L 21 U 150/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 119/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 U 150/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

hat der 21. Senat des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ohne mündliche Verhandlung am 9. August 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. Hintz, den Richter am Landessozialgericht Dr. Gädeke, die Richterin am Landessozialgericht Dr. Werner und die ehrenamtliche Richterin Jeche-Schendel sowie die ehrenamtliche Richterin Wagemann für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

            Kosten sind für das gesamt Verfahren nicht zu erstatten.

 

            Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

 

Tatbestand

 

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Kniebeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 (kurz: BK 2102) der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten – anzuerkennen sind.

Der im Jahr 1956 geborene Kläger war in seinem Berufsleben bei verschiedenen Arbeitgebern (vergl. Aufstellung des Beklagten Bl. 66 VA) in verschiedenen Tätigkeitsbereichen beschäftigt, zunächst von Mai 1973 bis Oktober 1974 als Lagerarbeiter in zwei Speditionen, von Oktober 1974 bis Ende 1988 in mehreren Firmen als Fernfahrer und ab 01. Februar 1989 durchgehend bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben in verschiedenen Beschäftigungen tätig. Vom 01. Februar 1989 bis 10. Juni 1990 war er zunächst Kraftfahrer, anschließend bis Ende Januar 1992 Handreiniger. Ab Februar 1992 bis Ende Oktober 1992 Müllwerker, von November 1992 bis 25. Februar 1996 wiederum Kraftfahrer und anschließend bis 17. April 2011 erneut Müllwerker und schließlich Mitarbeiter auf einem Recyclinghof.

Am 5. Juli 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit, da er nach mehreren Operationen an beiden Knien und einer Bandscheiben-OP diese auf die erhebliche körperliche Belastung im Beruf zurückführe. Zu seiner Tätigkeit als Müllwerker in Berlin führte er aus, dass er bei jeder Witterung die 120 Liter bzw. 240 Liter fassenden, bis ca. 70 kg schweren Müllgefäße bis zum 200 m entfernten Müllwagen habe bringen müssen. Die zu laufende Strecke betrage bis zu 20 km, die Hälfte davon mit vollen Mülltonnen. Viele Standorte der Müllbehälter seien nur durch Keller und/oder über Stufen erreichbar gewesen seien. Eine Tour bestehe aus drei Kollegen, inklusive Wagenfahrer, und habe im Durchschnitt 300 Ladestellen mit 400-450 Behältern zu bedienen gehabt. Nachdem er längere Zeit als Müllwerker tätig gewesen sei, sei er tatsächlich öfters auf den Tritt des Müllfahrzeugs auf- bzw. abgestiegen, während das Fahrzeug noch in Bewegung gewesen sei; hierdurch sei es zu Scherbewegungen im Kniegelenk gekommen. Während der vorangegangenen Tätigkeit als Fernfahrer habe er schließlich auch Be- und Entladetätigkeiten zu erledigen gehabt. Die Beschwerden im Bereich der Kniegelenke würden, so der Kläger, wiederkehrend seit 1998 auftreten. Er legte mehrere medizinische Befundunterlagen vor: Unter anderem wird im OP-Bericht vom 10. Dezember 1998 zur Arthroskopie des linken Kniegelenkes vom 08. Dezember 1998 als OP-Diagnose ein Hinterhorneinriss Innenmeniskus links sowie eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes links 60 % angegeben. In dem weiterhin vorgelegten MRT-Befund des rechten Kniegelenkes vom 23. Mai 2000 wurde im Wesentlichen ein ausgedehnter Riss des Außenminiskus im Bereich des Hinterhorns entsprechend einem Korbhenkellängsriss und ein Riss am Außenminiskusvorderhorn, eine deutliche zentrale Degeneration des degenerativ abgeflachten Innenmeniskushinterhorns, Zeichen einer mäßigen Gonarthrose, Reizerguss u.a. befundet. Der OP-Bericht zu der am 09. Juni 2000 durchgeführten Arthroskopie des rechten Kniegelenkes vom selben Tage benennt als OP-Diagnosen einen Zustand nach subtotaler  Meniskektomie rechts, Chondromalazie Knie Grad III, Femurkondylus und Tibiaplateau. Es folgten der MRT-Befund des linken Kniegelenks vom 15. Januar 2003, der OP-Bericht zur Arthroskopie des linken Kniegelenks vom 07. Februar 2003, der OP-Bericht zur Arthroskopie des linken Kniegelenks (vordere Kreuzbandplastik am 10. März 2003, der MRT-Befund des rechten Kniegelenks vom 22. Februar 2010 sowie  der OP-Bericht vom 30. Juni 2010 zur Knie-Totalendoprothese (TEP) rechts.

Die Beklagte holte von der Berliner Stadtreinigung (erstellt vom Facharzt für Arbeitsmedizin M) die Auskunft vom 07. März 2013 zum Umfang der wirbelsäulen- bzw. kniebelastenden Tätigkeiten des Klägers sowie vom 23. Januar 2013 zu seinen Beschäftigungsbereichen ein.

Weiterhin veranlasste sie für die Tätigkeit des Klägers als Fernfahrer die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition im Rahmen der BK Nr. 2102 durch die dafür zuständige Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) vom 06. November 2013. Diese ergab für den Tätigkeitszeitraum vom 15. September 1977 bis 22. Juli 1984, dass der Kläger als Kraftfahrer und Beifahrer im Fernverkehr hauptsächlich die Sitzposition (ca. 600 Minuten pro Tag) eingenommen habe. Bei Wartungs-, Kontroll- und Ladungssicherungsarbeiten habe er pro Tag ca. 10 Minuten im Hocken, 30 Minuten im Fersensitz, 20 Minuten im Knien mit abgestütztem Oberkörper und 20 Minuten im Knien ohne abgestützten Oberkörper sowie 10 Minuten im Kriechen verbracht. Gefährdende Belastungen im Sinne der BK 2102 würden sich daraus nicht ergeben.

In der Stellungnahme der BG Verkehr vom selben Tage zur Arbeitsplatzexposition hinsichtlich der BK Nr. 2112 wird eine kumulative Belastungsdosis des Versicherten hinsichtlich der kniebelastende Tätigkeiten von ca. 1992 Stunden bei einer durchschnittlichen Dauer pro Schicht von ca. 1,5 Stunden angegeben. Damit habe die Tätigkeit des Versicherten zwar eine gefährdende Belastung im Sinne einer Kniegelenkserkrankung (Gonarthrose) beinhaltet, jedoch sei die geforderte Lebensbelastungsdosis von mindestens 13.000 Stunden in den untersuchten Beschäftigungszeiträumen nicht erreicht.

