L 8 KR 485/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 996/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 485/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV beitragsfrei zu stellende Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld entspricht dem von dem Arbeitgeber gemäß § 14 MuSchG tatsächlich zu gewährenden Zuschussbetrag. Ein Abzug der von den Arbeitnehmerinnen zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung (abzüglich der von dem Arbeitgeber zu leistenden Zuschüsse hierzu) findet weder im Rahmen des § 14 MuSchG bei der Ermittlung des Vergleichs-Nettoarbeitsentgelts noch im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV statt.


Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 2019 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2014 wird insoweit aufgehoben, als dort Beitragsnachforderungen über einen Betrag in Höhe von 17.878,87 Euro hinaus festgesetzt wurden. 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, wobei eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen nicht stattfindet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.076,14 € und in diesem Zusammenhang die Berechnungsmodalitäten des beitragsfrei gestellten Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld streitig. 

Die Beklagte führte im Zeitraum vom 18. März bis 2. Juni 2014 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 durch. Mit Bescheid vom 1. August 2014 machte sie eine Nachforderung in Höhe von 18.955,01 € geltend. Ein Teil dieser Forderung in Höhe von 1.076,14 €, der vorliegend allein streitgegenständlich ist, betraf die Nachentrichtung von Beiträgen zu arbeitgeberseitigen Leistungen während des Bezuges von Mutterschaftsgeld durch die Beigeladenen zu 1 bis 18, die im betroffenen Zeitraum jeweils entweder freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Die streitgegenständlichen Forderungen resultierten ausweislich des Bescheides der Beklagten daraus, dass die Klägerin die steuer- und beitragsfrei gestellten arbeitgeberseitigen Leistungen zum Mutterschaftsgeld für die Beigeladenen fehlerhaft berechnet und insofern Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten habe. Arbeitgeberseitige Leistungen bzw. Zuschüsse, die für die Zeit des Bezuges von Sozialleistungen gezahlt würden, seien Arbeitsentgelt und unterlägen damit grundsätzlich der Beitragspflicht (beitragspflichtige Einnahmen). Nach § 23c Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) (in den jeweils im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassungen – im Weiteren: a.F.) seien Leistungen/Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld, die nach § 14 Mutterschutzgesetz (MuSchG – ebenfalls in der im streitgegenständlichen Zeitraum anwendbaren Fassung – a.F.) gezahlt würden, dem (beitragspflichtigen) Arbeitsentgelt jedoch nicht zuzurechnen. Eine beitragsmäßige Berücksichtigung von arbeitgeberseitigen Leistungen/Zuschüssen komme gemäß § 23c Abs. 1 Satz 1 SG IV nur in den Fällen in Betracht, in denen der (zutreffend ermittelte) beitragsfrei gestellte Zuschussbetrag bei einer auf den Monat bezogenen Betrachtungsweise um mehr als 50,00 € (sog. Freigrenze) überschritten werde. Ein solcher Fall sei aufgrund des von der Klägerin fehlerhaft zu hoch bestimmten und in dieser Höhe den Beigeladenen zu 1 bis 18 gewährten Arbeitgeberzuschusses gegeben.

Gemäß § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MuSchG a.F. erhielten Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2, 3 MuSchG a.F. hätten, während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen (§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG a.F.) sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 13,00 € und dem durchschnittlichen kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt (= Vergleichs-Nettoarbeitsentgelt) der letzten drei Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist. Die Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts erfolge nach den Erläuterungen zu Ziffer 2.2 der bundeseinheitlichen Entgeltbescheinigung zur Berechnung Krankengeld/ Versorgungskrankengeld/ Verletztengeld (in der jeweils gültigen Fassung). Als Nettoarbeitsentgelt sei hierbei – vereinfacht – das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt zu betrachten, wobei bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und bei privat Krankenversicherten auch die Beiträge der Arbeitnehmer zur Kranken- und Pflegeversicherung, vermindert um den Beitragszuschuss des Arbeitgebers hierzu, vom Bruttoarbeitsentgelt abzuziehen seien. Letzteres habe die Klägerin bei der Berechnung des Vergleichs-Nettoarbeitsentgelts für die Beigeladenen zu 1 bis 18 unterlassen mit der Folge, dass sie jeweils von einem zu hohen Zuschuss ausgegangen sei. Soweit der danach geleistete Zuschussbetrag darum den beitragsfrei gestellten Freibetrag übersteige, seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten. 

