L 10 KR 259/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 KR 1052/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 259/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 12/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.03.2022 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger war seit 22.02.2011 als sog. landeskundlicher Berater und Übersetzer in Vollzeit für die Bundeswehr tätig. Der hierüber zwischen ihm und der beklagten Bundesrepublik geschlossene Dienstvertrag (vom 22.02.2011) lautet auszugsweise wie folgt:

 

„§ 1 – Aufgabe

 

(1)       Der Auftragnehmer wird ab dem 22.02.2011 für den Fernmeldeaufklärungsabschnitt 931 als Dienstleister tätig. Die Tätigkeit besteht in der Übersetzung von aufgezeichneten Funkverkehren aus in Deutschland selten gelehrten und zugleich einsatzrelevanten Sprachen ins Deutsche. Er kann seine Arbeitszeit frei bestimmen.

 

(2)       Dem Auftragnehmer erteilte Übersetzungsaufträge sind unverzüglich nach Auftragserteilung zu erledigen.

 

(3)       Hierbei sind die maßgeblichen Sicherheitsvorgaben des Auftragsgebers zu befolgen.

 

§ 2 – Vergütung

 

(1)       Der Auftragnehmer erhält für seine Leistungen,

 

a)        die werktäglich im Zeitraum zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr geleistet werden ein Stundenhonorar in Höhe von 38,- €;

b)        die werktäglich im Zeitraum zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr des Folgetages, bzw. an Sonntagen und allgemein arbeitsfreien Wochenfeiertagen in Rheinland-Pfalz sowie am 24. und 31. Dezember geleistet werden ein Stundenhonorar in Höhe von 45,- €;

c)         Wird vereinbart, dass der Auftragnehmer sich in einem bestimmten Zeitraum für mögliche Leistungen zur Verfügung hält, so erhält er für diesen Zeitraum 1/8 des Stundenhonorars, das er bei tatsächlich angefallener Arbeit erhalten hätte. Dieses richtet sich nach § 2 (1) a) und b).

d)        Soweit der Auftragnehmer mehrwertsteuerpflichtig ist, erfolgt die Auszahlung der Stundenhonorare zuzüglich Mehrwertsteuer.

e)        Der Auftragnehmer erhält darüber hinaus für Fahrtkosten, Unterkunft, Verpflegung usw. eine pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 50,- € (zuzüglich Mehrwertsteuer) pro Arbeitstag. An Tagen, an denen ausschließlich eine Zurverfügunghaltung, jedoch keine tatsächliche Dienstleistung erfolgt, fällt diese Pauschale nicht an.

 

(2)       Die Abrechnung und Auszahlung der Vergütung erfolgt monatlich auf Grundlage einer durch den Auftragnehmer erstellten Rechnung. Als zahlungsbegründende Unterlage ist durch den Auftraggeber, bzw. durch das von ihm dazu bestimmte Personal seiner Dienststelle, ein Nachweis über die geleisteten Übersetzungsstunden zu führen.

 

(3)       Die geleisteten Zahlungen werden zum Jahresende dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt.

 

(4)       Der Auftragnehmer hat die Vergütung zur Einkommenssteuer anzumelden. Eine Versicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung erfolgt nicht.

 

[…]“

 

Der Kläger stellte der Bundeswehr seine Dienste monatlich – jeweils einschließlich Umsatzsteuer i.H.v. 19 % – in Rechnung, wobei er durchgehend Einnahmen oberhalb der jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze erzielte; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Kläger gestellten Rechnungen Bezug genommen. Die Bundeswehr beglich diese Rechnungen vollständig. Während dieser Zeit war der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) pflichtversichert. Hierfür entrichtete er entsprechende Beiträge an die Kranken- bzw. Pflegekasse.

 

Im Jahr 2014 entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Kündigungsschutzprozessen anderer landeskundlicher Berater und Übersetzer, dass es sich bei diesen nicht um Selbständige, sondern um Arbeitnehmer handle (so etwa LAG Mainz, Urteil vom 15.05.2014 – 2 Sa 504/13, juris).

 

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund führte daraufhin bei der Beklagten eine Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis einschließlich 2014 durch und kam zu dem Ergebnis, dass die Einsätze als landeskundliche Berater nicht im Rahmen selbständiger Tätigkeiten, sondern von abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erfolgten. Das Entgelt der landeskundlichen Berater habe jedoch die jeweils gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen mit der Folge, dass keine Versicherungspflicht in der GKV bestanden habe und daher auch keine Beiträge zur GKV nachzuberechnen seien (Bescheid vom 05.01.2016).

 

Daraufhin meldete die Bundeswehr den Kläger rückwirkend zum 01.11.2014 zur Sozialversicherung und entrichtete Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach. Die Beteiligten setzten ihr Dienstverhältnis auch in der Folge fort (nunmehr aufgrund eines „Arbeitsvertrages“ vom 29.06.2015).

 

Am 23.09.2019 beantragte der Kläger bei der Bundeswehr, ihm für die Zeit vom 22.02.2011 bis 31.10.2014 Beitragszuschüsse nach § 257 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie § 61 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nachzuzahlen.

