L 7 R 555/22 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 R 395/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 555/22 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG können auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Treueprämien für langjährige Betriebszugehörigkeit darstellen.

 

2. Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dar, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurden und keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen beinhalteten.

 

3. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Neuerervergütungen dar.

 

4. Prämien und Zusatzgelder für Tätigkeiten oder Funktionen, die nicht aus der zusatzversorgungsrelevanten Beschäftigung resultieren, stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dar.

 

5. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Prämien anlässlich der Verleihung des Titels als Bestarbeiter dar.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Treueprämien für langjährige Betriebszugehörigkeit - Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" - Neuerervergütungen - Bestarbeiterprämien

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. November 2022 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 11. Mai 2017 in der Fassung des Neufeststellungs- und Teilablehnungsbescheides vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1977, 1978 und 1981 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Bestarbeiterprämien (1977 und 1981) sowie wegen einer zu berücksichtigenden Neuerervergütung (1978) im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1977

41,67 Mark

1978

101,67 Mark

1981

41,67 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Zwanzigstel.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens und im Berufungsverfahren nur noch – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von

  • Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1970 bis 1979,
  • Treuegeld in den Zuflussjahren 1972 bis 1990,
  • Brigadeprämien in den Zuflussjahren 1971 bis 1990,
  • Neuerervergütungen in den Zuflussjahren 1970 bis 1972, 1978, 1980 und 1985 bis 1986 sowie
  • sonstigen Prämien und Zulagen (Bestarbeiterprämie und Schichtzuschlag in der Packerei im Jahr 1977, Bestarbeiterprämie und Prämie für LPG-Einsatz im Jahr 1981, Zuschlag für Zimmerreinigung im Jahr 1985, Prämie für Havarieeinsatz und Zuschlag für Produktionseinsatz im Jahr 1986)

festzustellen.

 

Der 1947 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1966 bis Juli 1969 absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Elektrotechnik" bzw. "Elektrische Anlagen" an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Y...., seit 26. Juli 1969 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" bzw. "Elektroingenieur" zu führen. Nach erfolgreichem Abschluss eines, berufsbegleitend im Zeitraum von September 1970 bis November 1975 absolvierten, Hochschulstudiums in der Fachstudienrichtung "Informationstechnik" an der Technischen Hochschule Ilmenau ist er seit 24. Oktober 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" zu führen und wurde ihm mit Urkunde vom 17. November 1975 der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Er war vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Programmierassistent, Programmierer und Projektant im volkseigenen Betrieb (VEB) Gerätewerk X.... bzw. im – unmittelbaren Rechtsnachfolgebetrieb – VEB Messgerätewerk S.... (Betriebsteil Gerätewerk X....) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 6. Januar 2004 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Den Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 23. November 2004 ab; den hiergegen vom Kläger am 3. Dezember 2004 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2005 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 21. März 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz (im Verfahren S 23 R 593/05), die – nach Einholung einer Entgeltbescheinigung der Iron Mountain DISOS GmbH vom 22. Juni 2005 (für den Beschäftigungszeitraum von September 1969 bis Juni 1990 [ohne das Jahr 1980]) – unstreitig endete, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006 einen Vergleich unterbreitete, den der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Juli 2006 annahm. In Ausführung des sozialgerichtlichen Vergleichs stellte die Beklagte sodann mit Bescheid vom 18. Juli 2006 die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der Iron Mountain DISOS GmbH vom 22. Juni 2005, fest. Den Ablehnungsbescheid vom 23. November 2004 hob sie auf.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 16. September 2010 begehrte der Kläger die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Prämien (Jahresendprämien, Treuegeld und Brigadezuschlag), von Entgelten für Neuerervereinbarungen, von Entgelten für Überstunden sowie von sonstigen Überverdiensten. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens fragte die Beklagte mit Schreiben vom 25. November 2010 bei der Rhenus Office Systems GmbH nach dem Vorliegen von Prämiennachweisen zum Kläger an. Die Rhenus Office Systems GmbH teilte mit Schreiben vom 23. August 2011 mit, dass keinerlei Prämiennachweise zum Kläger vorliegen. Der Kläger legte im Laufe des Überprüfungsverfahrens private Aufzeichnungen in Form von Arbeits- und Stundenbüchern vor. Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 2011 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 22. September 2011 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Januar 2012 Klage zum SG Chemnitz, verfolgte sein Begehren weiter und legte selbsterstellte Übersichten zu den von ihm geltend gemachten Zusatzverdiensten sowie schriftliche Erklärungen der Zeugen W.... vom 29. März 2012 und V.... vom 30. März 2012 vor. Mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2012 wies das SG Chemnitz (im Verfahren S 13 RS 24/12) die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger am 6. August 2012 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein und verfolgte sein Begehren zunächst vollständig weiter. Im Berufungsverfahren legte der Kläger unter anderem schriftliche Erklärungen des Zeugen Dr. U.... vom 2. Februar 2013, vom 18. Februar 2013 und vom 3. Dezember 2013 vor. Das Sächsische LSG holte schriftliche Erklärungen der Zeugen W.... vom 14. Oktober 2013 und vom 31. Januar 2014, V.... vom 14. Oktober 2013 und vom 6. Februar 2014 sowie Dr. U.... vom 13. Februar 2014 ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen LSG am 16. Februar 2016 beschränkte der Kläger seine Berufung auf die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien, seine übrigen Begehren nahm er zurück. Das Sächsische LSG änderte mit Urteil vom 16. Februar 2016 (im Verfahren L 5 RS 530/12) den Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 3. Juli 2012 ab und verurteilte die Beklagte, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011, den Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 dahingehend abzuändern, dass weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1970 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien im Rahmen der bereits festgestellten Zeiten der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe in jeweils bestimmten Höhen zu berücksichtigen sind. Es hielt den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach für glaubhaft gemacht. Die Höhe sei für die Zuflussjahre 1980 bis 1990 auf der Grundlage der Eintragungen des Klägers in seinen handschriftlich geführten Arbeitsbüchern ebenfalls glaubhaft gemacht. Für die Zuflussjahre 1970 bis 1979 schätzte es, mangels glaubhafter gemachter Angaben, die Höhe der Jahresendprämien. Gegen das Urteil des Sächsischen LSG legte die Beklagte hinsichtlich der für die Zuflussjahre 1970 bis 1979 geschätzten Jahresendprämien am 24. März 2016 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) ein. Mit Beschluss vom 30. Juni 2016 ließ das BSG (im Verfahren B 5 RS 20/16 B) die Revision gegen das Urteil des Sächsischen LSG vom 16. Februar 2016 zu, soweit dem Kläger Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1979 zugesprochen wurden. Die zugelassene Revision legte die Beklagte am 28. Juli 2016 ein. Mit Urteil vom 15. Dezember hob das BSG (im Verfahren B 5 RS 9/16 R) das Urteil des Sächsischen LSG vom 16. Februar 2016 auf, soweit dieses die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt von Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1979 betraf und wies die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 3. Juli 2012 insoweit zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Schätzung der Höhe von lediglich dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien unzulässig sei.

 

Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 stellte die Beklagte – in teilweiser Ausführung des (insoweit nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde und Revision angegriffenen) Urteils des Sächsischen LSG vom 16. Februar 2016 – das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, unter Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte für die Jahre 1980 bis 1990 wegen glaubhaft gemachter Jahresendprämien (gemäß dem Urteil des Sächsischen LSG vom 16. Februar 2016) fest und hob den Bescheid vom 18. Juli 2006 sowie vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011, soweit sie entgegenstanden, auf.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 21. September 2017, der sich als "Widerspruch" gegen den vom zuständige Rentenversicherungsträger, den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 11. Mai 2017 umsetzenden Rentenbescheid vom 17. Juli 2017 richtete, begehrte der Kläger die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Treuegeld in den Zuflussjahren 1973 bis 1990, von Brigadezuschlägen in den Zuflussjahren 1971 bis 1990, von Neuerervergütungen in den Zuflussjahren 1978 bis 1980 und 1983 bis 1986 sowie von sonstigen Prämien und Zulagen in den Zuflussjahren 1977, 1981, 1984 bis 1986 und 1988 wie folgt:

 

 

Zuflussjahr

Treuegeld

Brigadezuschlag

Neuerer-

vergütung

sonstige Prämien und Zulagen

1970

---

---

---

---

1971

---

100,00 Mark

---

---

1972

---

100,00 Mark

---

---

1973

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1974

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1975

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1976

40,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1977

40,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

7,00 Mark

(Schichtzuschlag in der Packerei)

