionsbehinderung der Hände mit einem GdB von 10 zu bewerten. Insgesamt liege ein GdB von 40 vor.

Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.07.2023 an seiner bisherigen Bewertung des GdB festgehalten. Anlässlich der Untersuchung der Klägerin im Dezember 2022 habe Z1 geäußert, dass er bei der Klägerin für das Asthma bronchiale einen GdB von 30 für angemessen halte, weshalb diesbezüglich unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Z1 vom 16.12.2022 beantragt werde, bei Z1 eine ergänzende Stellungnahme zur Höhe des GdB für das Funktionssystem Atmung einzuholen. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte beantragt, den L1 mit der Erstellung eines lungenfachärztlichen Gutachtens nach § 109 SGG zu beauftragen.

Mit Schreiben vom 21.07.2023 hat die Berichterstatterin unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 30.01.2015 (L 8 SB 2159/14 –, juris) darauf hingewiesen, dass das Antragsrecht auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch die Einholung des Gutachtens bei K1 bereits verbraucht sei. Auch weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht beabsichtigt. Das Verfahren sei zur mündlichen Verhandlung am 29.09.2023 vorgesehen.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.09.2023 einen Rehaentlassungsbericht der P1 vom 16.08.2023 über die vom 17.07.2023 bis zum 14.08.2023 absolvierte stationäre Rehabilitationsmaßnahme eingereicht mit den Diagnosen
- gemischtförmiges Asthma bronchiale,
- rezidivierende Sinusitis/Bronchitis,
- degeneratives HWS-/LWS-Syndrom mit u. a. Osteochondrose, Unkovertebralarthrose, mehrsegmentalen Bandscheibenprotrusionen im HWS-Bereich sowie Spinalstenosen HW5/6 und HW6/7 laut MRT 01/2023
- psychophysische Erschöpfung
- Rosacea.
- atopisches Ekzem
- Hypercholesterinämie
- Allergien gegen Gräser, Hausstaub, Katze, Mehl, Propolis.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Die Klägerin beantragt zuletzt, teilweise sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stuttgart vom 25.11.2021 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2020 zu verurteilen, bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 08.08.2019 festzustellen,

hilfsweise L1, P2, G2 mit der Erstellung eines Gutachtens gern. § 109 SGG zu beauftragen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf
die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 12.03.2020 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 40. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Feststellung ist § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX i.Vm. § 2 Abs. 1 SGB IX. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Als GdB werden dabei nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, in juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, juris).

Nach diesen Maßstäben hat das SG, gestützt auf das Ergebnis der dortigen Beweiserhebung, in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass der GdB mit 40 angemessen bewertet ist. Auch der Senat stellt in Übereinstimmung mit den vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen von C1 vom 19.11.2020, Z1 vom 30.11.2020 sowie S2 vom 28.12.2020 sowie dem Gutachten von D1 vom 02.10.2021 fest, dass die Funktionsbeeinträchtigungen durch die rezidivierende depressive Störung im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche nach der VersMedV Teil B Ziff. 3.7 mit 30 ausreichend, wenn nicht sogar in Anbetracht der im Berufungsverfahren eingereichten Befunde großzügig bewertet sind. Im Funktionssystem Rumpf liegen im Bereich der HWS mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen vor, welche D1 in Übereinstimmung mit der VersMedV Teil B Ziff. 18.9 mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet hat. Die bei der Untersuchung durch D1 in ihrer Beweglichkeit freie HWS und BWS ist noch nicht als GdB-relevante Funktionseinschränkung zu bewerten. Insoweit enthält auch die sachverständige Zeugenaussage von W1 vom 19.12.2020 keine zumindest mittelgradigen Funktionseinschränkungen der HWS- und/oder BWS. Die Asthma-Erkrankung bei bronchialer Hyperreagibilität ist nach Aussage des behandelnden Lungenfacharztes Z1 vom 30.11.2020 leichtgradig, so dass nach der VersMedV Teil B Ziff. 8.5 ein GdB von 10 angemessen ist. Bezüglich der Hauterkrankung entspricht der vom SG festgestellte GdB von 20 der sachverständigen Zeugenaussage von S2 vom 28.12.2020 und ist auch nach den Vorgaben der VersMedV Teil B Ziff. 17.1 bei nicht länger andauerndem Bestehen der Hauterscheinungen und Fehlen einer generalisierten Ausprägung angemessen. Insgesamt sind die GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen mit einen GdB von 40 zutreffend bewertet. Der Senat nimmt insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, die der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage insoweit für zutreffend erachtet (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin sowie die Beweiserhebung des Senats im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Bezüglich der Asthma-Erkrankung liegt nach der sachverständigen Zeugenaussage von 21.06.2022 weiterhin ein stabiler Befund vor. Eine relevante Einschränkung der Lungenfunktion war nicht festzustellen. Die Beeinträchtigungen wurden als geringgradig eingeordnet. Auch bei der letzten Untersuchung am 16.12.2022 lag keine Obstruktion und nur eine leichte Restriktion und somit eine unveränderte Situation vor. Dies belegt auch der Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023, welcher von einer nur bedarfsweisen Einnahme eines Sprays im Winter bei sehr kühler Witterung und bei Sommerhitze, keiner regelmäßigen Husten- oder Auswurfssymptomatik und keiner notärztlichen oder stationären Intervention berichtet. In der Lungenfunktion zeigten sich ein Restriktionsaspekt und bei Aufnahme eine respiratorische Partialinsuffizienz. Die Blutgasanalyse ergab jedoch eine Normoxämie (Sauerstoffkonzentration im Blut im Normalbereich). Der GdB ist daher nach der VersMedV Teil B Ziff. 8.5 mit 10 angemessen bewertet.

