L 15 U 210/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 U 224/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 210/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 115/23 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.04.2022 wird zurückgewiesen.

              Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

              Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten).

Der am 00.00.0000 geborene Kläger absolvierte vom 01.07.1969 bis 30.06.1972 eine Lehre zum Fliesenleger und war im Anschluss in verschiedenen Betrieben als Fliesenleger beschäftigt. Ab März 1980 war er selbständig tätig, zuletzt als Geschäftsführer des Unternehmens „L.“ in A.. Im Rahmen der Selbständigkeit bestand bei der Beklagten eine Versicherung für die Zeiträume 18.03.1980 bis 28.02.1998 und dann laufend ab 01.03.2009.

Am 12.10.2015 ging bei der Beklagten eine Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV (im Folgenden: BK 2102) durch T. ein. Bei dem Kläger würden seit einem Jahr innenseitige, belastungsabhängige Knieschmerzen bestehen. Klinisch bestünde eine Innenmeniskussymptomatik, ein Druckschmerz über dem medialen Gelenksspalt und im MRT sei eine Signalanhebung im Innenmeniskushinterhorn erkennbar.

Nachdem die Beklagte medizinische Unterlagen der behandelnden Ärzte sowie der Krankenkasse des Klägers eingeholt hatte, veranlasste sie eine beratungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage durch Y.. Dieser teilte der Beklagten nach Auswertung der für beide Kniegelenke im September 2015 durchgeführten MRTs mit, aus medizinischer Sicht seien keine das Alter überschreitenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Menisken oder im Bereich der Gelenkknorpel vorhanden.

Mit Bescheid vom 05.02.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2102 beim Kläger ab und teilte mit, dass keine Ansprüche auf Leistungen gegeben seien. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der BK 2102 werde ein primärer, dass alterstypische Maß übersteigender degenerativer Verschleiß des Meniskusgewebes gefordert. Der Nachweis erfolge in der Regel durch histologische Untersuchung der operativ entfernten Meniskusanteile. Soweit eine histologische Untersuchung nicht stattgefunden habe, sei anhand der weiteren Untersuchungsbefunde über das medizinische Bild zu entscheiden. Eine operative Behandlung der Kniegelenkbeschwerden des Klägers sei bisher nicht erfolgt. Nach Auswertung der im Verfahren vorgelegten Berichte über die kernspintomografischen Untersuchungen bestehe am rechten Kniegelenk eine längerstreckige Rissbildung des Innenmeniskushinterhornes. Bei diesem Befund handle es sich nicht um eine vorzeitige, das altersübliche Maß übersteigende, degenerative Veränderung des Meniskusgewebes. Eine Kernspintomografie des linken Kniegelenkes habe keine Veränderungen des Meniskusgewebes ergeben. Es liege daher kein Krankheitsbild vor, dass einer Berufskrankheit entspreche.

Der Kläger erhob am 29.02.2016 Widerspruch bei der Beklagten und verwies zur Begründung auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29.06.2012.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet unter Vertiefung ihrer Begründung im Ausgangsbescheid zurück. Ein Meniskusschaden werde nicht in Abrede gestellt, jedoch sei der Meniskus nicht dem Alter deutlich vorausschreitend degenerativ verändert. Das vom Kläger angeführte Urteil betreffe einen anderen Sachverhalt.

Der Kläger hat am 17.05.2016 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Er hat vorgetragen, er sei seit seiner Fliesenlegerlehre 1969 als Fliesenleger tätig gewesen und habe Meniskusschäden in den Knien. Seit Mitte des Jahres 2014 verspüre er, rechts mehr als links, innenseitige Knieschmerzen. Nach § 9 Abs. 3 SGB VII gelte die Vermutung, dass bei Erkrankung von Versicherten, die infolge besonderer Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung einer Berufskrankheit ausgesetzt seien, vermutet werden würde, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2016 bezogen auf den Kläger eine Berufserkrankung nach Nr. 2102 BKV festzustellen;

2. Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der Berufskrankheit nach Nr. 2102 BKV ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat daran festgehalten, dass die medizinischen Voraussetzungen einer BK  2102 nicht gegeben seien, auch wenn sie bei dem Kläger von der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgegangen sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen von P.. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.04.2017 ausgeführt, eine Anerkennungsvoraussetzung für die BK 2102 sei ausnahmslos das Merkmal eines signifikant altersüberschreitenden Verschleißes des Meniskusgewebes. Ob im Fall des Klägers dieses Kriterium erfüllt sei, lasse sich nicht in der gebotenen Weise aufklären. Die Kernspintomographie sei als Untersuchungsmethode im Hinblick auf die Bestimmung eines Schweregrades einer als verschleißinduziert anzusehenden geweblichen Veränderung überfordert. Zum Zeitpunkt der kernspintomographischen Untersuchung im September 2015 sei der Kläger im 61. Lebensjahr gestanden. Bei dieser Altersgruppe seien mittelgradig ausgebildete Texturstörungen/degenerative Veränderungen des Meniskusgewebes noch als altersmäßig einzustufen. Der Wortlaut des Befundes zur kernspintomographischen Untersuchung des rechten Kniegelenkes vom 17.09.2015 rechtfertige die Zuordnung der Veränderung des Meniskusgewebes zu dem Typ/Grad II in der Klassifizierung nach Lotysch. Es sei nicht ansatzweise mit der erforderlichen Sicherheit ableitbar, dass dieser Gewebsschaden an dem rechten Kniegelenk als erkennbar höhergradig einzustufen sei. Auch sei nach den Befunden der MRT-Untersuchungen beider Kniegelenke nicht von einem erkennbar dem Lebensalter vorauseilenden Verschleißaufbruch des Gelenkknorpels auszugehen. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung seien keine funktionellen Störungen zu sichern gewesen. Die ermittelbaren Befunddaten ließen sich eindeutig nicht überzeugend zu einem belastungskonformen Schadensbild im Sinne einer chronischen Meniskopathie zusammenfügen. Angesichts des eher wenig aussagekräftigen klinischen wie auch makroskopischen Kriteriums überwiege das Fehlen eines histologischen Befundes in diesem Zusammenhang umso schwerer. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass beim Kläger trotz langjähriger Ausübung der Tätigkeit als Fliesenleger das maßgebliche Zielorgan der berufsbedingten Einwirkungen, der Innenmeniskus, ausschließlich eine mittels der MRT-Untersuchung darstellbare Gewebeveränderung aufweise, ohne dass diese jedoch die Meniskusoberflächen in Gestalt eines makroskopischen Risses erreiche. In der Gesamtschau gelinge es daher nicht, bei dem Kläger das Vorliegen eines Gesundheitsschadens in Gestalt der chronischen Meniskopathie im Vollbeweis zu belegen.

Auf Antrag der Klägerseite hat das Sozialgericht nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von I.. In seinem Gutachten vom 02.11.2017 hat er festgestellt, beim Kläger bestünde eine dauerhafte Strukturstörung der Menisken, insbesondere im inneren Bereich mit Rissbildung. Zusätzlich seien bereits beginnende Verschleißzeichen in beiden Kniegelenken auch als Folge der Meniskusstörung feststellbar. Kernspintomografisch seien die Meniskusveränderungen seit September 2015 beschrieben worden. Die geklagten Beschwerden seien mindestens ab dem Zeitpunkt der MRT-Untersuchung festzustellen und hätten sich im Verlauf allmählich verschlechtert. Insgesamt seien die beschriebenen Veränderungen sowie die geklagten Beschwerden deutlich über das normale Maß der nicht beruflich belasteten Bevölkerung vorliegend. Dass es beim Kläger nicht zu einem vollständigen Riss der Menisken mit Einklemmsyndromen (und daraus folgender Operationsnotwendigkeit) gekommen sei, spreche nicht gegen die Annahme einer berufsbedingten Meniskusschädigung. Gleiches gelte für die Tatsache, dass kein histologischer Nachweis eines chronischen Meniskusschadens mit Kapillareinsprossung und Vernarbungen gegeben sei. Die kernspintomografischen Beschreibungen der Meniskusveränderungen mit horizontalen Rissbildungen würden für eine degenerative Genese sprechen. Das MRT habe einen hohen Stellenwert und eine sehr hohe Aussagefähigkeit. Aufgrund der beruflichen Anamnese sowie den anerkannten berufstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2102 lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen direkten Zusammenhang zwischen dem vorliegenden Meniskusschaden und der beruflichen Exposition schließen. Es werde von einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % ausgegangen.