1978

40,00 Mark

100,00 Mark

889,00 Mark

---

1979

90,00 Mark

100,00 Mark

1.529,00 Mark

---

1980

60,00 Mark

30,00 Mark

723,50 Mark

---

1981

60,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

1982

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1983

60,00 Mark

90,00 Mark

142,00 Mark

---

1984

135,00 Mark

90,00 Mark

589,00 Mark

(gemeint: 598,00 Mark)

20,00 Mark

(Anerkennungsprämie als DSF-Kassierer)

1985

80,00 Mark

80,00 Mark

1.607,00 Mark

10,00 Mark

(Zulage für Zimmerreinigung)

1986

80,00 Mark

60,00 Mark

150,00 Mark

25,00 Mark

(Prämie für Havarieeinsatz)

25,00 Mark

(Zuschlag für Produktionseinsatz)

1987

80,00 Mark

70,00 Mark

---

---

1988

80,00 Mark

70,00 Mark

---

100,00 Mark

(Ehrenprämie DSF)

1989

180,00 Mark

70,00 Mark

---

---

1990

100,00 Mark

33,80 Mark

---

---

 

Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens legte der Kläger unter anderem folgende Unterlagen vor:

  • seine eigenen handschriftlich geführten Arbeits- und Stundenbücher,
  • eine Auszeichnungsmitteilung vom 16. März 1971 über die Verleihung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" am 10. März 1971,
  • Urkunden über die Verleihung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" vom 25. Februar 1971, vom 10. März 1972, vom 27. März 1974 und vom 20. Februar 1975,
  • Urkunden über die Auszeichnung als "Bestarbeiter" vom 12. Juli 1977 und vom 19. Mai 1981,
  • Anerkennungsurkunden über 10- bzw. 20-jährige Betriebszugehörigkeit vom 1. September 1979 und vom 1. September 1989,
  • die (bekannte) schriftliche Erklärung des Zeugen Dr. U.... vom 3. Dezember 2013.

 

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 stellte die Beklagte – abermals – das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, unter Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte wegen glaubhaft gemachter Neuerervergütungen für die Jahre

  • 1978 in Höhe von 130,83 Mark (= [angeblich] fünf Sechstel von 279,00 Mark),
  • 1979 in Höhe von 1.274,17 Mark (= fünf Sechstel von 1.529,00 Mark),
  • 1980 in Höhe von 281,33 Mark (= [angeblich] fünf Sechstel von 337,50 Mark),
  • 1983 in Höhe von 118,33 Mark (= fünf Sechstel von 142,00 Mark),
  • 1984 in Höhe von 498,33 Mark (= fünf Sechstel von 598,00 Mark) und
  • 1985 in Höhe von 1.339,17 Mark (= fünf Sechstel von 1.607,00 Mark),

fest. Die Feststellung der weiteren geltend gemachten Entgelte lehnte sie ab: Brigadezuschläge seien Gehaltsbestandteil gewesen und daher bereits festgestellt worden. Treuegeld und Jubiläumszuwendungen seien kein Arbeitsentgelt gewesen. Die Höhe von Prämien anlässlich der Verleihung des Titels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" sei nicht nachgewiesen, da keine Prämienbelege vorgelegt worden seien. Die begehrten Zuschläge seien anhand der Aufzeichnungen des Klägers nicht eindeutig identifizierbar, bestimmbar oder zuordenbar. Die Urkunden über die Auszeichnung als Bestarbeiter enthielten keine Prämienbeträge. Die nicht anerkannten Neuerervergütungen seien nicht eindeutig belegt. Den bisherigen Bescheid (vom 11. Mai 2017) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 (Eingang bei der Beklagten am 21. Dezember 2017) Widerspruch ein und wandte sich gegen die von der Beklagten nicht berücksichtigten "noch fehlenden Verdienstbestandteile in Form von Prämien und Treuegeldern sowie anderen Geldzuwendungen", die sich aus dem Betriebskollektivvertrag ergeben würden.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Entgelte sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die eigenen Angaben und Aufzeichnungen des Klägers sowie die Erklärungen des Zeugen Dr. U.... seien nicht ausreichend, weil die zu beweisenden Tatsachen bereits länger als 27 Jahre zurückliegen würden.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 7. Mai 2018 Klage zum Sozialgericht Chemnitz und begehrte nunmehr die Feststellung höherer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1970 bis 1979, von Treuegeld für die Zuflussjahre 1972 bis 1990, von Brigadeprämien für die Zuflussjahre 1971 bis 1990, von Neuerervergütungen für die Zuflussjahre 1970 bis 1972, 1978 bis 1980 und 1983 bis 1986 sowie von sonstigen Prämien und Zulagen für die Zuflussjahre 1977, 1981, 1984 bis 1986 und 1988 wie folgt:

Zuflussjahr

Jahresend-prämie

Treuegeld

Brigade-

prämie

Neuerer-

vergütung

sonstige Prämien und Zulagen

1970

245,00 Mark

---

---

1.255,32 Mark

---

1971

903,00 Mark

---

100,00 Mark

626,08 Mark

---

1972

1.008,00 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

361,38 Mark

---

1973

1.008,00 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1974

1.008,00 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1975

1.008,00 Mark

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1976

1.008,00 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1977

1.134,00 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

7,00 Mark

(Schichtzuschlag in der Packerei)

1978

1.134,00 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

889,00 Mark

---

1979

1.091,00 Mark

90,00 Mark

100,00 Mark

1.529,00 Mark

---

1980

---

60,00 Mark

30,00 Mark

723,50 Mark

---

1981

---

60,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

114,25 Mark

(Prämie für LPG-Einsatz)

1982

---

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1983

---

60,00 Mark

80,00 Mark

142,00 Mark

---

1984

---

135,00 Mark

90,00 Mark

589,00 Mark

(gemeint: 598,00 Mark)

20,00 Mark

(Anerkennungsprämie als DSF-Kassierer)

1985

---

80,00 Mark

80,00 Mark

1.607,00 Mark

10,00 Mark

(Zulage für Zimmerreinigung)

1986

---

80,00 Mark

60,00 Mark

150,00 Mark

25,00 Mark

(Prämie für Havarieeinsatz)

25,00 Mark

(Zuschlag für Produktionseinsatz)

1987

---

80,00 Mark

70,00 Mark

---

---

1988

---

80,00 Mark

70,00 Mark

---

100,00 Mark

(Ehrenprämie DSF)

1989

---

180,00 Mark

70,00 Mark

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1990

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100,00 Mark

33,80 Mark

---

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Im Rahmen des Klageverfahrens legte der Kläger unter anderem folgende Unterlagen vor:

  • seine eigenen handschriftlich geführten Arbeits- und Stundenbücher,
  • eine 176-seitige Zusammenstellung seiner Begehren ("Liste aller zusätzlichen Verdienste [bar per Kassenbeleg]") vom 25. Oktober 2019 sowie eine Zusammenstellung vom 10. Oktober 2019,
  • eine Auszeichnungsmitteilung vom 16. März 1971 über die Verleihung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" am 10. März 1971,
  • Urkunden über die Verleihung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" vom 25. Februar 1971, vom 10. März 1972, vom 27. März 1974 und vom 20. Februar 1975,
  • Urkunden über die Auszeichnung als "Bestarbeiter" vom 12. Juli 1977 und vom 19. Mai 1981,
  • Anerkennungsurkunden über 10- bzw. 20-jährige Betriebszugehörigkeit vom 1. September 1979 und vom 1. September 1989,
  • die (bekannten) schriftlichen Erklärungen des Zeugen Dr. U.... vom 2. Februar 2013, vom 18. Februar 2013 und vom 3. Dezember 2013.

 

Das Sozialgericht Chemnitz hat – nach Durchführung eines Erörterungstermins am 22. September 2022 sowie nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 11. Oktober 2022 – die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2022 (im Verfahren S 7 R 395/18 ZV) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die von der Beklagten im Bescheid vom 4. Dezember 2017 bereits festgestellten Arbeitsentgelte in Form von Neuerervergütungen für die Jahre 1978 bis 1980 und 1983 bis 1985 (erneut) geltend macht, da er insoweit nicht beschwert sei. Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1979 und Neuerervergütungen für die Jahre 1970 bis 1972 seien nicht Gegenstand des Überprüfungsverfahrens durch die Beklagte gewesen und deshalb keiner Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich. Brigadeprämien als Prämien anlässlich der Verleihung des Titels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" seien kein Arbeitsentgelt. Der Zufluss von Treueprämien, von sonstigen Prämien und Zulagen sowie von Neuerervergütungen für die Jahre 1978 (in Höhe von 610,00 Mark) und 1980 (in Höhe von 386,00 Mark) seien weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht worden. Im Übrigen handele es sich bei den begehrten sonstigen Prämien und Zulagen auch nicht um Arbeitsentgelt.