Im Funktionssystem Rumpf ist für die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule weiterhin ein GdB von 20 angemessen. Soweit K1 in seinem Gutachten vom 17.05.2023 ein chronifiziertes Gesamtwirbelsäulensyndrom, muskulär, fehlstatisch und degenerativ bedingt, ohne sicheren Anhalt für das Vorliegen von Nervenwurzelreizzeichen mit mehrsegmentale Bandscheibenschäden im oberen und mittleren Wirbelsäulenabschnitt diagnostiziert und mit einem GdB von 30 bewertet, entspricht dies nicht dem Schweregrad der von K1 erhobenen Funktionseinschränkungen im Segment der BWS und der LWS. Im Bereich der HWS konnte K1 in Übereinstimmung mit dem Vorgutachter D1 höhergradige Funktionseinschränkungen mit Verspannungen und Myogelosen erheben. In diesem Segment wurde nach Angabe der Klägerin auch die Indikation zur operativen Sanierung gestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen der HWS sind daher als mittelgradig und mit einem GdB von 20 entsprechend der VersMedV Teil B Ziff. 18.9 zu bewerten. Bezüglich der BWS und der LWS lagen jedoch jeweils nur eine endgradige Bewegungseinschränkung und keine Nervenwurzelreizerscheinungen vor. Das Zeichen nach Lasègue war negativ. K1 hat daher zwar im Unterschied zu der Untersuchung bei D1 eine Bewegungseinschränkung auch der BWS und LWS erhoben. Diese geht jedoch jeweils nur mit geringgradigen Funktionseinschränkungen einher und kann daher nach der VersMedV Teil B Ziff. 18.9 nur mit einem GdB von jeweils 10 bewertet werden. Eine mittelgradige Funktionseinschränkung in zwei Segmenten oder eine schwergradige Funktionseinschränkung in einem Segment liegt nicht vor. Insbesondere kann nicht aus der Tatsache, dass nunmehr auch Bewegungseinschränkungen in der BWS und LWS vorliegen, eine Erhöhung von 20 auf 30 in diesem Funktionssystem erfolgen, da die Funktionseinschränkungen der BWS und LWS derzeit nur geringgradig ausgeprägt sind. Diesbezüglich konnte auch W1 in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat vom 04.07.2022 keine höhergradigen Befunde mitteilen. Im Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023 wurde lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS mitgeteilt. Nervenwurzelreizzeichen lagen nicht vor. Der GdB ist somit im Funktionssystem Rumpf weiterhin mit 20 insgesamt angemessen bewertet.