Für den weiteren Beschäftigungszeitraum bei der Berliner Stadtreinigung ab Februar 1989 geht aus der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition der Beklagten zur BK 2102 vom 27. November 2013 hervor, dass der Kläger in seinen Tätigkeiten als Kraftfahrer, Handreiniger, Müllwerker und zuletzt Recyclinghofarbeiter eingesetzt war. Die Prüfung erfolgte aufgrund eines persönlichen Gespräches mit dem Kläger sowie weiterer Gespräche mit den Betriebsärzten, betrieblichen Vertretern (Einsatzleiter, Schwerbehindertenvertreter, Personalrat, Aufsichtsperson) und Erfahrungen anderer Berufsgenossenschaften (BG Verkehr). Hierin äußerte sich die Präventionsabteilung der Beklagten auch zu den vom Kläger als besonders belastend angegebenen Tätigkeiten, bei denen die Behälter aus Kellerräumen die Treppe hinauf und wieder hinuntertransportiert werden mussten und zur Angabe des Klägers, dass er doch des Öfteren vom noch in Bewegung befindlichen Fahrzeug abgestiegen/abgesprungen sei. Die Tätigkeit sei - insgesamt bewertet - hinsichtlich der Bewegungsabläufe zwar körperlich schwer aber dennoch abwechslungsreich. Bewegungsabläufe könnten trotz hoher Vorgaben und körperlicher Schwerarbeit koordiniert und kontrolliert ablaufen. Sie könnten selbstbestimmt und ohne Gefährdung des Arbeitserfolges geändert werden. Die Gehwege und Straßen in Berlin seien in der Regel gut begehbar (abgesehen von wenigen Tagen in den Wintermonaten) und nicht vergleichbar mit den Bedingungen eines Rangierers (Schotter) oder den unebenen Wegen im Gebirge (Bergführer). Sie könnten nicht als grob unebene Unterlage bezeichnet werden, genauso wie der Boden auf Baustellen kein grob unebener Untergrund im Sinne der BK 2102 sei. Lange Laufwege seien für die Menisken nicht unphysiologisch. Auch das gelegentliche Absteigen vom Tritt des noch in Bewegung befindlichen Entsorgungsfahrzeuges nehme keinen täglichen Umfang von einer Stunde ein. Diese Einschätzung sei mit Experten der DGUV und der BG Verkehr besprochen und fachlich von diesen bestätigt worden. Insbesondere die BG Verkehr habe einen großen Erfahrungsschatz bezüglich der Belastung von Müllwerkern, weil in vielen anderen Bundesländern die Abfallwirtschaft bei der BG-Verkehr versichert sei. Insgesamt hätten die Recherchen ergeben, dass der Kläger im Rahmen einer Tätigkeit als Müllwerker nach heutigem Stand des Wissens nicht in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung einer Belastung der Kniegelenke ausgesetzt gewesen sei. Es ergebe sich insgesamt hieraus keine gefährdende Belastung im Sinne der BKen Nr. 2102 bzw. Nr. 2112, da es an ausreichenden Dauerzwangshaltungen bzw. reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen fehle.

Nach dem auch der Gewerbearzt die Anerkennung einer BK 2102/2112 in seiner Stellungnahme vom 09. Dezember 2014 nicht empfahl, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2015 unter Berufung hierauf ab, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 bzw. Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und ihm deshalb Leistungen zu gewähren.

Seinen hiergegen am 28. April 2015 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass seine Tätigkeit als Müllwerker durch ständiges Aufspringen und Herabspringen vom Müllwagen gekennzeichnet gewesen sei, so dass von häufig wiederkehrenden Belastungen der Knie mit Scherbewegungen vergleichbar einem Rangierarbeiter bzw. einem Berufssportler auszugehen sei. Häufig sei unebenes Kopfsteinpflaster oder abgenutzter und ausbesserungsbedürftiger Straßenbelag vorhanden. Zu berücksichtigen seien auch der Randstreifen, die Bordsteinkante sowie Straßenschachtabdeckungen, über die ein Müllfahrer leicht stolpern könne. Zudem seien die Arbeiten häufig unter großem Zeitdruck ausgeführt worden, sodass von schnellen, unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen auszugehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der Argumentation der Ausgangsentscheidung zurück.

Bild entfernt.Mit der am 23. März 2016 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und zur Begründung insbesondere auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 07. Mai 2012 - L 9 U 21 1/09 – (juris) verwiesen, wonach die Tätigkeit eines Müllladers sowohl Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Ballsportlers im Hochleistungssport als auch Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Rangierers enthalte und insgesamt mit einer vergleichbaren Belastungssituation betreffend eine BK Nr. 2102 verbunden sei. Das Versorgungsamt habe ihm mit Bescheid vom 14. Januar 2011 einen Grad der Behinderung von 40 aufgrund einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit aufgrund des Bandscheibenvorfalls und der Knie-TEP rechts gewährt. Der Kläger hat diverse medizinische Unterlagen und Gutachten vorgelegt.

Der Kläger hat erstinstanzlich schriftlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 zu verpflichten, bei ihm Berufskrankheiten nach Nr. 2102 bzw. Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und entsprechend Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Insbesondere träten bei Müllwerkern keine regelmäßigen Start-Stopp-Bewegungen oder schnelle Richtungswechsel auf.

Nach dem gerichtlichen Hinweis vom 14. Juni 2016 hat die Beklagte die ergänzende Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 11. August 2016 vorgelegt, mit der sie bei ihrer Einschätzung aus den Stellungnahmen vom 25. November und 16. Oktober 2013 blieb und ergänzend ausgeführt hat, dass auch das gelegentliche Springen vom Müllsammelfahrzeug auf B Straßen und Wege nicht das Kriterium einer häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchung (dynamische Belastung) bei ungünstiger Gelenkstellung auf grob unebener Unterlage bezüglich der Menisken erfülle und bei der Tätigkeit des Müllwerker im Gegensatz zu Berufssportlern keine regelmäßigen „Start-Stopp“-Bewegungen aufträten, es sich auch nicht um reflektorisch unkoordinierte Bewegungsabläufe mit hoher Dynamik wie bei Berufsfußballspielern handele, wenn Müllbehälter über Straßen und Kellerabgänge zu bewegen seien.  Entgegen der Rechtsprechung des LSG Hessen sei die Beklagte nicht der Ansicht, dass die Tätigkeit des Müllladers mit der eines Fußball-, Handball- oder Basketballspielers im Profi- und Hochleistungssport oder den spezifischen kniebelastenden Elementen bei der Tätigkeit eines Rangierers vergleichbar sei. Zum Bescheid vom 12. Februar 2015 sei hinsichtlich der Ablehnung der Berufskrankheiten der Nrn. 2108 und 2110 das Klageverfahren beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 67 U 120/16 anhängig.

