L 1 U 3148/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 1717/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3148/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. September 2020 abgeändert und die Beklagte wird - unter Abweisung der Klage im Übrigen - unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2019 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Abfindung der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ½ der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abfindung seiner Verletztenrente.

Der 1985 geborene Kläger erlitt 29. April 2014 einen Arbeitsunfall, als er sich während seiner Tätigkeit als Fußballspieler für den K1 e.V. eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) sowie einen Riss des vorderen Innenmeniskus am rechten Kniegelenk zuzog.

Am 9. Mai 2014 erfolgte eine Kniearthroskopie mit vordere Kreuzbandersatzplastik mittels Semitendinosus-/Gracilis-Sehne und Naht des Innenmeniskus-Risses mit Teilresektion. Etwa ein Jahr später wurde am 13. Mai 2015 eine Gelenksspiegelung des rechten Kniegelenks durchgeführt, bei der eine Teilentfernung des Innenmeniskus bei instabilem Fixierungsanker und eine Entfernung von ausgiebigem Narbengewebe im Kniegelenk sowie die Resektion eines Zyklops-Tumors durchgeführt wurde.

B1 führte im Rentengutachten vom 27. Januar 2016 aus, der Kläger habe sich bei diesem Unfallereignis eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes sowie eine Innenmeniskusläsion des rechten Kniegelenks zugezogen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er bis 10. Januar 2016 auf 20 vH; ab dem 11. Januar 2016 bis voraussichtlich zwei Jahre auf 10 vH. Der Gesundheitszustand könne durch Muskelaufbau verbessert werden. Bei anhaltender Symptomatik sei eine Re-Operation bezüglich des VKB bei Insuffizienz zu überdenken.

Mit Bescheid vom 11. März 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des genannten Versicherungsfalls eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 vH. Zugleich erkannte sie als Folge des Versicherungsfalles eine Bewegungseinschränkung und Instabilität des rechten Kniegelenks nach operativ versorgter Ruptur des rechten vorderen Kreuzbandes (Kreuzbandersatzplastik) und operativ versorgtem Riss des rechten Innenmeniskus an.

Zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit bestand, ließ die Beklagte den Kläger erneut durch B1 begutachten. In seinem Gutachten vom 20. Januar 2017 gab dieser an, seit der letzten Begutachtung sei keine wesentliche, relevante Veränderung eingetreten. Die MdE schätze er auf 20 vH. Eine weitere Verschlechterung der MdE sei nicht zu erwarten. Eine Besserung des Gesundheitszustandes durch Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation sei nicht möglich.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 stellte die Beklagte die bisher als vorläufige Entschädigung gewährte Rente als Rente auf unbestimmte Zeit in bisheriger Höhe (MdE um 20 vH) fest.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. März 2017 beantragte der Kläger die Abfindung seiner Rente.

Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme bei S1 ein, der am 4. April 2017 ausführte, es bestehe die Möglichkeit, die Instabilität des rechten Kniegelenks durch eine erneute VKB-Plastik (vordere Kreuzbandplastik) zu verbessern. Inwieweit eine funktionelle Besserung erreicht werden könne, bleibe abzuwarten.