 

Die Bundeswehr lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 30.09.2019 ab. Der Anspruch sei verjährt. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hob sie diesen Bescheid unter dem 28.10.2019 auf. Der Anspruch auf Arbeitgeberzuschüsse zur GKV und sPV sei zwar öffentlich-rechtlicher Natur, werde aber durch ein Arbeitsverhältnis begründet, weshalb kein Über-/Unterordnungsverhältnis gegeben sei. Die Ablehnung habe daher nicht „als Bescheid“ erfolgen dürfen und der ergangene Bescheid sei formell rechtswidrig, der Antrag auf Beitragszuschüsse jedoch aus den in ihm genannten Gründen weiterhin abzulehnen.

 

Der Kläger hat daraufhin am 21.07.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben.

 

Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche seien nicht verjährt. Zum einen könne die vierjährige Verjährungsfrist keinesfalls im streitgegenständlichen Zeitraum zu laufen begonnen haben, weil er erst mit Abschluss der Betriebsprüfung durch die DRV Bund Kenntnis von seinen diesbezüglichen Ansprüchen erlangt habe. Zum anderen müsse, wenn vorliegend die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gelten solle, konsequenterweise entsprechend § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV auch eine dreißigjährige Verjährungsfrist im Fall der Bösgläubigkeit des Schuldners gelten. Mit der DRV Bund sei davon auszugehen, dass bedingter Vorsatz aufseiten der Beklagten spätestens mit Eingang der ersten Kündigungsschutzklage eines landeskundlichen Beraters (am 26.05.2013) gegeben gewesen sei. In Anbetracht eines Gesprächsvermerks der Bundeswehr (vom 29.05.2007), in dem seinerzeit bereits ausgeführt worden sei, dass die Honorarverträge nicht fortgeführt werden könnten, sondern auf eine neue Grundlage (TVöD) umgestellt werden müssten, müsse sogar angenommen werden, dass die Beklagte bereits früher Kenntnis von der Sozialversicherungspflicht der landeskundlichen Berater gehabt habe. Darüber hinaus solle ein Herr I. bereits zu einem früheren Zeitpunkt für die Bundeswehr ein Rechtsgutachten gefertigt haben, aus dem sich die abhängige Beschäftigung der landeskundlichen Berater ergebe. Die Beklagte habe mithin billigend in Kauf genommen, dass es sich um eine sog. Scheinselbständigkeit handle. Sie habe die zugrundeliegenden Dienstverträge entworfen, wohlwissend, dass die Dienstleister ausschließlich für bzw. bei ihr tätig und insoweit Dienstplan- und weisungsgebunden sein würden. Er selbst sei bis zur Entscheidung der DRV Bund rechtsirrig vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen. Weiter sei die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung zumindest treuwidrig. Ein Arbeitgeber verstoße gegen Treu und Glauben, wenn er die Verjährungseinrede gegenüber Ansprüchen erhebe, über die er die Arbeitnehmer nicht hinreichend unterrichtet habe.

 

Wegen der Beiträge zur sPV haben sich die Beteiligten im Vergleichswege dem Ausgang des Rechtsstreits unterworfen.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.482,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2019 zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 583,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat bestritten, dass sie die Unwirksamkeit der Dienstverträge gekannt habe oder hätte kennen müssen. Vielmehr seien sowohl sie als auch der Kläger rechtsirrig davon ausgegangen, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe. Sie handle daher auch nicht treuwidrig und habe dem Kläger keine Leistungen bewusst vorenthalten. Die Arbeitnehmereigenschaft der landeskundlichen Berater habe auch nicht eindeutig auf der Hand gelegen. So hätten diese im Jahr 2007 in einem gemeinsamen Schreiben gegen die Absicht der Bundeswehr protestiert, die Dienst- durch Arbeitsverträge zu ersetzen. Sie selbst sei von einer Wahloption zwischen Honorar- und Arbeitsverträgen ausgegangen. Auch müsse sich der Kläger daran festhalten lassen, dass er selbst nicht um den Abschluss eines Arbeitsvertrages nachgesucht und sich gegen seinen Status als freier Mitarbeiter über viele Jahre während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses nicht verwahrt und auch keine Statusfeststellung beantragt habe. Ein Dienstverhältnis sei auch nicht völlig fernliegend gewesen. So hätten die landeskundlichen Berater ihrem Direktionsrecht nur in abgeschwächter Form unterliegen und etwa den Schichtplan „weitgehend selbständig“ befüllt, womit sie Einfluss auf ihre Anwesenheitszeiten in der Dienststelle gehabt hätten. Ohnehin finde § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV weder direkt noch analog auf den vorliegenden Fall Anwendung. Die längere Verjährungsfrist bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen sei im Unterschied zu Beitragszuschüssen durch die unterschiedliche Interessenlage und Zielrichtung begründet. Denn die Beiträge sollten dem Solidarsystem zugutekommen, während es beim Beitragszuschuss um die Gleichstellung von freiwillig und Pflichtversicherten gehe. Der Anspruch auf den Beitragszuschuss richte sich zudem einzig und allein gegen den Arbeitgeber, sodass es sich „prinzipiell“ um zivilrechtliche Beziehungen handele. Der Kläger mache gleichsam einen reinen Vermögensschaden geltend, für welchen das Zivilrecht ebenfalls keine dreißigjährige Verjährungsfrist vorsehe. Ungeachtet all dessen würde eine Nachzahlung von Beitragszuschüssen zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Klägers im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern führen. Denn der Kläger, der als freier Mitarbeiter höhere Bezüge als Festangestellte bezogen habe, beanspruche mit der Klage kumulativ die Vorteile eines Arbeitnehmers und eines freien Mitarbeiters für sich. Die dem Kläger zugeflossene Vergütung habe indes bereits eine Abgeltung sämtlicher eventuell geschuldeter Beitragszuschüsse umfasst. Das vom Kläger erzielte Einkommen sei überdurchschnittlich hoch und durchaus geeignet und auch dazu bestimmt gewesen, den erforderlichen Versicherungsschutz zu finanzieren. Umgekehrt sei es ihr gar nicht möglich gewesen, den landeskundlichen Beratern eine derart hohe Vergütung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zu gewähren; nach TVöD wären die landeskundlichen Berater den Entgeltgruppen 9b oder 10 zuzuordnen gewesen (mit einem Jahresbruttogehalt i.H.v. 32.126,08 € bzw. 36.382,08 €). Jedenfalls habe der Kläger seine Ansprüche verwirkt, denn das streitige Rechtsverhältnis sei 2014 endabgerechnet worden. Seitdem stehe der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten und habe letztlich Ansprüche auf Beitragszuschüsse trotz Vorliegens des Ergebnisses der Betriebsprüfung Anfang 2016 und zeitnaher Nachentrichtung der Rentenversicherungsbeiträge nicht geltend gemacht.