Das Sozialgericht hat in der Folge den Sachverständigen I. nach § 109 SGG beauftragt, ein radiologisches Zusatzgutachten durch O. einzuholen. In seinem radiologischen Zusatzgutachten vom 03.03.2019 hat O. ausgeführt, unter Berücksichtigung des Alters des Klägers sowie der langjährigen beruflichen Belastung zeige das MRT kaum degenerative Veränderungen in den unterschiedlichen anatomischen Kompartimenten der Kniegelenke. Relevante degenerative Umbauten könnten ausgeschlossen werden. Es gebe eine alterstypische Abnutzung des Knorpels im Bereich der Druckzone des medialen Tibiaplateaus. Der meniskale Umbau sei hier der chronischen beruflichen Belastung geschuldet. Begleitdegenerationen der übrigen anatomischen Kompartimente würden sich definitiv nicht zeigen. I. hat diese Ergebnisse in seiner abschließenden Beurteilung vom 29.03.2019 dahingehend gewertet, dass für beide Kniegelenke Veränderungen der Menisken nachgewiesen seien. Auf der linken Seite beträfen die Veränderungen aber den medialen Meniskus im Hinterhorn und seien nicht so weit fortgeschritten wie auf der rechten Seite. Der Verschleißstatus des Gelenkes werde als gering eingeschätzt. Er sehe durch die weiteren radiologischen Ausführungen, die mit seinen eigenen Befundungen übereinstimmen würden, seine eigene Einschätzung bestätigt.

Die Beklagte hat daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme von Frau B. vom 13.08.2019 vorgelegt. Diese hat ausgeführt, als sicher altersvorauseilend könne nach der Klassifikation von Stoller eine III.-gradige Meniskusveränderung im MRT eingeschätzt werden. Dies wäre bei einer Meniskuszerstörung mit Verbindung zur Meniskusoberfläche gegeben, also bei einem Meniskusriss. Nach übereinstimmender Darstellung sämtlicher Radiologen liege beim Kläger aber kein Riss vor. Es liege eine Texturstörung im Hinterhorn des Meniskusgewebes vor, welche linksseitig sehr gering ausgeprägt sei (I.-gradig), und auch rechtsseitig keinen Grad von III. erreiche, weil keine Verbindung zur Meniskusoberfläche vorliege. Es liege hier keine vorauseilende Meniskusdegeneration vor, weil eine Rissbildung bisher nicht gesichert sei. Der Grund der Nichtsicherung liege nicht im MRT, sondern die Degeneration sei einfach zu gering. Dies decke sich auch mit den völlig unauffälligen Veränderungen der Knorpelbelege, welche altersentsprechend seien. Es wäre daher eine Meniskopathie im Vollbeweis nicht zu sichern. Im Übrigen habe der ärztliche Sachverständigenbeirat Ende 2018 beschlossen, dass auch für die BK 2102 - im Analogieschluss zur BK 2112 - eine beidseitige Erkrankung gegeben sein müsse, sodass diese Erkrankung über die Rissbildung lediglich auf einer Seite nicht belegt werden könne. Bei dem Kläger liege beidseitig keine Rissbildung vor. Der Fall des Klägers sei eindeutig. An beiden Kniegelenken würden völlig altersentsprechende degenerative Veränderungen der Menisken vorliegen, bei dem Kläger gebe es weder links noch rechts eine vorauseilende Meniskopathie.

I. hat mit Schreiben vom 17.10.2019 zu der beratungsärztlichen Stellungnahme von B. ausgeführt, er stimme mit den Ausführungen durch B. insofern überein, als dass eine drittgradige Meniskusveränderung im MRT sicher eine altersmäßig vorauseilende Meniskopathie bedeute. Dies schließe in seinen Augen aber nicht aus, dass im Einzelfall auch eine Veränderung entsprechend der Klassifikation IIb ebenfalls als vorauseilend eingeschätzt werden könne. Da ebenfalls in den MRT–Bildern ausführlich beschrieben sei, dass der weitere Kniegelenksverschleiß im Sinne von verschleißbedingten Knorpelschäden als sehr gering einzuschätzen sei, würden die beschriebenen Meniskusveränderungen weiterhin als altersmäßig vorauseilend angesehen werden. Inwiefern eine beidseitig fortgeschrittene Meniskuserkrankung zu fordern sei, werde aktuell diskutiert. Hierzu seien keine eindeutigen Empfehlungen zur Anerkennung der Berufskrankheit bekannt.