 

Gegen den am 29. November 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2022 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren hinsichtlich der Feststellung weiterer/höherer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1970 bis 1979, von Treuegeld für die Zuflussjahre 1972 bis 1990, von Brigadeprämien für die Zuflussjahre 1971 bis 1990, von Neuerervergütungen für die Zuflussjahre 1970 bis 1972, 1978, 1980, 1985 und 1986 sowie von sonstigen Prämien und Zulagen für die Zuflussjahre 1977, 1981, 1985 und 1986 wie folgt weiterverfolgt:

 

 

 

 

Zuflussjahr

Jahresendprämie

Treuegeld

Brigade-

prämie

Neuerer-

vergütung

sonstige Prämien und Zulagen

1970

245,00 Mark,

hilfsweise: 82,22 Mark

---

---

1.255,32 Mark

---

1971

903,00 Mark,

hilfsweise: 268,90 Mark

---

100,00 Mark

626,08 Mark

---

1972

1.008,00 Mark,

hilfsweise: 306,11 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

361,38 Mark

---

1973

1.008,00 Mark,

hilfsweise: 320,00 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1974

1.008,00 Mark,

hilfsweise: 320,00 Mark

20,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1975

1.008,00 Mark,

hilfsweise: 320,00 Mark

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1976

1.008,00 Mark,

hilfsweise: 320,00 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1977

1.331,00 Mark,

hilfsweise: 306,49 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

7,00 Mark

(Schichtzuschlag in der Packerei)

1978

1.134,00 Mark,

hilfsweise: 360,00 Mark

40,00 Mark

100,00 Mark

610,00 Mark

---

1979

1.091,00 Mark,

hilfsweise: 362,41 Mark

90,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1980

---

60,00 Mark

30,00 Mark

368,00 Mark

(gemeint möglicherweise:

386,00 Mark)

---

1981

---

60,00 Mark

100,00 Mark

---

50,00 Mark

(Bestarbeiterprämie)

114,25 Mark

(Prämie für LPG-Einsatz)

1982

---

60,00 Mark

100,00 Mark

---

---

1983

---

60,00 Mark

80,00 Mark

---

---

1984

---

135,00 Mark

90,00 Mark

---

---

1985

---

80,00 Mark

80,00 Mark

480,00 Mark

10,00 Mark

(Zulage für Zimmerreinigung)

1986

---

80,00 Mark

60,00 Mark

150,00 Mark

25,00 Mark

(Prämie für Havarieeinsatz)

25,00 Mark

(Zuschlag für Produktionseinsatz)

1987

---

80,00 Mark

70,00 Mark

---

---

1988

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80,00 Mark

70,00 Mark

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1989

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180,00 Mark

70,00 Mark

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1990

---

100,00 Mark

33,80 Mark

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---

 

Zur Begründung führt er aus: Er stelle sich bezüglich der Jahresendprämien nach wie vor auf den Standpunkt, dass er den Zufluss ausreichend glaubhaft gemacht habe. Die Höhe habe er auch glaubhaft gemacht; hilfsweise sei die Rechtsprechung des Sächsischen LSG zur Mindesthöhe der Jahresendprämien anzuwenden. Entgegen der Auffassung des SG seien die geltend gemachten Jahresendprämien für den Zeitraum von 1970 bis 1979 auch Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens. Der Kläger habe bereits in seiner Widerspruchsbegründung vom 19. Januar 2018 gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2017 eingewandt, dass die noch fehlenden Verdienstbestandteile in Form von Prämien (und hierunter seien auch Jahresendprämien zu verstehen) sowie Treuegeldern und anderen Geldzuwendungen sich aus dem bestehenden Betriebskollektivvertrag ergeben würden. Somit seien auch die Jahresendprämien streitgegenständlich geworden. Den Zufluss der Neuerervergütungen für die Jahre 1970 bis 1972, 1978 sowie 1980 habe er – entgegen den Ausführungen des SG – durch seine Aufzeichnungen glaubhaft gemacht. Zudem habe der Zeuge Dr. U.... in seinem Schreiben vom 18. Februar 2013 bestätigt, dass es zu Auszahlungen für Gelder wegen Neuerervereinbarungen gekommen sei. Auch die Treueprämien bzw. das Treuegeld für die Jahre 1972 bis 1990 seien auf der Grundlage des Schreibens des Zeugen Dr. U.... vom 18. Februar 2013 glaubhaft gemacht worden. Die geltend gemachten Brigadezuschläge, Bestarbeiterprämien sowie Zusatzprämien, Schichtzuschläge und andere Zuschläge seien – entgegen den Ausführungen des SG – Arbeitsentgelt. Ebenso wie bei Jahresendprämien sei der Brigadezuschlag in der Regel mit dem Betriebsergebnis verknüpft gewesen und habe eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum Jahresendprämien (zu Recht) als Bestandteil des Arbeitseinkommens angesehen würden, andere Prämien wie der streitgegenständliche "Brigadezuschlag" aber nicht, obwohl der Brigadezuschlag nicht nur als Anreiz für weitere hochwertige Arbeitsleistungen erbracht worden sei, sondern auch eine Sondervergütung für die vom Kläger in der Vergangenheit erbrachte durchschnittliche Arbeitsleistung gewesen sei. Die Auszahlung des Brigadezuschlages sei vom Zeugen Dr. U.... in seinem Schreiben vom 18. Februar 2013 ebenfalls bezeugt worden. Dies betreffe im Übrigen auch die Prämie in Höhe von jeweils 50,00 Mark, die der Kläger als Bestarbeiter im Juni 1977 bzw. im April 1981 erhalten habe. Entsprechendes gelte für die dem Kläger gezahlte Zusatzprämie für zusätzliche LPG-Arbeitseinsätze in Höhe von 114,25 Mark, die der Kläger am 12. Dezember 1981 erhalten habe, den Schichtzuschlag in Höhe von 7,00 Mark im Jahr 1977 sowie die Zuschläge von jeweils 25,00 Mark für den Havarieeinsatz und einen Produktionseinsatz im Jahr 1986. Die Anerkennungsprämie für den "DSF-Kassierer" in Höhe von 20,00 Mark im Jahr 1984 und die "DSF-Prämie" im Jahr 1988 in Höhe von 100,00 Mark werde nicht mehr weiterverfolgt.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. November 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 11. Mai 2017 und vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 abzuändern und Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1970 bis 1979, Treuegeld in den Zuflussjahren 1972 bis 1990, Brigadeprämien in den Zuflussjahren 1971 bis 1990, Neuerervergütungen in den Zuflussjahren 1970 bis 1972, 1978, 1980 und 1985 bis 1986 sowie sonstigen Prämien und Zulagen in den Zuflussjahren 1977, 1981, 1985 und 1987 als weitere Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Berufung sei hinsichtlich der Berücksichtigung von Jahresendprämien schon insofern unzulässig, als es aus Sicht der Beklagten nicht ausreichend sei, vom Kläger allein zu behaupten, die Jahresendprämie für die Jahre 1970 bis 1979 sei zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht. Das BSG habe im Fall des Klägers mit Urteil vom 15. Dezember 2016 (Aktenzeichen: B 5 RS 9/16 R) bereits festgestellt, dass die Höhe der glaubhaft gemachten Jahresendprämien weder im Vollbeweis noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt sei. Der Kläger habe zwischenzeitlich keine neuen Unterlagen oder Umstände in das Verfahren eingebracht, die es als notwendig erachten ließen, den Sachverhalt einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Das Sächsische LSG könne nicht erneut in der Sache entscheiden, denn die Beteiligten streiten im hiesigen Verfahren über denselben Streitgegenstand in puncto Jahresendprämien, der auch der Sachentscheidung des vorbezeichneten BSG-Urteils zugrunde gelegen habe.

 

Das Gericht hat vom Kläger umfangreiche arbeitsvertragliche Unterlagen angefordert, die der Kläger vorlegte.

 

Mit Schriftsätzen vom 9. Oktober 2023 (Kläger) sowie vom 11. Oktober 2023 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist lediglich teilweise begründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage im Ergebnis lediglich teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Im Übrigen erfolgte die Klageabweisung durch das Sozialgericht Chemnitz mit dem angegriffenen Gerichtsbescheid vom 28. November 2022 zu Recht. Der Kläger hat keinen (auch nicht teilweisen) Anspruch auf Feststellung weiterer nachgewiesener oder glaubhaft gemachter Arbeitsentgelte in Form von

  • in den Jahren 1970 bis 1979 zugeflossener Jahresendprämien (dazu nachfolgend unter 1.),
  • in den Jahren 1972 bis 1990 zugeflossener Treuegelder (dazu nachfolgend unter 2.),
  • in den Jahren 1971 bis 1990 zugeflossener Brigadeprämien (dazu nachfolgend unter 3.),
  • in den Jahren 1970 bis 1972, 1980 und 1985 bis 1986 zugeflossener Neuerervergütungen (dazu nachfolgend unter 4.) sowie
  • in den Jahren 1977, 1981 und 1985 bis 1986 zugeflossener sonstiger Prämien und Zulagen – mit Ausnahme der beiden Bestarbeiterprämien – (dazu nachfolgend unter 5.).