 

Zudem hat die Beklagte während des Verfahrens vor dem SG die Aufrechnung gegen die Klageforderung mit einem ihr zustehenden Anspruch auf Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer (i.H.v. insgesamt 17.383,16 €) erklärt. Der Kläger sei als Scheinselbständiger bzw. Arbeitnehmer verpflichtet, die erhaltene Umsatzsteuer an sie als Arbeitgeberin zu erstatten.

 

Die Kläger hat gegen die Prozessaufrechnung geltend gemacht, der Aufrechnungseinwand sei ungebührlich spät erhoben habe. Zudem fehle es bereits an einer Aufrechnungslage. Die erfüllbare Hauptforderung habe tatsächlich erst ab dem Zeitpunkt bestanden, in dem er die Beklagte erstmals außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert habe (d.h. am 23.09.2019). Zudem sei der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Rückerstattungsanspruch gemäß § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 08.03.2022, dem Kläger zugestellt am 15.03.2022). Ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Beitragszuschüsse verjährt sei, könne dahinstehen, denn der Anspruch sei in jedem Fall durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger eine fällige und durchsetzbare Gegenforderung auf Rückerstattung der gezahlten Umsatzsteuer. Spätestens durch die Betriebsprüfung der DRV Bund in 2016 sei bindend festgestellt worden, dass das Vertragsverhältnis, im Rahmen dessen die Beklagte an den Kläger Umsatzsteuer gezahlt habe, ein Arbeits- und kein freies Dienstverhältnis gewesen sei. Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, denn die Beklagte habe keine positive Kenntnis von ihrer Nichtschuld gehabt. Zweifel reichten insoweit nicht aus, die bloße Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Verpflichtung ergebe, ebenfalls nicht. Erst mit dem Ergebnis der Betriebsprüfung in 2016 habe festgestanden, dass auch der Kläger Beschäftigter gewesen sei. Dass die Beklagte positive Kenntnis im Zeitpunkt der Leistung gehabt habe, stehe zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Weiter liege auch eine erfüllbare Hauptforderung vor. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung von Beitragszuschüssen, denn er sei rückwirkend zum 22.02.2011 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter geführt worden. Dass die Beteiligten zunächst von einer Selbständigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgegangen seien, sei nicht von Bedeutung. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Forderung auch nicht erst in dem Zeitpunkt erfüllbar geworden, in dem die Beklagte die erstmalige Zahlungsaufforderung des Klägers bezüglich der Beitragszuschüsse erhalten habe, sondern bereits mit ihrem Entstehen erfüllbar gewesen.

 

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13.04.2022 eingelegten Berufung.

 

Er trägt ergänzend vor, das SG sei nicht befugt gewesen, über die Aufrechnung mit der rechtswegfremden Gegenforderung zu entscheiden. Weiter seien seine Ansprüche auf Beitragszuschüsse jedenfalls noch nicht verjährt. Sowohl die vier- als auch die dreißigjährige Verjährungsfrist seien auf Beitragszuschüsse analog anzuwenden; die hinsichtlich der Verjährung bestehende planwidrige Regelungslücke könne nur durch eine analoge Anwendung von sowohl § 25 Abs. 1 S. 1 als auch S. 2 SGB IV geschlossen werden. Eine Analogie sei aus systematischen und teleologischen Gründen geboten. Systematisch sei auch der Anspruch auf den Beitragszuschuss dem System der Regeln über die Aufbringung von Beiträgen zuzuordnen. Darüber hinaus verfolgten die Beitragszuschüsse den öffentlichen Zweck, eine beitragsmäßige Gleichbehandlung herzustellen; es bestehe daher bei diesem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch eigener Art ebenso wie bei Beitragsansprüchen ein besonderes öffentliches Interesse. Die Anwendung der vierjährigen Verjährungsfrist trage zudem der gesteigerten Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer in höherem Maße Rechnung.