Das SG hat zunächst die Verwaltungsakte des Versorgungsamtes sowie das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von dessen Krankenkasse beigezogen. Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholung des vom Facharzt für Unfallchirurgie Dr. J (sowie der Fachärztin für Orthopädie A S) am 20. Oktober 2018 erstellten orthopädische-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens. Dr. J stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18. April 2018 den Zustand nach Implantation einer Totalendoprothese des rechten Kniegelenkes am 30. Juni 2010 bei vorbestehender Gonarthrose, eine Gonarthrose des linken Kniegelenkes II. Grades nach Kellgren und den Zustand nach mehrfachen Arthroskopien des linken Kniegelenkes zur Innenmeniskusteilresektion, zuletzt zur vorderen Kreuzbandersatzplastik am 10. März 2003 fest, nebenbefundlich ein Lumbalsyndrom. Die vorliegenden Röntgenaufnahmen des linken Kniegelenkes aus dem Jahr 2003 würden nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gonarthrose als beruflich bedingte Erkrankung erfüllen. Die Auswertung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2009 zum rechten Kniegelenk hätten eine Gonarthrose II. Grades ergeben, welche die radiologisch geforderten Kriterien teilweise erfülle. Unter Berücksichtigung der unzureichenden beruflichen Expositionsdauer sei jedoch eine beruflich bedingte Genese nicht hinreichend wahrscheinlich. Hinsichtlich der Menisken gehe aus den Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition hervor, dass der Kläger retrospektiv keine Tätigkeiten ausgeübt habe, die geeignet gewesen seien, die Menisken, insbesondere im Hinterhornbereich zu belasten.

Mit Urteil vom 25. Juni 2019 hat das Sozialgericht  die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 verpflichtet, beim Kläger am linken Knie eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und der Beklagten ferner die Erstattung von einem Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufgegeben.

Die auf die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der genannten Berufskrankheiten gerichtete Verpflichtungsklage sei zulässig, insbesondere statthaft. Unzulässig sei jedoch die  kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, mit welcher der Kläger die Gewährung von Leistungen begehre, da  es an einer Entscheidung über konkrete Leistungsansprüche mangele. Die Beklagte habe bisher die Anerkennung der Berufskrankheit abgelehnt, weil es bereits an einem Versicherungsfall dem Grunde nach fehle; eine Prüfung der konkreten Voraussetzungen einzelner Leistungsansprüche habe dagegen ersichtlich nicht stattgefunden.

Die Klage - soweit zulässig - sei teilweise begründet. Der Bescheid sei materiell insoweit rechtswidrig, als die Beklagte es abgelehnt habe, beim Kläger eine Berufskrankheiten nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV am linken Knie anzuerkennen. Beim Kläger lägen zweifelsfreie Meniskusschäden beider Kniegelenke vor, gesichert erstmals im August 1995 (Krankschreibung wegen Meniskopathie des rechten Knies) bzw. im Dezember 1998 (Lappenriss des linken Knies). Dies werde im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers vermerkt. Damit handele es sich an beiden Knien zu den jeweiligen Zeitpunkten um deutlich altersüberschreitende Schadensbilder. Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2102 beim Kläger vor. Deren Tatbestand erfordere „mehrjährige“ andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten. Eine mehrjährige Tätigkeit erfordere belastende Einwirkungen über mindestens 2 Jahre. Hierbei sei zu beachten, dass bei belastender Tätigkeit nicht in einem ununterbrochenen Zeitraum, sondern Verrichtungen mit Unterbrechungen eine Gesamtbetrachtung der Expositionszeit durchzuführen seien, da der Wortlaut der BKV für das Erfordernis eines zusammenhängenden 2-Jahres-Zeitraums keine Stütze biete. Hinsichtlich der überdurchschnittlichen Belastung bestünden hinsichtlich der Länge der Einwirkung je Schicht keine gesicherten Erkenntnisse; insbesondere sei es keine Voraussetzung, dass wenigstens 1/3 der täglichen Arbeitszeit in meniskusbelastende Haltung gearbeitet worden sein müsse. Eine überdurchschnittliche Kniegelenksbelastung sei vielmehr gegeben, wenn hierdurch das Erscheinungsbild des Berufes bzw. des jeweiligen Arbeitsplatzes geprägt werde. Diese Voraussetzungen erfülle die Tätigkeit des Klägers als Müllwerker. Die Kammer schließe sich dabei nach eigener Prüfung der überzeugenden Auffassung des Hessischen LSG im Urteil vom 07. Mai 2012 – L 9 U 211/09 - an. Insbesondere beinhalte die Tätigkeit des Klägers sowohl Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Profi- bzw. Hochleistungssportlers, als auch Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Rangierers, soweit der Kläger arbeitstäglich immer wieder vom Tritt des noch fahrenden Müllwagens abgesprungen und soweit der Transport voller Mülltonnen über Treppen und ähnliches mit Drehbewegungen verbunden sei. Mit dem Beruf des Rangierers sei der Müllwerker insoweit vergleichbar, als auch hier häufige Sprungbewegungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeugs zu verzeichnen seien. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass die Sprunghöhe bei Rangierern regelmäßig höher und der Untergrund stärker von Unebenheiten geprägt sei, als dies bei der Bedienung der Müllfahrzeuge durch die Müllwerker der Fall sei. Die Kammer sei indes ebenso wie das Hessische LSG der Überzeugung, dass auch der Straßen- bzw. Gehwegbelag oftmals nicht frei von Unebenheiten sei, wobei hier neben häufig anzutreffenden Straßenschäden auch der Randstreifen, die Bordsteinkante sowie Straßenschachtabdeckungen als weitere mögliche „Stolperfalle“ zu berücksichtigen seien. Darüber hinaus bestehe für die Kammer auch kein Zweifel, dass bei Müllwerkern die Sprungbewegungen im Zusammenhang mit der Bedienung der Müllfahrzeuge insgesamt in weitaus höherer Frequenz vorkämen, als dies bei der Vergleichsgruppe der Rangierer der Fall sei. Aufgrund der im Regelfall sehr kurzen Fahrtstrecken der Müllfahrzeuge zwischen den einzelnen Beladevorgängen komme es hier zweifelsfrei zu sehr viel häufigeren Auf- und Absprungbewegungen vom bzw. zum Trittbrett, als dies im üblichen Berufsalltag von Rangierern der Fall sei. Im Gegensatz zur Belastungssituation von Rangierern sei die Tätigkeit der Müllwerker zusätzlich noch von schnellen, unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen geprägt, die zudem unter nicht unerheblichem Zeitdruck hinter dem vorausfahrenden Müllwagen zu erfolgen hätten.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. Juni 2019 zugestellte Urteil am 25. Juli 2019  Berufung eingelegt. Beim Kläger liege keine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV vor. Entgegen der Auffassung des SG Berlin lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vor. Insbesondere seien die Arbeitsbedingungen eines Rangierers nicht mit denen eines Müllwerkers vergleichbar. Zu verweisen sei auf den Gutachter Dr. J, der ebenfalls eine berufliche Verursachung nicht habe feststellen können. Nach dem Merkblatt zur ärztlichen Untersuchung zur BK Nr. 2102 könne mit einer beruflich bedingten überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke bei Berufssportlern und Rangierern - insoweit bei häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchungen, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage - gerechnet werden. Der TAD der Beklagten habe in seiner Stellungnahme vom 25. November 2013 ausgeführt, dass eine für die BK 2102 erforderliche Meniskusschädigung nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand beim Kläger nicht gegeben seien. Relevant für die Stellungnahme des TAD seien die Tätigkeitsbedingungen in der Abfallsammlung in Berlin. Der Kläger habe ausschließlich in der Hausmüllentsorgung vorrangig im Nordwesten Berlins gearbeitet. Zur Tätigkeit des Müllwerkers gehöre dort unter anderem das Fahren und Gehen zum nächsten Einsatzort. Wenn Sammelstellen nicht weit auseinander liegen, würden die Entfernungen dazwischen durch die Abfallsammler teilweise zu Fuß zurückgelegt, wobei das Müllfahrzeug zum nächsten Einsatzort (z.B. Hauseingang) vorfahre. Insbesondere  im dicht bebauten Stadtgebiet Berlins werde anders als in Flächenländern viel gelaufen. Das gelegentliche Absteigen vom Tritt eines noch in Bewegung befindlichen Müllsammelfahrzeuges auf Berliner Straßen und Wegen erfülle nicht die Kriterien einer häufig wiederkehrenden erheblichen Bewegungsbeanspruchung bei ungünstiger Gelenkstellung auf grob unebener Unterlage. So erfolge der Abstieg vom Müllfahrzeug selbstbestimmt, nur gelegentlich und unter Berücksichtigung der in der Situation vorgefundenen Verhältnisse. Er sei keinesfalls vergleichbar mit dem Abspringen eines Rangierers auf das Gleisbett. Verwindevorgänge im Knie, wie beim Profisportler, würden ebenfalls nicht ausgeführt. Vorgänge wie beim Berufsfußballspieler, der mit hoher Geschwindigkeit in eine Richtung läuft, stoppt und die Richtung blitzschnell ändert, wobei eine Rotation im Kniegelenk erfolgt, was eine hohe Beanspruchung unter anderem auch für die Menisken darstellt, könne bei Müllwerker nicht in vergleichbarer Weise festgestellt werden.

