S 12 SO 50/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 50/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 182/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 25/23 AR
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erststatten.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist mit der vom Kläger am 24. Mai 2019 erhobenen Klage insgesamt eine höhere Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs – Sozialhilfe (SGB XII) streitig.

Der 1962 geborene Kläger steht seit Jahren beim Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wobei an Einkünften allein seine Rente zur Anrechnung gelangt, die er von der Deutschen Rentenversicherung bezieht. Der Kläger ist schließlich aktuell mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 schwerbehindert und verfügt über das Merkzeichen "G", wobei dem ein Bescheid des Versorgungsamtes vom 14. September 2020 zugrunde liegt. Zuvor war mindestens seit Juni 2012 allein ein GdB von 50 festgestellt. Im Vorfeld der vorliegenden Klageerhebung waren dem Kläger seitens des Beklagten schließlich mit Bescheid vom 25. April 2018 für den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 Leistungen nach dem 4. Kapitel unter Anerkennung des auf den Kläger entfallenden Anteils seiner Mietkosten als angemessenen Mietkosten ab Juli 2018 monatlich 385,06 € bewilligt worden, wobei als Einkommen auf den sozialhilferechtlichen Bedarf allein sein Renteneinkommen, gemindert um seine Hausrat- und Haftpflichtversicherungsbeiträge, zur Anrechnung gelangt war. Widerspruch war gegen den vorgenannten Bescheid nicht eingelegt worden. Mit Änderungsbescheid vom 8. April 2019 war seitens des Beklagten gegenüber dem Kläger dann im vorgenannten Leistungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 eine Neufestsetzung der Leistungsgewährung für die Restlaufzeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 erfolgt. Insoweit waren dem Kläger für 1/2019 bis 6/2019 monatlich jetzt 314,72 € bewilligt worden, womit einerseits der Regelbedarfserhöhung ab Januar 2019 Rechnung getragen worden war und andererseits einer um die o. a. Versicherungsbeiträge bereinigten Rentenanpassung ab Januar 2019 auf jetzt 320,39 € monatlich. Die Kosten der Unterkunft waren dabei weiterhin als insgesamt angemessen anerkannt worden, jedoch um 67,70 € monatlich gemindert worden, nachdem seitens des Klägers gegenüber dem Vermieter ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und auch umgesetzt worden war.

Gegen den vorgenannten Äderungsbescheid vom 8. April 2019 legte der Kläger dann am 10. April 2019 Widerspruch ein, wobei er unter gleichzeitiger Stellung eines Überprüfungsantrages nach § 44 Sozialgesetzbuch-Verwaltungsverfahren (SGB X) eine insgesamt höhere Leistungsgewährung nach dem SGB XII geltend machte. Dies für die Zeit ab Rentenbeginn und insoweit ab dem 1. April 2014 in Höhe von monatlich 212,00 €, was für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. April 2019 (= 61 Monate) zu einem zu verzinsenden Nachzahlungsanspruch in Höhe von 12.720,00 € (Rechenfehler = 12.932,00 €) führe. In Höhe der vorgenannten monatlich 212,00 € sei ihm insoweit aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Freibetrag auf seine Rente zuzubilligen, was zu einem in der vorgenannten Höhe niedrigeren anrechenbaren Renteneinkommen führe. Ab Mai 2019 sei der Freibetrag dann laufend zu gewähren. Auch der Regelbedarf sei schließlich grundgesetzwidrig zu niedrig bemessen, was der Kläger jeweils ausführlich weiter begründete.

Mit ebenfalls ausführlicher Begründung trat der Beklagte dem vorgenannten Begehren des Klägers mit zunächst allein erläuterndem Schreiben vom 20. Mai 2019 entgegen, worauf der Kläger am 23. Mai 2019 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben, mit der er sein Widerspruchsbegehren weiterverfolgt.

Hierauf hat der Beklagte seinerseits zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2019 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. April 2019 unter ausführlicher Darlegung auch der seiner Auffassung nach insoweit einschlägigen sowohl sozialgerichtlichen als auch verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als unbegründet zurückgewiesen. 