Mit Bescheid vom 7. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2017 lehnte die Beklagte die Abfindung der Rente ab. Eine Abfindung dürfe nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten sei, dass die MdE wesentlich sinke. Durch eine erneute Ersatzplatzplastik des vorderen Kreuzbandes bestehe die ernsthafte Möglichkeit, dass die Instabilität im rechten Kniegelenk wesentlich verbessert werde und hierdurch eine Besserung der MdE eintrete. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG; damaliges Az.: S 1 U 4975/17). Im damaligen Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2019 verpflichtete sich die Beklagte den Bescheid vom 7. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2017 aufzuheben und auf den Antrag des Klägers auf Abfindung der Rente auf unbestimmte Zeit, einen neuen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2019 hob die Beklagte in Ausführung des abgegebenen Anerkenntnisses den Bescheid vom 7. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2017 auf und lehnte eine Rentenabfindung erneut ab. Durch eine erneute Kreuzbandplastik des rechten Kniegelenks bestehe die Möglichkeit, dass die Instabilität des rechten Kniegelenks deutlich gebessert werden könne. Hier sei das Interesse des Versicherten und das Interesse der Beklagten abzuwägen. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 SGB VII seien somit nicht erfüllt. Unabhängig hiervon handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine Rentenabfindung sei auch nach pflichtgemäßer Ermessensausübung aufgrund überwiegenden öffentlichen Interesses nicht möglich. Zur Begründung dieser Ermessensentscheidung führte die Beklagte u.a. aus, wenn die Unfallrente jetzt auf Dauer abgefunden würde und der Kläger später eine erneute Operation am rechten Kniegelenk durchführen lasse, bestehe die ernsthafte Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der MdE und dem damit verbundenen Wegfall des Rentenanspruchs.

Den gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2019 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12. April 2019 erneut Klage zum SG erhoben.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11. September 2020 hat das SG den Bescheid vom 6. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Verletztenrente des Klägers abzufinden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es gebe keine begründeten Anhaltspunkte, aufgrund derer ernstlich zu erwarten wäre, dass sich der Zustand, der der bindend gewordenen Feststellung der MdE (Rentenbescheid vom 22. Februar 2017) zugrunde gelegen habe, dergestalt ändere, als dass er nur noch eine MdE von weniger als 15 vH (Änderung der MdE um mehr als 5 vH) rechtfertigen würde. Die Beklagte habe in ihre Ermessensabwägung eingestellt, dass eine erneute Operation die ernsthafte Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der MdE bedinge. Dies stelle einen sachfremden Ermessensgesichtspunkt dar, da dies die Einbeziehung eines Aspekts beinhalte, der bereits für das Vorliegen des die Ermessensentscheidung eröffnenden Tatbestandes maßgeblich gewesen sei. Der Kläger habe im Wege der sog. „Ermessensreduzierung auf Null“ einen Anspruch auf Abfindung seiner Verletztenrente.

 Hiergegen hat die Beklagte am 7. Oktober 2020 die vorliegende Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine erneute Stabilisierungsoperation werde bei blandem Verlauf zu einer Verbesserung der Kniestabilität führen. Dies würden aus medizinischer Sicht die zahlreichen Re-Operationen belegen, die bei Leistungssportlern und Profisportlern in den speziellen Kniezentren von Spezialisten durchgeführt würden. Nicht zu unterschätzen sei auch der arthrosehemmende Effekt, der zwischenzeitlich wissenschaftlich nachgewiesen sei. Aus medizinischer Erfahrung heraus komme es nach einer erneuten Operation zu einer, wenn auch nicht freien Funktion, so doch zu einer Funktionsverbesserung. Diese dürfte sich im Rahmen von 10 vH bewegen. Außerdem müsse darauf hingewiesen werden, dass B1 in seinem Ersten Rentengutachten vom 27. Januar 2016 eine Verbesserung des Gesundheitszustandes durch Muskelaufbau für möglich gehalten habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,


hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2019 zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Abfindung der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Kläger hat zur Berufungserwiderung u.a. geltend gemacht, sowohl der Gutachter B1 als auch der behandelnde Arzt G1 hätten die Möglichkeit des Eintritts einer Verbesserung ausdrücklich verneint. Im Übrigen sei die Beklagte hinsichtlich der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 76 Abs. 2 SGB VII bereits an ihr im Verfahren S 1 U 4975/17 abgegebenes Anerkenntnis vom 10. Januar 2019 gebunden. In diesem Verfahren habe das SG die Beklagte zur Abgabe eines Anerkenntnisses aufgefordert, da nach Auffassung der Kammer im konkreten Einzelfall des Klägers nicht mit einer Besserung der MdE zu rechnen sei.