Die Beklagte beantragt schriftlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftlich,

            die Berufung zurückzuweisen.

Im Nachgang zum Erörterungstermin vom 19. Januar 2022 hat er mit Schriftsatz vom 14. Februar 2022 für den Tätigkeitszeitraum von 2001-2010 eine Tätigkeitsbeschreibung und einen Tourenplan vom 22. Oktober 2013 vorgelegt.

Hiermit hat sich der Präventionsdienst der Beklagten mit ergänzender arbeitstechnischer Stellungnahme vom 19. August 2022 unter Beibehaltung seiner bisher vertretenen Einschätzung befasst.

Der Senat hat das arbeitsmedizinische Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. Dr. K vom 09. Januar 2023 eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung und Befragung des Klägers vom 20. Dezember 2022 gelangte der Sachverständige zu der Einschätzung, dass weder eine BK 2102 noch eine BK 2012 zur Anerkennung empfohlen werden könne und stimmte der Einschätzung der Vorgutachter Dr. J/S vollinhaltlich zu. Dem Sachverständigen nachgereichte Bildunterlagen bewertete er mit ergänzender arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 01. Februar 2023 ohne Abweichung zu seiner bisherigen Position.

Daraufhin nahm der Kläger seine „Berufung“ am 06. März 2023 zurück.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates waren.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG).

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die von der Beklagten eingelegte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2019. Der Kläger hatte, entgegen seiner vormaligen Ankündigung bzw. schriftlich mitgeteilten Überlegung, seinerseits keine Berufung eingelegt, weshalb seine Erklärung zur Rücknahme der Berufung ohne prozessuale Relevanz bleibt.  

Zum Gegenstand des Berufungsverfahrens wird das benannte Urteil des Sozialgerichts Berlin lediglich im Umfang der dadurch für die Beklagte eingetretenen Beschwer. Soweit diese unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 verpflichtet wurde, eine Berufskrankheiten nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV für den Kläger festzustellen, ist ausschließlich dies Gegenstand des Berufungsverfahrens.

 

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 143, 151 SGG).

 

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage erweist sich (im Umfang der Berufung) zwar als zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat – anders als das SG meint – keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheiten nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV.

 

Die Voraussetzungen der BK Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 23 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2102 der Anlage 1 der BKV Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.

 

Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit ausreicht. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Recht der Berufskrankheiten gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach werden im Sozialrecht als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. zum Kausalitätsbegriff in der gesetzlichen Unfallversicherung die ständige Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff.; vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff.; vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff.; vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff.; vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff.; vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff.; alle zitiert nach Juris; siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.).

 

Der Anspruch des Klägers scheitert bereits daran, dass das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2102 vom Senat nicht festgestellt werden kann.

 

Erforderlich ist nach dem Wortlaut der BK 2102 eine mehrjährige andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit. Die vom Verordnungsgeber verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe wie „mehrjährig" oder „überdurchschnittlich" sind unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie anhand der Vorgaben des vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur Berufskrankheit näher zu konkretisieren. Solchen Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu, sie sind allerdings als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei ihrer Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG, Urteil vom 04. Juli 2013 – B 2 U 11/12 R -, Rn. 19, juris).

