L 15 U 549/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 241/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 549/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 03.11.2020 wird zurückgewiesen.

 

Dem Kläger werden Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 1.000 EUR auferlegt. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit Nummer 4301 – Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen – (einschließlich Rhinopathie), und einer Berufskrankheit Nummer 4302 – durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen – der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), im Folgenden: BK 4301/4302.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger absolvierte von 1977 – 1980 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Anschließend war er von 1980 – 1994 als Facharbeiter Elektroinstallation, Systemtechniker sowie Applikations-Techniker bei verschiedenen Unternehmen tätig. Seit dem 01.05.1994 arbeitete der Kläger für den N.. Dort war der Kläger zunächst als Techniker/Meister u.a. in Schaltanlagen, Umspannwerken und eigenen Betriebsstätten tätig. Ab ca. 2008 übte der Kläger nur noch Bürotätigkeiten in verschiedenen Betriebsstätten aus. Seit 2009 arbeitete der Kläger im Bürogebäude Z.-straße, W. in verschiedenen Büros mit der üblichen Ausstattung mit Computern und Druckern; ab August 2015 erfolgte der Wechsel zum Standort S.. Seit Mai 2017 geht der Kläger keiner Berufstätigkeit mehr nach und bezieht zwischenzeitlich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen einer psychischen Erkrankung.

 

Im Mai 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, bei ihm gebe es Anhaltspunkte für eine Berufskrankheit. Betroffen seien bei ihm die Atmungsorgane, die Augen, die Nase und die Lunge. Bei ihm sei eine chronische-rezidivierende Bronchitis, eine allergische Rhinokonjunktivitis sowie eine allergische bronchopulmunale Aspergillose diagnostiziert worden. Es bestehe der Verdacht, dass die Gesundheitsstörungen durch eine nicht ausreichend gewartete Klimaanlage bzw. schlechte Lüftungsverhältnisse am Arbeitsplatz entstanden seien. Hierzu gab der Kläger ergänzend an, er habe ab ca. 2009/2010 häufig wiederkehrende Atemwegsbeschwerden bemerkt. Seine Arbeitgeberin habe ihm die gebotene Umsetzung verweigert. Er leide hauptsächlich in der Woche auf der Arbeit unter sehr häufigem Husten mit Auswurf.

 

Die Beklagte zog Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Der Internist B. berichtete über Behandlungen wegen chronischen Hustens 2011 und 2013, der Pneumologie Q. diagnostizierte 2014 eine chronische Bronchitis, eine allergische Rhinokonjunktivitis und ein chronisch rezidivierendes Schlafapnoesyndrom. R., Klinikums H., führte in einem Arztbrief vom 13.05.2015 aus, auf der Grundlage der im April 2015 durchgeführten Behandlungen finde sich ein hyperreagibles Bronchialsystem als eine mögliche Ursache für die geklagten Hustenanfälle. Die laborchemisch sehr hohen Werte von IgE und der Nachweis von Aspergillus fumigatus in Verbindung mit asthmatischen Beschwerden legten es nahe, dass es sich möglicherweise um eine allergische bronchopulmonale Aspergillose handeln könne. Die Arbeitgeberin/N. teilte der Beklagten mit, der Kläger sei seit 2008 als Sachbearbeiter an einem Büroarbeitsplatz für sie tätig und somit keinen besonderen Einflüssen ausgesetzt. Die im Gebäude vorhandenen Belüftungsanlagen würden halbjährlich gereinigt und gewartet. Die Filterelemente würden dann mit ausgetauscht.

 

Anschließend veranlasste die Beklagte eine Abklärung der beruflichen Einwirkungen durch ihren Präventionsdienst. Dieser kam in seinen Stellungnahmen vom 09.10.2015 und 06.11.2015 nach einer Besprechung im Betrieb und Sichtung eines Begehungsprotokolls vom 06.11.2011 zu dem Ergebnis, Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheiten 4103, 4301 und 4302 hätten bei dem Kläger nicht vorgelegen.

 

Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2015 die Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV ab. Die Ermittlungen der Präventionsabteilung hätten ergeben, dass die Lüftungsanlage im Bürogebäude zwar teilweise Staub verbreitet habe, jedoch werde durch die regelmäßige Wartung und Wechslung des Filters eine Verbreitung von chemisch-irritativ oder toxischen Stoffen ausgeschlossen. Eine Einwirkung im Sinne der Berufskrankheiten nach der Nrn. 4301 und 4302 habe nicht bestätigt werden können.

