L 3 KA 59/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 20 KA 218/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 59/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die als Bestandteil der allgemeinen Praxiskosten zu tragenden Aufwendungen für ärztliche und nichtärztliche Leistungen bei der Direktbeschaffung von Blutgerinnungsfaktoren können nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag erstattet werden.
2. Dies gilt auch, soweit dem Arzt andere Aufwendungen im Zusammenhang mit Bestellung und Lieferung von Arzneimitteln entstanden sind.

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.551,01 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin macht Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend.

Die vormals unter der Firma J. GmbH geführte Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Alleingesellschafter und Geschäfts­­führer der Facharzt für Transfusionsmedizin PD Dr. K. ist. Der Arzt war bis September 2022 zugleich Einzelunternehmer des Medizinischen Versorgungs­zentrums (MVZ) L., das als hämostaseologische Facharztpraxis an der vertrags­ärzt­lichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in M. teilnimmt. Trägerin des MVZ ist inzwischen die N. GmbH.

In den Quartalen II bis IV/2015 wurden die bei der Beklagten versicherten Marian S. und Vitalij B. (Versicherte) im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern mit Blut­gerin­nungs­faktoren versorgt. Dazu bestellte die Klägerin die Faktorpräparate direkt beim jeweiligen Hersteller, der die Arznei­mittel entweder direkt an die Klägerin oder an Hausarzt­praxen in der Nähe des Wohnorts der Versicherten lieferte. Hierfür wurden der Klägerin folgende Beträge in Rechnung gestellt:

Hersteller

Datum

Präparat

Betrag (brutto)

Lieferung an

BGmbH

10.06.2015

Kogenate

30.345,00 Euro

Klägerin

BGmbH

27.07.2015

Kogenate

30.345,00 Euro

Klägerin

CGmbH

01.09.2015

Helixate NexGen

121.380,00 Euro

Klägerin

BGmbH

08.09.2015

Kogenate

91.035,00 Euro

Dr. O.,

P.

CGmbH

06.11.2015

Helixate NexGen

121.380,00 Euro

Dres. Q.,

R.

BGmbH

18.12.2015

Kogenate

91.035,00 Euro

Dr. S.,

T.

 

Anschließend stellte die Klägerin der Beklagten Aufwendungs­­ersatz für die Versorgung der Versicherten mit den Faktorpräparaten in Rechnung und verwies dabei auf den Arzneimittel­versorgungs­vertrag zwischen den Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV). Ihre Rechnungen enthalten jeweils den sinngemäßen Hinweis, dass sich der Rechnungsbetrag aus dem „U. -Einkaufspreis“ zuzüglich eines Aufschlags iHv 3% sowie eines Betrages iHv 6,38 Euro pro Packung zusammensetzten. Im Einzelnen brachte die Klägerin folgende Beträge in Ansatz:

Datum

Re.-Nummer

Versicherter

Präparat

Betrag (brutto)

30.07.2015

15123

Vitalij B.

Kogenate

31.331,20 Euro

05.09.2015

15148

Vitalij B.

Kogenate

31.321,20 Euro

06.10.2015

15180

Marian S.,

Vitalij B.

Helixate NexGen,

Kogenate

219.440,40 Euro

08.12.2015

15264

Marian S.

Helixate NexGen

125.456,80 Euro

31.12.2015

15263

Vitalij B.

Kogenate

93.983,60 Euro

 

Die Beklagte ist der Auffassung, dass lediglich die Kosten der Präparate unter Berück­sichtigung des von den Herstellern eingeräumten Skontos iHv 1,5 % erstattungsfähig seien. Dement­sprechend leistete sie folgende Zahlungen:

Re.-Nummer

Betrag (brutto)

Zahlung

Differenz

15123

31.331,20 Euro

30.345,00 Euro

986,20 Euro

15148

31.321,20 Euro

30.031,65 Euro

1.289,55 Euro

15180

219.440,40 Euro

209.047,55 Euro

10.392,85 Euro

15264

125.456,80 Euro

118.932,80 Euro

6.524,00 Euro

15263

93.983,60 Euro

90.114,75 Euro

3.868,85 Euro

 

23.061,45 Euro

 

Nach erfolglosen Mahnungen hat die Klägerin am 9. August 2017 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben, mit der sie nunmehr Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend macht. Dazu hat sie vor­getragen, dass das MVZ L. die Versicherten im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern versorgt habe, indem es die Faktorpräparate über die Klägerin direkt beim Hersteller bezogen und an die Versicherten abgegeben habe. Sie sei vom MVZ L. als Rechen­zentrum gemäß § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beauftragt worden, die dies­bezügliche Abrechnung mit den gesetz­lichen Krankenkassen vorzunehmen. Das MVZ L. habe die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Aufwendungs­ersatz an sie abgetreten. Mit ihren Rechnungen habe sie den Ersatz der entstandenen Aufwendungen in Höhe der verauslagten Kosten für die Arznei­mittel sowie der „weiteren Aufwendungen, die für die Beschaffung und Abgabe angefallen sind (3 % des Nettopreises pauschal zzgl. 6,38 € pro Packung zzgl. Umst.)“ unter Anwendung der §§ 4 Abs 5, 8 Abs 4 Anl 2, Teil 1 des Arznei­versorgungsvertrages zwischen den Ersatz­kassen und dem DAV bzw des § 6 Abs 2 lit c des Arzneiliefervertrages zwischen dem Nieder­sächsischen Landes­apothekerverband und der AOK Niedersachsen gefordert.