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch (nur) insoweit ein, als die streitgegenständlichen Nachforderungen auf den Arbeitgeberzuschuss für die Beigeladenen zu 1 bis 18 betroffen waren. Den Widerspruch begründete sie damit, dass Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen bzw. zur privaten Krankenversicherung keine gesetzlichen Abzüge im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. darstellten und darum bei der Ermittlung des Vergleichs-Nettoarbeitsentgelts außer Betracht zu bleiben hätten. § 23c SGB IV a.F. sei auf den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht anwendbar, soweit dort eine Regelung zu privat kranken- und pflegeversicherten Arbeitnehmerinnen getroffen werde. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. enthalte eine komplette, selbständige, aus sich heraus tragfähige Regelung der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Insbesondere erfolge dort keine Bezugnahme auf § 23c SGB IV (a.F.). Dass im Rahmen des § 14 Abs. 1 MuSchG a.F. nur die „gesetzlichen Abzüge“ zu berücksichtigen seien, habe auch das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 27. November 2009 - 3 SA 652/09 -) entschieden. 

Ziel der gesetzlichen Regelung über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld sei, dass die betreffenden Arbeitnehmerinnen während der Mutterschutzfristen über dasjenige durchschnittliche Arbeitsentgelt verfügten, das sie hätten, wenn sie die Mutterschutzfristen nicht in Anspruch nähmen. Ohne Mutterschutzfristen hätten sie als nicht gesetzlich Pflichtversicherte aus dem an sie nach Vornahme der gesetzlichen Abzüge ausgezahlten Nettoentgelt die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (abzüglich des hierzu zu gewährenden Beitragszuschusses des Arbeitgebers) zu zahlen. Diese Beiträge fielen auch während der Mutterschutzfristen an. Die von der Beklagten geforderte Verfahrensweise führe damit dazu, dass das einer Mitarbeiterin während der Mutterschutzfristen tatsächlich verbleibende Einkommen nicht dem der Beschäftigungszeit entspreche, weil sie ihren Beitrag zur privaten (oder freiwillig gesetzlichen) Krankenversicherung danach aus einem bereits um diese Beiträge verminderten (aus Mutterschutzgeld und gekürztem Arbeitnehmerzuschuss zusammengesetzten) Nettoentgelt zu zahlen hätte. Die von der Beklagten geforderte Verfahrensweise stehe damit im Widerspruch zum Gesetzeszweck des § 14 Abs. 1 MuSchG a.F.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 zurück. Bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld sei nicht vom sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen. Die Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts erfolge vielmehr, wie bereits im Bescheid vom 1. August 2014 ausgeführt und auch von der Klägerin vertreten, nach Ziffer 2.2 der bundeseinheitlichen Erläuterungen von Entgeltbescheinigungen zur Berechnung von Krankengeld/Versorgungskrankengeld/Verletztengeld. Aus dem Nettoeinkommen zu zahlende Beiträge der Arbeitnehmerinnen zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung seien insofern bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld im Rahmen des § 14 MuSchG a.F. nicht in Abzug zu bringen. Anderes gelte aber nach § 23c SGB IV a.F. für die Berechnung des beitragsfrei gestellten Zuschusses. Nach der ausdrücklich in § 23c Abs. 1 Satz 2 SGB IV a.F. getroffenen Regelung sei insofern zur Berechnung des Nettoarbeitsentgelts bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und privat Krankenversicherten der um den Beitragszuschuss für Beschäftigte verminderte Beitrag der Versicherten zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Bruttoeinkommen abzuziehen. Es existiere damit ein – hinzunehmender – Unterschied zwischen der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG a.F. und der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der beitragsfrei gestellten Einnahmen nach § 23c SGB IV a.F. 