 

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, er sei an seinem Arbeitsplatz durch Klimaanlage, Kopierer und Drucker in unmittelbarer Arbeitsplatznähe belastet gewesen. Dies ergebe sich aus der Fotodokumentation des Begehungsprotokolls vom 22.11.2012. Der Luftschacht der Klimaanlage befinde sich unmittelbar über seinem Arbeitsplatz. Direkt neben dem Arbeitsplatz stehe der auch von anderen Mitarbeitern mitgenutzte Drucker. Eine erforderliche Luftmessung am Arbeitsplatz sei nicht durchgeführt worden. Aus Kreisen der Arbeitnehmervertretung sei ihm bekannt, dass andere Kollegen ebenfalls über Atembeschwerden klagten. Darüber hinaus sei eine Untersuchung an seinem alten Arbeitsplatz nicht durchgeführt worden sei. Insgesamt sei er einer relevanten Arbeitsplatzbelastung ausgesetzt gewesen.

 

In einer weiteren Stellungnahme vom 16.03.2016 hielt der Präventionsdienst an seiner bisherigen Beurteilung der Einwirkungen fest.

 

Auf der Grundlage dieser Ausführungen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 als unbegründet zurück.

 

Hiergegen hat der Kläger am 30.06.2016 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben und an seiner Auffassung festgehalten, seine Atemwegsbeschwerden seien auf schädigende Luftverhältnisse in seinem Büro zurückzuführen, diese sei insbesondere mit Schimmelpilzen kontaminiert gewesen. Er hat hierzu weitere ärztliche Unterlagen eingereicht, u.a. auch ein Schreiben des Landrates des Kreises H. vom 24.08.2015, aus dem hervorgeht, dass der Kläger im April 2015 an einer meldepflichtigen Bordetella-pertussis-(Keuchhusten)-Infektion gelitten hat.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2015 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von dem Arbeitsmediziner Y. vom 14.11.2017 sowie eines radiologischen Zusatzgutachtens von G. vom 06.10.2017. Y. hat bei seiner Untersuchung einen normalen Atemwegswiderstand, eine allenfalls tendenzielle Restriktion bei Normalbefund mit Verdacht auf Asthma bronchiale und Rhinokonjunktivitis bei Sensibilisierung gegenüber Umweltallergenen wie Milben, Katzen, Gräser, Pollen sowie Schimmelpilzen (u.a. Aspergillus fumigatus) festgestellt. Er ist zunächst zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt und hat weitere arbeitstechnische Ermittlungen zu einem etwaigen Schimmelpilzbefall in der Arbeitsumgebung des Klägers empfohlen.

 

Der Präventionsdienst hat am 29.01.2018, 04.02.2019, 06.08.2019 und 27.11.2019 weitere Ermittlungen durchgeführt. Hierbei konnte bei einer Messung am 25.03.2019 im Büroraum Kundenservice S. an beiden Arbeitsplätzen keine erhöhten Schimmelpilzkonzentrationen festgestellt werden, vielmehr lag der Wert niedriger als in der Außenluft. In ergänzenden Stellungnahmen vom 18.11.2019 und 09.09.2020 hat der Sachverständige Y. dargelegt, auch nach den weiteren durchgeführten Untersuchungen sei die Lungenfunktionsprüfung unauffällig und es sei eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht festzustellen. Der Kläger hat das Gutachten kritisiert.

 

Mit Urteil vom 03.11.2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt:

 

„Das Gericht konnte aufgrund – einseitiger – mündlicher Verhandlung mit dem Kläger und seinem Bevollmächtigten in der Sache entscheiden, da die Beklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde und sie sich auch mit einer Verhandlung ohne ihr Erscheinen einverstanden erklärt hat.

 

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

 

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 07.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.

 

Die Beklagte hat die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt.

 

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind Berufskrankheiten die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Gem. § 1 BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten. Die Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV erfasst „durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen waren, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren und sein können“. Die Nr. 4302 erfasst „durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zur Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht. Der Versicherungsfall einer Listen-BK setzt somit voraus, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeberin die Krankheit als BK in der Anlage 1 der BKV bezeichnet hat und sämtliche Merkmale dieses Tatbestandes erfüllt sind (vgl. zum Vorstehenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018 – B 2 U 5/16 R – m.w.N.).