Der Anspruch auf Ersatz der für die Versorgung der Versicherten mit Gerinnungsfaktor­zubereitungen auf­gewen­deten Kosten folge aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Die diesbezüglichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) seien im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden. Das MVZ L. habe im Rahmen der Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Ver­sorgungs­auftrags die bei der Beklagten gesetzlich versicherten Patienten versorgt. Hierdurch seien dem MVZ Kosten entstanden, die anderweitig nicht erstattet würden. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der hämostaseo­logisch verantwortliche Arzt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot heraus grundsätzlich verpflichtet, Gerinnungsfaktor­zubereitungen im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern direkt an seine Patienten abzugeben. Damit sei das MVZ im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ver­pflichtet, Tätigkeiten als Geschäftsbesorgung für die Beklagte zu übernehmen, die ansonsten eine Apotheke übernehme. Das MVZ habe folglich die Aufgabe der Beklagten nach § 2 Abs 1 SGB V wahrgenommen, ohne über Vorschriften des SGB V hierzu verpflichtet zu sein. Die Geschäftsführung entspreche dem Willen der Beklagten als Geschäftsführerin. Indem es die Kosten getragen habe, die durch den Bezug und die Abgabe an die Versicherten angefallen seien, habe das MVZ ein fremdes Geschäft geführt. Der Geschäftsführer habe einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Dazu zählten vor allem diejenigen freiwilligen Vermögensopfer, die er zum Zweck der Ausführung des Geschäfts erbracht hat, wie Auslagen für Reisen, Telefonate, Porto, Prozess­kosten oder die Tilgung von Schulden des Geschäftsherrn; ferner könne er Ersatz für die Kosten des eingesetzten Personals und für die Maschinen verlangen. Ihm werde die übliche Vergütung und damit ein Verdienst zugebilligt, wenn die Geschäftsbesorgung in seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit fällt. Die übliche Vergütung einer Apotheke ergebe sich unter Anwendung der Vorschriften der genannten Verträge, wobei die Klägerin zugunsten der Beklagten bereits die geringere Vergütung angesetzt habe.

Die Beschaffung und insbesondere die Abgabe von Arzneimitteln werde nicht durch das nach den Vorschriften des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertrag­särztliche Leistungen (EBM) zu leistende vertrags­ärztliche Honorar vergütet. Da die Abgabe von Arzneimitteln grund­sätzlich den Apotheken vorbehalten sei und ein Arzt nur in eng definierten Ausnahmefällen Arzneimittel an seine Patienten abgeben dürfe, sei eine Abgeltung der mit der Beschaffung, Lagerung und Abgabe der Faktor­präparate verbundenen erheblichen Kosten über den EBM ausgeschlossen. Die Klägerin wende Personalkosten und weitere Kosten auf, die zwingend mit der Beschaffung und Abgabe der Faktorpräparate einhergingen. Es könne nicht ernsthaft behauptet werden, dass die hierzu im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 dar­gestellten Aufgaben und daraus resul­tierenden Kosten, die durch die Abgabe von Arzneimitteln entstünden, bei der Kalkulation des EBM Berücksichtigung gefunden haben. Mit der Befolgung der Vorgaben des BSG und der Abgabe der Präparate an heim­selbstbehandelnde Patienten seien erhebliche Kosten verbunden, die das ärztliche Honorar um ein Vielfaches überstiegen.

Die Klägerin gebe die streitgegenständlichen Arzneimittel wie ein Apotheker an ihre Patienten ab. Die Abgabe von Arzneimitteln an Patienten sei aber keine ärztliche Aufgabe. Somit finde sich im EBM für diese Tätigkeit auch kein Vergütungsbestandteil. Mit der Rechtsprechung des BSG werde vom hämostaseologisch verantwortlichen Arzt gefordert, dass er gleich einer Apotheke die Gerinnungsfaktorzubereitungen einkauft, lagert und an die Patienten abgibt. Hierbei fielen selbstverständlich die im Einzelnen dargestellten Tätigkeiten und Kosten - auch für die Abrechnung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen - an. Eine Apotheke erhalte für die Erfüllung der entsprechenden Aufgaben eine mit der Beklagten fest vereinbarte Vergütung. Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin bei Erfüllung identischer Aufgaben hierfür keine Vergütung erhalten soll.

Die Klageforderung hat die Klägerin auf 15.551,01 Euro beziffert. Dabei hat sie in der Klage­schrift - abweichend vom Inhalt ihrer Rechnungen - den vorgenommenen Skontoabzug iHv 1,5 % der Arzneimittelkosten berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 9. August 2017 verwiesen.

Die Beklagte hat die Abtretung von Forderungen des MVZ an die Klägerin bestritten. Überdies hat sie eingewandt, dass dem MVZ L. keine Ansprüche gegen die Beklagte zugestanden hätten, da alle Forderungen des MVZ hinsichtlich der erbrachten ärztlichen Leistungen ausschließlich mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) abzurechnen seien. Ein weiterer Honoraranspruch der Praxis sei weder gesetzlich vorgesehen noch existiere hierfür eine gültige Vereinbarung mit der Beklagten. Da die Honorierung der Leistungen durch die vertragsärztlichen Honorarbestimmungen abschließend geregelt sei, sei für Ansprüche aus §§ 683, 670 BGB schon im Ansatz kein Raum.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin eine Abtretungs­vereinbarung vorgelegt, nach deren Inhalt das MVZ L. die dort bezeichneten Forderungen gegen die Beklagte unter dem 27. Juli 2015 an die „L. GmbH“ abgetreten und die „L. GmbH“ die Abtretung angenommen hat. Zur Bezeichnung der Forderungen enthält die Abtretungsvereinbarung die auch in der Klage­begründung vom 9. August 2017 zur Aufschlüsselung der Klageforderung verwendete Tabelle.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer bestehe der von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachte Anspruch des MVZ nicht. Es sei kein Raum für die Anwendung der Grundsätze über den Aufwen­dungs­ersatz im Rahmen der GoA. Soweit die Klägerin ihren Anspruch mit einem zusätzlichen Auf­wand an ärztlichen Tätigkeiten begründe, müsse dies wegen des abschließenden Charakters des EBM unbeachtlich bleiben. Nichts anderes könne für die von ihr aufgeführten nicht­ärzt­lichen Leis­tungen gelten. Diese Verwaltungsaufwendungen gehörten zu den allgemeinen Praxis­kosten, die nach den Vorgaben des EBM grundsätzlich über die Gebührenordnungs­positionen (GOP) abgedeckt seien. Im Übrigen werde in den Abschnitten 7.3 und 7.4 des Allgemeinen Teils des EBM hinsichtlich von Kosten für Arzneimittel, die der Kranke zur weiteren Verwendung behalte, auf die Regelungsbefugnis der Gesamtvertragspartner ver­wiesen. Schließlich habe sich auch das BSG bereits mit der Frage eines besonderen Aufwands im Zusammenhang mit der Direktabgabe von Gerinnungsfaktoren beschäftigt und einen solchen besonderen Aufwand nicht gesehen.