Der Senat hat im Berufungsverfahren ein Gutachten des D1 eingeholt. Prognostisch kam D1 in seinem Gutachten vom 9. Mai 2021 zu dem Ergebnis, dass eine erneute vordere Kreuzbandersatzplastik zu einer besseren Stabilität und Beweglichkeit im Kniegelenk führen könnte. Trotz durchaus aufgezeigter Probleme, wonach nach Überzeugung D1 eine erneute Resektion der vorhandenen Verwachsungen wahrscheinlich eine erneute Arthrofibrose nicht verhindern werde, sah er zusammenfassend dennoch die Möglichkeit, dass bei einer erneuten vorderen Kreuzbandersatzplastik die unfallbedingte MdE länger als drei Monate um mehr als 5 vH sinken werde.

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG hat der Senat sodann ein Gutachten nach Aktenlage bei R1 eingeholt. In seinem Gutachten vom 28. September 2021 hat dieser ausgeführt, er halte es für hoch unwahrscheinlich bis ausgeschlossen, durch eine Reoperation eine MdE-relevante Verbesserung der Beweglichkeit des Kniegelenkes zu erreichen. Es sei natürlich möglich, dass bei idealem Verlauf nach Revisionskreuzbandersatzplastik eine Stabilitätsverbesserung im Vergleich zum Ausgangszustand erreicht werde. Eine seitengleiche oder annähernd seitengleiche Stabilität des Kniegelenkes werde aber im Regelfall nicht erreicht, vor allem dann nicht, wenn wie im vorliegenden Fall zusätzlich einschränkende Bewegungsbefunde bestünden. Unter Hinweis auf die Schwierigkeiten, die sich aus der Aufgabenstellung eines Gutachtens nach Aktenlage ergäben, hielt er zusammenfassend fest, er sehe keine realistische Wahrscheinlichkeit durch eine Revisionsoperation im vorliegenden Fall eine so erhebliche Verbesserung des Kniegelenkes zu erreichen, dass die MdE von 20 vH auf 10 vH sinken werde (Verbesserung um mindestens 10 vH).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig und teilweise begründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist die mit Bescheid vom 6. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2019 getroffene Entscheidung der Beklagten, eine Rentenabfindung abzulehnen.

Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2019 hat Erfolg, da sich die Entscheidung der Beklagten als rechtswidrig erweist. Das SG hat mit Urteil vom 11. September 2020 zutreffend den rechtswidrigen Bescheid vom 6. Februar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 25. März 2019 aufgeboben (hierzu unter 1.). Die Berufung hat hingegen insoweit zum Teil Erfolg, als sich die Beklagte gegen die Verurteilung wendet, die Verletztenrente des Klägers abzufinden. Stattdessen hat der Kläger mit seinem schon in erster Instanz gestellten und im Berufungsverfahren aufrechterhaltenen Hilfsantrag auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung Erfolg (hierzu unter 2).

1.)

Maßgebliche Rechtsgrundlage für den streitigen Anspruch auf Rentenabfindung ist § 76 Abs. 1 und 2 SGB VII. Nach § 76 Abs. 1 SGB VII können Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer MdE von weniger als 40 vH haben, auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Eine Abfindung darf allerdings gem. § 76 Abs. 2 SGB VII nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 SGB VII liegen vor. Voraussetzung für einen Anspruch auf Rentenabfindung ist zunächst, dass der Versicherte Anspruch auf Rente nach einer MdE von weniger als 40 vH auf unbestimmte Zeit im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII hat und einen entsprechenden Antrag auf Abfindung gestellt hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Streitig ist hingegen, ob noch zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt und damit die Regelung des § 76 Abs. 2 SGB VII der begehrten Rentenabfindung entgegensteht. Entgegen der klägerischen Rechtsmeinung ist über das Vorliegen der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 76 Abs. 2 SGB VII (Ausschluss der Besserungsmöglichkeit der MdE) noch nicht rechtskräftig und damit bindend entschieden worden. Eine rechtskräftige Entscheidung des SG ist im Verfahren S 1 U S 1 U 4975/17 nicht ergangenen, sondern das damalige Verfahren wurde durch Beteiligtenerklärungen in Form der Annahme eines Anerkenntnisses erledigt. Diesem Anerkenntnis kann ausschließlich die Verpflichtung der Beklagten entnommen werden, über den Antrag des Klägers auf Abfindung der Rente auf unbestimmte Zeit, einen neuen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen. Dies ist geschehen. Weitere Rechtswirkungen entfaltet das damalige Anerkenntnis nicht.