 

Nach dem vom Bundesministerium für Arbeit (BMA) herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntmachung vom 11. November 1989, BArbBl. 2/1990, S. 135) (im Weiteren: Merkblatt) ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke in der ersten Variante biomechanisch an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung, und - in der zweiten Variante - an eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage, gebunden. Nach der Begründung zur Änderung der BKV vom 22. Januar 1988 (BR-Drs. 33/88, S. 5) sind anspruchsbegründend eine belastende Dauerzwangshaltung (insbesondere Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung) oder eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung (insbesondere Laufen oder Springen mit Scherbewegungen auf grob unebener Unterlage). Als Beispiele für die überdurchschnittliche Kniebelastung werden die Tätigkeit von Bergleuten unter Tage, als Fliesen- oder Parkettleger, Ofenmaurer, Rangierarbeiter, die Tätigkeit bestimmter Berufssportler sowie Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen benannt (M 2102, I.). Zeitlich sei auf eine mehrjährig andauernde oder mehrjährige häufig wiederkehrende Belastung abzustellen. Entsprechende Belastungen werden nach den Ausführungen im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung als geeignet angesehen, Meniskusschäden hervorzurufen, weil unter diesen Umständen die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet werden. Dadurch können allmählich Deformierungen, Ernährungsstörungen des bradytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen. Ein derart vorgeschädigter Meniskus kann beim Aufrichten aus kniender Stellung, bei Drehbewegungen, beim Treppensteigen oder auch bei ganz normalem Gehen von seinen Ansatzstellen ganz oder teilweise gelöst werden. Für die Annahme einer entsprechenden Belastung ist nach der wissenschaftlichen Literatur ein Arbeiten im Hocken oder im Fersensitz mit maximaler Knieabwinklung (Kniebeugung) erforderlich, insbesondere unter beengten räumlichen Verhältnissen, es genügen jedoch - anders als bei der Berufskrankheit Nr. 2112 - nicht Tätigkeiten nur im Knien und Kriechen (Mehrtens/Brandenburg, BKV, Kommentar, Stand: Dezember 2022, M 2102 Rn. 3). Erforderlich sind Arbeiten in räumlich eng begrenzten Verhältnissen oder in Zwangshaltung unter Belastung. Nicht ausreichend sind hingegen Arbeiten in kniender Position mit rechtwinkliger Beugung des Kniegelenkes, da die Menisken hierbei weder stark verschoben noch stark verformt oder erheblich druckbelastet sind. Es reichen ebenfalls nicht Einzeltätigkeiten und kurzfristige Arbeiten, sowie Arbeiten in einem Wechsel zwischen Be- und Entlastung, auch wenn diese grundsätzlich meniskusbelastend sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.10.5.9.3, S. 665). Es müsse in jedem Einzelfall geklärt werden, ob es sich nur um kniende und kriechende Tätigkeiten (ohne Ursachenrelevanz) handele oder ob hockende Belastungen inklusive des Fersensitzes dann auch mit Dauerzwangshaltung unter besonderer Kraftaufwendung - gegebenenfalls auch in beengten räumlichen Verhältnissen - durchgeführt wurden, die eine Meniskusquetschung hätten bewirken und somit zu berufsbedingten Verschleißerkrankungen des Meniskusgewebes hätten führen können (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.10.5.9.3, S. 666).

 

Danach sind meniskusbelastend und im besonderen Maße gefährdend jene Arbeiten, die mit häufig wiederkehrender erheblicher Bewegungsbeanspruchung verbunden sind. Dabei werden rezidivierende Mikrotraumen durch häufige brüske Überforderungen bei muskulär nicht oder nur unvollkommen kontrollierten Bewegungen als entscheidender Schädigungsmechanismus angesehen. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., nennen als Beispiele hierfür einerseits Rangierarbeiter unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 22. Mai 2001, L 3 U 236/99, sowie andererseits Müllwerker bzw. Mülllader unter Verweis auf das - hierzu ausschließlich vorliegende und zitierte - Urteil des Hessischen LSG vom 07. Mai 2012, L 9 U 211/09 (jeweils in juris), auf welches sich hier sowohl der Kläger als auch das Sozialgericht Berlin bezogen haben. Als weitere Beispiele für meniskusbelastende Tätigkeiten werden in der zitierten Quelle und auch im Merkblatt genannt der Hochleistungssport oder bei sportähnlicher Tätigkeit Bewegungen mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen wie Fußball, Handball, Basketball, Sport, Skilehrer, Bergführer, Laufen oder Springen auch mit Scherbewegungen auf grober unebener Unterlage oder unter besonders beengten Raumverhältnissen.

Für den vorliegenden Fall eines Müllwerkers sieht der Senat die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt.  

 

Soweit überdurchschnittliche Belastungen der Kniegelenke nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102 biomechanisch gebunden sind an eine

 

- Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung unter besonders beengten Raumverhältnissen oder

 

- häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage

 

kommen bei den verschiedenen beruflichen Tätigkeiten des Klägers entsprechende  Belastungen zwar grundsätzlich in Betracht. Im Berufsleben des Klägers lagen sie jedoch nicht in der erforderlichen Ausprägung einer spezifischen, konkret einer meniskusbelastenden Exposition vor.

 

Nach der von der Präventionsabteilung der BG Verkehr für die Tätigkeitszeiträume des Klägers vom 15. September 1977 bis zum 22. Juli 1984 als Kraftfahrer und Beifahrer im Fernverkehr, unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers erstellten Arbeitsplatzexposition vom 06. November 2013 bewirkte das Fahren von Kraftwagen und damit das Betätigen der Kupplungs-, Brems- und Gaspedale sowie das Sitzen im Fahrzeug mit angewinkelten Knien keine Dauerzwangshaltung, wie sie beim Hocken oder beim Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung gegeben ist. Als Vergleich für eine diesen Anforderungen entsprechende Tätigkeit wird von der Präventionsabteilung hier die von Bergleuten beschrieben, die in maximaler Kniebeugestellung in niedrigen Stollen nahe am Boden mit dem Abraumhammer arbeiten und neben der dauernden Zwangshaltung auch noch die Gegenkraft für den Abraumhammer unter Einsatz der Kniegelenke als Widerlager aufbringen mussten. Mit dem Ausdruck „Dauerzwangshaltung“ werden Tätigkeiten mit entlasteten Menisken, bzw. einem Wechsel zwischen Be- und Entlastung, wie es während der Fahrt im Sitzen der Fall war, vom Verordnungsgeber als nicht gefährdend eingestuft. Diese Darlegung des Präventionsdienstes entspricht der Überzeugung des Senates, da sie den – bereits ausgeführten – Anerkennungsvoraussetzungen dieser BK entspricht.