Die besondere Speziali­sierung des MVZ und die dadurch bedingte Kostenstruktur mache keine andere Bewertung notwendig. Die Kammer sehe zwar, dass dadurch in einem anderen Umfang Aufwendungen entstünden als in dem vom BSG zu beurteilenden Fall, wenn in nicht unerheb­lichem Umfang Aufgaben übernommen würden, die im Regelfall von einer Apotheke erbracht würden. Insoweit habe die Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch auf die vorliegende Großhandelserlaubnis und eine Tren­nung zwischen dem ärztlichen Bereich und der Beschaffung hingewiesen. Die damit ver­bun­denen Folgen dieser Ausrichtung im All­gemeinen und die Ausgestaltung des Direktbezuges im Besonderen seien aber Auswirkungen einer unternehmerischen Entscheidung. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass sich die Klägerin zu einer derartigen Ausweitung ihres Pflichtenkreises hätte veranlasst sehen müssen, stehe der Geltendmachung eines Aufwen­dungs­ersatzes im Umfang der Apotheker­vergütung jedenfalls § 129 SGB V entgegen. Denn dort seien zwingend vertragliche Verein­barungen zwischen den Beteiligten vorgesehen, sodass daneben kein Raum für einen außervertraglichen Aufwendungs­ersatz­anspruch mehr sein könne.

Unabhängig hiervon habe die Klägerin konkrete tatsächliche Aufwendungen im Ver­fahren nicht nachgewiesen. Diese seien lediglich in allgemeiner Form behauptet worden. Die Kammer gehe zudem davon aus, dass ein besonderer Aufwand der Klägerin für einen Teil der streitigen Verordnungen nicht nachweisbar sein werde. So ergebe sich aus einigen Rech­nungen, dass die bestellten Präparate unmittelbar an andere (Hausarzt-)Praxen geliefert worden seien. Bei näherer Sichtung der Unterlagen sei auch aufgefallen, dass das Präparat Kogenate für den Versicherten Vitalij B. an unterschiedliche Adressen in M., T. und P. versandt worden sei. Eine weitergehende Aufklärung sei nicht geboten gewesen, da diese Frage letztlich nicht mehr entscheidungserheblich sei.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 11. November 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. November 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Dazu nimmt sie auf ihren erst­instanz­lichen Vortrag Bezug und ergänzt diesen. Sie verlange mit der vorliegenden Klage keine zusätz­liche Vergütung für ärztliche Tätigkeit oder für besondere Verwaltungsaufgaben der Arzt­praxis, sondern ausdrücklich eine Aufwandserstattungsentschädigung für ihre Tätigkeit als Apotheke namentlich für solche Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bezug, der Lagerung, der Verwaltung und der Abgabe von Gerinnungsfaktoren an heim­selbst­behandelnde Patienten gestanden hätten. Diese Kosten könnten ohne weiteres einer einzelnen Leistung zugeordnet werden und stellten schon deshalb keine allgemeinen Praxiskosten dar. Wesentlicher sei, dass der Direktbezug, die Lagerung und die Abgabe von Arzneimitteln generell von vornherein keine (vertrags-)ärztliche Tätigkeit sei. Der Direktbezug und die Abgabe beruhten auch nicht auf einer unternehmerischen Entscheidung, sondern darauf, dass das MVZ L. aufgrund der diesbezüglichen Rechtsprechung den wirtschaftlichsten Bezugs­weg habe wählen müssen. Beim Bezug, der Lagerung und der Abgabe von Gerinnungsfaktor­zubereitungen handele der Arzt als Apotheke; somit schieden Aufwendungserstattungs­ansprüche gegen die KÄV aus. Dass eine Vergütung für die besonderen Aufwendungen für diese Tätigkeiten zu erfolgen habe, sei allgemein anerkannt und zwischenzeitlich für die Hämophiliezentren gesetzlich geregelt. Andere Krankenkassen hätten mit dem MVZ L. Verträge nach § 129 SGB V geschlossen, die auch einen Aufwendungserstattungs­anspruch für die (über die Arzneimittelkosten hinausgehenden) weiteren mit dem Bezug und der Abgabe verbundenen Aufwendungen vorsähen. Dass ein solcher Vertrag zwischen der Beklagten und dem MVZ L. nicht bestanden habe, sei nicht auf ein Verschulden oder ein Versäumnis des MVZ oder der Klägerin zurückzuführen. Da die Beklagte nicht bereit sei, einen Vertrag abzuschließen, der die Vergütung der Aufwendungen vorsehe, müsse das Rechtsinstitut der GoA Anwendung finden.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren eine weitere Abtretungsvereinbarung in Dateiform übermittelt, die auf den 31. Januar 2016 datiert ist und die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma) als Abtretungsempfängerin ausweist. Im Übrigen entspricht der Inhalt dieses Dokuments der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Abtretungsvereinbarung.