Der Kläger hat lediglich einen teilweisen Anspruch auf Feststellung weiterer glaubhaft gemachter Arbeitsentgelte, und zwar in Form von

  • in den Jahren 1977 und 1981 zugeflossener Bestarbeiterprämien (in Höhe von jeweils 41,67 Mark) (dazu nachfolgend unter 6.) sowie
  • im Jahr 1978 zugeflossener (restlicher) Neuerervergütung (in Höhe von 101,67 Mark) (dazu nachfolgend unter 4.).

Nur insoweit ist der Neufeststellungs- und Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 (§ 95 SGG) teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil mit ihm das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]).

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen (nur teilweise) vor, denn der Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 11. Mai 2017 und vom 4. Dezember 2017 ist (nur teilweise) rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 11. Mai 2017 und vom 4. Dezember 2017 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst. Aus dem Wort "erzielt", folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden, ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 29; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 23; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 23). Dabei ist ausschließlich die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dabei ist es – dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsprechend – ausreichend, wenn ein mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 1, RdNr. 18 = JURIS-Dokument, RdNr. 18), weil der Arbeitsentgeltbegriff grundsätzlich weit gefasst ist. Insofern stellen grundsätzlich alle direkten und indirekten Leistungen des Arbeitgebers eine Gegenleistung für die vom Beschäftigten zu erfüllende Arbeitspflicht dar und werden im Hinblick hierauf gewährt. Etwas Anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn sich für die Einnahme eine andere Ursache nachweisen lässt. Leistungen, die aus einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden, sind keine Gegenleistungen für die Arbeitsleistung oder die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und daher kein Arbeitsentgelt. Dies gilt insbesondere für Vorteile, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen (dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 44; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 39; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 39; ebenso: Knospe in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB IV, § 14, RdNr. 27 [Stand: Februar 2016]).

 

Handelt es sich um Arbeitsentgelt, ist (in einem zweiten Schritt) weiter zu prüfen, ob die bundesrechtliche Qualifizierung als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zur Wahrung der im Gesetz genannten Ziele zu bestimmen, dass "einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten". Auf der Grundlage dieser Ermächtigung ist die ArEV ergangen. Sie ist auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 übergeleitet worden (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34). § 1 ArEV regelt, dass "einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV (Ausnahme für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in der gesetzlichen Unfallversicherung) nichts Abweichendes ergibt". Diese Regelung ist bei der Bestimmung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu beachten (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Maßgeblich ist dabei ausschließlich die bundesrepublikanische Rechtslage des Steuerrechts im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35 und RdNr. 39; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16).

 

Der Zufluss geltend gemachter weiterer Arbeitsentgelte muss sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach festgestellt werden können. Hierfür trägt der Empfänger die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von zusätzlichen Arbeitsentgelten von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden, ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Diese Maßgaben zu Grunde legend, ergibt sich in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachten weiteren / höheren Arbeitsentgelte folgende Bewertung in seinem konkreten Einzelfall:

 

1.

Die vom Kläger – im konkreten Überprüfungsverfahren – erstmals während des laufenden Klageverfahrens streitgegenständlich gestellten Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1970 bis 1979, bei denen es sich um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG handelt (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 27 ff.; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), waren nicht Gegenstand des konkreten Überprüfungsverfahrens und sind auch nicht durch zulässige Klageerweiterung (im Sinne der Klageänderung gemäß § 99 SGG) Gegenstand des Klage- und / oder des Berufungsverfahrens geworden.

 

Mit dem Überprüfungsantrag vom 21. September 2017 begehrte der Kläger (lediglich) die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Treuegeld in den Zuflussjahren 1973 bis 1990, von Brigadezuschlägen in den Zuflussjahren 1971 bis 1990, von Neuerervergütungen in den Zuflussjahren 1978 bis 1980 und 1983 bis 1986 sowie von sonstigen Prämien und Zulagen in den Zuflussjahren 1977, 1981, 1984 bis 1986 und 1988. Lediglich hierüber hat die Beklagte mit dem angefochtenen Neufeststellungs- und Teilablehnungsbescheid vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 auch entschieden. Jahresendprämien wurden vom Kläger erstmals im Klageverfahren mit dem konkreten Klagebegründungsschriftsatz vom 2. Oktober 2018 in Streit gestellt.

 

Diese Klageerweiterung, als Unterform der Klageänderung, ist gemäß § 99 Abs. 1 SGG nicht zulässig, weil weder eine Einwilligung der Beklagten noch eine Sachdienlichkeit vorliegt. Eine ausdrückliche Einwilligung der Beklagten in die Klageerweiterung lag zu keinem Zeitpunkt vor. Im Klageverfahren hat sich die Beklagte überhaupt nicht zum Jahresendprämienbegehren geäußert. Eine konkludente Einwilligung durch rügelose Einlassung (§ 99 Abs. 1 SGG) liegt weder im Klage- noch im Berufungsverfahren vor. Zwar hat sich die Beklagte im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 18. Juli 2023 zum Jahresendprämienbegehren des Klägers geäußert, allerdings konkret lediglich dahingehend, dass dieses aus ihrer Sicht "schon insofern nicht zulässig" sei. Ein "Einlassen" im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG liegt daher nicht vor, weil dieses ein inhaltliches Eingehen auf das geänderte Klagebegehren erfordert (vgl. dazu bspw.: Bieresborn in: Roos / Wahrendorf / Müller, beckOGK-SGG, 2. Aufl. 2021, § 99, RdNr. 52; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, SGG-Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 99, RdNr. 9). Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, weil sie mit dem Jahresendprämienbegehren einen gänzlich anderen (als den bereits anhängigen) Lebenssachverhalt als Streitstoff streitgegenständlich stellt und weitergehende Ansprüche verfolgt, die die Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht geprüft hat. An der Sachdienlichkeit fehlt es nämlich immer dann, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt wird (vgl. dazu bspw.: Guttenberger in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 99, RdNr. 28; Bieresborn in: Roos / Wahrendorf / Müller, beckOGK-SGG, 2. Aufl. 2021, § 99, RdNr. 41; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 166/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 28). Auch eine Einbeziehung neuer Ansprüche, die unter Umgehung eines Verwaltungsverfahrens unmittelbar bei Gericht geltend gemacht werden, ist nicht sachdienlich (vgl. dazu bspw.: Haupt / Wehrhahn in: Fichte / Jüttner, SGG-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 99, RdNr. 18; Bayerisches LSG, Urteil vom 9. August 2012 - L 8 SO 206/10 - JURIS-Dokument, RdNr. 34).

 

Soweit der Kläger im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 7. Juni 2023 ausführen lässt, er habe bereits in seiner Widerspruchsbegründung vom 19. Januar 2018 gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2017 eingewandt, dass die noch fehlenden Verdienstbestandteile in Form von Prämien (und hierunter seien auch Jahresendprämien zu verstehen) sich aus dem bestehenden Betriebskollektivvertrag ergeben würden, sodass auch die Jahresendprämien streitgegenständlich geworden seien, verkennt er die maßgebliche Sach- und Rechtslage. Zum einen waren Jahresendprämien selbst nach dem eigenen konkreten Vorbringen des Klägers nicht Gegenstand des Überprüfungsantrages vom 21. September 2017, denn in seiner tabellarischen Aufstellung und Auflistung der von ihm begehrten "zusätzlichen Entgelte" vom 1. August 2017 waren Jahresendprämien weder aufgeführt, noch an sonst einer Stelle erwähnt. Zum anderen hatte die Beklagte auch keinerlei Veranlassung das spezifische Begehren des Klägers im Überprüfungsantrag vom 21. September 2017 in Richtung Jahresendprämien zu interpretieren oder zu deuten, weil das Jahresendprämienbegehren des Klägers (kurz zuvor, also vor der Stellung des Überprüfungsantrages im September 2017) bereits Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens war, welches (bis Dezember 2016) bereits drei gerichtliche Instanzen durchlaufen hatte.

 

2.

Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG können zwar auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Treueprämien für langjährige Betriebszugehörigkeit sein (vgl. dazu bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 5 RS 225/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 56-66). Hinsichtlich des vom Kläger für die Jahre 1972 bis 1990 jeweils einmal jährlich in unterschiedlichen Höhen geltend gemachten "Treuegeldes", bei dem es sich um Prämien für Betriebszugehörigkeit gehandelt haben könnte, ist allerdings nicht ersichtlich auf welcher Rechtsgrundlage dieses basieren könnte. Der Bezug dieser Prämien ist deshalb nicht plausibel, weil er dem Grunde nach weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist.

 

Inhalt und Zweck des vom Kläger, als weiteres Arbeitsentgelt geltend gemachten Treuegeldes in den Zuflussjahren 1972 bis 1990 sind weder nachvollziehbar dargelegt, noch hinreichend substantiiert erläutert. Die rechtlichen Grundlagen ihrer Gewährung und ihres Zuflusses sind nicht bekannt und vom Senat auch nicht eruierbar. Der wiederholte Hinweis des Klägers darauf, das Treuegeld sei betriebskollektivvertraglich geregelt gewesen, genügt nicht, zumal der Kläger derartige Betriebskollektivverträge nicht vorlegen konnte.

 

Seine Notizen zu betriebskollektivvertraglich geregelten Treue- sowie Betriebszugehörigkeitsprämien in seinen Arbeitsbüchern, konkret im "Arbeitsbuch I 71-80" (S. 116), sind insoweit unzureichend, weil sie nicht nachprüfbar sind. Hinzu kommt, dass sämtlichen kryptischen Notizen in seinen Arbeitsbüchern, zumindest für die Jahre 1972 bis 1979, weder nachvollziehbare tatsächliche Zahlbeträge noch nachvollziehbare tatsächliche Zahltermine für konkrete und spezifizierbare Treuegelder oder Betriebszugehörigkeitsprämien enthalten. Selbiges gilt zwar nicht für die im "gelben Arbeitsbuch" (S. 420, 422, 424 Rückseite, 426 Rückseite, 429, 431 Rückseite, 433 Rückseite, 435 Rückseite, 437, 438 Rückseite, 440) jeweils (zumindest überwiegend) mit Datum und Betrag notierten Gelder für "Treue" bzw. "zugehörig" bzw. "Betriebszug." in den Jahren 1980 bis 1990. Allerdings ist hinsichtlich dieser konkret (überwiegend) mit Auszahlungsterminen (26. Februar 1980, 7. März 1985, 6. März 1986, 10. März 1987, 8. März 1988, 7. März 1989 und 7. März 1990) notierten Beträge der Sinn und Zweck derartiger Zahlungen weder ersichtlich, noch nachweislich eruierbar. Einen (echten) Auszahlungsnachweis erbringen die eigenen handschriftlichen Notizen ohnehin nicht.

 

Der Zufluss dem Grunde nach ist auch nicht im Sinne der Glaubhaftmachung überwiegend wahrscheinlich. Denn die Angaben des Klägers sowie des Zeugen Dr. U...., auf die sich der Kläger wiederholt beruft, sind insoweit weder stimmig, noch – im Verfahrenslauf betrachtet – konsistent: Im Überprüfungsantragsverfahren machte der Kläger in seiner tabellarischen Entgeltzusammenstellung vom 1. August 2017 ("Widerspruch zum Rentenbescheid vom 17.7.2017") beispielsweise für das Jahr 1972 gar keine Treueprämie geltend. Im Klage- und Berufungsverfahren behauptete er – dem entgegenstehend – nunmehr in seinen tabellarischen Entgeltzusammenstellungen vom 15. August 2018 ("Liste aller Überverdienste") und vom 25. Oktober 2019 ("Liste aller zusätzlichen Verdienste [bar per Kassenbeleg]"), ihm sei auch im Jahr 1972 eine Betriebszugehörigkeitsprämie in Höhe von 20,00 Mark zugeflossen. Der Zeuge Dr. U.... gab in seinen schriftlichen Erklärungen vom 18. Februar 2013 und vom 3. Dezember 2013 jeweils an, dass Treueprämien "erstmalig am Tag des Betriebsjubiläums [in Form von] Geld, Urkunde und Blumenstrauß im Rahmen einer Feier überreicht wurde[n]; die Treueprämie wurde dann jährlich nach Tabelle gezahlt:

Tabelle z.B. 29.11.79 nach Jahren:

2

6

10

15

20

25

30

Mark

20

40

60

80

100

150

200

später wurde die Tabelle geändert:

Tabelle z.B. 21.06.88 nach Jahren:

5

10

15

20

25

30

Mark

25

50

75

100

150

200

". Unter Zugrundelegung dieser Zeugenangaben stimmen die vom Kläger konkret geltend gemachten Treueprämien beispielsweise in folgenden Jahren nicht mit den Angaben des Zeugen Dr. U.... überein:

  • 1975: Begehren des Klägers in Höhe von 60,00 Mark, Angaben des Zeugen lediglich 40,00 Mark,
  • 1979: Begehren des Klägers in Höhe von 90,00 Mark, Angaben des Zeugen lediglich 60,00 Mark,
  • 1984: Begehren des Klägers in Höhe von 135,00 Mark, Angaben des Zeugen lediglich 80,00 Mark,
  • 1989: Begehren des Klägers in Höhe von 180,00 Mark, Angaben des Zeugen lediglich 100,00 Mark.

 

Den Angaben des Zeugen Dr. U.... sowie des Klägers widersprechen zum Teil auch die Angaben des Zeugen W..... Der Zeuge W.... gab in seiner schriftlichen Auskunft vom 31. Januar 2014 nämlich an, dass Treueprämien, gestaffelt nach 3, 5, 10, 15, 20, 25 und 30 Jahren gezahlt worden seien. Diese Angaben sind damit hinsichtlich der vom Kläger und vom Zeugen Dr. U.... angegebenen Betriebszugehörigkeitsjubiläen von 2 und 6 Jahren nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch gab der Zeuge W.... nicht an, dass derartige Treueprämien jährlich gezahlt worden seien, wie sie der Kläger geltend macht.

 

Da vom Kläger keinerlei weitere Unterlagen vorgelegt werden konnten, die die Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten plausibilisieren könnten, erweist sich der Zufluss in einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren (Mindest-)Höhe nicht im Sinne des § 6 Abs. 6 AAÜG als überwiegend wahrscheinlich.

 

3.

Die vom Kläger geltend gemachten Brigadeprämien in den Zuflussjahren 1971 bis 1990 sind zum einen nicht spezifiziert und zum anderen auch kein AAÜG-relevantes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG.

 