Die hiergegen am 17. Dezember 2014 erhobene Klage wies das Sozialgericht mit Urteil vom 30. September 2019 ab. Die Beklagte habe den beitragsfrei gestellten Arbeitgeberzuschuss rechtmäßig ermittelt. Zutreffend habe sie bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts, aus dem sich der beitragsfrei gestellte Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ableite, den Versicherungsbeitrag der Arbeitnehmerinnen zur freiwilligen bzw. zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (abzüglich des Beitragszuschusses des Arbeitgebers) mit berücksichtigt. § 23c SGB IV beanspruche in allen Zweigen der Sozialversicherung Geltung. Soweit dort auf das Arbeitsentgelt abgestellt werde, bestimme sich dieses unter Berücksichtigung des § 23c SGB IV a.F., und zwar auch dann, wenn nicht ausdrücklich auf das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, sondern nur auf den Begriff „Arbeitsentgelt“ abgestellt werde. Bei der Berechnung von sich nach dem Nettoarbeitsentgelt bestimmenden Leistungen seien damit, wenn der Beschäftigte freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sei, vom Bruttoarbeitsentgelt neben den gesetzlichen Abzügen auch die um die Beitragszuschüsse des Arbeitgebers im Sinne von § 257 SGB V bzw. § 61 SGB XI verminderten privaten Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen. Diese Aufwendungen könnten bei der Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts als maßgebliche „Vergleichsgröße“ nicht außen vor bleiben, wolle man eine Gleichbehandlung sowohl in beitrags- als auch ggf. in späterer leistungsrechtlicher Hinsicht mit der in der GKV versicherten Personen und ihren jeweiligen Arbeitgebern herstellen. Daher ordne § 23c Satz 2 SGB IV a.F. im Ergebnis an, dass der Beitrag des freiwillig oder privat Kranken- und Pflegeversicherten vom Nettoarbeitsentgelt abgezogen werde, soweit dieser Beitrag den Versicherten wirtschaftlich in vergleichbarer Weise belaste wie in der GKV gesetzlich Versicherte, das heißt, soweit der Arbeitgeber nicht einen Zuschuss zum Beitrag zur freiwilligen oder private Kranken- und Pflegeversicherung bezahle. Das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München (3 Sa 652/09) stehe dem nicht entgegen. Denn in dem Rechtsstreit vor dem LAG München sei es allein darum gegangen, ob bezogen auf den ergänzend zum Mutterschaftsgeld zu leistenden Arbeitgeberzuschuss ein weiterer Leistungsanspruch der Arbeitnehmerin gegen ihren Arbeitgeber bestanden habe. Gegenstand der Entscheidung sei nicht gewesen, wie die zu gewährende Leistung beitragsrechtlich zu bewerten sei. 

Gegen das am 19. November 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Dezember 2019 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass der gemäß § 14 MuSchG a.F. bestehende arbeitsrechtliche Zuschussanspruch ausgehend vom Nettolohnanspruch zu errechnen sei, wobei nicht der sozialversicherungsrechtliche, sondern der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff maßgeblich sei. Bei freiwillig oder privat versicherten Arbeitnehmerinnen seien demnach die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung bei der Ermittlung des Zuschussanspruchs nach § 14 MuSchG a.F. nicht als Abzugsposten bei der Ermittlung des Nettolohnanspruchs zu berücksichtigen. Zugleich erhöhe der steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschuss des Arbeitgebers zur Krankenversicherung das Entgelt nach § 257 SGB V / § 61 SGB XI nicht. Rechnerisch führe dies dazu, dass in der Regel bei privatversicherten Arbeitnehmerinnen höhere Zuschussansprüche gegen den Arbeitgeber entstünden als bei gesetzlich versicherten, weil die Beitragsleistungen der Arbeitnehmerinnen bei der Berechnung des Nettoentgelts keinen Abzugsposten darstellten, während der Krankenversicherungsbeitrag bei gesetzlich Versicherten einen Posten darstelle, der das Nettoentgelt verringere. Die Ansicht des Sozialgerichts, nach der die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld bei freiwillig gesetzlich oder privat krankenversicherten Arbeitnehmerinnen im Ergebnis nur insoweit beitragsfrei blieben, als diese ausgehend von einem um die gezahlten Arbeitnehmerbeiträge verminderten Nettoentgelt errechnet würden, finde im Gesetz keine Stütze. Das Gesetz bestimme vielmehr ausdrücklich, dass „die Zuschüsse“ des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld nicht beitragspflichtig seien (§ 1 Abs. 1 SvEV a.F.). Es bestehe von daher ein Gleichlauf bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung eines (zutreffend ermittelten) Zuschusses nach § 14 MuSchG a.F., und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerin gesetzlich, privat oder freiwillig versichert sei. Dieser Gleichlauf werde auch nicht durch § 23c Abs. 1 Satz 2 SGB IV a.F. aufgehoben. 