 

Wegen der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 30.09.2019 hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat.

 

Der Kläger beantragt danach noch,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.03.2022 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, an ihn 14.482,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2019 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Das SG habe die Aufrechnung jedenfalls seit der Änderung des § 17 Abs. 2 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) m.W.v. 01.01.1991 (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung <4. VwGOÄndG> vom 17.12.1990, BGBl. I 2809) berücksichtigen dürfen. Dies entspreche der Prozessökonomie und der Gesamttendenz der Regelung, Spaltungen zu vermeiden und die Rechtswegfrage in einem möglichst frühen Zeitpunkt zu entscheiden. Zudem habe hier ausnahmsweise keine andere verfahrensmäßige Möglichkeit bestanden, den durch die Aufrechnung geschaffenen Rechtszustand – die Tilgung der Klageforderung – festzustellen. Ihre Gegenforderung sei nämlich bereits verjährt. Hinsichtlich des Klageanspruchs sei seit der Reform des bürgerlichen Verjährungsrechts (Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I 3138) in Fällen wie dem vorliegenden die dreijährige Regelverjährung anzuwenden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Unterlagen der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

 

I. Der Sozialrechtsweg ist eröffnet. Diese Frage unterliegt nicht mehr der Prüfung durch den Senat, nachdem das SG den Sozialrechtsweg jedenfalls sinngemäß bejaht hat (§ 17a Abs. 5 GVG; vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.05.2003 – B 1 KR 7/03 R, juris Rn. 11). Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat daher darauf hin, dass gegen die Zuständigkeit der der Sozialgerichte auch der Sache nach keine Bedenken bestehen (vgl. zuletzt etwa BSG, Beschluss vom 31.01.2023 – B 12 SF 1/22 R, Rn. 13 ff. m.w.N.; grdl. GmSOGB, Beschluss vom 04.06.1974 – GmS-OGB, juris Rn. 3 ff.).

 

II. Auch i.Ü. bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Insbesondere ist die echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) statthaft, weil bei Streit über die Auszahlung eines Beitragszuschusses zur GKV kein Verwaltungsakt zu ergehen hat (BSG, Urteil vom 25.09.1981 – 12a RK 58/80, juris Rn. 225).

 

III. Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger kommt der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Arbeitgeberzuschüssen zur GKV für die Zeit vom 22.02.2011 bis 31.10.2014 zwar dem Grunde nach zu (dazu 1). Dieser Anspruch ist jedoch nicht mehr durchsetzbar, weil er verjährt ist (dazu 2). Die Frage der Verjährung darf auch nicht mit Blick auf die Prozessaufrechnung der Beklagten dahinstehen (dazu 3).

 

Soweit der Kläger vor dem SG daneben noch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt hat, hat der Rechtsstreit seine Erledigung gefunden. Die Beklagte hat die Kosten des – erfolgreichen – Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 30.09.2019 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dem Grunde nach anerkannt und der Kläger dieses Anerkenntnis angenommen (§ 101 Abs. 2 SGG).

 

1. Freiwillig in der GKV versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, erhalten von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuss nach Maßgabe des § 257 Abs. 1 S. 1 SGB V (bis Ende 2011 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14.06.2007, BGBl. I 1066; ab Anfang 2012 i.d.F. des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes <GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl. 2983). Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum (vom 22.02.2011 bis 31.10.2014), denn er war zum einen nicht selbständig tätig, sondern Beschäftigter i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV (dazu a); dies steht, wie die Beteiligten auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, zwischen ihnen auch nicht mehr im Streit. Zum anderen war der Kläger auch nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei (dazu b).

 

a) Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach st.Rspr. des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st.Rspr. – dazu etwa BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R, Rn. 14 m.w.N.).

 

Nach diesen Maßstäben lag hier eine Beschäftigung vor. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, inwieweit i.R.d. operativen Tätigkeit der Bundeswehr eine Selbständigkeit regelmäßig überhaupt möglich ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, der u.a. Soldaten der Bundeswehr erst versicherungsfrei stellt). Vorliegend überwiegen jedenfalls die Umstände, die für eine Beschäftigung des Klägers sprechen, denn dieser war in den Betrieb des Fernmeldeaufklärungsabschnitts 931 bzw. (nach Neuaufstellung des Verbandes zu April 2013) des Bataillons Elektronische Kampfführung 931 eingegliedert und dabei weisungsabhängig. Zeit, Dauer, Ort sowie Art der Ausführung der vom Kläger geschuldeten Tätigkeit waren durch die Vorgaben der Bundeswehr in wesentlichen Punkten determiniert. Die entsprechenden Umstände (dazu sogleich) stehen zur Überzeugung des Senats fest aufgrund insbesondere der Bestimmungen des ursprünglichen Dienstvertrages vom 22.02.2011 sowie der Feststellungen des LAG Mainz in den vorangegangenen Kündigungsschutzprozessen. Dass die Beteiligten ihr Vertragsverhältnis nicht so gelebt hätten, wie in dem Dienstvertrag vorgesehen, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R, Rn. 22). Wegen der Feststellungen des LAG Mainz haben die Beteiligten dem Senat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass für den Kläger dieselben Bedingungen galten wie für alle anderen landeskundlichen Berater und Übersetzer auch.