 

Die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen können nach den Nrn. 4301 und 4302 nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies steht nach dem Gesamtergebnis der im Verwaltungs- und im Klageverfahren durchgeführten Ermittlungen zur Überzeugung der Kammer fest. Die Kammer gründet ihre Überzeugung im Wesentlichen auf das Gutachten des Arbeitsmediziners Y.. Danach ist bei dem Kläger eine Grundvoraussetzung der Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV, nämlich das Vorliegen einer „obstruktiven Atemwegserkrankung“ nicht vollbeweislich nachgewiesen.

So hat Y. bereits in seinem ersten Gutachten vom 14.11.2017 darauf hingewiesen, bei dem Kläger liege der zweifelsfreie Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung nicht vor. Dazu sei die zweifelsfreie Diagnose eines Asthma bronchiale nach Medikationskarenz anzustreben. Bei der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Y. am 31.10.2019 stellte der Kläger sich bei dem Sachverständigen unter kurz ausgesetzter antiobstruktiver Medikation vor. Die Lungenfunktionsprüfung war unauffällig. Im Methacholintest zeigte sich bei starkem Husten des Klägers keine bronchiale Hyperreaktivität, wobei der Sachverständige aufgrund des starken Hustens keine spirometischen Messungen im Rahmen des Methacholintests durchführte. Bodyplethysmographisch war keinerlei Reaktion zu erzielen. Auch der Befundbericht des D. Klinikums H. vom 23.04.2015 zeigt, dass weder das bodyplethysmographische noch das spirometische Positiv-Kriterium erreicht wurde, sodass eine obstruktive Atemwegserkrankung bei dem Kläger nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Bei der weiteren Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Y. am 24.08.2020 wurde ein Methacholintest ohne Einfluss einer antiobstruktiven Medikation, die das Testergebnis verfälschen könnte, durchgeführt, da der Kläger in den letzten 14 Tagen vor der Untersuchung keinerlei antiobstruktive Medikation eingenommen hatte und ein kurzwirksames Betamimetikum seit mindestens 14 Tagen nicht mehr. Im Ergebnis war bei der Methacholintestung durch den Sachverständigen Y. eine positive Reaktion bodyplethysmographisch nicht darzustellen. Formal kam es in der höchsten Dosisstufe spirometrisch zu einem Abfall der Einsekundenkapazität um mindestens 20 %. Formal errechnete sich eine PD20FEV1 von 347 µg Methacholin. Damit war der Test formal negativ. Hinzu kommt, dass die Atemtechnik insbesondere bei der letzten Stufe und mit fortschreitender Testdauer nachließ. Synoptisch liegt somit aktuell bei dem Kläger keine bronchiale Hyperaktivität und damit keine obstruktive Atemwegserkrankung vor. Die bereits früher gestellte Diagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung ist – wie dargelegt – unsicher und nicht zweifelsfrei. Da bei dem Kläger eine obstruktive Atemwegserkrankung – wie dargelegt – im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen muss, ist der Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK-Nrn. 4301 und 4302 nicht geführt.

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei Unaufklärbarkeit eines Umstands die Folgen der objektiven Beweislosigkeit demjenigen zur Last fallen, der eine ihm günstige Rechtsforderung geltend macht, wobei es keinen Unterschied begründet, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen Stoffe wurzelt; in beiden Fällen muss der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004 – B 2 U 25/03 R - ).

 

Ergänzend ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass die für die Anerkennung einer Berufskrankheit erforderliche „Einwirkung“ (Schimmelpilzbelastung) hier ebenfalls nicht vollbeweislich nachgewiesen ist. Den Feststellungen des TAD lässt sich insoweit keine Einwirkung entnehmen. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers findet insoweit auch keine Beweislastumkehr statt, da es die Beklagte angeblich unterlassen hat, Luftmessungen am Arbeitsplatz des Klägers in der Z.-straße in W. durchzuführen. Auch wenn ein Beweisnotstand auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf eine Beweisvereitelung des Unfallversicherungsträgers beruht, tritt keine Umkehr der Beweislast ein (vgl. Landessozialgericht NRW, Urteil vom 27.11.2018 – L 15 U 538/16 – unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.05.1997 – 2 RU 38/96). Ob hier noch eine Luftmessung am alten Arbeitsplatz des Klägers in der Z.-straße in W. erforderlich ist, kann indes dahinstehen. Selbst wenn eine solche Luftmessung eine relevante Schimmelpilzbelastung am alten Arbeitsplatz des Klägers ergeben sollte, fehlt es nach wie vor am Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung, die – wie dargelegt – Grundvoraussetzung der Berufskrankheiten der Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.“