 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. Oktober 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.551,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent­punkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juli 2016 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.

A. Die Entscheidungszuständigkeit des erkennenden Senats liegt sowohl in Bezug auf den Rechtsweg als auch hinsichtlich der Spruchkörperzuständigkeit vor.

I. Die auch von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogene Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten folgt bereits daraus, dass das SG ihn (stillschweigend) als gegeben erachtet hat, woran der Senat gemäß § 17a Abs 5 Gerichts­verfassungs­gesetz (GVG) gebunden ist (vgl dazu Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl 2021, § 17 Rn 38, 53; BSG, Urteil vom 23. März 2011 - B 6 KA 11/10 R -, SozR 4-2500 § 115b Nr 3, Rn 14 ff mwN).

Die Entscheidung über den Rechtsweg trifft aber auch in der Sache zu. Gemäß § 51 Abs 1 Nr 2 Sozial­gerichts­gesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken­versicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Dies gilt nach § 51 Abs 2 S 1 SGG auch für privat­rechtliche Streitigkeiten in Angelegen­heiten der gesetzlichen Kranken­versicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Damit ist der Sozial­rechts­weg für sämtliche Rechtsstreitig­keiten aus dem öffent­lich-rechtlichen Rechts- und Pflichten­kreis der Kranken­kassen, der unmittelbar ihre öffent­lichen Aufgaben betrifft, gegeben (vgl BSG, Beschluss vom 28. September 2010 - B 1 SF 1/10 R -, SozR 4-1500 § 51 Nr 9, Rn 15 mwN).

Hier handelt es sich um einen solchen Rechtsstreit. Maßgebend ist insoweit der Streit­gegen­stand, mithin der prozessuale Anspruch, wie er sich aus Klageantrag und Klagegrund ergibt (vgl BSG, Beschluss vom 25. März 2021 - B 1 SF 1/20 R, juris Rn 10 mwN; Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 38/17 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 97, Rn 11 mwN; B. Schmidt in: Meyer-Lade­wig/Kel­ler/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 95 Rn 5 f). Klagegrund ist der tatsächliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechts­folge herleitet (vgl BSG aaO; Bundesgerichtshof <BGH> Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 13/20, juris Rn 44). Vorliegend macht die Klägerin Aufwendungsersatzansprüche gegenüber der beklagten gesetzlichen Kranken­kasse geltend, die aus der Ver­pflichtung des MVZ L., Gerinnungs­faktoren direkt beim Hersteller zu beziehen und ohne Zwischenschaltung einer Apotheke unmittelbar an den Versicherten abzugeben (vgl dazu BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 18/14 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr 51, Rn 25 ff), entstanden sein sollen. Dass die genannte Verpflichtung des MVZ ihrerseits öffent­lich-rechtlicher Natur ist, bedarf keiner näheren Ausführungen. Für mögliche aus der Wahl dieses Bezugswegs resul­tierende Aufwendungs­ersatzansprüche des MVZ kann nichts anderes gelten. Derartige Ansprüche hätten ihre Grundlage im Recht der gesetzlichen Kranken­ver­sicherung und verlören ihren öffentlich-rechtlichen Charakter auch nicht durch eine Abtretung (vgl dazu auch BSG, Beschluss vom 30. September 2014 - B 8 SF 1/14 R -, SozR 4-3500 § 75 Nr 5, Rn 8 mwN).

II. Gemäß §§ 33 Abs 1 S 2, 12 Abs 3 S 1 SGG entscheidet der Senat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte. Dabei folgt die Zuordnung zu den Angelegenheiten des Vertrags­arztrechts aus § 10 Abs 2 S 1 SGG, weil die Klägerin einen Anspruch aufgrund der Beziehung zwischen der beklagten Kranken­kasse und dem zur vertrags­ärzt­lichen Versorgung zugelassenen MVZ L. geltend macht.

B. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft, weil die Klägerin einen Rechtsanspruch auf eine Leistung geltend macht und sowohl das MVZ L., dessen Ansprüche im Wege der Abtretung auf sie übergegangen sein sollen, als auch sie selbst zur Beklagten in einem Verhältnis der Gleichordnung stehen, in dem ein Verwal­tungs­akt nicht zu ergehen hat.

C. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht zu. Das MVZ L. hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz erlangt. Jedenfalls aber wäre ein solcher Anspruch nicht auf die Klägerin übergegangen, weil eine wirksame Abtretung nicht festgestellt werden kann.

I. Es ist schon kein ursprünglich dem MVZ L. zustehender Anspruch gegen die Beklagte entstanden.

1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen GoA in Betracht.

Für Aufwendungsersatzansprüche aus öffentlich-rechtlicher GoA gelten die §§ 677 ff BGB (hier über § 69 Abs 1 S 3 SGB V) entsprechend (vgl dazu BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 13/15 R -, SozR 4-7610 § 677 Nr 1, Rn 17; Urteil vom 17. November 1999 - B 6 KA 14/99 R -, SozR 3-2500 § 75 Nr 11, Rn 35 ff). Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch ist mangels spezialgesetzlicher Vorschriften die Regelung in § 683 S 1 iVm § 670 BGB, die auch für den Bereich der Sozial­versicherung jeden­falls dann entsprechend anzu­wen­den ist, wenn der Geschäfts­führer kein Leistungsträger iSd §§ 102 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Erstattungs­anspruch nach diesen Bestimmungen ausscheidet und der Geschäfts­führer mit der Geschäfts­führung eine Aufgabe eines sozialrechtlichen Leistungs­trägers (Geschäfts­herr) übernommen hat. Ferner muss es an besonderen, das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäfts­herrn abweichend regelnden Bestim­mungen fehlen, die den Handelnden zum unent­geltlichen Tätig­werden verpflichten oder die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GOA nicht erlauben (vgl BSG aaO mwN).