Inhalt und Zweck der vom Kläger, als weiteres Arbeitsentgelt geltend gemachten Brigadeprämien in den Zuflussjahren 1971 bis 1990 sind weder nachvollziehbar dargelegt, noch hinreichend substantiiert erläutert. Die rechtlichen Grundlagen ihrer Gewährung und ihres Zuflusses sind nicht bekannt und vom Senat auch nicht eruierbar. Der wiederholte Hinweis des Klägers darauf, die Brigadeprämien seien betriebskollektivvertraglich geregelt gewesen, genügt nicht, zumal selbst die Angaben des Klägers hierzu widersprüchlich sind: Gemäß den vom Kläger selbsterstellten Listen ("Entgeltübersicht" vom 26. August 2010, "Entgeltübersicht" vom 9. März 2009 sowie "Liste aller Überverdienste – Liste aller Forderungen" vom 15. August 2018) soll es sich bei den Brigadeprämien (dort bezeichnet einerseits als: "Brigadezuschlag" [Entgeltübersicht vom 26. August 2010, Entgeltübersicht vom 9. März 2009], andererseits als: "Brigadeprämie" [Überverdienstliste vom 15. August 2018]) um einen von drei Bestandteilen der Jahresendprämie gehandelt haben. Gemäß den gleichfalls vom Kläger selbsterstellten Listen ("Liste aller Überverdienste" vom 30. April 2013, "Liste aller Überverdienste" vom 26. November 2013, "Widerspruch zum Rentenbescheid vom 17.7.2017" vom 1. August 2017 und 176-seitige "Liste aller zusätzlichen Verdienste [bar per Kassenbeleg]" vom 25. Oktober 2019) sowie den vom Kläger selbsterstellten Erläuterungsschreiben, zum Beispiel vom 20. März 2019, soll es sich bei den Brigadeprämien (dort bezeichnet einerseits als: "Brigadezuschlag" [Überverdienstliste vom 30. April 2013; Überverdienstliste vom 26. November 2013; Widerspruch vom 1. August 2017], andererseits als: "Brigadegeld" [Erläuterungsschreiben vom 20. März 2019]) hingegen um Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" gehandelt haben. In der zuletzt im Klageverfahren vom Kläger erstellten 176-seitigen "Liste aller zusätzlichen Verdienste (bar per Kassenbeleg)" vom 25. Oktober 2019 ist von Brigadeprämien, Brigadezuschlägen oder Brigadegeld gar keine Rede mehr; der Kläger bezeichnet die als Brigadeprämien in den Jahren 1971 bis 1990 geltend gemachten zusätzlichen Entgelte vielmehr durchgehend als Prämien für den Titel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit". Für die zuletzt genannte Deutungsvariante sprechen auch die Ausführungen der Zeugen W.... in seiner schriftlichen Auskunft vom 31. Januar 2014 sowie Dr. U.... in seinen schriftlichen Auskünften vom 18. Februar 2013 und vom 3. Dezember 2013. Der Zeuge W.... führte in seiner schriftlichen Auskunft vom 31. Januar 2014 aus: "Brigadezuschläge erfolgten jährlich im Rahmen der 'Kollektive der sozialistischen Arbeit'." Der Zeuge Dr. U.... führte in seinen schriftlichen Auskünften vom 18. Februar 2013 sowie vom 3. Dezember 2013 jeweils aus: "Seit Bestehen des ORZ kämpfte die Brigade jährlich erfolgreich um den Titel 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit'. Ein Betrag von 100 M je Mitarbeiter wurde ausgezahlt sowie dazu eine Urkunde überreicht." Der Kläger selbst bezog sich darüber hinaus in einem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Februar 2014 (im landessozialgerichtlichen Verfahren L 5 RS 530/12) sowie in weiteren Schreiben ebenfalls auf die Übergabe von Urkunden anlässlich der Zahlung von Prämien von 100,00 Mark für die Brigadeauszeichnung mit dem Titel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" und legte hierzu einen Auszeichnungsbeleg vom 16. März 1971 vor, aus dem sich ergibt, dass der Kläger "am 10. März 1971 mit dem Staatstitel 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit' ausgezeichnet" wurde. Weiterhin legte er wiederholt (sowohl im Überprüfungsverfahren bei der Beklagten, als auch im sozialgerichtlichen Klageverfahren und im landessozialgerichtlichen Berufungsverfahren) die ihm vom Betrieb überreichten Urkunden über die Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" vom 25. Februar 1971, vom 10. März 1972, vom 27. März 1974 und vom 20. Februar 1975 vor.

 

Vor diesem Hintergrund ist lediglich überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei den vom Kläger als zusätzliches Arbeitsentgelt festzustellend begehrten Brigadeprämien in den Zuflussjahren 1971 bis 1990 um Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" gehandelt hat. Solche Prämien stellen jedoch keine aus dem Arbeitsverhältnis fließende Gegenleistungen für die Arbeitsleistung dar, sodass sie kein Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind (vgl. zu Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 21. September 2023 - L 7 R 289/23 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 37-39; Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 5 RS 225/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 67-69; Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 101-103; ebenso zu Prämien anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Aktivist der sozialistischen Arbeit": Sächsisches LSG, Urteilsbeschluss vom 18. September 2017 - L 5 RS 678/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 50-52; Sächsisches LSG, Urteil vom 13. September 2016 - L 5 RS 738/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 162-165; ebenso zu Prämien anlässlich der Verleihung des Titels "Banner der Arbeit": Sächsisches LSG, Urteil vom 1. April 2014 - L 5 RS 115/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 19-29).

 

Anerkennungsprämien anlässlich der Verleihung oder Bestätigung (Verteidigung) des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" konnten nach § 8 Abs. 3 der "Ordnung über die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit' (nachfolgend: ETO-KdsA)", die Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 (DDR-GBl. 1978, Sonderdruck Nr. 952, S. 15 ff.) war, ausgereicht werden. Die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" war eine "gesellschaftliche Wertschätzung" (§ 1 ETO-KdsA) und erfolgte, wenn die Kollektivmitglieder kontrollier- und abrechenbare, kollektive und persönliche Verpflichtungen übernommen hatten, mit dem Ziel, aktiv bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft mitzuwirken, die sozialistische Lebensweise weiter auszuprägen, Keime der kommunistischen Einstellung zur Arbeit herauszubilden und weitere Anforderungen verwirklichten (§ 2 Satz 1 ETO-KdsA).

 

Aus diesem, in einem staatlichen Regelwerk der DDR niedergelegten und damit durch das DDR-Recht selbst vorgegebenen Zweck (vgl. zur maßgeblichen Heranziehung dieses Aspekts beispielhaft: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 46; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25) wird deutlich, dass mit dem Ehrentitel und der verbundenen Anerkennungsprämie, nicht die im Betrieb erbrachte Arbeitsleistung als Gegenleistung aus dem Beschäftigungsverhältnis honoriert wurde, sondern die gesellschaftliche, nämlich sozialistische, Unterstützung des staatlichen Systems in Form der Stärkung und Festigung der DDR. Honoriert wurde damit staatliche Linien-, Regime- und Systemtreue. Zwar wird als Prämierungszweck auch die Erreichung "beispielgebender Arbeitsleistungen" (§ 1 ETO-KdsA) ausdrücklich aufgeführt. Diese Arbeitsleistungen wurden aber nicht aufgrund ihres Charakters als Arbeitsleistung, sondern aufgrund ihres, das staatliche System stützenden Charakters prämiert. Denn die "beispielgebenden Arbeitsleistungen" wurden wegen der "gezielten Überbietung des Planes" (§ 2 Satz 1 Spiegelstrich 1 ETO-KdsA), also der Stärkung der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung, als beispielgebende Initiativen belohnt. Die Belohnung, und damit die Prämie, floss den Belohnten nicht aus dem durch einen Arbeitsvertrag begründeten Beschäftigungsverhältnis, sondern aus dem durch die sozialistische Staatsverfassung der DDR begründeten "festen Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes" zu, bei dem es sich um eine der "unantastbaren Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung" handelte (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1974 [DDR-GBl. I Nr. 47 S. 432]).

 

4.

Bei Neuerervergütungen handelt es zwar um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Neuerung handelte (vgl. dazu bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 71-77 und 95). Die Neuerer- und Erfindertätigkeit wurde überwiegend unter denselben oder unter sehr ähnlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb geleistet wie die täglich durch die Werktätigen auf Grund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Arbeitsleistungen. Deshalb wurden in diesen Fällen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf das Neuererrechtsverhältnis analog angewendet und der Werktätige juristisch so gestellt, als würde er im Rahmen des Arbeitsrechtsverhältnisses handeln (dazu ausdrücklich: Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 51). In der DDR konnten die Werktätigen für Neuerungen und Erfindungen jeweils einmalige Vergütungen erhalten, wenn diese von den Betrieben benutzt wurden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 der "Verordnung über die Förderung der Tätigkeit der Neuerer und Rationalisatoren in der Neuererbewegung – Neuererverordnung –" [nachfolgend: NeuererVO] vom 22. Dezember 1971 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 1, S. 1]). Die Vergütung für vereinbarte Neuererleistungen und für Neuerervorschläge betrug mindestens 30 Mark und höchstens 30.000 Mark, für eine Erfindung mindestens 75 Mark und höchstens 200.000 Mark (§ 30 Abs. 2 NeuererVO). Die Berechnung und Festsetzung der Vergütung erfolgte auf der Grundlage des Nutzens für die Gesellschaft, der durch die Benutzung einer vereinbarten Neuererleistung, eines Neuerervorschlags oder einer Erfindung während des ersten Benutzungsjahres im Arbeitsprozess entstand (§ 30 Abs. 4 Satz NeuererVO). War der Nutzen in Geld messbar (errechenbar oder schätzbar), so wurde die Vergütung nach der Anlage 1 (= Tabelle für die Berechnung der Vergütung von vereinbarten Neuererleistungen und Neuerervorschlägen) oder der Anlage 2 (= Tabelle für die Berechnung der Vergütung für durch Wirtschaftspatent geschützte und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüfte Erfindungen) zur NeuererVO berechnet (§ 30 Abs. 4 Satz 2 NeuererVO). War der Nutzen nicht in Geld messbar, so war die Vergütung nach kollektiver Beratung in der Neuererbrigade vom zuständigen Leiter im Einvernehmen mit der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung festzusetzen (§ 30 Abs. 4 Satz 3 NeuererVO). Die Einzelheiten der Vergütung wurden, entsprechend der Ermächtigung in § 30 Abs. 5 NeuererVO, in einer Durchführungsbestimmung (= 1. DB zur NeuererVO), geregelt. Die Ermittlung des Nutzens, welcher den Vergütungen für vereinbarte Neuererleistungen, Neuerervorschläge und Erfindungen zu Grunde zu legen war, wurde, entsprechend der Ermächtigung in § 30 Abs. 5 Satz 2 NeuererVO, in der "Anordnung über die Ermittlung des Nutzens zur Vergütung von Neuerungen und Erfindungen" vom 20. Juli 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 48, S. 550), geregelt, die vom Präsidenten des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der DDR im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen der DDR erlassen wurde.