Das Sozialgericht hat nach § 106 SGG ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie M. eingeholt. M. hat in seinem Gutachten vom 04.04.2020 festgehalten, bei dem Kläger bestünden Belastungsbeschwerden beider Kniegelenke bei kernspintomographisch nachgewiesenen bildmorphologischen Veränderungen der Menisken. Zu den medizinischen Voraussetzungen einer BK 2102 hat er ausgeführt, das versicherte Schadensbild sei die primäre, altersuntypische Meniskopathie, wobei im Alter des Klägers mittelgradige degenerative Veränderungen zum altersentsprechenden Schadensbild zählten. Bei dem Kläger ließe sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die bildmorphologisch vorhandenen Meniskusschäden die Altersnorm überstiegen, noch ließe sich wahrscheinlich machen, dass diese Veränderungen zumindest wesentlich teilursächlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen seien. Seiner Einschätzung nach zeigten die Kernspintomographien der Kniegelenke des Klägers nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine altersuntypische Rissbildung. Sie zeigten insbesondere nicht das nach langjähriger beruflicher Belastung zu erwartende belastungskonforme Schadensbild, welches dann häufig nicht nur die Hinterhörner beträfe, sondern auch weitere Abschnitte des Meniskus. Die bildmorphologischen Befunde ließen auch keinen Rückschluss auf dessen Ursache zu. Die Schlussfolgerung des Radiologen O., der meniskale Umbau sei der chronischen beruflichen repetitiven Belastung geschuldet, sei nicht nachvollziehbar. Die Kernspintomografie lasse eine Differenzierung bezüglich der beruflichen Verursachung gar nicht zu. Letztendlich bedeute der Befund des Radiologen, dass dieser dem nach Alter des Klägers zu erwartenden Schadensbild entspreche, was wiederum gegen eine berufliche Verursachung spreche. Ebenfalls unzutreffend sei die Annahme von I., dass eine Veränderung entsprechend Stoller IIb als altersvorauseilend eingeschätzt werden könne. Auch aus dem Ausprägungsgrad der Knorpelschäden könne kein Rückschluss auf die Frage gewonnen werden, ob die Meniskusschäden altersvorauseilend seien. Vorliegend würden weder die Knorpel- noch die Meniskusschäden nachweisbar die Altersnorm übersteigen.

Mit Urteil vom 22.04.2022 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von P. und M. hat es die medizinischen Voraussetzungen der BK 2102 verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, dass Meniskusschäden an beiden Menisken vorlägen, welche von der BK 2102 umfasst wären, sei jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich, dass diese Schäden wesentlich kausal auf die berufliche Tätigkeit des Klägers als Fliesenleger zurückzuführen seien. Es fehle an einem belastungskonformen Schadensbild, da altersvorauseilende Meniskusschäden nicht feststellbar wären. Es zeige sich gerade kein Schadensbild, das bei langjähriger, beruflicher Belastung zu erwarten wäre. Auch der von Klägerseite angeführte § 9 Abs. 3 SGB VII sei im Fall des Klägers nicht anwendbar.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.05.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.05.2022 Berufung eingelegt. Unter Berufung auf das Gutachten von I. vertritt er weiterhin die Auffassung, dass in seinem Fall eine BK 2102 anzuerkennen sei. Aufgrund einer „sklavischen Bindung“ an die üblich angenommene Voraussetzung einer vorzeitigen, das altersübliche Maß übersteigenden, degenerativen Veränderung sei es in seinem Fall zu einer falschen Bewertung der nach Urteil festgestellten Rissbildung des Innenmeniskushinterhornes gekommen. Es sei unstrittig, dass bei dem Kläger ein Meniskusschaden vorläge und dieser seit 2014 rechts mehr als links innenseitige Knieschmerzen verspüre. Aufgrund der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII könne daher dahinstehen, ob sich der Zustand der Kniegelenke von den in der Altersgruppe typischen mittelgradig ausgebildeten Texturstörungen des Meniskusgewebes unterscheide. Wie I. und O. ausgeführt hätten, sei der festgestellte meniskale Umbau der chronischen beruflichen Belastung geschuldet. Da beim Kläger auch ansonsten kein alterstypischer Verschleiß bestünde, könne der Gesamtverschleiß nur auf der einen in Betracht kommenden Ursache der Fliesenlegertätigkeit basieren. Sowohl M. als auch P. berücksichtigten nicht, dass vorliegend ein ansonsten völlig gesunder Patient zu beurteilen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.04.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2016 zu verurteilen, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Ziffer 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Im Berufungsverfahren begehrt der Kläger allein die Verpflichtung der Beklagten, das Vorliegen einer BK 2102 bei dem Kläger anzuerkennen. Diese Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 56 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit der Kläger ursprünglich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auch die Gewährung nicht näher genannter Leistungen aufgrund der – seiner Auffassung nach bestehenden – BK 2102 begehrt hat, verfolgt er diesen Klageantrag im Berufungsverfahren nicht weiter.