Bezüglich der Funktionsbeeinträchtigungen durch die rezidivierende depressive Erkrankung im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche entnimmt der Senat den von der Klägerin eingereichten Unterlagen über die Begutachtung anlässlich des Dienstunfalls vom 07.01.2019, dass die Klägerin sich bei der Begutachtung am 21.02.2022 in einem völlig unauffälligen psychopathologischen Befund gezeigt hat. Die Klägerin war nach dem Ereignis vom 07.01.2019 bei C1 seit Oktober 2019 für eineinhalb Jahre und beim H1 bis November 2021 in Behandlung. Nach der erfolgreichen Wiedereingliederung an einer Realschule in N2 ist die Klägerin nach dem Dienstunfall vom 07.01.2019 wieder in ihren Beruf zurückgekehrt. Die Gutachterin G1 konnte in ihrem Befund keine mnestischen Defizite, keine Ängste oder Zwänge erkennen. Die Psychomotorik war ruhig, der Antrieb ungestört. G1 hat eine Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt diagnostiziert, welche zum Begutachtungszeitpunkt ohne Schädigungsfolgen ausgeheilt war. Entsprechend hat sie seit der erfolgreichen Wiedereingliederung an einer anderen Schule eine Besserung des Zustandes und somit auch keinen messbaren Grad der Schädigungsfolgen mehr feststellen können. Soweit die Klägerin daher auf den zwischenzeitlichen GdS von 70 verweist, bestand dieser nach der Behandlung und seit der Versetzung an eine andere Schule nicht mehr. Diesbezüglich führt das amtsärztliche Zeugnis der T1 vom 26.01.2023 aus, dass der GdS von 70 nur vom 07.10.2019 bis zum 12.11.2020 und ab dem 13.11.2020 bis zum 31.01.2021 ein GdS von 20 bestand. Seit dem 01.02.2021 besteht kein messbarer GdS mehr. Die eingereichten Unterlagen rechtfertigen daher keine Höherbewertung des GdB im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche auf mehr als 30. Dieser entspricht nach der VersMedV Teil B Ziff. 3.7 bereits einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Vielmehr ist sogar anzunehmen, dass sich die Symptomatik wesentlich gebessert hat und nur noch eine leichtgradige Störung vorliegt. Auch K1 weist in seinem Gutachten vom 17.05.2023 darauf hin, dass sich bei der Begutachtung der Klägerin keine Hinweise auf höhergradige Störungen bezüglich des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes ergeben hätten und daher fraglich, wenn auch von ihm als Orthopäden nicht beurteilbar sei, ob der GdB von 30 im Funktionssystem Nervensystem einschließlich Psyche noch in diesem Ausmaß besteht. Entgegen den Ausführungen von K1 folgt aus den Unterlagen über die amtsärztliche Begutachtung jedoch kein GdB von 70, sondern der GdS von 70 lag nur vorübergehend während der akuten Erkrankungsphase vor. Die Gutachterin G1 kommt vielmehr zum Ergebnis, dass seit der erfolgreichen Wiedereingliederung kein messbarer GdS mehr besteht. Im Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023 wird lediglich eine psychophysische Erschöpfung mitgeteilt. Die Stimmungslage war jedoch ausgeglichen ohne weitere pathologische Anzeichen. Somit besteht kein Anlass für einen Höherbewertung des nach den aktuellen Befundberichten großzügigen GdB von 30 im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche.

Im Funktionssystem Arme leidet die Klägerin an einer knöcherne Engesituation beider Schultergelenke. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von K1 vom 17.05.2023. Entgegen der Auffassung von K1 kann die knöcherne Engesituation jedoch nicht mit einem GdB von 10 bewertet werden. K1 führt an, dass die Beweglichkeit frei ist und keine Reizzeichen vorliegen. Nach der VersMedV Teil B Ziff. 18.13 rechtfertigt jedoch erst eine dauerhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks mit einer Einschränkung der Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen GdB von 10. Allein das Bestehen einer Engesituation mit damit einhergehender möglicher wiederkehrender Bewegungseinschränkung und wiederkehrenden Reizzuständen bedingt noch keinen messbaren GdB. Diese Einschätzung wird auch durch den zuletzt beigezogenen Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023 bestätigt, in dem sämtliche Gelenke der oberen Extremitäten aktiv und passiv frei und ohne Schmerzangabe beweglich waren und keine Druckdolenzen, Schwellungen oder Muskelatrophien bestanden.

Im Funktionssystem der Hände leidet die Klägerin nach dem Gutachten von K1 vom 17.05.2023 an degenerativen Veränderungen beider Hände mit geringen endgradigen Bewegungseinschränkungen beidseits sowie einer Verhärtung der Palmaraponeurose rechts des 3. Handstrahls entsprechend einem Morbus Dupuytren Grad I. Soweit K1 hierfür einen GdB von 10 für angemessen erachtet, überzeugt dies den Senat nicht. Die VersMedV sieht in Teil B Ziff. 18.13 für die Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung einen GdB von 0 bis 10 vor. Die Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung (mittlere Gebrauchsstellung) ist ebenfalls mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Die von K1 erhobenen Befunde sind mit einem solchen Zustand nicht zu vergleichen. Der Faustschluss sowie der Spitz-, Grob- und Schlüsselgriff waren noch möglich. Es lag auch keine Versteifung in Streckstellung oder in starker Beugestellung vor. Eine solche folgt auch nicht aus dem Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023, in dem sämtliche Gelenke der oberen Extremitäten als frei beweglich geschildert wurden. Die degenerativen Veränderungen im Bereich beider Hände rechtfertigen somit noch nicht die Feststellung eines GdB.