Eine Abfindung darf gem. § 76 Abs. 2 SGB VII nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt. Diese Voraussetzung verhindert, dass sich der UV-Träger im Rahmen der Kapitalwert-Abfindung zu einer höheren Leistung verpflichtet, als bei laufender Zahlung der Rente zu erwarten ist (Kranig in: Hauck/Noftz SGB VII, § 76 Abfindung bei Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 40 vom Hundert, Rn. 10). Wesentlich ist gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII eine Änderung der MdE, wenn sie mehr als 5 vH beträgt und wenn sie länger als drei Monate andauert. Es handelt sich um eine Prognose, die nur aufgrund gutachtlicher ärztlicher Äußerung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft getroffen werden kann. Es handelt sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal. Der Versicherungsträger hat dabei keinen Beurteilungsspielraum. Ausreichend für die Feststellung ist im Rahmen der Prognose die ernsthafte Möglichkeit des Absinkens (Jung in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 76 SGB VII, Stand: 15. Januar 2022, Rn. 11). Bezüglich dieses Tatbestandsmerkmals ist dem UV-Träger kein Ermessen eingeräumt (Kranig, a.a.O., Rn. 10). Das negative Tatbestandsmerkmal des Abs. 2 ist mithin gegeben, wenn mit einer künftigen Rentenherabsetzung nicht ernsthaft zu rechnen ist.