Die auf die Anerkennung der BK 2102 gerichtete Klage hat das Sozialgericht zu Recht abgewiesen, da sie nicht begründet ist. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 05.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2016 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung einer BK 2102 bei dem Kläger abgelehnt, da die medizinischen Voraussetzungen der BK 2102 nicht gegeben sind. Der Kläger hat dementsprechend keinen Anspruch auf Feststellung dieser Berufskrankheit gegen die Beklagte.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der Anlage 1 zur BKV sind unter Nr. 2102 „Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“ als Berufskrankheit aufgeführt.

Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben. Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 9 m.w.N., stRspr).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK 2102 nicht vor. Es lässt sich bereits nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellen, dass bei dem Kläger eine Krankheit im Sinne der BK 2102 gegeben ist.

Die beim Kläger in den MRT-Untersuchungen festgestellten, als altersentsprechend zu bewertenden Texturstörungen der Menisken stellen keine Erkrankung im Sinne der BK 2102 dar. Der Tatbestand der BK 2102 fordert zwar nach seinem Wortlaut nur allgemein „Meniskusschäden“, jedoch können nur solche Meniskusschäden unter die BK 2102 subsumiert werden, die nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auch als Krankheit im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII zu bewerten sind (BSG, Urteil vom 27.06.2017 – B 2 U 17/15 R –, juris Rn. 21). Gesetz- und Verordnungsgeber haben den im Recht der Berufskrankheiten vorausgesetzten Krankheitsbegriff nicht näher festgelegt, sondern von einer Definition abgesehen, weil der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt ständige Änderungen dessen bewirkt, was als "Krankheit" erkannt werden kann. Dabei ist der Krankheitsbegriff auch im Recht der Berufskrankheiten als regelwidriger bzw. von der Norm abweichender Körper- oder Geisteszustand zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2017 – B 2 U 17/15 R –, juris Rn. 22 m.w.N.).

Nach dem vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) veröffentlichten Merkblatt zur BK 2102 (BArbBl. 2/1990, S. 135), dem zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, welches aber als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranzuziehen ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R -, juris, Rn. 16), sowie der aktuellen wissenschaftlichen Lehrmeinung erfasst die BK 2102 die berufsbedingte, chronische Erkrankung der Menisken bzw. primäre Meniskopathie (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 661). Dabei handelt es sich um durch besondere berufliche Umstände verursachte Aufbruch- und Degenerationserscheinungen mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit des gesamten Meniskussystems, die zu einer erhöhten Rissbereitschaft führen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand: 02.02.2023, M 2102 Anmerkung 2.1). Da nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen jeder Mensch im Laufe seines Lebens besonders im Hinterhornbereich der Menisken Texturstörungen der Meniskusmatrix aufweist, wird als Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit der Beleg deutlich dem Lebensalter vorauseilender Texturstörungen gefordert (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeits- und Berufsunfall, 9. Auflage, S. 663). Demnach ist eine Erkrankung der Menisken im Sinne der BK 2102 nur dann anzunehmen, wenn die bestehende Schädigung der Menisken als dem Lebensalter vorauseilend einzuschätzen ist. Bei einem Befund, der nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung eines natürlichen Verlaufes bei Menschen gleichen Alters oder Geschlechts zu erwarten ist, fehlt es demgegenüber an einem von der Norm abweichenden bzw. regelwidrigen Zustand und damit bereits an einer Krankheit im Sinne der BK 2102. Folglich setzt die Anerkennung einer BK 2102 voraus, dass altersvorauseilende Meniskusschäden vollbeweislich gesichert sind.