Bezüglich der Hauterkrankung liegen keine Befunde vor, welche eine Verschlechterung belegen könnten. Auch nach Auffassung der Klägerin ist ein GdB von 20 angemessen und ausreichend.

Weitere GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen sind nicht ersichtlich. Bezüglich der degenerativen Veränderungen der Hüftgelenke, der Kniegelenke, im Bereich der Fußgelenke sowie der Ellenbogengelenke lag jeweils eine freie Beweglichkeit sowie Reizlosigkeit bei der Begutachtung durch K1 sowie im Rehaentlassungsbericht vom 16.08.2023 vor. Lediglich bei der Flexion im rechten Kniegelenk wird eine endgradige Schmerzangabe im Rehaentlassungsbericht ohne höhergradige Einschränkungen mitgeteilt. Ein messbarer GdB folgt aus diesen Veränderung nach dem derzeitigen Zustand somit nicht.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB aus den Einzel-GdB-Werten von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche und von 20 im Funktionssystem Rumpf sowie von 20 im Funktionssystem Haut festzustellen. Dieses Ergebnis ergibt sich auf Grund einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Würdigung anhand der VersMedV, Teil A, Ziff. 3. Danach sind bei der Bildung des Gesamt-GdB ausschließlich die Auswirkungen der einzelnen Funktionsstörungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen und ihrer Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltags zu betrachten und zu fragen, ob sie sich gegenseitig überschneiden oder verstärken oder sich auf andere nachteilig auswirken (vgl. Senatsurteil vom 13.11.2020 – L 8 SB 2/19 –, Rdnr. 53 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, beide juris). Der GdB von 10 für die Asthmaerkrankung ist dagegen nur leichtgradig und wirkt sich nicht weiter erhöhend auf den GdB insgesamt aus. Im Ergebnis ist der GdB auf 40 festzustellen, da es sich bei den jeweiligen GdB von 20 um unterschiedliche Funktionssysteme handelt und daher eine Erhöhung des GdB von 30 auf 40 gerechtfertigt ist. Dies gilt trotz der Tatsache, dass der GdB von 30 möglicherweise nicht mehr in diesem Ausmaß gerechtfertigt ist.

Nach diesen Maßstäben ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 oder mehr vorsehen, andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In ihrer Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Die Feststellung eines GdB von 50 oder höher kommt vorliegend nach dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen nicht in Betracht.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat zusammen mit den sachverständigen Zeugenaussagen sowie den eingeholten Gutachten die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R –, juris). Vorliegend erreicht das Ausmaß der Behinderungen und hieraus folgenden Teilhabebeeinträchtigungen noch kein Ausmaß, welches die Feststellung eines GdB von 50 oder 60 rechtfertigt. Der GdB ist mit 40 angemessen bewertet.

Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG bei L1 auf lungenfachärztlichem Gebiet einzuholen. Hierbei handelt es sich um einen wiederholenden Antrag, dem nur unter bestimmten Umständen zu folgen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage § 109 Rdnr. 10b sowie Senatsurteil vom 30.01.2015 – L 8 SB 2159/14 –, juris Rdnr. 48). Grundsätzlich ist das Antragsrecht durch die Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG verbraucht. Einem wiederholten Antrag ist nur stattzugeben, wenn weitere Gesichtspunkte neu aufgetreten sind, die noch nicht Gegenstand des ersten Gutachtens gewesen sind. Wesentlich geänderte rechtliche oder tatsächliche Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Anhörungsrecht nach § 109 SGG neu zu eröffnen, können vorliegend aber nicht festgestellt werden (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 25.07.2017 – L 3 U 22/11 –, juris). Insofern haben die von Z1 eingereichten Befundberichte gerade keine Änderung der Befundlage auf pneumologischen Fachgebiet erbracht, die die Einholung eines lungenfachärztlichen Gutachtens rechtfertigen könnten (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 31.01.2018 – L 1 R 351/15 –, juris Rdnr. 82).

Überdies hat sich der Antrag nach § 109 SGG zwischenzeitlich durch die Zustimmung der Klägerin zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erledigt. Wer - wie im vorliegenden Fall die rechtskundig vertretene Klägerin im Schriftsatz vom 11.09.2023 - vorbehaltlos sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 SGG) erklärt, wird so behandelt, als hätte sich der Beweisantrag erledigt, denn er hat dem Gericht gegenüber nach dem objektiven Erklärungswert seiner Mitteilung zum Ausdruck gebracht, dass das Gericht nunmehr entscheiden kann (BSG, Beschluss vom 01.09.1999 – B 9 V 42/99 B –, juris; Senatsurteil vom 24.01.2020 – L 8 U 3509/19 –, juris Rdnr. 48; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2016 – L 6 U 124/14 –, juris Rdnr. 61).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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