Insoweit ist der Beklagte dann auch der Klageerhebung selbst entgegengetreten. Die Vollanrechnung der klägerischen Erwerbsminderungsrente lasse keinen Grundrechtsverstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) erkennen. Eine grundrechtswidrige Benachteiligung des Klägers als Bezieher einer Erwerbsminderungsrente gegenüber Beziehern von freibetragsbegünstigten Privat- und Betriebsrenten liege nicht vor, da zwischen beiden Fallgruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie eine ungleiche Behandlung durch den Gesetzgeber sachlich rechtfertigten. Dabei sei anzumerken, dass die vom Kläger gesehene Benachteiligung ohnehin frühestens ab dem 1. Januar 2018 und nicht ab Bezugsbeginn seiner Erwerbsminderungsrente zum 1. April 2014 eingetreten wäre, da die betreffenden Freibeträge in § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII erst mit Wirkung zum 1. Januar 2018 mit dem Betriebsrentengesetz neu eingeführt worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoße die Ausgestaltung des § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII jedoch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Ein solcher Vorwurf werde im Übrigen auch nicht in der von ihm in Bezug genommenen Pressemitteilung des VdK erhoben. Die Freibetragsbegünstigung für Bezieher einer freiwilligen zusätzlichen Altersvorsorge aufgrund des eigeninitiativen, zusätzlichen Charakters dieser Altersvorsorge zur Reduzierung drohender Versorgungslücken im Alter sei sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung zwischen freibetragsbegünstigten Privat- und Betriebsrenten und nichtbegünstigten gesetzlichen Renten in § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII beruhe auf der einleuchtenden und sachlich vertretbaren Zielsetzung des Gesetzgebers, hiermit auch bei Geringverdienern einen Anreiz zu setzen, eine freiwillige zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben, und insgesamt eine höhere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bei Geringverdienern zu erreichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei der Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung insoweit gerade geschaffen worden, um ein gesamtgesellschaftliches Signal zu setzen, dass sich freiwillige Altersvorsorge in jedem Fall lohne. Aus diesen Erwägungen und Zielen des Gesetzgebers heraus sei die unterschiedliche Behandlung von Beziehern gesetzlicher Rente gegenüber Beziehern freiwilliger zusätzlicher Altersvorsorge in § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII sachlich gerechtfertigt. Da die Einräumung des Freibetrags die Förderung eigeninitiativer, zusätzlicher Altersvorsorge bezwecke, bestehe kein Sachgrund, diese Freibetragsförderung auch gesetzlichen Rentenbeziehern zu gewähren. Die Regelung sei insoweit mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Da § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII keine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung erkennen lasse, entbehre die Klage bereits in ihrer Grundannahme, ausweislich derer der Beklagte seine Beratungspflicht nach den §§ 14 ff. Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) unterlassen haben solle, jeder Grundlage. Im Übrigen dürfte hier dann aber auch der Zivilrechtsweg gegeben sein. Soweit der Kläger überdies die Höhe der Regelleistungsbemessung des Bundesgesetzgebers im SGB XII als nicht realitätsnah bemängele und sinngemäß die Regelbedarfsermittlung bzw. Regelbedarfsstufen und deren Fortschreibung nach den §§ 28, 28 a SGB XII als nicht verfassungskonform erachte, griffen auch diese Bedenken aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen nicht durch. Im Übrigen sei die Bestimmung der ermittelten Regelbedarfe für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 auf der Grundlage des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) auch mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums lägen nicht vor.

Mit Schreiben des Kammervorsitzenden vom 19. September 2019, dem Beklagten zugestellt am selben Tag, dem Kläger am 25. September 2019, sind die Beteiligten hierauf darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung ohne ehrenamtliche Richter zu entscheiden, wobei den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung des vorgenannten Schreibens gegeben worden ist. Der Beklagte hat sich hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt. Der Kläger hat mit Eingang am 27. September 2019 weiter zur Sache Stellung genommen und an einer vorherigen Entscheidung seines Prozesskostenhilfeantrages festgehalten. Hierauf hat die Kammer den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 abgelehnt. Das Hessische Landessozialgericht hat die hiergegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 5. Mai 2020 zurückgewiesen. Anschließend hat sich der Kläger nicht weiter geäußert.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), 

den Bescheid vom 8. April 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger

1.    im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf der Grundlage eines verfassungsgemäßen höheren allgemeinen monatlichen Regelbedarfs und der zusätzlichen Berücksichtigung eines Rentenfreibetrages von 212,00 € monatlich zu gewähren und

2.    an Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2018 (= 57 Monate) weitere monatlich 212,00 € und mithin insgesamt 12.084,00 € nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte insgesamt; ebenso wird Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, dessen wesentlicher, den vorliegenden Rechtsstreit betreffender Inhalt gleichfalls Gegenstand der getroffenen Entscheidung war.


Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid im Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt darüber hinaus, so wie dies für die Entscheidung auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten in der vorliegenden Fallgestaltung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die Klage ist allein insoweit zulässig, als sie sich konkret gegen die Höhe der Leistungsgewährung vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 und danach den Bescheid vom 8. April 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2019 richtet. Insoweit ist die Klage auch insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden, §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Im Übrigen und danach hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Überprüfung der Leistungsgewährung für Zeiträume vor dem 1. Januar 2019 ist die Klage jedoch unzulässig, nachdem es insoweit nicht nur an einem abgeschlossenen Vorverfahren fehlt, sondern bereits an der Erteilung eines Überprüfungsbescheides nach § 44 SGB X selbst. Nur wenn aber letzteres der Fall gewesen wäre, wäre der Rechtsstreit entsprechend auszusetzen gewesen. Dies gilt auch insoweit als der Kläger seinen Überprüfungsantrag nicht nur auf eine fehlerhafte Beratung durch den Beklagten stützt, also einen Herstellungsanspruch, sondern zusätzlich auf eine mögliche, auf dieser fehlerhaften Beratung beruhenden Amtshaftung, auch wenn ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensationsleistung in Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet ist, dh auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Hier wäre jedoch beides deckungsgleich, da auch der "Schaden" bzw. dessen Kompensation hier in der Nachzahlung höherer SGB XII-Leistungen bestünde und eine Abtrennung und Verweisung damit schon aus diesem Grunde nicht in Betracht kam.