Hiervon gehen auch übereinstimmend die Sachverständigen P., M. sowie die Beratungsärztin B. aus. Darüber hinaus bejaht im Grundsatz auch I. das Erfordernis eines dem Lebensalter vorauseilenden Befundes, er weicht nur insoweit von der Auffassung der anderen Sachverständigen ab, als dass er einen entsprechenden Befund beim Kläger für gegeben hält.

Die Annahme, dass ein Meniskusschaden im Sinne der BK 2102 altersvorauseilende Schädigungen voraussetzt, steht auch nicht im Widerspruch zu der vom Kläger zitierten Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 29.06.2012 (L 8 U 384/09, juris, Rn. 38). In dieser Entscheidung wurde bei festgestellten altersvorauseilenden Meniskusschäden die Auffassung vertreten, dass die Anerkennung einer BK 2102 nicht verlange, dass diese Meniskusschäden zu klinischen Beschwerden führten. Unabhängig von der Frage, ob diese Auffassung im Hinblick auf den funktionellen Krankheitsbegriff zutreffend ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R –, juris, Rn. 22), hat das LSG Baden-Württemberg das Erfordernis der altersvorauseilenden Meniskusschäden als Voraussetzung einer BK 2102 nicht verneint, sondern vielmehr angenommen.

Bei dem Kläger besteht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein dem Lebensalter vorauseilender Meniskusschaden. Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob für den Nachweis einer Meniskopathie die kernspintomographische Untersuchung alleine nicht ausreichend ist und der Nachweis einer chronischen Meniskuserkrankung im Sinne der BK 2102 auch eines mikroskopischen Befundes bedarf (so Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 663). Weiterhin kann dahingestellt bleiben, ob die BK 2102 als beidseitige Erkrankung aufzufassen ist, wie dies von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Auftrag des Sachverständigenbeirates empfohlen wurde (vgl. Bolm-Audorff, Braunschweig, Grosser, Schiltenwolf, Das Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheit 2102 Meniskopathie, in: Der Orthopäde, veröffentlicht online 08.05.2020). Auch wenn davon ausgegangen wird, dass sich eine Meniskuserkrankung im Sinne der BK 2102 allein anhand von Kernspintomographiebefunden belegen lässt und beidseitige Veränderungen der Menisken beim Kläger bestehen, lässt sich jedoch für keines der beiden Kniegelenke des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein altersvorauseilender Meniskusschaden feststellen. Dabei ist nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung sowie in Übereinstimmung mit den Sachverständigen P. und M. davon auszugehen, dass ab dem 61. Lebensjahr altersbedingt mittelgradige Meniskusschäden zu erwarten sind (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 664) und ein altersvorauseilender Befund somit einen höhergradigen Schaden voraussetzt.  Aus den Befunden der kernspintomographischen Untersuchungen vom 16. und 17.09.2015 ergeben sich nach übereinstimmender Auffassung der Sachverständigen O., P. und M. jedoch keine höhergradigen Schädigungen der Menisken. Insbesondere ist keine die Meniskusoberfläche erreichende Läsion bzw. vollständige Zusammenhangstrennung festzustellen, die nach der Klassifikation nach Stoller et. al als III-gradige Schädigung zu bewerten wäre (Zur Klassifiikation von Meniskusschäden vgl. auch Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 655). Der Sachverständige O. sieht auf den Bildern der MRT-Untersuchungen im rechten Kniegelenk einen zentral regressiven Umbau des Meniskushinterhorns und wertet dies als diskret frühdegenerative Veränderungen. Ein kompletter Riss zeige sich nicht. Am linken Kniegelenk sieht O. frühe erstgradige Veränderungen im Bereich des Meniskushinterhorns. Insgesamt bestünden kaum degenerative Veränderungen in den unterschiedlichen anatomischen Kompartimenten. M. deutet die maßgeblichen Bildbefunde dahingehend, dass sich in beiden Kniegelenken lineare Signalanhebungen ohne sichere Zeichen einer vollständigen, bis an die Oberfläche reichenden Zusammenhangstrennung zeigten. Auch B. bewertet dies entsprechend, wobei sie die Texturstörung am rechten Knie nach der Klassifikation nach Stoller et. al mit IIb und am linken Knie mit I bewertet. Keiner der Gutachter, auch nicht I., diagnostizieren eine die Oberfläche des Meniskus erreichende Gewebetrennung bzw. höhergradige Verschleißerscheinungen der Menisken. Den Ausführungen von I. ist zu entnehmen, dass auch er nur von einer IIb-gradigen Meniskusveränderung nach der Klassifikation von Stoller et. al ausgeht, was einer linearen Signalintensitätserhöhung ohne Verbindung zur Meniskusoberfläche entspricht. Wie M. und P. überzeugend ausführen, lässt sich aus den Befunden nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein höhergradiger und damit altersvorauseilender Gewebeschaden ableiten. Die MRT-Befunde belegen allenfalls mittelgradige degenerative Veränderungen der Menisken, die für das Alter des Klägers üblich sind und auch in Bevölkerungsgruppen, die keiner entsprechenden beruflichen Belastung der Knie ausgesetzt sind, allein aufgrund des entsprechenden Lebensalters zu erwarten sind.