Erfolgt die auftragslose Besorgung eines fremden Geschäfts im Rahmen des Berufs oder des Gewerbes des Geschäftsführers, so schließt dessen Aufwendungsersatzanspruch nach den §§ 683 S 1, 670 BGB - wie von der Klägerin geltend gemacht - auch die übliche Vergütung mit ein (vgl BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - III ZR 319/98 -, BGHZ 143, 9-18, Rn 21 mwN; BSG, Urteil vom 17. November 1999 aaO, Rn 51 mwN).

2. Einer Anwendung der öffentlich-rechtlichen GoA stehen vorliegend aber die den Honorar­anspruch des MVZ L. regelnden Bestimmungen des EBM insoweit entgegen, als der geltend gemachte Anspruch auf pauschalen Aufwendungs­ersatz eine Erstattung oder Ver­gütung für solche Leistungen und Kosten beinhaltet, die bereits mit dem vertrags­ärzt­lichen Honorar vergütet worden sind. Lediglich soweit in der beanspruchten Pauschale eine Erstattung oder Vergütung möglicher Aufwendungen für die Beschaffung und Abrechnung der Gerinnungs­­faktoren (im Folgenden auch: Verwaltungskosten für Arzneimittel) enthalten sein könnte, sind keine Be­stimmungen ersichtlich, die die Tragung bzw Erstattung dieser Kosten im Verhältnis zwischen dem zur vertrags­ärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ (als möglichem Geschäfts­­führer) und der Beklagten (als Geschäftsherrn) abweichend regeln und eine Anwen­dung der Regeln über die öffentlich-rechtliche GoA deshalb ausschließen.

a) Im Hinblick auf die insbesondere im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 9. Oktober 2017 aufgeführten ärztlichen und nichtärztlichen Tätigkeiten des MVZ L. einschließlich der Praxis­kosten, die bereits mit dem von der KÄV geleisteten vertrags­ärztlichen Honorar abgegolten sind, scheidet ein weitergehender Aufwendungsersatz- oder Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten offenkundig aus. Das sieht im Grundsatz auch die Klägerin so, die im Berufungsverfahren klargestellt hat, dass sie keinen Aufwendungs­ersatz verlange, soweit einzelne der von ihr aufgezählten Tätigkeiten als ärztliche Leistung anzusehen sind.

aa) Soweit sie jedoch weiterhin an­nimmt, dass der überwiegende Teil der im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 aufgelisteten „Aufgaben bzw. Verpflichtungen“ und Kosten („Positionen 10 - 36“ <vgl Berufungsbegründung vom 31. März 2020, S 3>) ausschließlich Leistungen einer Apotheke und keinesfalls ärztliche Leistungen darstellten, trifft das mit Ausnahme der Verwaltungskosten für Arzneimittel nicht zu. Dazu ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt, dass der Umgang des zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Trans­fusions­mediziners mit Gerinnungs­faktoren und das dafür erforderliche Medikamenten­manage­ment (zur sach­gerechten Auf­bewahrung, Dokumentation und Bereitstellung der Arzneimittel) keine apotheken­ähn­liche und dem Arzt deshalb gesondert zu vergütende Tätigkeit ist (vgl Senats­urteile vom 10. Juni 2020 - L 3 KA 54/16, juris Rn 59 ff und L 3 KA 27/18, juris Rn 49 ff). Vielmehr sind die damit verbundenen Aufwendungen als Bestandteil der allgemeinen Praxis­kosten anzusehen, die in die Vergütung der erbrachten vertragsärztlichen Leistungen ein­geflossen sind (vgl dazu näher Senats­urteile vom 10. Juni 2020 aaO). Das schließt gesonderte Kosten­erstattungs­ansprüche des MVZ gegen die Beklagte aus öffentlich-rechtlicher GoA in Bezug auf diese Aufwendungen aus.

bb) Etwas anderes könnte allenfalls hinsichtlich möglicher Verwaltungs­­kosten für Arzneimittel gelten.

Der Senat hat hierzu entschieden, dass die Krankenkassen die mit dem Direktbezug, nament­lich mit der Beschaffung (dh dem Einkauf) und der Ab­rechnung der Gerinnungsfaktoren mit Lieferanten und Krankenkassen verbundenen Verwaltungs­kosten für Arzneimittel zu tragen haben (vgl Senats­urteile vom 10. Juni 2020 - L 3 KA 54/16, juris Rn 71 ff und L 3 KA 27/18, juris Rn 61 ff). Diese Entscheidungen sind in Verfahren ergangen, in denen die Rechtmäßigkeit von Regressen wegen der Verordnung von Blutgerinnungsfaktoren durch das MVZ L. im Streit stand. Der Senat war zu der Auffassung gelangt, dass die Verordnung von Blut­gerinnungsfaktoren über die Apotheke in den dort streitbefangenen Quartalen (I/2009 bzw I/2007 bis I/2009) dem Grunde nach unwirt­schaftlich war, weil die klagenden Krankenkassen dadurch verpflichtet worden sind, die im Vergleich zum Direktbezug weitaus höheren Apo­theken­preise zu bezahlen. Bei der Fest­setzung des Regresses sei jedoch regress­mindernd zu berücksichtigen, dass die Kranken­kassen die dem MVZ im Zusammen­hang mit dem Einkauf der Gerinnungsfaktoren und der Abrechnung mit Lieferanten bzw Krankenkassen entstehenden Kosten zu tragen hätten (vgl Senatsurteile vom 10. Juni 2020 aaO).