Die Klägerin beantragt, 
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2014 insoweit aufzuheben, als dort Beitragsnachforderungen über einen Betrag in Höhe von 17.878,87 Euro hinaus festgesetzt wurden.

Die Beklagte beantragt, 
die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Nach § 23c Satz 2 SGB IV a.F. sei zur Berechnung des Nettoentgelts freiwillig in der GKV Versicherter und privat Krankenversicherter auch der um den Beitragszuschuss für Beschäftigte (§ 257 SGB V) verminderte Beitrag des Versicherten zur Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen. Mit der Gesetzesformulierung werde eine Gleichstellung der gesetzlich Versicherten in der Kranken- und Pflegeversicherung mit den freiwillig gesetzlich oder privat Versicherten erreicht.

Der Senat hat die Beiladung der Beigeladenen zu 1 bis 22 vorgenommen. Diese haben sich zum Verfahren nicht geäußert und eigene Anträge nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Beklagtenakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg. 

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist insgesamt, der Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2014 ist (antragsgemäß) im tenorierten Umfang aufzuheben. Die Beklagte hat den beitragsfrei gestellten Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld insoweit unzutreffend berechnet und die streitgegenständlichen Beitragsnachforderungen in entsprechendem Umfang zu Unrecht erhoben, als sie bei der Bestimmung des der Berechnung zugrunde zu legenden Vergleichs-Nettoarbeitsentgelts die (um den Arbeitgeberzuschuss hierzu gekürzten) Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung der betroffenen Arbeitnehmerinnen in Abzug gebracht hat. Sozialversicherungsbeiträge sind insoweit nicht nachzuentrichten. 

Arbeitgeberseitige Leistungen bzw. Zuschüsse, die für die Zeit des Bezuges von Sozialleistungen gezahlt werden, unterliegen grundsätzlich als Arbeitsentgelt der Beitragspflicht (beitragspflichtige Einnahmen). Ausnahmen hiervon können durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt werden, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Die Zuständigkeit hierfür lag bis zum 10. August 2010 bei der Bundesregierung (nunmehr beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Hierauf gestützt erging § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV a.F., wonach dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sind „die Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG [a.F.]“. Nicht nur bedarf es damit – anders als die Beklagte vertritt –keines Rückgriffs auf § 23c SGB IV a.F. Vielmehr ist § 23c SGB IV a.F. auf den arbeitgeberseitigen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gar nicht anwendbar (ebenso etwa Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 4. Auflage, § 23c [Stand 01.08.2021], Rn. 28; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 23c [Stand Mai 2021], Rn. 20). Letzteres ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn gemäß § 23c Abs. 1 Satz 1 SGB IV a.F. sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen „Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder Krankentagegeld“ sowie „sonstige Einnahmen aus einer Beschäftigung, die für die Zeit des Bezuges von Krankengeld, Krankentagegeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld oder Elterngeld weiter erzielt werden“, wenn die Einnahmen zusammen mit den genannten Sozialleistungen das Nettoarbeitsentgelt (§ 47 SGB V) nicht um mehr als 50 Euro im Monat übersteigen. Bei dem gemäß § 14 MuSchG a.F. zu gewährenden Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld handelt es sich nicht um „sonstige Einnahmen“ im Sinne der zweiten Fallgruppe, mit denen ausweislich der Gesetzesbegründung Sachbezüge, Firmen- und Belegschaftsrabatte, vermögenswirksame Leistungen und dergleichen mehr gemeint sind (vgl. BT-Drs. 15/4228, S. 22). Vielmehr handelt es sich um einen „Zuschuss“ im Sinne der erstgenannten Fallgruppe, der ausweislich der dort erfolgten abschließenden Aufzählung der Anwendungsfälle der Norm von dieser aber nicht erfasst ist. Der insofern eingeschränkte Anwendungsbereich des § 23c SGB IV, der den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht umfasst, trägt dem Umstand Rechnung, dass es einer entsprechenden Regelung zur Beitragsfreiheit des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld bei Einführung des § 23c SGB IV in das Sozialgesetzbuch (mit dem Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht – Verwaltungsvereinfachungsgesetz – vom 21. März 2005, BGBl. I, S. 818, 819) nicht bedurfte, da zu diesem Zeitpunkt mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgeltverordnung – ArEV) als der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Vorgängerverordnung zur SvEV eine entsprechende Regelung bereits vorhanden war. Denn bereits nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 ArEV waren „Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG [a.F.]“ dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt nicht hinzuzurechnen.