Auch I. geht offensichtlich davon aus, dass bezogen auf das Alter des Klägers im Regelfall ein altervorauseilender Befund erst bei einer Meniskusschädigung mit Grad III anzunehmen ist, er meint nur im Fall des Klägers ausnahmsweise auch bei einer geringeren Gewebeschädigung diese als altersvorauseilend bewerten zu können. Dies überzeugt jedoch nicht. Die Aussage, dass sich die beim Kläger aus dem MRT ergebenden Befunde, die nach übereinstimmender Auffassung aller Sachverständigen nach Stoller allenfalls als IIb-gradige Veränderung einzustufen sind, im Einzelfall als altersvorauseilend eingeschätzt werden können, lässt sich nicht mit gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang bringen. Soweit I. eine Art „individuelle altersvorauseilende Meniskusschädigung“ konstruiert, ist dies nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht haltbar. Die Argumentation, beim Kläger seien – abgesehen von den Menisken – geringere degenerative Veränderungen als für sein Lebensalter zu erwarten festgestellt worden und daher seien die im Vergleich hierzu festgestellten alterstypischen Veränderungen der Menisken als für den Kläger altersuntypisch zu betrachten, ist weder schlüssig noch lässt sich die Schlussfolgerung auf medizinische Erkenntnisse stützen. Insoweit ist bereits festzuhalten, dass sich im Hinblick auf die Kniegelenke beim Kläger gar nicht gesichert feststellen lässt, dass ausschließlich die Menisken einen alterstypischen Befund aufweisen und im Übrigen ein besserer Zustand besteht. M. und P. bewerten sowohl die Knorpelschäden als auch die Veränderungen der Menisken als alterstypisch. Darüber hinaus entbehrt es jeder wissenschaftlichen Grundlage, aus dem Grad der degenerativen Veränderung eines bestimmten Teiles eines Gelenkes darauf zu schließen, wie sich die Degeneration eines anderen Teiles des Gelenkes bei Wegdenken bestimmter Belastungen entwickelt hätte. Insoweit weist auch M. nachvollziehbar darauf hin, dass aus dem Fehlen altersuntypischer Knorpelschäden im Knie nicht gesichert davon ausgegangen werden kann, dass ohne berufliche Belastung auch die Menisken nur geringere degenerative Veränderungen als alterstypische aufgewiesen hätten und daher der jetzige Zustand als altersuntypisch zu betrachten sei.