In den Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerden gegen diese Urteile des Senats hat das BSG allerdings in Zweifel gezogen, ob die Urteile auch bezogen auf die Schadenshöhe zutreffend und widerspruchsfrei begründet worden sind. Zudem hat es ausgeführt, die Begründung für die nach Auffassung des Senats erforderliche Redu­zierung des jeweiligen Regressbetrages könne nicht ohne Weiteres nach­vollzogen werden (vgl BSG, Beschlüsse vom 17. März 2021 - B 6 KA 20/20 B und B 6 KA 21/20 B -, jeweils juris Rn 11). Einer Klarstellung oder erneuten Überprüfung der Senatsrechtsprechung bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit aber schon deshalb nicht, weil Streitgegenstand nicht die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittel­regresses, sondern ein Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz ist. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt ein völlig anderer als der den Entscheidungen vom 10. Juni 2020 zugrunde­liegende. In jenen Entscheidungen war dem dort beklagten Beschwerde­aus­schuss jeweils aufzuerlegen, im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung von Blutgerinnungsfaktoren den Umfang der für den Einkauf und die Abrechnung der Gerinnungsfaktoren entstehenden Kosten zu ermitteln, weil er dies zuvor von Amts wegen nicht getan hatte und seine Entscheidungen aus diesem Grunde rechtswidrig waren. Demgegenüber geht es im vorliegenden Verfahren um einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch des MVZ auf pauschalen Aufwendungsersatz (oder übliche Ver­gütung), wobei es ihre Aufgabe ist, den Anspruch schlüssig darzulegen.

In Betracht käme ein solcher Anspruch aus den vorstehenden Gründen nur in Bezug auf die Verwaltungskosten für Arzneimittel.

b) Ansprüche aus §§ 102 ff SGB X kommen offenkundig nicht in Betracht, weil das MVZ L. kein Leistungsträger iS dieser Bestimmungen (vgl dazu auch § 12 S 1 iVm § 21 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>), sondern Leistungs­erbringer ist.

c) Zwischen dem MVZ und der Beklagten bestand in den Quartalen II-IV/2015 auch keine vertragliche Grundlage für den Ersatz von Verwaltungskosten für Arzneimittel.

Weder die Klägerin noch die Beklagte waren Vertragspartner des von der Klägerin zur Stützung ihrer Klageforderung vorgelegten Arzneiversorgungsvertrags zwischen den Ersatzkassen und dem DAV oder des Arznei-Liefervertrags zwischen dem Landesapothekerverband Nieder­sachsen e.V. und einzelnen Krankenkassen vom 1. Juli 2003. Die Klägerin leitet den geltend gemachten Anspruch selbst nicht unmittelbar aus diesen Verträgen her, sondern führt deren Inhalt lediglich zur Darlegung der üblichen Vergütung einer Apotheke an.

3. Soweit danach die öffentlich-rechtliche GOA überhaupt Anwendung finden könnte, sind schon deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn es ist weder von der Klägerin schlüssig dargelegt worden noch von Amts wegen erkennbar, dass das MVZ L. in Bezug auf die Beschaffung (dh den Einkauf) und die Ab­rechnung der Gerinnungs­faktoren mit Lieferanten oder Krankenkassen überhaupt selbst ein möglicherweise fremdes Geschäft geführt haben könnte, durch das ihm, dem MVZ, nach der Senatsrechtsprechung (Urteile vom 10. Juni 2020 aaO) allenfalls erstattungsfähige Verwaltungs­kosten für Arzneimittel entstanden sein könnten.

Sowohl der Einkauf der Faktorpräparate als auch die Abrechnungen gegenüber der Beklagten sind nicht durch das MVZ L., sondern durch die Klägerin erfolgt. Auch haben die Lieferanten nicht gegenüber dem MVZ, sondern gegenüber der Klägerin abgerechnet. Insoweit besteht aufgrund des Inhalts der von der Klägerin vorgelegten Rechnungsunterlagen kein Zweifel daran, dass die Klägerin selbst und nicht das MVZ die Faktorpräparate im eigenen Namen direkt bezogen, dh eingekauft („beschafft“) hat. Dies ergibt sich aus sämtlichen Rechnungen der Hersteller, in denen ausschließlich die Klägerin als Rechnungs­empfängerin und teilweise auch als Auftraggeberin und Leistungsempfängerin benannt worden ist. Das MVZ L. wird hingegen auf keiner dieser Rechnungen erwähnt, und zwar nicht einmal als Empfänger der Präparate. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass die Rech­nungen der Hersteller unzutreffende Angaben über die Person des Vertrags­partners auf Seiten des Auftraggebers oder die Person des Empfängers der jeweiligen Arzneimittellieferung ent­hielten, und dafür ist auch nichts ersichtlich. Sie behauptet auch nicht, dass die Bestellung der Faktorpräparate in den Fällen, in denen sie in der Rechnung des Herstellers lediglich als Rechnungsempfängerin und nicht zugleich aus­drücklich als Auftraggeberin benannt worden ist, durch das MVZ erfolgt wäre.

Danach steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass die Beschaffung der Faktor­präparate durch die Klägerin im eigenen Namen und nicht durch oder für das MVZ L. erfolgt ist. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin die Arzneimittel offen­sichtlich zunächst aus eigenen Mitteln bezahlt hat. Dies folgt schon aus ihrer Rechnungslegung im eigenen Namen gegenüber der Beklagten, die nur so verstanden werden kann, dass die Klägerin diese Kosten selbst verauslagt hat. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin diese Kosten durch entsprechende Teilzahlungen erstattet, was gar keinen Sinn ergeben hätte, wenn nicht die Klägerin, sondern das MVZ diese Kosten zuvor verauslagt hätte. Gleichermaßen ist die Klägerin auch in sämtlichen dem Verfahren L 3 KA 32/21 zugrunde liegenden Fällen vorgegangen (vgl dazu das Senatsurteil vom 25. Januar 2023 - L 3 KA 32/21 -).

Auch die Hersteller haben ausschließlich gegenüber der Klägerin selbst und nicht gegenüber dem MVZ L. abgerechnet.