Eine ernsthafte Möglichkeit des Absinkens vermag der Senat nicht festzustellen. Der Senat folgt dem auf Antrag des Klägers eingeholten, ausführlich und überzeugend begründeten Gutachten des R1. Dieser hat zunächst unter detaillierter Auswertung der in den Akten dokumentierten Bewegungsumfänge anlässlich der jeweiligen ärztlichen Untersuchungen zutreffend darauf hingewiesen, dass einerseits auch bei mehr oder weniger zeitgleich erhobenen Befunden deutliche Abweichungen in der Bewertung bestehen, dass sich allerdings die Bewegungseinschränkungen mit fortlaufender Zeit kontinuierlich verschlechtert haben. R1 hat zudem – unter Offenlegung bestehender Unsicherheiten ebenso wie D1, an erster Stelle eine generalisierte Arthrofibrose des Kniegelenkes als Ursache der Bewegungsstörung ausgemacht. Insoweit hat D1 darauf hingewiesen, dass auch eine erneute Resektion der vorhandenen Verwachsungen wahrscheinlich eine erneute Arthrofibrose nicht verhindern wird, so dass der Senat bereits an dieser Stelle die ernsthafte Möglichkeit der funktionellen Besserung und damit des Absinkens der MdE nicht feststellen kann. Ergänzend hat R1 darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn primär keine generalisierte Arthrofibrose vorgelegen haben sollte, sondern die Ursache abweichend von der genannten gutachtlichen Einschätzung im Bereich der Transplantatanatomie gelegen habe, bei aufrechterhaltender Bewegungseinschränkung über einen Zeitraum von mindestens 4 Jahren sekundär von einer entsprechenden globalen Schrumpfung der Gelenkkapsel auszugehen sei. Er hat vor dem Hintergrund des bisherigen (Heilungs-)Verlaufes den für den Senat nachvollziehbaren Schluss gezogen, dass es insgesamt hoch unwahrscheinlich bis ausgeschlossen ist, durch ein Reoperation eine MdE-relevante Verbesserung der Beweglichkeit des Kniegelenkes zu erreichen. Mit Blick auf den von D1 angenommenen Umfang der Instabilität des Kniegelenks, hat R1 betont, dass eigentlich das Zusammenspiel einer Arthrofibrose auf der einen Seite und einer in der klinischen Untersuchung nachweisbaren zweit- bis drittgradigen Instabilität kaum vorstellbar ist, da bei einer (nicht mehr inflammatorisch aktiven) Arthrofibrose grundsätzlich aufgrund der generellen Kapselsteife auch das Kniegelenk für Translations- oder Schubladenbewegungen „steif ist". Dessen ungeachtet hat er hinsichtlich der streitigen Frage der ernsthaften Möglichkeit einer funktionalen Besserung dargelegt, dass die Ergebnisse einer Rekreuzbandplastik nach ärztlicher Erfahrung deutlich schlechter sind als die Ergebnisse einer primären Kreuzbandplastik. Nach seinen überzeugenden Ausführungen führt schon eine primäre Kreuzbandersatzplastik in vielen Fällen zu leicht instabilen Kniegelenken mit sukzessive steigender Versagensrate im weiteren Zeitverlauf. Die Revisionskreuzbandersatzplastik ist hingegen nach Darstellung R1 (wissenschaftlich nachweisbar) hinsichtlich dieser Ergebnisse deutlich schlechter. Nur ein geringer Anteil der Operierten komme in einen akzeptablen Stabilitätsbereich mit einer Seitendifferenz unter 3 mm. R1 hat vor diesem Hintergrund nachvollziehbar das Fazit gezogen, dass es bei idealem Verlauf nach Revisionskreuzbandersatzplastik eine Stabilitätsverbesserung im Vergleich zum Ausgangszustand natürlich möglich ist, eine seitengleiche oder annähernd seitengleiche Stabilität des Kniegelenkes aber im Regelfall nicht erreicht wird, vor allem dann nicht, wenn wie im Fall des Klägers zusätzlich einschränkende Bewegungsbefunde bestehen. Zusammenfassend folgt der Senat der Bewertung R1, wonach auf Basis einer medizinischen Prognoseentscheidung nicht realistisch zu erwarten ist, dass die bestandskräftig festgestellte MdE von 20 vH für die als Folge des Versicherungsfalles anerkannte Bewegungseinschränkung und Instabilität des rechten Kniegelenkes nach operativ versorgter Ruptur des rechten vorderen Kreuzbandes (Kreuzbandersatzplastik) und operativ versorgtem Riss des rechten Innenmeniskus noch wesentlich sinken wird. Weder eine physikalische noch eine chirurgische Therapie werden den Bewegungsumfang verbessern und die Stabilität wird’s sich prognostisch wahrscheinlich nur marginal, aber nicht MdE-relevant verbessern.

Die demgegenüber von D1 - trotz der auch von ihm gesehenen Wahrscheinlichkeit einer erneuten Arthrofibrose nach einer nochmaligen Resektion der vorhandenen Verwachsungen - befürwortete Möglichkeit der funktionellen Besserung erachtet der Senat aus den genannten Gründen hingegen nicht für hinreichend konkret. Es handelt sich allenfalls um eine Hoffnung und relativ unbestimmte Möglichkeit einer Änderung, die jedoch nicht an die im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB VII geforderte ernsthafte und begründete Besserungsmöglichkeit heranreicht (vgl. zu den Voraussetzungen: Bereiter-Hahn/Mehrtens, Kommentar, § 76 SGB VII, Rn. 5; Sacher in Lauterbach; Unfallversicherung, § 76 SGB VII, Rn. 18; SG Lüneburg, Urteil vom 1. Oktober 2007 – S 2 U 181/03 –, Rn. 14, juris).

Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass B1 in seinem Rentengutachten vom 27. Januar 2016 annahm, der Gesundheitszustand könne durch Muskelaufbau verbessert werden, blendet sie sowohl den seither ohne maßgebliche Besserung verstrichenen Zeitraum aus, als auch das Ergebnis des späteren Gutachtes des B1 vom Januar 2017, in dem dieser die Fragte nach einer erwartbaren Besserung (oder Verschlechterung) ausdrücklich verneint hat. Auch die rein abstrakte Behauptung der Beklagten, es gebe bei (ehemaligen) Leistungssportlern zahlreiche erfolgreiche Re-Operationen in speziellen Kniezentren, vermag eine ernsthafte Möglichkeit des Absinkens der MdE im konkreten Fall nicht zu belegen. Die Argumentation der Beklagten im angegriffenen Bescheid vom 6. Februar 2019, selbst wenn die erneute Revision des Kreuzbandes eine Besserung der MdE nicht mit der erforderlichen Sicherheit herbeiführen könnte, bestehe „dennoch die ernsthafte Möglichkeit, dass eine wesentliche Besserung der MdE eintreten“ könne, stellt eine reine unbelegte Behauptung dar, die durch die medizinischen Sachverhaltsermittlungen nicht gedeckt wird.

2.)

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, die Verletztenrente des Klägers abzufinden. Der Kläger hat ausschließlich einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Abfindung der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet.

Eine Verpflichtung der Beklagten zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes konnte nicht erfolgen. Denn dies sieht das Verfahrensrecht, wenn es wie hier um eine Ermessenentscheidung geht, nur dann vor, wenn die Sache in jeder Hinsicht spruchreif ist (§ 131 Abs. 2 S. 1 SGG; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Dezember 2017 – L 5 KR 130/17 –, Rn. 40, juris). Dies ist entgegen der Annahme des SG nicht der Fall, weshalb das Urteil vom 11. September 2020 entsprechend abzuändern war.

Liegen wie oben dargelegt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs.1 und 2 SGB VII vor, so hat die Beklagte, die Entscheidung, ob eine Rente abgefunden wird, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Gesetzeswortlaut: „kann“). Dementsprechend hat der Kläger (nur) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Hingegen entsteht ein Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung nur aufgrund der Bewilligungsentscheidung (§ 40 Abs. 2 SGB I). Darüber hinaus kann im Einzelfall ein Rechtsanspruch auf die Leistung ausnahmsweise bei einer "Ermessensreduzierung auf Null" bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes Ergebnis gibt (BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 10/10 R –, SozR 4-2700 § 76 Nr 2, Rn. 12).

Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art 20 Abs. 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Der Senat hat daher nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; "Rechtmäßigkeit-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, nicht aber eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen (BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 10/10 R –, SozR 4-2700 § 76 Nr 2, Rn. 16).

Die Ermessensentscheidung der Beklagten erweist sich – worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat – als ermessenfehlerhaft (hierzu unter a.). Allerdings liegt hier keine ausnahmsweise „Ermessenreduzierung auf Null“ vor (hierzu unter b.). Daher kann die Beklagte nicht zur Leistung dem Grunde nach verurteilt, sondern nur zur Neubescheidung des Antrags (§ 131 Abs. 3 SGG). Sie ist dabei an die Ansicht des Senats gebunden, dass eine Verringerung der MdE nicht im Sinne von § 76 Abs. 2 SGB VII zu erwarten ist, sodass nur noch über die Ermessensvoraussetzungen des Abfindungsanspruchs zu entscheiden sein wird.

a.)