 

Gegen das am 19.11.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.11.2020 Berufung eingelegt. Der Kläger vertritt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens die Auffassung, sowohl hinsichtlich seines Krankheitsbildes wie auch bezogen auf die Einwirkungen am Arbeitsplatz seien bislang keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt worden. Hierzu hat er zahlreiche bereits aktenkundige Kopien aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 03.11.2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer BK 4301/4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten bei R., Direktor der Klinik für Pneumologie, D. Klinikum H., eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 07.02.2022 zu dem Ergebnis gelangt: Das Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung sei nach den bisherigen aktenkundigen Befunden und aufgrund der von ihm durchgeführten Lungenfunktionsfunktionsuntersuchung nicht zu sichern. Weitere Ausführungen zur BK 4301/4302 erübrigten sich daher.

 

Der Kläger hat sämtliche Messprotokolle des Sachverständigen angefordert und behauptet, das Gutachten sei falsch und nicht verwertbar. Er behalte sich zivilrechtliche Schritte gegen den Sachverständigen vor. Außerdem hat er erneut bereits aktenkundige Unterlagen eingereicht.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, sowie die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Detmold aus den abgeschlossenen Verfahren Az.: S 1 SB 958/14 und S 1 U 322/18,  die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung einer BK 4301 und/oder BK 4302, wie das Sozialgericht zu Recht und mit zutreffenden Gründen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), entschieden hat.

 

Das Berufungsvorbringen des Klägers sowie die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

 

Es ist bereits nicht erkennbar, dass der Kläger den zur Feststellung einer BK 4301/4302 erforderlichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen ist.

 

Nach den umfangreichen arbeitstechnischen Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten konnte die vom Kläger behauptete Schimmelpilzkontamination der Atemluft seines Arbeitsplatzes nicht festgestellt werden. Die Klima- und Lüftungsanlagen sind ausweislich der Wartungsprotokolle regelmäßig gereinigt und nach den vorgeschriebenen Intervallen gewartet worden. Bei der auf Anregung des Sachverständigen Y. dennoch durchgeführten Biostoffmessungen vom 25.03.2019 konnten Sporen von Aspergillus fumigatus, Aspergillus versicolor und Penicillium chysogenum nicht nachgewiesen werden. An beiden Arbeitsplätzen sowie am Zuluft-Austrag der Klimaanlage lag die Schimmelpilzkonzentration mit 20 bis 55 KBE/m um eine Zehnerpotenz niedriger als die Konzentration in der Außenluft. Die Behauptungen des Klägers erweisen sich mithin als rein spekulativ. Solche Behauptungen ins Blaue hinein verpflichten nicht zur Einleitung von Ermittlungen von Amts wegen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es bislang auch keine Erkenntnisse gibt, wonach Büroarbeitsplätze mit Gefährdungen im Sinne der BK 4301/4302 einhergehen könnten ( vgl. z.B. Hess. LSG, Urteil vom 21.01.2019 – L 9 U 159/15 zu Tonerstäuben/Laserdruckemissionen).

 

Im Übrigen ist auch das von den BK 4301 und 4302 umfasste Krankheitsbild einer obstruktiven Atemwegserkrankung beim Kläger nicht im Vollbeweis gesichert. Der vom Sozialgericht herangezogene Sachverständige Y. ist nach mehrfachen Untersuchungen und Lungenfunktionsprüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine bronchiale Hyperreaktivität und eine obstruktive Ventilationsstörung nicht darstellbar waren und damit eine BK 4301/4302 nicht angenommen werden kann.

 

Das im Berufungsverfahren nach § 109 SGG auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Pneumologen R. hat diese Einschätzung in vollem Umfang bestätigt.