 

Ebenso war das Ein- und Aussteigen nicht verbunden mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen wie es im Vergleich bei Hand- und Fußballspielern möglich sein kann. Denn das Ein- und Aussteigen erfolgt im Vergleich dazu im Rahmen einer willentlichen, gesteuerten Motorik, und auch nicht ruckartig-abrupt, wie dies bei Ballsportarten sehr oft der Fall ist. Der Anteil an Körperhaltungen in maximaler Kniebeuge-Stellung beschränkte sich bei den Wartungs-, Kontroll- und Ladungssicherungsarbeiten auf das minutenweise Hocken und Knien mit Fersensitz im ständigen Wechsel mit Gehen und Stehen. Dauerzwangshaltungen im oben genannten Sinne mit gleichzeitiger Kraftaufwendung lagen somit hierbei ebenfalls nicht vor. Auch beim Knien ohne und mit abgestütztem Oberkörper (Kniebeugung etwa 90°) ergab sich keine extreme Gelenkstellung und eine zusätzliche dynamische Beanspruchung der Menisken war ebenfalls nicht gegeben, sodass das Merkmal der gleichzeitigen Kraftaufwendung bei derartigem Knien entfällt.

 

Dieser biodynamischen Bewertung der Bewegungsabläufe der Tätigkeit des Kraftfahrers oder Beifahrers durch den Präventionsdienst vermag sich der Senat nach eigener Überzeugung vollständig einzuschließen. Da bereits keine gefährdende Tätigkeit im Sinne der BK 2102 für die Tätigkeit als Kraftfahrer/Beifahrer am Fernverkehr festzustellen ist, kommt es diesbezüglich auf das Vorliegen des weiteren Merkmals „Mehrjährigkeit“ nicht an.

 

In der für die B Stadtreinigungsbetriebe ab 01. Februar 1989 ausgeübten Tätigkeit war der Kläger zunächst bis 10. Juni 1990 und vom 01. November 1992 bis 25. Februar 1996 als Kraftfahrer tätig. Eine Exposition im Sinne der BK 2102 ist nach den genannten Kriterien auch für diese Kraftfahrertätigkeit nicht festzustellen.

 

Körperlich anspruchsvoller war hingegen die Tätigkeit des Klägers als Müllwerker vom 01. Februar 1992 bis Ende Oktober 1992 (9 Monate) und vom 26. Februar 1996 bis zum 17. April 2011 (ca. 15 Jahre). Eine Exposition durch besonders die Menisken belastende Tätigkeiten in Form des Laufens oder Springens mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage - wie sie das LSG Hessen in der zitierten Entscheidung vom 07. Mai 2012, L 9 U 211/09, bei dem dort klagenden Müllwerker angenommen hatte, vermag der Senat in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten sowie den medizinischen Einschätzungen von Dr. J und von Prof. Dr. Dr. K hier nicht festzustellen.

 

Auf der Grundlage der vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten umfangreichen Ermittlungen zu Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers als Müllwerker geht der Senat davon aus, dass der Kläger ausschließlich in der Hausmüllentsorgung tätig und vorrangig im Nordwesten von Berlin eingesetzt war. Die Touren wurden in der Regel zu dritt gefahren, wobei der Kläger als Springer und somit ausschließlich in der Frühschicht tätig war. Der Einsatz auf dem Müllsammelfahrzeug erfolgte täglich von ca. 6:45 Uhr bis ca. 13:00 Uhr bei einer durchschnittlichen Soll-Arbeitszeit von 6:00 Uhr bis 14:18 Uhr. Die Arbeitsaufgabe eines Abfallsammlers in der Hausmüllentsorgung bestand darin, mit dem Abfallsammelfahrzeug mitzufahren, die Mülltonnen von der Sammelstelle oder gegebenenfalls aus dem Keller zu holen, zum Fahrzeug zu bringen, für die Entladung vorzubereiten, den Entladevorgang durchzuführen und die Müllbehälter wieder an den vorgesehenen Ort (gegebenenfalls in den Keller) zurückzubringen. Die körperlich besonders belastenden Kellerwege sind für 40 % der Touren anzunehmen, wobei der Senat sich hierbei auf die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition der Beklagten vom 27. November 2013 bezieht, die nach Rücksprache der Präventionsabteilung mit betrieblichen Vertreter, Fachberatern und Betriebsärzten erarbeitet wurde. Hierbei geht der Senat davon aus, dass im Normalfall 15 bis 20 % Kellertouren anfallen, der Wert beim Kläger jedoch höher liegt, da er als Springer seltener vom Belastungsausgleich profitieren konnte. Etwa zweimal am Tag erfolgte eine Fahrt zur Deponie, um das Fahrzeug zu entleeren. Der Kläger selbst hatte ausgerechnet, dass er ca. 20 km am Tag laufen musste. Auf Nachfrage gegenüber dem Präventionsdienst gab er an, dass er sich niemals schnell laufend (rennend) über Kellertreppen oder von Hauseingang zu Hauseingang bewegt hätte. Während er zunächst angegeben hatte, nicht regelmäßig von der hinteren Trittfläche des Sammelfahrzeugs auf die Straße gesprungen zu sei, widerrief der Kläger dies am 02. Oktober 2013 schriftlich und trug nun vor, er sei doch des Öfteren vom noch in Bewegung befindlichen Fahrzeug abgestiegen bzw. herabgesprungen.

 

Auch in der Entscheidung des Hessischen LSG war die dort zu beurteilende Tätigkeit des Müllwerkers mit dem häufigen Hoch- und Runterspringen vom Müllwagen, viel Laufen und Aufladen der Säcker auf den Müllwagen mit Drehbewegung der Kniegelenke beschrieben worden (a.a.O., juris Rn. 4). Im dortigen Verfahren war der erstinstanzlich gehörte orthopädische Gutachter bei Ausschluss berufungsunabhängiger weiterer Risikofaktoren von einer beruflichen Verursachung der Meniskuserkrankung des Klägers ausgegangen. Die Beklagte war dort mit der Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes dem entgegengetreten und hatte – ebenso wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren – darauf verwiesen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 anerkannt werden bei (a.a.O., juris Rn. 9 – 11 ff.):

- Berufsfußballspielern aufgrund häufiger Knick-, Dreh- und Scherbewegungen durch das schnelle Abbremsen auf dem Rasen mit Stollenschuhen, durch plötzliches Abknicken bei Richtungsänderungen und durch „Pressschläge“,

- Handballspielern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen sowie das schnelle Abbremsen auf dem Hallenboden mit rutschfesten Schuhen verbunden mit abrupter Laufrichtungsänderung sowie

- Rangierern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen beim Abspringen von fahrenden Eisenbahnwaggons auf unebenem Schotteruntergrund.