 

Die Berücksichtigung der vom Kläger konkret – im Berufungsverfahren nur noch – geltend gemachten Neuerervergütungen für die Jahre 1970 bis 1972, 1978, 1980 und 1985 bis 1986 scheidet jedoch – bis auf einen kleinen Teil im Jahr 1978 – aus verschiedenen Gründen aus:

 

Die vom Kläger für die Jahre 1970 (in Höhe von 1.255,32 Mark), 1971 (in Höhe von 626,08 Mark) und 1972 (in Höhe von 361,38 Mark) geltend gemachten Neuerervergütungen sind nicht Gegenstand des konkreten Verfahrens, weil sie vom Überprüfungsantrag des Klägers vom 21. September 2017 nicht umfasst waren und die im Klageverfahren insoweit anhängig gemachte Klageerweiterung (im Sinne der Klageänderung) nicht zulässig ist (§ 99 Abs. 1 SGG). Denn weder hat die Beklagte in die Klageerweiterung eingewilligt, noch hält das Gericht die Klageerweiterung für sachdienlich. Insoweit gilt Entsprechendes wie zu dem unzulässigen Jahresendprämienbegehren. Im Übrigen lassen sich den Aufzeichnungen des Klägers in seinen Arbeits- und Stundenbüchern auch keine eindeutigen Hinweise auf die Auszahlung von Neuerervergütungen in den Jahren 1970 bis 1972 entnehmen. Im "gelben Stundenbuch" (S. 301-369) sind lediglich irgendwelche Stunden handschriftlich notiert, deren Summe der Kläger mit dem Faktor 3,17 MDN multipliziert und meint, so auf die behaupteten Beträge in Höhe von 1.255,32 Mark (im Jahr 1970), 626,08 Mark (im Jahr 1971) und 361,38 Mark (im Jahr 1972) zu gelangen. Den eigenen Aufzeichnungen lässt sich jedoch nicht, und erst Recht nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, entnehmen, dass die selbstnotierten Stunden in Verbindung mit der selbstangestellten Multiplikation tatsächlich als Vergütungen für Neuerervereinbarungen gezahlt worden sind, zumal in den eigenen Notizen des Klägers weder tatsächliche Zahlbeträge noch tatsächliche Zahltermine für konkrete und spezifizierbare Neuererleistungen plausibilisiert sind.

 

Eine vom Kläger geltend gemachte Neuerervergütung für das Jahr 1978 in Höhe von 610,00 Mark lässt sich den Aufzeichnungen in seinen Arbeitsbüchern gleichfalls nicht entnehmen. Eine Notiz in Höhe von "610,00" Mark findet sich dort überhaupt nicht. Aus sämtlichen kryptischen, zum Teil – wegen der Notierung mit Bleistift – kaum lesbaren, Kürzeln im "gelben Arbeitsbuch" für das Jahr 1978 (S. 410-413) lassen sich weder tatsächliche Zahlbeträge noch tatsächliche Zahltermine für konkrete und spezifizierbare Neuererleistungen plausibilisieren. Die Notizen mit dem Inhalt: "L 28371-77" und "L28376-78, Variante 3, PRO34" sind völlig unspezifisch und enthalten nicht einmal eine entsprechend (betrieblich) zuordenbare Neuerervereinbarungsnummer. Andere, nicht zuordenbare oder nicht verifizierbare Abkürzungen sind nicht einmal als Notizen im Rahmen von Leistungen in der Neuererbewegung zuordenbar, zumal die DDR-spezifische und gebräuchliche Abkürzung "NV" für "Neuerervereinbarung" dort auch nicht notiert wurde.

 

Allerdings kommt für das Jahr 1978 die Feststellung eines weiteren Arbeitsentgelts zu Gunsten des Klägers für die von der Beklagten mit Feststellungsbescheid vom 4. Dezember 2017 bereits berücksichtigte Neuerervergütung ("NV 298/78" in Höhe von "279,00 Mark von Kollegen Schmidt TN erh[alten]") in Betracht, weil die Beklagte den glaubhaft gemachten Betrag (in Höhe von 232,50 Mark) – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – lediglich in Höhe von 130,83 Mark (vgl. die Entgeltfeststellungen für das Jahr 1978 im Feststellungsbescheid vom 4. Dezember 2017 [in Höhe von 13.177,53 Mark] sowie im Feststellungsbescheid vom 11. Mai 2017 [in Höhe von 13.046,70 Mark]) und damit in Höhe von 101,67 Mark zu niedrig berücksichtigt hat. Da eine Neuerervergütung für das Jahr 1978 im Berufungsverfahren konkret streitgegenständlich ist, kann dieser Restbetrag auch berücksichtigt werden.

 

Eine vom Kläger geltend gemachte Neuerervergütung für das Jahr 1980 in Höhe von 386,00 Mark lässt sich den Aufzeichnungen in seinen Arbeitsbüchern ebenfalls nicht entnehmen. In seinem "gelben Arbeitsbuch" (S. 420 Rückseite) ist unter dem kryptischen und nicht zuordenbaren Kürzel "7360.9201" lediglich notiert: "26.5.80 386,- M erh.". Diese Notizen deuten in keinem Zusammenhang auf Neuerervergütungen hin, zumal die DDR-spezifische und gebräuchliche Abkürzung "NV" für "Neuerervereinbarung" dort auch nicht enthalten ist.

 

Die für das Jahr 1985 vom Kläger begehrte Neuerervergütung in Höhe von 480,00 Mark, die gemäß seinen Aufzeichnungen im "gelben Arbeitsbuch" (S. 430, 432) für "NV 82/310 49 Std. x 7,00 M x 1,4" an ihn ausgereicht wurde, hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 4. Dezember 2017 bereits als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt in Höhe von fünf Sechsteln (= 400,00 Mark) berücksichtigt. Eine nochmalige oder weitere Entgeltfeststellung kommt daher nicht in Betracht, insbesondere nicht auf Grund eines Nachweises, weil ein Auszahlungsbeleg über den Betrag in Höhe von 480,00 Mark nicht vorliegt.

 

Die vom Kläger geltend gemachten Neuerervergütungen für das Jahr 1986 in Höhe von insgesamt 150,00 Mark lassen sich seinen Aufzeichnungen im "gelben Arbeitsbuch" (S. 435) ebenfalls nicht entnehmen. Zwar enthält dieses die kryptischen Kürzel: "29.10.86 ODB+Günter 50,- M erh. auf T2-Thema" und "6.12.86 von OD 1-6 Bishold F/1 (DBSR) 100,- M erh.". Dem lässt sich jedoch nicht, und erst Recht nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, entnehmen, dass die selbstnotierten Beträge als Vergütungen für Neuerervereinbarungen gezahlt worden sind, zumal die DDR-spezifische und gebräuchliche Abkürzung "NV" für "Neuerervereinbarung" gerade nicht notiert wurde. Diese Zweifel werden noch dadurch verstärkt, als der Kläger die behaupteten Entgelte für "Zuschlag für FM-DBSR" vom 29. Oktober 1986 (in Höhe von 50,00 Mark) und für "Zuschlag für T3" vom 6. Dezember 1986 (in Höhe von 100,00 Mark) ursprünglich selbst nicht als Neuerervergütungen qualifizierte. Denn in seinen selbsterstellten Übersichten vom 26. August 2010, vom 9. März 2009 und vom 30. April 2013 bezeichnete er diese angeblichen Entgelte als "Sonstiges" und führte sie gerade nicht in der Spalte der "Neuerervergütungen" auf. Ohne Begründung, ohne Erklärung, ohne Erläuterung und ohne nachvollziehbaren Anlass führte der Kläger diese angeblichen Entgelte vom 29. Oktober 1986 und vom 6. Dezember 1986 in seinen selbsterstellten Übersichten vom 1. August 2017, vom 15. August 2018, vom 20. September 2018 und vom 25. Oktober 2019 dann jedoch in der Spalte "Neuerervergütungen" auf. Dieses Vorgehen des Klägers weckt ernsthafte Zweifel an seiner – nachgeschobenen – Qualifizierung der konkreten und mit Datum zuordenbaren Beträge als Neuerervergütungen.

 

Die Neuerervergütungen (hier in Form der restlichen Neuerervergütung für das Jahr 1978) als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der Neuerervergütungen regeln würde, liegt nicht vor. Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

5.