Soweit die Klage zulässig ist, ist die Klage jedoch nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger stehen für den insoweit streitgegenständlichen Zeitraum keine höheren Leistungen nach dem SGB XII zu. Dabei folgt die Kammer den Ausführungen des beklagten insbesondere im angefochtenen Widerspruchsbescheid, dann aber auch denen im vorliegenden Klageverfahren, macht sich diese Ausführungen zu eigen und sieht von einer weiteren ausführlicheren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 SGG ab. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Darlegungen des Hessischen Landessozialgerichts im o.a. Beschluss vom 5. Mai 2020, das u.a. ausführt:

"Soweit das Begehren des Klägers im Sinne einer höheren Leistungsgewährung auszulegen ist, fehlt es für die Berücksichtigung eines von dem Kläger begehrten Freibetrages bei der leistungsmindernden Anrechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung in Bezug auf die ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen an einer rechtlichen Grundlage. Zum Einkommen, das auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung anzurechnen ist, gehören nach § 82 Abs. 1 Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Gemäß § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII (eingeführt durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, BGBI. I, S. 3214) gilt seit dem 1. Januar 2018 ein besonderer Freibetrag für Einkünfte aus einer zusätzlichen Altersvorsorge. Hierzu gehört die von dem Kläger bezogene Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht. Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge in diesem Sinne ist jedes monatlich bis zum Lebensende ausgezahlte Einkommen, auf das der Leistungsberechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage Ansprüche erworben hat und das dazu bestimmt und geeignet ist, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten gegenüber möglichen Ansprüchen aus obligatorischen Alterssicherungssystemen (Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus der Alterssicherung für Landwirte, aus beamtenrechtlicher Versorgung und aus berufsständischen Versorgungswerken) zu verbessern. Solchen Einnahmen gleichgestellt (§ 82 Abs. 5 Satz 2 SGB XII) sind laufende Zahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung i.S. des Betriebsrentengesetzes und den nach §§ 5, 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten Altersvorsorgeverträgen („Riester-Renten“) bzw. Basisrentenverträgen.

Die zum 1. Januar 2018 neu eingefügte Regelung, dass bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei einem Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge und nicht auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung des Leistungsberechtigten ein Freibetrag abzusetzen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (Bundesverfassungsgericht, ständige Rechtsprechung; vgl. Beschluss vom 11. Juli 2006, 1 BVR 293/05, Rdnr. 41 zitiert nach juris). Dementsprechend ist eine vollständige Gleichbehandlung von Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge mit Einkommen aus Renten wegen Erwerbsminderung bei der Einkommensanrechnung verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr ist wesentlich, dass die Einkommen aus Renten wegen Erwerbsminderung einerseits und die Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge andererseits unterschiedliche Risikobereiche betreffen bzw. abdecken. So fügt sich der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in das System sozialer Entgeltersatzleistungen bei Verlust des Leistungsvermögens aus gesundheitlichen Gründen ein, eine zusätzliche Altersvorsorge betrifft die finanzielle Absicherung im Alter. Dementsprechend steht es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, diese verschiedenen Einkommensarten auch bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich zu behandeln. Der Freibetrag für Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge soll insoweit nach der Auffassung des Gesetzgebers die freiwillige Altersvorsorge honorieren und insbesondere bereits bestehende Anreize zur staatlich geförderten Vorsorge sichern (vgl. insoweit BR-Drs. 780/16, S. 44; BT-Drs. 18/11286, S. 48).

Die Regelbedarfe nach dem SGB XII, insbesondere für 2019 bzw. 2020 und auch für die von dem Kläger geltend gemachten früheren Zeiträume, stehen auf der Basis des aktuellen Kenntnisstandes des Senats mit den Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich in Einklang (Vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Regelbedarfen ausführlich auch: Beschlüsse des Senats vom 9. Oktober 2017, L 4 SO 166/17 B; vom 28. Mai 2019, L 4 SO 205/18 und vom 15. August 2019, L 4 SO 120/19 B). Zudem nimmt der Kläger lediglich pauschal auf Regelbedarfe Rückgriff, die „tatsächlich absichtlich und „ins Blaue hinein“ zu niedrig festgesetzt worden seien“, ohne konkret und individualisiert die Gefahr einer Unterdeckung aufzuzeigen."

Alledem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an, so dass dem Kläger unter keinerlei Gesichtspunkt, soweit die Klage zulässig ist, für den streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019, höhere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII zustehen. Auch nicht auf der Grundlage ggfs. weiterer Berechnungsfehler, die seitens der Kammer nicht erkennbar waren.

Die Klage war somit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.

Der gesonderten Entscheidung über eine Zulassung der Berufung bedurfte es nicht, nachdem einerseits der Beschwerdewert 750 Euro übersteigt, andererseits aber auch Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind.
 

Rechtskraft
Aus
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