Das Hessische LSG ging bei seiner Entscheidung (a.a.O., juris Rn. 36) im Weiteren davon aus, dass der Beruf des Müllwerkers mit dem Beruf des Rangierers bzw. von Profisportlern insoweit vergleichbar sei, als häufige Sprungbewegungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeuges zu verzeichnen seien. Dabei folgte es den Ausführungen des technischen Aufsichtsdienstes insoweit, dass die Sprunghöhe bei Rangierern regelmäßig höher und der Untergrund stärker von Unebenheiten geprägt sei, als dies bei der Bedienung der Müllfahrzeuge durch Müllwerker/Mülllader der Fall sei. Ebenso wie das Sozialgericht hier, ging jedoch auch der Senat dort davon aus, dass der Straßen- bzw. Gehwegbelag oftmals nicht frei von Unebenheiten sei, wobei neben häufig anzutreffenden Straßenschäden auch der Randstreifen, die Bordsteinkante sowie Straßenschachtabdeckungen als weitere mögliche „Stolperfalle“ zu berücksichtigen seien. Im Übrigen begründete das Hessische LSG seiner Entscheidung wie folgt (a.a.O., juris Rn. 36):

 

„Darüber hinaus bestehen für den Senat keine Zweifel, dass bei Müllladern die Sprungbewegungen im Zusammenhang mit der Bedienung der Müllfahrzeuge insgesamt in weitaus höherer Frequenz vorkommen, als dies bei der Vergleichsgruppe der Rangierer der Fall ist. Aufgrund der im Regelfall sehr kurzen Fahrtstrecken der Müllfahrzeuge zwischen den einzelnen Beladevorgängen kommt es hier zweifelsfrei zu sehr viel häufigeren Auf- und Absprungbewegungen vom bzw. zum Trittbrett, als dies im üblichen Berufsalltag von Rangierern der Fall ist. Im Gegensatz zur Belastungssituation von Rangierern ist die Tätigkeit der Müllwerker bzw. Mülllader zusätzlich noch von schnellen, unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen oder -säcke zum bzw. vom Müllfahrzeug sowie beim Aufnehmen von Sperrmüll geprägt, die durchaus mit den Bewegungsabläufen der im Merkblatt zur BK 2102 genannten Sportler vergleichbar sind. Aus eigener Anschauung ist dem Senat bekannt, dass sich diese Bewegungen sehr häufig in großer Eile hinter dem vorausfahrenden Müllwagen vollziehen. Unter Berücksichtigung der täglichen Arbeitszeiten von Müllwerkern, welche die üblichen Trainingszeiten der vorstehend genannten Profi-Sportler bei weitem überschreiten sowie der Zeitdauer der Beschäftigung des Klägers bis zum Auftreten der Meniskopathie, welche die übliche Lebensarbeitszeit von Profi-Sportlern ebenfalls deutlich übersteigt, vermag der Senat auch im Vergleich zu dieser Berufsgruppe keine signifikant geringere Belastungssituation im Hinblick auf die Beanspruchung der Kniegelenke zu erkennen. Die vom technischen Aufsichtsdienst der Beklagten beschriebene Gleichsetzung der Bewegungsabläufe von Müllladern mit dem Absteigen von Treppen oder Leitern vermag der Senat aufgrund eigener Anschauung der mit der Müllabfuhr verbundenen Arbeitsabläufe hingegen nicht nachzuvollziehen. Hierbei ist regelmäßig zu beobachten, dass die Mülllader ihre Arbeit unter großem Zeitdruck mit schnellen Sprung- und Laufbewegungen hinter dem permanent vorausfahrenden Müllfahrzeug verrichten. Das vom technischen Aufsichtsdienst beschriebene kontrollierte Auf- und Absteigen zum bzw. vom Trittbrett vergleichbar der Nutzung einer Leiter oder Treppe dürfte damit allenfalls bestehenden Arbeitsschutzbestimmungen entsprechen, wird der Lebenswirklichkeit des Arbeitsalltags eines Müllladers allerdings nicht gerecht.“

 

Dies überzeugt den erkennenden Senat, dem die schwere körperliche Belastung und Beanspruchung eines Müllwerkes bewusst ist, für die hier maßgebliche Frage einer damit verbundenen spezifischen meniskusbelastenden Tätigkeit im Sinne der BK 2102 nicht. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers als Müllwerker nicht mit dem Beruf des Rangierers bzw. von Profisportlern vergleichbar ist. Weder ist die hierbei insbesondere als schädigungsrelevant in Betracht kommende Absprungbewegung vom Trittbrett des Müllfahrzeugs vergleichbar mit der Absprungbewegung des Rangierers vom Bahn-Waggon auf das Gleisbett (dazu a), noch sind die weiteren Bewegungsabläufe beim Heran- und Zurücktransportieren der Müllbehälter mit den bei Berufsfußballspielern anzutreffenden häufigen Knick-, Dreh- und Scherbewegungen durch das schnelle Abbremsen auf dem Rasen mit Stollenschuhen, durch plötzliches Abknicken bei Richtungsänderungen vergleichbar (dazu b), so dass es letztlich bei der hier vorzunehmenden Prüfung nicht darauf ankommt, ob der Kläger – nach seinen eigenen Angaben – sogar 80% der Touren als Kellertouren absolviert hat.

a) Ein erheblicher und hier wesentlicher Unterschied im Vergleich zu Rangierern besteht bereits in der geringeren Absprunghöhe vom Entsorgungsfahrzeug auf die Straße bzw. den Gehweg. U.a. dafür, und für das Wiederaufsteigen, ist im Heckbereich des Müllfahrzeugs ein spezieller Tritt angebracht. Wegen der größeren Absprunghöhe des Rangierers setzt dieser nach allgemeinbekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten daher - im Vergleich zur niedrigeren Absprunghöhe des Müllwerkers – immer auch mit größere Krafteinwirkung, der kinetischen Energie, auf dem Untergrund auf, als ein (gleichschwerer) Müllwerker. Es wirkt somit höhere kinetische Energie auch auf die Menisken ein, die zudem im Falle des Rangierers bei der Erlangung  bzw. Stabilisierung des Gleichgewichts bei der Landung auf dem Gleisbett wesentlich unebenere Verhältnisse auszugleichen haben als bei Müllwerkern, womit sie im doppelten Sinne stärker beansprucht werden:

Der Untergrund ist beim Rangierer deutlich unebener als im Fall des hier klagenden Müllwerkers. Nach dem Absprung vom Waggon ist das Aufkommen eines Rangierers dadurch geprägt, dass das Bein mit dem Auftreffen auf das Schotterbett regelmäßig auf sehr unebenem Untergrund aufsetzt. Für das Gleisbett werden grobe Schotterstücken mit einer Korngröße zwischen 31,5 und 63 mm verwendet. Kleinere Steine würden vom Luftsog fahrender Züge mitgerissen werden (www.basalt-union.de/produkte/unsere-leistungen/gleisbauprodukte/gleisschotter). Die besondere Unebenheit des Untergrundes im Gleis ergibt sich zudem immer auch durch die im Gleisbett verlegten Gleise und Bahnschwellen, sowie den speziellen Bau des Bahndamms mit abgeschrägtem Bettungskörper(www.tu-dresden.de; Grundlagen des Eisenbahnunterbaus). Höhere kinetische Energie auf unebenem Untergrund machen die Findung des Körpergleichgewichts, also die sichere Landung im Gleisbett, damit zu einem potentiell meniskusgefährdenden Bewegungsablauf mit schwer steuerbarer Scher- und Drehbewegung beim Aufsetzen und ist deshalb eine besondere Belastung für die Menisken, wie sowohl der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 11. August 2016 als auch Prof. Dr. Dr. K in seinem Gutachten anschaulich und zutreffend dargelegt haben.  