Soweit die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Zwar hat die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, sie hat allerdings - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - sachfremde Ermessensgesichtspunkte bei ihrer Erwägung mitberücksichtigt und damit von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt. Zum anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 54, Rn. 27a). Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat (BSG – B 2 U 10/10 R –, a.a.O., Rn. 15).

Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung im Detail folgendes ausgeführt: „Wenn Ihre Unfallrente jetzt auf Dauer abgefunden werden würde und Sie später doch noch eine erneute Operation am rechten Kniegelenk durchführen lassen, besteht die ernsthafte Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der MdE und dem damit verbundenen Wegfall des ursprünglichen Anspruches Ihrer Rente. In diesem Fall würde der VBG ein Vermögensschaden entstehen, da eine laufende Rente eingestellt werden könnte. Durch die Abfindungssumme wäre aber eine Rentenzahlung weit in die Zukunft erfolgt. Es würde somit zu einer erheblichen Rentenüberzahlung kommen. Ihnen entsteht bei der Ablehnung der Rentenabfindung kein wirtschaftlicher Schaden. Sie beziehen die laufende Rente monatlich weiter und der insgesamt gezahlte Rentenbetrag bei einer Weiterzahlung der Rente bis zum Todesfall ist unter zu Grunde Legung (sic!) der durchschnittlichen Lebenserwartung erheblich höher, als der Einmalbetrag der Rentenabfindung auf Dauer, zumal in diesem Fall die jährlichen Rentenanpassungen berücksichtigt werden. Da bei einer Rentenabfindung auf Dauer die Gefahr eines Vermögensschadens besteht, überwiegt hier das öffentliche Interesse der Mitgliedsbetriebe auf eine wirtschaftliche und sparsame Arbeit der VBG. Eine Rentenabfindung ist hier nach pflichtgemäßer Ermessensausübung aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht möglich.

Die Beklagte hat mit der Erwägung, es bestehe „die ernsthafte Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der MdE“ ein unzulässiges und damit sachfremdes Kriterium berücksichtigt, indem sie schlicht das negative Tatbestandsmerkmal des § 76 Abs. 2 SGB VII wiederholt und als maßgeblich gewichtet hat. Die Ermessenprüfung darf erst dann einsetzen, nachdem alle Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt wurden (Jung, a.a.O., Rn. 12). Ungeachtet dessen, dass der Senat entgegen der Darstellung der Beklagten, gerade keine ernsthafte Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der MdE festzustellen vermag, stellt es daher einen Ermessenfehlgebrauch dar, wenn sich die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens im Kern auf eine schlichte Wiederholung eines Tatbestandsmerkmals beruft, ohne eine umfassende und den gesetzgeberischen Zweck für die Einräumung des Ermessens angemessene gewichtende Interessenabwägung vorzunehmen.