 

aa) Die enge Eingliederung in die Arbeitsabläufe der Bundeswehr zeigt sich zunächst daran, dass die Bundeswehr die Übersetzungsaufträge nach Dringlichkeit der zu übersetzenden Audiodateien vorsortierte und die landeskundlichen Berater sie in dieser Reihenfolge zu übersetzen hatten (dazu LAG Mainz, a.a.O. Rn. 55). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nach § 1 Abs. 1 S. 3 des Dienstvertrages seine Arbeitszeit grds. frei bestimmen konnte. Diese Dispositionsfreiheit war vielmehr dadurch von vorneherein eingeschränkt, dass erteilte Übersetzungsaufträge „unverzüglich nach Auftragserteilung zu erledigen“ waren (gemäß § 1 Abs. 2 des Dienstvertrages). Weiter hatte der Kläger die maßgeblichen Sicherheitsvorgaben der Bundeswehr zu befolgen (§ 1 Abs. 3 des Dienstvertrages). In diesem Zusammenhang bestand für den Kläger insbesondere hinsichtlich des Ortes der Tätigkeit keinerlei Weisungsfreiheit. Vielmehr hatten die landeskundlichen Berater ihre Übersetzungstätigkeiten ausschließlich in dem von der Bundeswehr festgelegten Sicherheitsbereich der Dienststelle nach den Vorgaben der Bundeswehr innerhalb ihres Organisationsbereichs und unter Nutzung der von der Bundeswehr zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel zu leisten, ohne dass ihnen dabei noch nennenswerte Handlungsspielräume verblieben (LAG Mainz, a.a.O. Rn. 55).

 

bb) Des Weiteren erfolgte die Arbeit der landeskundlichen Berater in einem von der Bundeswehr vorgegebenen Schichtsystem nach Dienstplänen, für das die Bundeswehr auch den Minimal- und Maximalbedarf an Mitarbeitern festlegte. Den landeskundlichen Beratern blieb danach allein noch, die Schichten untereinander zu verteilen. I.Ü. waren sie aber auf die entsprechenden Vorgaben festgelegt (vgl. auch LAG Mainz, a.a.O. Rn. 56), die insbesondere auch Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit umfassten, für die der Dienstvertrag eine gesonderte Vergütung vorsah (§ 2 Abs. 1 Buchst. b des Dienstvertrages). Den aktenkundigen Rechnungen des Klägers für den Streitzeitraum lässt sich in diesem Zusammenhang entnehmen, dass er im streitbefangenen Zeitraum auch tatsächlich Nacht- bzw. Sonn- und Feiertagsarbeit leistete. Dass der Dienstvertrag keine Wochenarbeitszeit o.ä. vorsah, die der Kläger zu erbringen gehabt hätte, mag zwar grds. für eine gewisse Selbständigkeit sprechen, fällt vor diesem Hintergrund aber nicht ausschlaggebend ins Gewicht.

 

cc) Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger eine Vergütung oberhalb der jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze bezog. Zwar kann die Vergütungshöhe unter Umständen ein Indiz gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sein (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 KR 3/17 R, Rn. 13). Auf die Höhe der Vergütung kommt es jedoch nur dann an, wenn die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen; i.Ü. steht den Beteiligten nicht die Dispositionsfreiheit zu, sich von der Sozialversicherungspflicht "freizukaufen" (BSG, Urteil vom 19.10.2021 – B 12 KR 1/21 R, Rn. 29 m.w.N.).

 

b) Der Kläger erzielte im streitbefangenen Zeitraum auch durchgehend Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Dies ergibt sich aus dessen aktenkundigen Rechnungen und ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Andere Gründe, aus denen sich Versicherungsfreiheit hätte ergeben können, sind nicht ersichtlich.

 

2. Der Klageanspruch ist aber verjährt. Die vierjährige Verjährungsfrist ist abgelaufen (dazu a) und die Beklagte hat die Verjährungseinrede auch ausdrücklich erhoben; dies war auch nicht treuwidrig (dazu b). Es greift auch nicht ausnahmsweise eine dreißigjährige Verjährungsfrist (dazu c).

 

a) Der Klageanspruch ist verjährt. Ein Anspruch auf Beitragszuschuss verjährt in vier Jahren (BSG, Beschluss vom 04.04.2018 – B 12 KR 97/17 B, juris Rn. 13; ebenso: Böttiger in Krauskopf, SozKV <Stand: XI/2018>, § 257 SGB V Rn. 48; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V <Stand: X/2009>, § 257 Rn. 39; Beck in BeckOGK <Stand: III/2022>, § 257 SGB V Rn. 23; Zieglmeier, ebd. <Stand: III/2022>, § 25 SGB IV Rn. 17; Wiegand in von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 4. Aufl. 2022, § 257 Rn. 39; unklar: Dalichau, SGB V <Stand: VII/2019>, § 257 S. 39 f.). Zwar finden auf den Anspruch nach § 257 SGB V weder die Vorschriften über die Verjährung von Sozialleistungsansprüchen (§ 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>) oder Beitragsforderungen (§ 25 SGB IV) noch die bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften direkte oder analoge Anwendung. Aus der Gesamtheit der Verjährungsvorschriften lässt sich aber „ein Plan des Gesetzgebers erkennen“, der deutlich macht, dass auch Beitragszuschussansprüche einer kurzen (vierjährigen) Verjährung unterliegen sollen (so zu § 405 RVO bereits BSG, Urteil vom 02.06.1982 – 12 RK 66/81, juris Rn. 14; für eine Analogie zu § 25 Abs. 1 SGB IV dagegen Wallrabenstein in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 257 SGB V Rn. 60; vgl. auch Grimmke in jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 257 Rn. 119). Die Verjährung beginnt mit Abschluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist (BSG, a.a.O. Rn. 13; Bötttiger, a.a.O. Rn. 48; Gerlach, a.a.O. Rn. 39).