Im Vergleich dazu sind die Gehwege und Straßen im Tätigkeitsbereich des Klägers im Nordwesten von Berlin, mit Ausnahme weniger Tage im Winter, in der Regel gut begehbar. Bordsteinkanten sind im Stadtgebiet mit Straßenbeleuchtung auch im Dunkeln gut erkennbar und sind fest verlegt, womit der Fuß und die Landung auch in solchen Fällen selbstbestimmt gesteuerte werden kann. Das Auftreffen des Fußes erfolgt somit auf festem Untergrund und - im Vergleich zum Rangierer – mit geringerer kinetischer Energie. Auch im Vergleich zu Bergführern, die naturgemäß auf unebenen Wegen unterwegs sind, weist die Entsorgungstour im Stadtgebiet des nordwestlichen Berlins deutlich ebenere Wege auf.

Diese beiden Elemente - größere Absprunghöhe und unebenerer Untergrund - machen die besondere Gefährdungslage für die Menisken beim Rangierer aus, die mit der beim Müllwerker nicht zu vergleichen sind. Hierbei geht der Senat auch nicht – wie das Hessische LSG es jedoch annimmt – davon aus, dass es aufgrund der im Regelfall sehr kurzen Fahrtstrecken der Müllfahrzeuge zwischen den einzelnen Beladevorgängen zu sehr viel häufigeren Auf- und Absprungbewegungen vom bzw. zum Trittbrett kommt, als dies im üblichen Berufsalltag von Rangierern der Fall ist. Nach eigener Überzeugungsbildung des Senates erfolgt gerade bei den sehr kurzen Fahrstrecken der Müllfahrzeuge im Stadtgebiet kein gehäuftes Auf- und Absteigen vom Entsorgungsfahrzeug, da diese Strecken in der Regel von den Müllwerkern zu Fuß zurückgelegt werden und ein Aufsteigen nur bei etwas längeren Wegen erfolgt. Damit stimmt es auch überein, dass der Kläger – nach eigenen Angaben – ca. 20 km pro Tag zu Fuß zurücklegte.

 

Den Senat überzeugend hat ebenso Prof. Dr. Dr. K hierzu ausgeführt, dass das gelegentliche Absteigen vom Tritt eines noch in Bewegung befindlichen Müllsammelfahrzeuges nicht vergleichbar ist mit dem Abspringen eines Rangierers auf das Gleisbett. Auch wenn die Berliner Wege und Straßen zwar nicht immer gleichermaßen glatt und eben sind, so der Sachverständige, sind sie dennoch nicht vergleichbar mit Schotter, Bahnschwellen und Abschrägung neben den Gleisen, die bei Rangierern als Aufsprungfläche dienen. Die Tätigkeit wird vom Sachverständigen hinsichtlich der Bewegungsabläufe zwar als körperlich schwer eingeschätzt, aber dennoch als abwechslungsreich. So können die Bewegungsabläufe koordiniert und kontrolliert ablaufen. Die Bewegungsabläufe des Abfallsammlers sind in Bezug auf die Menisken nicht unphysiologisch.

 

Die Tätigkeit des Klägers als Müllwerkers ist auch nicht mit den im Merkblatt als relevant meniskusgefährdeten Gruppen der Fußballer, Handballer, Basketballer, Skilehrer und Bergführer vergleichbar, soweit die dort auftretenden Dreh- und Scherkräfte sukzessive Mikrotraumen im Meniskusgewebe verursachen. Die Entsorgungstätigkeit des Klägers ist hinsichtlich der Bewegungsabläufe zwar körperlich schwer, aber dennoch abwechslungsreich in dem Sinne, dass keine Dauerzwangshaltung, insbesondere in meniskusschädigender Haltung, eingenommen wird. Für den Senat nachvollziehbar hat der Präventionsdienst der Beklagten zur Biomechanik der Bewegungsabläufe in seiner Expositionsbewertung, zuletzt vom 11. August 2016, überzeugend dargelegt, das die Bewegungsabläufe des Kläger als Müllwerker trotz hoher Vorgaben und körperlicher Schwerarbeit koordiniert und kontrolliert ablaufen. Sie können selbstbestimmt und ohne Gefährdung des Arbeitserfolges geändert werden. Insbesondere Scherbewegungen beim Transport der Müllbehälter über Straßen sowie durch Kellerräume und -treppen sind nicht grundsätzlich „aufgezwungen“. Entsprechend der räumlichen Situation sind Bewegungsänderungen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, möglich und insbesondere individuell planbar. Es handelt sich bei diesen Tätigkeiten des Müllwerkers nicht um reflektorisch unkoordinierte Bewegungsabläufe mit hoher Dynamik, wie sie bei Berufsfußballspielern und anderen Ballsportarten auftreten. Die Bewegungsabläufe bei den letztgenannte Berufsgruppen sind dadurch „meniskusgeprägt“, dass es im Laufen mit hoher Geschwindigkeit in die eine Richtung zu einem abrupten Abstoppen und zugleich blitzschneller Änderung der Richtung kommt, wobei Oberkörper und Oberschenkel bereits in Richtungsänderung gedreht sind, während der Fuß noch in die Laufrichtung zeigt, was zu einer Rotation im Kniegelenk und damit zu einer sehr hohen Beanspruchung unter anderem für die Menisken führt.

Liegt eine meniskusgefährdende Tätigkeit nach all dem nicht vor, so ist nicht mehr entscheidungsrelevant, ob bzw. dass es sich um eine „mehrjährige“ Belastung handelte. Ebenfalls nicht relevant ist die Frage, inwieweit es sich hier tatsächlich um eine - im Rahmen der BK 2102 erforderliche - primärer Meniskopathie gehandelt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. 

Rechtskraft
Aus
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