Zur Konkretisierung der Ermessenszwecke des § 76 SGB VII ist grundsätzlich von Folgendem auszugehen: Auf Seiten des Versicherten besteht das Interesse, seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch eine Verfügungsmacht über einen erheblichen Geldbetrag im Unterschied zu laufenden, ggf. nicht allzu hohen monatlichen Rentenzahlungen zu verbessern. Auf Seiten der Verwaltung geht es um die Verringerung des Verwaltungsaufwandes, um eine Bemessung der Höhe des Kapitalbetrags nach der durch das Lebensalter und die körperliche Beschaffenheit des Berechtigten bedingten voraussichtlichen Dauer des Rentenbezugs - also der weiteren Lebenserwartung - des Versicherten sowie um die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unfallversicherungsträgers (vgl. zu den Anforderungen der Ermessensauübung: BSG – B 2 U 10/10 R –, a.a.O., Rn. 18f, m.w.N.). Die Belange der Versichertengemeinschaft gebieten es, die Abfindung der Rente dann abzulehnen, wenn konkrete Umstände darauf hindeuten, dass die Lebenserwartung des Antragstellers aufgrund seines Lebensalters und seiner körperlichen Verfassung deutlich geringer ist als die des Durchschnitts gleichaltriger Personen. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Die dafür maßgeblichen Tatsachen müssen indes festgestellt – also nicht bloß vermutet oder prognostiziert – werden. Dazu bietet sich die Einholung eines medizinischen Gutachtens an. Schließlich ist im Rahmen der Ermessensausübung nach § 76 SGB VII auch im Interesse der Allgemeinheit zu prüfen, ob der/die Versicherte ohne den laufenden Bezug der Rente sofort oder voraussichtlich in absehbarer Zeit Leistungen nach dem SGB II oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII benötigt oder in höherem Maß als bisher benötigt (vgl. BSG – B 2 U 10/10 R –, Rn. 19; Kranig, a.a.O., Rn. 14, m.w.N.). Weder hat die Beklagte auf Grund zutreffender tatsächlicher Feststellungen eine nachvollziehbare Prognoseentscheidung getroffen, wonach konkrete Umstände darauf hindeuten, dass die Lebenserwartung des Antragstellers aufgrund seines Lebensalters und seiner körperlichen Verfassung deutlich geringer ist als die des Durchschnitts gleichaltriger Personen, noch hat sie diesen Ermessenszweck offenbar auch nur erkannt. Auch eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte der finanziellen Leistungsfähigkeit des Klägers oder der eigenen Verringerung des Verwaltungsaufwandes, vermag der Senat in den Ermessenserwägungen nicht festzustellen. Die Beklagte hat mithin zum einen fehlerhafte Gesichtspunkte als maßgeblich berücksichtigt und zum anderen nicht alle relevanten Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen (Abwägungsdefizit), so dass die getroffene Ermessensentscheidung aufzuheben ist.

b.)

Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, nicht jedoch eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 28). Nur ausnahmsweise kann ein Rechtsanspruch auf eine Leistung bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes Ergebnis gibt, d.h. jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.).

Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null liegen – entgegen der Auffassung des SG – nicht vor. Voraussetzung für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null ist es, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtsfehlerfrei zuließen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 6 KA 15/13 R –, SozR 4-1300 § 47 Nr 1, Rn. 25), vorliegend also keine andere Entscheidung als die Rentenabfindung in Betracht käme. Dies vermag der Senat bereits deshalb nicht festzustellen, da wie dargelegt bislang noch keine umfassende Interessenabwägung durch die Beklagte erfolgt ist, sondern diese maßgeblichen Aspekte nicht hinreichend berücksichtigt und auch keine eindeutigen tatsächlichen Feststellungen hierzu (etwa zur Lebenserwartung oder zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Klägers) getroffen hat. Die vom SG selbst angestellten Ermessenserwägungen in seiner Urteilsbegründung mögen im Ergebnis zutreffend sein, das SG war jedoch nicht dazu berechtigt, eine derartige eigene Abwägung der wiederstreitenden Interessen vorzunehmen. Die Beklagte wird bei der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben, dass die den Interessen des Unfallversicherungsträgers dienenden Ermessensgesichtspunkte (anders als § 76 Abs. 2 SGB VII) keine "negativen Tatbestandsmerkmale" sind, sondern gegen das Interesse des Versicherten abzuwägen sind (BSG - B 2 U 10/10 R -, a.a.O., Rn. 20). Außerdem wird sie bei der Ermessensausübung im Rahmen des Zweckes der Ermächtigung zu berücksichtigen haben, dass § 76 SGB VII sowohl den Interessen des Versicherten als auch denen des Unfallversicherungsträgers selbst im Sinne der Verwaltungsvereinfachung zu dienen bestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 19/99 R –, SozR 3-2700 § 76 Nr 2, SozR 3-1300 § 35 Nr 9, Rn. 23) und muss auf dieser Basis abwägen, ob die Interessen des Versicherungsträgers oder die des Versicherten im Einzelfall überwiegen.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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