Sind danach die Tätigkeiten, für die allenfalls ein Aufwendungsersatzanspruch in Betracht kommen könnte, gar nicht vom MVZ, sondern von der Klägerin selbst erbracht worden, so ist schon nicht erkennbar, dass dem MVZ hierfür Aufwendungen entstanden sein könnten, deren Erstattung es von der Beklagten hätte verlangen können. Die Klägerin ist eine vom MVZ L. unabhängige, rechtliche selbständige GmbH, die die durch ihre Geschäfts­tätigkeit entstehenden Kosten grundsätzlich selbst trägt. Vertragliche Vereinbarungen zwischen dem MVZ und ihr über eine Vergütung der Tätigkeiten der Klägerin im Zusammen­hang mit der Beschaffung der Faktorpräparate sowie der Abrechnung mit Lieferanten und Kranken­kassen sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich; dement­sprechend liegen auch keine Anhalts­punkte dafür vor, dass das MVZ - sei es pauschal oder aufgrund einer Abrech­nung konkreter Leistungen - insoweit Zahlungen an die Klägerin geleistet haben könnte.

Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus § 3 der im Berufungsverfahren vorgelegten „Ergänzung zum Ko­operations­vertrag“ zwischen der Klägerin und dem MVZ. Abgesehen davon, dass der Inhalt der dort getroffenen Vergütungsregelung und der übrigen Bestimmungen der Ergänzung zum Kooperationsvertrag schon nicht erkennen lassen, dass das MVZ der Klägerin eine Ver­gütung für den Einkauf der Arzneimittel und die diesbezügliche Abrechnung geschuldet hätte, hat die Klägerin die Zahlung einer solchen Vergütung zu keiner Zeit behaup­tet. Das hätte zutreffendenfalls jedoch nahegelegen, zumal hierdurch konkrete Aufwendungen hätten dargelegt werden können. Demgegenüber macht die Klägerin einen Anspruch auf pauschalen Aufwen­dungs­ersatz geltend, mit dem noch weitere (aus den vorstehenden Gründen nicht gesondert ersatzfähige) Kosten abgegolten werden sollen.

Unabhängig hiervon wäre im Falle eigener Aufwendungen des MVZ auch gar kein Grund dafür ersichtlich, warum die Klägerin zusätzlich die hier streitbefangenen Forderungen gegen die Beklagte mittels eigener Rechnungsstellung erhebt und anschließend behauptete Ansprüche des MVZ, die an sie abgetreten worden sein sollen, im Klageweg geltend macht.

Nach alledem lässt sich keine Geschäftsbesorgung des MVZ L. in Bezug auf den Einkauf der Faktorpräparate und die diesbezügliche Abrechnung mit den Lieferanten und der Beklagten feststellen. Für die diesbezüglichen Tätigkeiten der Klägerin selbst hat das MVZ keine Aufwendungen geleistet, sodass ein Aufwendungsersatzanspruch des MVZ gegenüber der Beklagten ausscheidet.

4. Soweit die Klägerin ihr Vorbringen im Berufungsverfahren dahin ergänzt hat, dass für die Fälle, in denen die Faktorpräparate in die Arztpraxen der mitbehandelnden Hausärzte der Versicherten geliefert worden sind, zusätzliche Kosten für den aufwändigen Spezialtransport der Gerinnungs­faktorzubereitungen angefallen seien (Berufungsbegründung vom 31. März 2020, Ziff 8), kann dahinstehen, ob derartige Kosten dem Grunde nach als Verwaltungskosten für Arzneimittel einen gesonderten (dh neben dem vertragsärztlichen Honorar bestehenden) Aufwendungsersatzanspruch begründen könnten. Denn dem Vorbringen der Klägerin ist schon nicht zu entnehmen, warum und in welcher Höhe derartige Kosten angefallen sein sollen und wer diese getragen haben soll. Ent­spre­chender Vortrag wäre schon aus dem Grunde zu erwarten gewesen, dass die Faktorpräparate in diesen Fällen ausweislich der von der Klägerin selbst vorgelegten Rechnungen der Hersteller von diesen direkt an die Hausarztpraxen ausgeliefert worden sind. Insofern ist schon nicht erkennbar, dass damit gegenüber einer Lieferung an die Klägerin (oder das MVZ) zusätzliche Kosten verbunden gewesen sein könnten, und schon gar nicht bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das MVZ derartige Kosten getragen hätte. Wäre dies der Fall gewesen, hätten solche Kosten ohne weiteres vorgetragen und nach­gewiesen werden können. Dies ist aber nicht der Fall, sodass sich derartige Kosten von vornherein nicht feststellen lassen.

Soweit schließlich in der Berufungsbegründung (aaO) von einer „von dem MVZ V. / der Klägerin aufgebaute besondere Infrastruktur“ die Rede ist, die den Bezug, die Lagerung und die Abgabe erst ermögliche, ist nicht erkennbar, um welche besondere, über die Einrichtung der Arztpraxis hinausgehende Infrastruktur es sich handeln könnte und welche besonderen Kosten damit verbunden gewesen sein könnten. Der Umstand, dass das MVZ bei dem Direktbezug der Gerinnungsfaktoren die rechtlich selbstständige Klägerin eingeschaltet hat, kann jedenfalls für sich genommen nicht als Besorgung eines fremden Geschäfts angesehen werden, sondern ist das Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung des damaligen Praxisinhabers.

II. Bestand somit schon ursprünglich kein Anspruch des MVZ L. gegen die Beklagte auf pauschalen Aufwendungsersatz, so kann ein derartiger Anspruch von vornherein nicht auf die Klägerin übergegangen sein. Unabhängig hiervon kann eine wirksame Abtretung möglicher Ansprüche des MVZ an die Klägerin nicht festgestellt werden.

Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, dass die mit der Klage geltend gemachten Aufwendungsersatzansprüche vom MVZ L. an sie abgetreten worden seien. Sie trägt allerdings schon nicht vor, wann und auf welche Weise - insbesondere in welcher Form - diese Abtretung erfolgt sein soll. Das kann aus den folgenden Gründen aber auf sich beruhen.

Soweit die Klägerin ausführt, die Abtretung der Forderungen sei zu Beweiszwecken lediglich durch die vorgelegte Abtretungs­vereinbarung bestätigt worden (Schrift­satz vom 16. Mai 2022), könnte danach allenfalls der Inhalt dieser schriftlichen Verein­barung oder „Bestätigung“ als Inhalt einer möglichen Abtretung zugrunde gelegt werden. Hinsichtlich der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Abtretungsvereinbarung vom 27. Juli 2015 bestehen aber schon Zweifel an der Person der Zessionarin, die in der Verein­barung mit „L. GmbH“ bezeichnet worden ist. Insofern liegt keine Identität mit der damaligen Firma der Klägerin vor.

Selbst wenn jedoch anzunehmen wäre, dass die Klägerin mit der Bezeichnung der Zessionarin gemeint war, ginge die Abtretung inhaltlich ebenso ins Leere wie die im Berufungsverfahren in Dateiform übermittelte Abtretungsvereinbarung vom 31. Januar 2016. Denn es ist weder dargelegt worden noch ersichtlich, dass dem MVZ L. aus den in der Abtretungs­vereinbarung bezeich­neten Rechnungen irgendwelche Ansprüche zustanden, die aufgrund der Abtretung auf die Klägerin übergegangen sein könnten. Tatsächlich sind die Rechnungen von der Klägerin im eigenen Namen gegenüber der Beklagten gestellt worden. Andere Ansprüche - insbesondere ganz allgemein solche auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher GoA - sind nicht Gegenstand der Abtretung.

Unabhängig hiervon ist aber auch jegliche Abtretung etwaiger Forderungen des MVZ an die Klägerin nicht glaubhaft. Dagegen spricht bereits das vorprozessuale Verhalten der Klägerin, die im eigenen Namen gegenüber der Beklagten Rechnungen gestellt hat, ohne auch nur ansatz­weise auf eine Abtretung hinzuweisen. Hinzu kommt, dass die im gerichtlichen Ver­fahren vorgelegten Abtretungsvereinbarungen vom 27. Juli 2015 und 31. Januar 2016 offenkundig zurückdatiert worden sind. Für diese Annahme ist von Bedeutung, dass zu den fünf in den Vereinbarungen genannten Rechnungen jeweils Rech­nungs­beträge angegeben worden sind, die von den tatsächlichen Rechnungsbeträgen der Rechnungen abweichen. Bei den von der Klägerin (und nicht vom MVZ L.) gestellten Rechnungen hatte die Klägerin ursprüng­lich die Skontoabzüge nicht berücksichtigt. Die unveränderten ursprünglichen Rechnungs­beträge hat sie nochmals in dem Mahnschreiben vom 23. Juni 2016 und in ihrem Schreiben vom 14. September 2016 aufgeführt, mithin noch (deutlich) nach der behaupteten späteren Abtretungs­vereinbarung vom 31. Januar 2016. Die Beträge, die in der Abtretungs­vereinbarung aufgeführt sind, sind demgegenüber niedriger, weil darin der Skontoabzug berücksichtigt ist. Nicht nur dieselben Beträge, sondern exakt dieselbe Tabelle findet sich erstmals in der Klagebegründung vom 9. August 2017.

Danach steht fest, dass die Klägerin vorprozessual - anwaltlich noch nicht vertreten - einen eigenen Anspruch geltend gemacht hat und erst im Klageverfahren einen Anspruch aus abgetretenem Recht verfolgt. Die dargelegten zeitlichen Abläufe lassen keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die Abtretungs­vereinbarungen erst nachträglich, nämlich aufgrund einer geänderten Rechts­auf­fassung der Klägerin zur Begründung des von ihr geltend gemachten Anspruchs erstellt worden sind. Bei dieser Sachlage vermag sich der Senat nicht die volle Überzeugung zu bilden, dass zwischen MVZ und Klägerin überhaupt ein Übergang möglicher Ansprüche des MVZ im Wege der Abtretung mit Rechtsbindungswillen vereinbart worden ist. Die sich aus dem Vorgehen der Klägerin ergebenden Widersprüche sprechen eher für ein am Klageziel orientiertes Vorbringen, dem in Wirklichkeit keine Abtretung zugrunde liegt. Jedenfalls aber begründen diese Umstände erhebliche Zweifel an einer Abtretung und schließen damit den Vollbeweis des behaupteten Rechtsgeschäfts aus.

III. Ansprüche der Klägerin auf Aufwendungsersatz aus eigenem Recht hat der Senat nicht zu prüfen, weil die Klägerin solche nicht zum Gegenstand ihrer Klage gemacht hat.

Die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht stellt auch bei einheitlichem Klageziel einen anderen Streitgegenstand dar als die Geltendmachung aus eigenem Recht, weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf fremdes auf eigenes Recht gestützt wird (vgl dazu BGH, Urteil vom, 24. Mai 2022 - VI ZR 1215/20 -, juris Rn 16 mwN). Vorliegend ist der Klageschrift vom 9. August 2017 eindeutig und ausschließlich die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht zu ent­nehmen. Eine Klageänderung, aus der sich nunmehr auch die (ggf hilfsweise) Geltendmachung von Ansprüchen aus eigenem Recht ergeben würde, ist nicht erfolgt. An den von der Klägerin bestimmten Streitgegenstand ist der Senat gebunden.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungs­gerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Streitwerts im Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1, 43 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtskraft
Aus
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