 

Dies zugrundegelegt ist der Klageanspruch hier verjährt. Geht man insoweit mit der h.M. davon aus, dass der Anspruch auf Beitragszuschüsse mit den Beiträgen fällig wird, die bezuschusst werden sollen (vgl. Wallrabenstein, a.a.O. Rn. 60; Rixen in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 257 Rn. 7; Grimmke, a.a.O. Rn. 116; Wiegand, a.a.O. Rn. 38; Dalichau, a.a.O. S. 39), trat Fälligkeit mit dem drittletzten Bankarbeitstag des letzten streitbefangenen Abrechnungszeitraums (Oktober 2014) ein (§ 23 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB IV). Die Verjährungsfrist begann danach mit Abschluss des Jahres 2014 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Gegenüber der Beklagten hat der Kläger Ansprüche auf Beitragszuschüsse jedoch erstmals mit Anwaltsschreiben vom 22.09.2019 geltend gemacht. Darauf, wann der Kläger vom Bestehen seines Anspruchs auf Beitragszuschüsse Kenntnis erlangte, kommt es anders als i.R.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht an (zu § 25 SGB IV vgl. Zieglmeier, a.a.O. Rn. 39, zu § 45 SGB I auch BSG, 08.12.2005 – B 13 RJ 41/04 R, juris Rn. 22). Nichts anderes ergäbe sich, wenn man wegen der Fälligkeit des Anspruchs auf den Beitragszuschuss nicht auf die Fälligkeit der zu bezuschussenden Beiträge, sondern auf die des Anspruchs auf das Arbeitsentgelt bzw. dessen Zufluss abstellte (dafür Gerlach, a.a.O. Rn. 31; differenzierend Böttiger, a.a.O. Rn. 44). Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass und ggf. inwieweit Vergütungsansprüche erst nach Ablauf des Jahres 2014 fällig geworden wären. Nach den zur Akte gereichten Abrechnungsunterlagen erstellte der Kläger der Bundeswehr vielmehr monatliche Rechnungen (vgl. dazu auch § 2 Abs. 2 des Dienstvertrages). Ebenso wenig ist vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, dass der Ablauf der Verjährung vorliegend i.S.d. § 27 Abs. 3 SGB IV gehemmt gewesen wäre. Insbesondere bewirkte die Betriebsprüfung der DRV Bund auch keine Hemmung nach § 25 Abs. 3 S. 2 SGB IV, weil die vorliegend streitbefangenen Beitragszuschüsse schon nicht Gegenstand der Betriebsprüfung waren (zur Reichweite der Hemmung vgl. Segebrecht in jurisPK, 4. Aufl. 2021, § 25 Rn. 63).

 

b) Die Beklagte hat die Verjährungseinrede auch ausdrücklich erhoben, erstmals mit ihrem Bescheid vom 30.09.2019. Sie hat an ihr auch nach Aufhebung dieses Bescheides in ihrem Schreiben vom 28.10.2019 ausdrücklich festgehalten und dies auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bekräftigt (zur Beachtlichkeit der Verjährung nach § 25 SGB IV nur auf Einrede vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 KR 21/19 R, Rn. 33 ff.). Dass die Beklagte sich auf Verjährung beruft, ist auch nicht treuwidrig. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass Treuwidrigkeit in Betracht komme, wenn die Beklagte ihn von einer Klageerhebung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist abgehalten hätte (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1982, a.a.O. Rn. 30). Hierfür ist aber – selbst wenn man von bedingtem Vorsatz der Beklagten ausgehen wollte – nichts ersichtlich. Auch der Kläger trägt nicht vor, dass und durch welches konkrete Verhalten die Beklagte ihn in den knapp zwei Jahren zwischen der Betriebsprüfung Anfang 2016 und dem Eintritt der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2018 davon abgehalten hätte, seine Ansprüche auf Beitragszuschüsse geltend zu machen.

 

c) Vorliegend greift auch nicht ausnahmsweise die dreißigjährige Verjährungsfrist aus § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Danach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Unmittelbar findet diese Vorschrift schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei den Beitragszuschüssen nach § 257 SGB IV nicht um Beiträge im Gesetzessinne handelt (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1982, a.a.O. Rn. 17; dazu wie zum Folgenden auch Stäbler in Krauskopf, SozKV <Stand: IX/2020>, § 25 SGB IV Rn. 4).