Ausweislich des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV a.F. sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen und damit beitragsfrei gestellt die „Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG [a.F.]“. § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MuSchG a.F. wiederum bestimmt, dass Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben, während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 13 € (= Mutterschaftsgeld) und dem „um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt“, welches aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten, bei wöchentlicher Abrechnung aus den letzten 13 abgerechneten Wochen vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 zu berechnen ist, erhalten. Dass das Vergleichs-Nettoarbeitsentgelt im Rahmen dieser Vorschrift nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu berechnen ist, ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Bei den in § 14 Abs. 1 MuSchG genannten „gesetzlichen Abzügen“ handelt es sich demnach nur um die Beiträge, deren Abführung das Gesetz selbst – und nicht etwa ein privater Krankenversicherungsvertrag – verlangt (LAG München, Urteil vom 27. November 2009 - 3 Sa 652/09 -, juris, Rn. 18, unter Verweis auf BAG, Urteil vom 1. Juni 1988 - 5 AZR 464/87 -). Entsprechendes gilt für die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die ebenfalls keine gesetzlichen Abzüge im genannten Sinne darstellen. Weitere Abzüge sind ausweislich des eindeutigen Wortlauts des § 14 MuSchG a.F. nicht vorgesehen. Insbesondere findet sich in § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG kein Verweis auf eine – ggf. entsprechende – Anwendung des § 23c SGB IV

Auch Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 MuSchG sprechen – wie die Klägerin zutreffend unter Hinweis auf die zitierte Entscheidung des LAG München ausgeführt hat – gegen eine solche (entsprechende) erweiternde Auslegung. Insbesondere die im Grundsatz angestrebte Gleichstellung der gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten mit den privat oder freiwillig gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmerinnen während der Mutterschutzzeiten spricht insofern gerade nicht für einen Abzug der von letzteren im Vergleichszeitraum zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherung. 

Bei Frauen, die in der GKV pflichtversichert sind, bleibt die gesetzliche Pflichtversicherung während der Mutterschutzfristen beitragsfrei erhalten. Dies ergibt sich hinsichtlich der Beitragsfreiheit des Mutterschaftsgeldes aus § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i. V. m. § 224 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V (in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung – a.F.) bzw. aus § 49 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Die Beitragsfreiheit des Arbeitgeberzuschusses folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV a.F. Eine Berücksichtigung der Beitragspflichten zur GKV bzw. zur Pflegeversicherung erfolgt in diesem Fall aber im Rahmen der Ermittlung des Vergleichs-Nettoentgelts, da die Beiträge hier (bezogen auf den dem Mutterschutz vorausgehenden Dreimonatszeitraum) als gesetzliche Abzüge zu berücksichtigen sind. 

Frauen, die nicht Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern privat krankenversichert sind, sind demgegenüber im Rahmen der Aufrechterhaltung ihrer Versicherung während der Mutterschutzfristen nicht beitragsfrei gestellt, sondern müssen an ihre private Krankenversicherung weiterhin Beiträge entrichten. Gleiches galt im hier maßgeblichen Zeitraum auch für Frauen, die in der GKV freiwillig versichert waren. Nach der noch bis zum 31. Dezember 2018 und damit im streitgegenständlichen Zeitraum anwendbaren Fassung des § 224 Abs. 1 SGB V a.F. bestand die nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V im Rahmen der freiwilligen Versicherung bestehende Pflicht, Beiträge jedenfalls auf Grundlage der gesetzlichen Mindestbemessungsgrenze zu berechnen, fort; § 224 Abs. 1 SGB V wirkte insofern gegenüber § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht abschließend (vgl. Hesral, in jurisPK-SGB V, § 224 [Stand: 15.06.2020], Rn. 41). Dies änderte sich erst mit der zum 1. Januar 2019 durch das Gesetz zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG) vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2387) erfolgten Einfügung des § 224 Abs. 1 Satz 3 SGB V („Für die Dauer des Bezuges von Mutterschaftsgeld gilt § 240 Abs. 4 Satz 1 nicht.“). 