Der Sachverständige hat auf der Grundlage einer ausführlichen eigenen Lungenfunktionsdiagnostik sowie unter Auswertung der aktenkundigen Befunde dargestellt, dass zwar im Mai 2015 im Klinikum H. die Diagnose eines hyperreagiblen Bronchialsystems und einer möglichen bronchopulmonalen Aspergillose gestellt worden war. Der Sachverständige hat jedoch darauf hingewiesen, dass davor und danach ein solcher Befund nicht mehr erhoben worden ist. Insbesondere auch bei der anlässlich seiner Begutachtung durchgeführten Lungenfunktionsdiagnostik waren sämtliche Lungenparameter unauffällig. Eine bronchiale Hyperreagibilität war bei diesen Untersuchungen mithin nicht mehr reproduzierbar. Erläuternd hat der Sachverständige zu dem einmalig 2015 erhobenen Testergebnis angemerkt, dass eine vorrübergehende Empfindlichkeit der Atemwege auch bei allergischer Rhinitis und bei Gesunden zum Beispiel nach Infekten oder Reizungen der oberen Luftwege auftreten kann, was dem Senat im Hinblick auf die im April 2015 durchgemachte Keuchhusteninfektion unmittelbar einleuchtet. Der Sachverständige hat in Übereinstimmung mit Y. herausgearbeitet, dass eine dauerhafte bronchiale Hyperreagibilität als wesentliche Voraussetzung für die Diagnose von Asthma bronchiale beim Kläger nicht vorliegt. Nach der aktuellen S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und damit nach den heranzuziehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist bei fehlender dauerhafter bronchialer Hyperreagibilität und fehlendem Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung in der Lungenfunktion eine in der Vergangenheit gestellte Diagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung unsicher und kann daher nicht als nachgewiesen betrachtet werden, was für die Annahme  eines Krankheitsbildes im Sinne der BK 4301/4302 erforderlich wäre.

 

Liegt aber bereits das von der BK 4301/4302 umfasste Krankheitsbild nicht vor, sind weitere Überlegungen zur Entstehung der Erkrankung und einem etwaigen beruflichen Bezug entbehrlich, so dass R. – wie schon zuvor Y. das Vorliegen dieser Berufskrankheit völlig überzeugend verneint hat. Die Ausführungen des Klägers, die sich auf die Behauptung beschränken, das Gutachten sei falsch, sowie sein weiteres Vorbringen, mit dem er dem Sachverständigen „rechtliche Schritte“ androht, lassen jegliche sachbezogene Auseinandersetzung mit dem Gutachten selbst und den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Anerkennung einer Berufskrankheit vermissen.

 

Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger sogenannte Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen.

 

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vergl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 2 BvR 1255/02 - , juris Rn. 3; Beschluss vom 03.07.1995 - 2 BvR 1379/95 - , juris Rn. 10).

 

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist im Verhandlungstermin des Senats am 29.11.2022 eingehend auf die völlige Aussichtslosigkeit und besondere Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreits angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses hingewiesen worden. Es gibt keine ärztliche Äußerung, die das Begehren des Klägers stützt. Der Kläger hat ohne sachbezogene Auseinandersetzung mit den vorliegenden, zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangenden Gutachten an seinem Begehren und seinen laienhaften und selektiven Überlegungen zum arbeitstechnischen und medizinischen Sachverhalt festgehalten und auf einem Urteil beharrt.

 

Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat durch Schätzung des Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vergl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 192 Rn. 1a und Rn. 12 m.w.N.), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt. Dies hat zur Konsequenz, dass der Beteiligte in einem solchen Fall die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (vergl. LSG NRW, Beschluss vom 08.12.2016 - L 4 U 575/16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.02.2012 - L 29 AS 1144/11 -, juris Rn. 66). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Verfahren vor dem Landessozialgericht ein Betrag von mindestens 225 €. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben dem bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vergl. Leitherer, a.a.O. § 192 Rn. 14).

 

Allein für das Absetzen des Urteils durch die Berichterstatterin sind mindestens sechs Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der weiteren Berufsrichter verursachten mindestens drei weiteren Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350-450 DM (dies entspricht ca. 180-230 €) angesetzt (vergl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011 - L 13 R 2150/10 -, juris Rn. 22 m.w.N.). Selbst unter Berücksichtigung dieser für 1986/1987 geltenden Werte, die sich zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung deutlich gesteigert haben dürften, sind somit allein für die zur Absetzung des Urteils erforderlichen Richterarbeitsstunden Kosten in Höhe von mindestens 1.620 € entstanden, ohne dass hierbei die Kosten der Servicekräfte, die an der Ausfertigung des Urteils mitwirken oder die allgemeinen Gerichtshaltungskosten berücksichtigt wären. Die dem Kläger auferlegten Kosten i.H.v. 1000 € liegen damit noch sehr deutlich unter den Kosten, die er mit der Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich verursacht hat. Bei der Bestimmung der Kostenhöhe hat der Senat zu Gunsten des Klägers geringe Einkommensverhältnisse unterstellt.

 

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision  (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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