 

Die Regelung ist auch nicht analog anzuwenden. Eine Analogie ist dabei nicht schon deshalb zu ziehen, weil eine analoge Anwendung des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV notwendig auch eine analoge Anwendung des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV zur Folge haben müsse. Denn ungeachtet dessen, ob eine solche Schlussfolgerung überhaupt trägt (differenzierend auch BSG, Urteil vom 25.10.1990 – 12 RK 27/89, juris Rn. 23, das für Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag eine Analogie zu § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV bejaht, eine Analogie auch zu § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV aber ausdrücklich offenlässt; anders – allerdings ohne nähere Begründung – hingegen BSG, Urteil vom 20.03.2000 – B 12 KR 15/99 R, juris Rn. 21), ergibt sich die vierjährige Verjährungsfrist vorliegend gerade nicht aus einer Analogie zu § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV (dazu oben 2a). Darüber hinaus sind hinsichtlich § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV die Analogievoraussetzungen nicht erfüllt.

 

Zwar liegt insoweit eine planwidrige Regelungslücke vor, als das Gesetz zur Verjährung des Anspruchs auf Beitragszuschüsse gar keine Regelung trifft, weder zur Regelverjährung, geschweige denn zu einer ausnahmsweise längeren. Eine analoge Anwendung des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV scheidet aber jedenfalls aus, weil es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Denn weder sind Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V mit Sozialversicherungsbeiträgen i.S.d. § 25 Abs. 1 SGB IV vergleichbar (dazu aa), noch das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner des Beitragszuschusses mit dem zwischen Beitragsgläubiger und -schuldner (dazu bb). Inwieweit die Beklagte dem Kläger Beitragszuschüsse vorsätzlich vorenthalten hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 12 KR 11/14 R, Rn. 64 m.w.N.; Zieglmeier, a.a.O. Rn. 49; Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV <Stand: IV/2021>, § 25 Rn. 4), ist nach Einschätzung des Senats zweifelhaft, bedarf nach alledem aber keiner Entscheidung.

 

aa) Den Beiträgen zur GKV und damit auch deren Beitreibung liegt ein originär öffentliches Interesse zugrunde, denn sie dienen der solidarischen Finanzierung der Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen (§ 3 SGB V; ausführlich dazu Peters in BeckOGK-SGB V <Stand: V/2014>, § 3 Rn. 4 ff.) und damit den Interessen der Versichertengemeinschaft im Ganzen. Demgegenüber dient der Beitragszuschuss letztlich allein den wirtschaftlichen Interessen der von § 257 SGB IV begünstigten, freiwillig versicherten Beschäftigten, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind. Denn diese müssen die Beiträge zu ihrer freiwilligen Versicherung selbst tragen (§ 250 Abs. 2 SGB V), wohingegen bei versicherungspflichtigen Beschäftigten diese und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte tragen (§ 249 Abs. 1 S. 1 SGB V). Vor diesem Hintergrund gewährt das Gesetz in § 257 SGB IV den Beitragszuschuss, um zu verhindern, dass die Betroffenen nur aufgrund der Beiträge zur freiwilligen Versicherung letztlich wirtschaftlich schlechter stehen, als sie stünden, wenn sie weiterhin versicherungspflichtig wären (zu § 405 RVO i.d.F. des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes <2. KVÄG> vom 21.12.1970, BGBl. I 1770, vgl. bereits BT-Drs. VI/1130, 4 f.; zu § 257 SGB V BT-Drs. 11/2237, 227 <dort zu § 266 des Gesetzentwurfs>). Der Beitragszuschuss dient damit nicht der solidarischen Finanzierung der GKV, auch nicht mittelbar. Insbesondere bleibt die Beitragslast der freiwillig Versicherten auch i.R.d. § 257 SGB IV davon unberührt, ob diese den Beitragszuschuss in Anspruch nehmen oder nicht.

 

bb) All dies spiegelt sich auch darin wider, dass Gläubiger wie Schuldner des Beitragszuschusses Privatrechtssubjekte sind und sich als solche gegenüberstehen, während dem Beitragsschuldner die öffentliche Hand als Hoheitsträger mit ihren spezifischen öffentlich-rechtlichen Befugnissen gegenübertritt. Zwar sieht § 197 Abs. 1 BGB auch zwischen Privatrechtssubjekten eine ausnahmsweise dreißigjährige Verjährungsfrist vor. Von den dort geregelten Fällen liegt hier aber erkennbar keiner vor, insbesondere beschränkt § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB die dreißigjährige Verjährung auch bei Schadensersatzansprüchen auf solche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen. Eine vergleichbare Interessenlage lässt sich auch nicht aus einer Schutzwürdigkeit der freiwillig versicherten Beschäftigten herleiten. So kennt auch das Zivilrecht schutzbedürftige Personengruppen (vgl. das Verbraucherschutzrecht, § 13 BGB), hält für diese aber keine gesonderten Verjährungsvorschriften bereit (dazu auch BSG, Urteil vom 19.09.2019, a.a.O. Rn. 34). Für Ansprüche auf Sozialleistungen sieht das Sozialrecht ebenfalls keine ausnahmsweise längere Verjährung vor, auch dann nicht, wenn ein Träger ihnen diese vorsätzlich oder grob fahrlässig vorenthält; vielmehr verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen stets in vier Jahren (§ 45 SGB I); eine etwaige Unkenntnis der Leistungsberechtigten hat der Leistungsträger lediglich bei der Ausübung des ihm wegen der Erhebung der Verjährungseinrede eröffneten Ermessens zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1996 – 13 RJ 17/96, juris Rn. 40 f.). Nach allem entstünde zudem eine systematische Unwucht, wenn Arbeitgeber wegen Beitragszuschüssen schärfer hafteten als Leistungsträger wegen Ansprüchen auf Sozialleistungen.