Die von der Beklagten favorisierte Berücksichtigung der vor der Mutterschutzzeit (im Vergleichszeitraum) geleisteten Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung bei der Berechnung des Vergleichs-Nettoarbeitsentgelts nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MuSchG würde mithin dazu führen, dass nicht nur die privat, sondern auch die freiwillig gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen – anders als die gesetzlich Pflichtversicherten – während der Inanspruchnahme der Mutterschutzzeiten hinsichtlich des ihnen nach Beitragsentrichtung verbleibenden Arbeitsentgelts schlechter gestellt wären als zu Zeiten ihrer ausgeübten Beschäftigung (vgl. auch LAG München, a.a.O:, Rn. 18 ff.).

Nach alledem waren die im Vergleichszeitraum geschuldeten Beiträge der Beigeladenen zu 1 bis 18 zur freiwilligen gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung (abzüglich der zugeordneten Arbeitgeberzuschüsse) nicht bei der Berechnung des Vergleichs-Nettoentgelts zu berücksichtigen, das die Grundlage für den von der Klägerin nach § 14 MuSchG a.F. zu leistenden Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld bildet.

Eine hiervon abweichende Berechnung im Rahmen der Bestimmung des gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV a.F. beitragsfrei zu stellenden Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld in dem Sinne, dass der beitragsfrei gestellte Zuschuss von dem gemäß § 14 MuSchG a.F. der Arbeitnehmerin geschuldeten Zuschuss abweichen könnte, ergibt sich weder – wie dargelegt – aus einer unmittelbaren Anwendung des § 23c Abs. 1 SGB IV, noch erachtet der Senat eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift für angezeigt. Insofern spricht bereits der bezüglich seines Anwendungsbereichs im Einzelnen ausdifferenzierte Wortlaut des § 23c SGB IV gegen eine ungeplante Regelungslücke, die Voraussetzung der analogen Anwendung der Vorschrift wäre. Zugleich ist für den Senat nicht erkennbar, woraus sich der Bedarf für eine solche analoge Anwendung ergeben sollte. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, wonach die von den Arbeitnehmerinnen während der Mutterschutzzeiten zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung zwar nicht bei der Bestimmung des den Arbeitnehmerinnen seitens des Arbeitgebers zu gewährenden Zuschusses, wohl aber bei der Bestimmung des beitragsfrei gestellten Anteiles hiervon zu berücksichtigen wären, so widerspräche dies doch der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV. Denn dieser bestimmt mit der generellen Beitragsfreiheit des von dem Arbeitgeber zu leistenden Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nicht zuletzt auch die Nichtberücksichtigung dieser Leistung bei einer möglichen Berechnung späterer beitragsabhängiger Sozialleistungen (zur entsprechenden Zwecksetzung des § 23c SGB IV in seinem Anwendungsbereich vgl. BTDrs. 15/4228 vom 17. November 2004, S. 22). 

Der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV beitragsfrei zu stellende Zuschuss der Klägerin zum Mutterschaftsgeld entspricht nach alledem dem von der Klägerin gemäß § 14 MuSchG tatsächlich zu gewährenden Zuschussbetrag. Ein Abzug der von den Arbeitnehmerinnen zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung (abzüglich der von dem Arbeitgeber zu leistenden Zuschüsse hierzu) findet weder im Rahmen des § 14 MuSchG noch im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV statt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, 2 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese weder einen eigenen Antrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) und auch sonst Gründe, die für eine Kostenerstattung sprechen, in ihrem Fall nicht ersichtlich sind.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, § 160 Abs. 2 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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