Bei den vom Kläger geltend gemachten "sonstigen Prämien und Zulagen" in Form

  • des Schichtzuschlags in der Packerei (in Höhe von 7,00 Mark) im Jahr 1977,
  • der Prämie für den LPG-Einsatz (in Höhe von 114,25 Mark) im Jahr 1981,
  • des Zuschlags für die Zimmerreinigung (in Höhe von 10,00 Mark) im Jahr 1985,
  • der Prämie für den Havarieeinsatz (in Höhe von 25,00 Mark) im Jahr 1986 und
  • des Zuschlags für einen Produktionseinsatz (in Höhe von 25,00 Mark) im Jahr 1986

handelt es sich nicht um AAÜG-relevantes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Dies wäre nur der Fall, wenn es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung aus dem Arbeitsverhältnis gehandelt hätte, die die AAÜG-Anwartschaft begründete. Feststellungsfähig im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist nur das, aus der zusatzversorgungsrelevanten Beschäftigung erzielte Entgelt, nicht aber solche Zahlungen, die aus anderen Funktionen oder Tätigkeiten erzielt werden (vgl. dazu bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 5 RS 225/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 70-73 [dort zu Anerkennungsprämien für Tätigkeiten als gewerkschaftlicher Vertrauensmann]).

 

Im konkreten Fall ist dies für die konkret geltend gemachten "sonstigen Prämien und Zulagen" ausgeschlossen. Diese Entgelte flossen dem Kläger bereits nach dessen eigenem Vortrag nicht aus dem Arbeitsverhältnis zu, das die AAÜG-Anwartschaft begründete. Es handelte sich – ausweislich der Erklärungen des Klägers in seinem Schreiben vom 21. Dezember 2015 (im Verfahren L 5 RS 530/12) – um "Zusatzgelder", die für "Leistungen außerhalb des Arbeitsvertrages und nach der Arbeitszeit gezahlt" wurden. Erläuternd führte der Kläger diesbezüglich hinzu:

 

"Wenn es Engpässe in der Produktion des VEB/LPG/DR gab (Arbeitskräfte fehlten z.B. im Versand, Bohrerei; Stanzerei; LPG – Kartoffeln sortieren; DR 1978 Gleise vom Schnee befreien; ...), wurden Arbeitskräfte sofort aus der Verwaltung u.ä. Bereichen eingesetzt ("LPG" "Produktion", sonstige "Havarie" in der Produktion oder am Rechner/Bedienung); bzw. Aufgaben (die nicht im Arbeitsvertrag standen) und Aufgaben sofort von uns/mir (T..../A.) erledigt werden mussten (z.B. zusätzlich "Reinigung" des Arbeitszimmers nach Renovierung)."

 

Auch im Übrigen wird aus den vom Kläger vorgelegten arbeitsvertraglichen Unterlagen (Arbeits- und Änderungsverträge, Funktionspläne) ersichtlich, dass es sich bei den (vorübergehenden, nur im Einzelfall verrichteten) Tätigkeiten des Klägers als

  • im Schichtdienst in der Packerei Tätiger,
  • in der landwirtschaftlichen Produktion Tätiger,
  • Zimmerreiniger,
  • bei einer Havarie Dienstleistender,
  • bei einem Produktionseinsatz Tätiger

nicht um Arbeitsleistungen handelte, die der Kläger im VEB Gerätewerk X.... bzw. im – unmittelbaren Rechtsnachfolgebetrieb – VEB Messgerätewerk S.... (Betriebsteil Gerätewerk X....) auf der Grundlage seines Arbeitsvertrages als Programmierer oder Projektant erbracht bzw. verrichtet hat. Diese Tätigkeiten, für die der Kläger behauptet Prämien und Zulagen vom Betrieb erhalten zu haben, waren weder Gegenstand seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, noch Bestandteil seiner im Funktionsplan festgehaltenen Arbeitsaufgaben.

 

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Erwägung, dass es sich bei diesen Tätigkeiten des Klägers um Nebenleistungsverpflichtungen zum Arbeitsverhältnis gehandelt haben könnte, ergibt sich keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage. Denn selbst wenn dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, wäre diese Nebenleistungsverpflichtung nicht AAÜG-relevant. Die Tätigkeiten als im Schichtdienst in der Packerei Tätiger, in der landwirtschaftlichen Produktion Tätiger, Zimmerreiniger, bei einer Havarie Dienstleistender und bei einem Produktionseinsatz Tätiger sind keine zusatzversorgungsrelevanten Tätigkeiten eines Ingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik oder eines Diplomingenieurs der Fachrichtung Informationstechnik; insoweit mangelt es an der sachlichen Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsberechtigung. Feststellungsfähig im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist nur das, aus der zusatzversorgungsrelevanten Beschäftigung selbst erzielte Entgelt, nicht aber solche Zahlungen, die aus anderen Funktionen oder Tätigkeiten erzielt werden.

 

6.

Bei den vom Kläger für die Zuflussjahre 1977 und 1981 begehrten "Bestarbeiterprämien" handelt es sich hingegen um AAÜG-relevantes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn diese Prämien stellen eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung aus dem Arbeitsverhältnis dar, die die AAÜG-Anwartschaft begründete. Zufluss und Höhe der Bestarbeiterprämien hat der Kläger auch glaubhaft gemacht.

 

Der Titel "Bestarbeiter" wurde in der DDR als Auszeichnung an Werktätige für vorbildliche Leistungen bei der Planerfüllung verliehen (Bley / Freyer / Kahle / Matthes / Puttrich / Richter / Sachse / Walter in: "Lexikon der [DDR-]Wirtschaft – Band: Arbeit", 2. Aufl. 1970, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 162 zum Stichwort "Bestarbeiter"; "Ökonomisches Lexikon [der DDR] – Band A-G", 3. Aufl. 1978, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 318 zum Stichwort "Bestarbeiter"; Freyer / Hacker / Hanspach / Heintze / Heinze / Mader / Noack / Pätzold / Quaas / Rehtanz / Richter / Sachse / Winkler in: "Lexikon der [DDR-]Wirtschaft – Band: Arbeit/Bildung/Soziales", 1982, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 203 zum Stichwort "Bestarbeiter"). Die Auszeichnung war überwiegend mit der Ausreichung einer Prämie verbunden (Bley / Freyer / Kahle / Matthes / Puttrich / Richter / Sachse / Walter in: "Lexikon der [DDR-]Wirtschaft – Band: Arbeit", 2. Aufl. 1970, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 162 zum Stichwort "Bestarbeiter"; "Ökonomisches Lexikon [der DDR] – Band A-G", 3. Aufl. 1978, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 318 zum Stichwort "Bestarbeiter"; Freyer / Hacker / Hanspach / Heintze / Heinze / Mader / Noack / Pätzold / Quaas / Rehtanz / Richter / Sachse / Winkler in: "Lexikon der [DDR-]Wirtschaft – Band: Arbeit/Bildung/Soziales", 1982, Verlag Die Wirtschaft Berlin, S. 203 zum Stichwort "Bestarbeiter").

 

Die Verleihung der Titel als "Bestarbeiter" hat der Kläger durch (die wiederholte) Vorlage der Urkunden vom 12. Juli 1977 und vom 19. Mai 1981, mit denen er "im Rahmen der Wettbewerbsführung und der Bestenbewegung" in den Monaten Juni 1977 und April 1981 jeweils als "Bestarbeiter ausgezeichnet" wurde und mit denen ihm jeweils "für die guten Leistungen Dank und Anerkennung ausgesprochen" wurde, nachgewiesen. Zwar konnte der Kläger keine Auszahlungsbelege hinsichtlich überreichter Prämien für diese Ehrungen als Bestarbeiter vorlegen, sodass der Zufluss derartiger Prämien nicht nachgewiesen ist. Ausweislich der schriftlichen Erklärungen des Zeugen Dr. U.... in seinen Auskünften vom 18. Februar 2016 sowie vom 3. Dezember 2013 war die Auszeichnung als Bestarbeiter jedoch jeweils mit der Ausreichung einer Prämie in Höhe von 50,00 Mark verbunden, sodass der Zufluss entsprechender Prämienentgelte zumindest glaubhaft gemacht worden ist. Folglich hat der Kläger Anspruch auf die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Prämien anlässlich der Auszeichnungen als Bestarbeiter in den Jahren 1977 und 1981 in Höhe von jeweils fünf Sechstel (§ 6 Abs. 6 AAÜG) von 50,00 Mark, also in Höhe von 41,67 Mark.

 

Die Bestarbeiterprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der Bestarbeiterprämien regeln würde, liegt nicht vor. Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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