 

3. Die Frage, ob die Klageforderung entstanden und insbesondere nicht verjährt ist, darf auch nicht deshalb dahinstehen, weil diese jedenfalls aufgrund der Prozessaufrechnung der Beklagten erloschen wäre.

 

a) Unabhängig davon, dass die Aufrechnung eine rechtswegfremde Gegenforderung betraf – namentlich einen ggf. vor den Arbeitsgerichten geltend zu machenden Anspruch auf Erstattung der an den Kläger gezahlten Umsatzsteuer –, erstreckt sich die Rechtskraft einer Entscheidung im Fall einer Prozessaufrechnung gemäß § 141 Abs. 2 SGG (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 11.12.2019 – B 6 KA 10/19 R, juris Rn.  27 f.) auch darauf, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht (zum Ganzen Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 141 Rn 15). Besteht bereits die Hauptforderung nicht, besteht auch keine Aufrechnungslage (i.S.d. § 387 BGB) und kann folglich die Gegenforderung nicht erlöschen. Wird die Klage abgewiesen, weil die Hauptforderung nicht besteht, ist für die Anwendung des § 141 Abs. 2 SGG mithin kein Raum (Keller, a.a.O.). Dasselbe gilt, wenn die Klage aus anderen Gründen – wie hier wegen Verjährung der Hauptforderung – abzuweisen ist. Denn das Gericht hat über die Aufrechnung nur zu entscheiden, wenn es auf sie ankommt (vgl. Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 322 Rn. 83; zur Eventualaufrechnung auch Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 145 Rn. 13).

 

b) Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass eine Aufrechnungslage bloß voraussetzt, dass die Hauptforderung erfüllbar ist (§ 387 BGB: „bewirken kann“), eine Aufrechnung also auch mit einer nicht (mehr) durchsetzbaren Forderung möglich ist (dazu statt vieler: Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 387 Rn. 12; vgl. i.Ü. auch § 215 BGB). Vielmehr hat die Beklagte ihre Aufrechnung bloß hilfsweise für den Fall erklärt, dass die Klage nicht schon aus anderen Gründen abzuweisen ist. Vorrangig vor der Prozessaufrechnung wendet die Beklagte danach die Verjährung des Klageanspruchs ein. Zwar führten sowohl die Verjährungseinrede wie auch die Aufrechnung im Ergebnis zur Klageabweisung, im Fall der Aufrechnung aber um den Preis, dass die Beklagte zugleich – mit Rechtskraftwirkung (§ 141 Abs. 2 SGG) – ihre Gegenforderung verlöre (§ 389 BGB). Greift dagegen die Verjährungseinrede durch, ist die Klage abzuweisen und der Beklagten bliebe zugleich ihre Gegenforderung erhalten. Bereits der Umstand, dass die Beklagte sich nicht nur auf ihre Aufrechnung beruft, sondern der Klageforderung auch in der Sache entgegengetreten ist, nicht zuletzt indem sie deren Verjährung eingewandt hat und dies auch noch nach Erklärung der Aufrechnung (vgl. Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2023, § 322 Rn. 258 f.), belegt damit, dass die Beklagte die Aufrechnung bloß hilfsweise erklärt hat. Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dementsprechend klargestellt, dass sie mit der Aufrechnungserklärung auf die Verjährungseinrede nicht hat verzichten wollen.

 

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG. Keine Anwendung findet dagegen § 197a SGG, weil der Kläger einen Anspruch auf Sozialleistungen geltend macht (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 12 KR 4/11 R, juris Rn. 28). Eine Kostenerstattung zugunsten der Beklagten scheidet dabei gemäß § 193 Abs. 4 SGG aus. Zwar ist die Beklagte nicht als Sozialleistungsträgerin, sondern als Arbeitgeberin am Verfahren beteiligt. Dies ändert aber nichts daran, dass sie nicht unter § 183 SGG fällt. Ebenfalls nichts anderes folgt daraus, dass die Beklagte gemäß § 184 Abs. 3 SGG i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verfahren u.a. vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist. § 193 Abs. 4 SGG nimmt nach seinem Wortlaut zwar lediglich die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen von der Erstattungsfähigkeit aus. Die Abgrenzung erfolgt i.R.d. § 184 Abs. 1 SGG aber wiederum allein danach, ob der betroffene Beteiligte nach § 183 SGG kostenprivilegiert ist, was – wie erwähnt – auf die Beklagte nicht zutrifft. Mithin gilt für die Beklagte hier im Ergebnis nichts anderes als in Fällen, in denen sie etwa als Trägerin der Versorgungsverwaltung von den Gerichtskosten befreit ist, eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten aber ebenfalls nicht verlangen kann.

 

V. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Frage nach der analogen Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB V auf Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V von grundsätzlicher Bedeutung ist.

 

Rechtskraft
Aus
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