Eine chronische Erkrankung der Menisken im Sinne der BK 2102 lässt sich auch nicht aus den Beschwerden des Klägers ableiten. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass weder P. noch M. relevante Funktionseinschränkungen oder Hinweise auf eine beschwerdebedingte Schonung dokumentiert haben. Darüber hinaus weist P. nachvollziehbar darauf hin, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden als auch die Ergebnisse der bei ihm durchgeführten klinischen Untersuchung im Hinblick auf eine Meniskuserkrankung wenig aussagekräftig sind und die sogenannten Meniskuszeichen insgesamt nur eine geringe Korrelation mit einem strukturellen Meniskusschaden aufweisen. Soweit I. Schmerzen und Funktionseinschränkungen des Klägers beim Aufstehen und Treppensteigen beschreibt und diese als über das normale Maß der nicht beruflich belasteten Bevölkerung hinausgehend bewertet, begründet er bereits nicht, aus welchen Gründen dies seine Ursache in einer Meniskuserkrankung haben soll. Wie P. insoweit überzeugend darlegt, lässt sich aus den nur unspezifischen Beschwerden nicht auf eine Meniskuserkrankung schließen. Hinzu kommt, dass sich im MRT gerade keine höhergradige Gewebeschädigung gezeigt hat, sondern vielmehr ein Befund, der im Regelfall als nicht krankheitsrelevant eingeschätzt wird und häufig asymptomatisch verläuft (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 655). Insoweit bestehen in Übereinstimmung mit P. erhebliche Zweifel, dass die geklagten Beschwerden auf eine Gewebeschädigung der Menisken zurückzuführen sind, so dass sich auch anhand der klinischen Symptomatik eine altersvorauseilende Erkrankung der Menisken nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis sichern lässt.

Im Übrigen sind die medizinischen Voraussetzungen der BK 2102 auch dann zu verneinen, wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, die bei ihm bildmorphologisch festgestellten Texturstörungen der Menisken seien als „Krankheit“ im Sinne der BK 2102 aufzufassen. In diesem Fall fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen den beruflich bedingten Einwirkungen und den festgestellten Veränderungen der Menisken.

Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhanges gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Ursachen im naturwissenschaftlich-kausalen Sinne fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: eingehend BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, Rn. 37 f sowie BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 - SozR 4-2700 § 11 Nr 1, Rn. 28 ff). Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen und einer Krankheit ist dabei gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R –, juris Rn. 34, m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers Ursache der festgestellten Veränderungen der Menisken ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen P. und M.. Wie bereits dargelegt, lassen sich beim Kläger keine altersvorauseilenden Gewebeschädigungen der Menisken vollbeweislich sichern. Es ist vielmehr von einem altersentsprechenden Befund auszugehen, der auch in der nicht beruflich belasteten Bevölkerungsgruppe gleichen Alters zu erwarten ist. Wie in dem vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat des BMAS veröffentlichten Merkblatt zur BK 2102 (BArbBl. 2/1990, S. 135) ausgeführt, tritt eine beruflich bedingte Meniskopathie früher als in der beruflich nicht belasteten Bevölkerung auf. Ein belastungskonformes Schadensbild setzt somit dem Lebensalter deutlich vorauseilende Texturstörungen voraus (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand: 02.02.2023, M 2102 Anmerkung 2.1). Die Tatsache, dass sich beim Kläger trotz der langjährigen Tätigkeit von ca. 46 Jahren kein altersvorauseilender Meniskusschaden mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt, spricht somit schwerwiegend gegen einen beruflichen Zusammenhang. Soweit I. im Hinblick auf die berufliche Verursachung auf die langjährige Kniebelastung hinweist, führt dies nicht weiter, da dies die arbeitstechnischen Voraussetzungen betrifft, allein daraus sich aber kein Ursachenzusammenhang ableiten lässt. Auch die nicht begründete Behauptung des Radiologen O., die von ihm unter Auswertung der MRTs erhobenen Befunde seien berufsbedingt, entbehrt jeglicher Begründung. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus einem Bildbefund zu einer degenerativen Veränderung nicht auf eine Ursache schließen lässt, ist dies als reine Vermutung zu werten.

Ein Ursachenzusammenhang ist auch nicht aufgrund der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII anzunehmen. Diese Beweiserleichterung ist nur für solche Fälle gedacht, in denen jegliche Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit ausscheiden (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2007- B 2 U 15/05 R-, juris, Rn. 26). Da die beim Kläger festzustellenden degenerativen Veränderungen im Kniegelenk denen entsprechen, die auch in der Bevölkerungsgruppe entsprechenden Alters ohne gesonderte berufliche Belastungen anzutreffen sind, ergeben sich bereits daraus hinreichende Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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