L 7 AS 131/24 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 164/24 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 131/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


1.    Dem Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Zusicherung im einstweiligen Rechtsschutz steht nicht entgegen, dass damit die Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen würde.

2.    Die Zwangsräumung der derzeit bewohnten Wohnung begründet zwar die Eilbedürftigkeit, nicht aber ein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner. Zwar ist der Schutz der Wohnung auch in Form des Behalts der Wohnung verfassungsrechtlich beachtlich, allerdings kann die drohende Wohnungslosigkeit keinen unbegrenzten Kostenübernahmeanspruch gegen den Antragsgegner begründen. Hierbei ist beachtlich, dass die Antragstellerin zwar von Wohnungslosigkeit bedroht ist, nicht aber von Obdachlosigkeit. Denn bzgl. der Obdachlosigkeit besteht ein Einweisungsanspruch gegen die zuständige Kommune.
 


1.    Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2024 wird zurückgewiesen.

2.    Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.


G r ü n d e

I.    

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes eine Zusicherung der Mietkostenübernahme für eine Wohnung in der C-Straße in A-Stadt.

Die Antragstellerin lebt derzeit in A-Stadt in einer Mietwohnung. Sie ist als selbständige Immobilienmaklerin tätig. 

Seit Februar 2023 bezieht sie Leistungen vom Antragsgegner. Zuletzt bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Februar 2024 Leistungen für die Monate Februar bis Juli 2024.

Aufgrund von Mietrückständen kündigte der Vermieter die derzeit von der Antragstellerin bewohnte Wohnung außerordentlich zum 21. Februar 2023. 

Per E-Mail vom 4. Oktober 2023 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass sie mit ihrem Vermieter einen gerichtlichen Vergleich geschlossen habe, wonach sie zum 31. Oktober 2023 aus ihrer Wohnung ausziehen müsse. Sie teilte des Weiteren mit, dass sie für den nächsten Tag einen Besichtigungstermin habe. Der Antragsgegner teilte ihr mit, dass die Wohnung zu groß und zu teuer sei und keine Kosten übernommen werden könnten.

Die Räumungsfrist wurde durch das Amtsgericht bis zum 31. Dezember 2023 verlängert.

Anfang Dezember 2023 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Erteilung einer Zusicherung für die Anmietung einer in der C-Straße in A-Stadt im ersten Obergeschoss gelegenen Mietwohnung, für welche ein Mietzins von 595,31 Euro, Nebenkostenvorauszahlungen 149,00 Euro und die Heizkosten 111,00 Euro zu zahlen wären. Die Zusicherung lehnte der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 16. Dezember 2023 ab, mit Bescheid vom 19. Dezember 2023 erteilte der Antragsgegner für diese Wohnung dann doch eine Zusicherung. 

Da die Wohnung in der C-Straße zwischenzeitlich nicht mehr verfügbar war, beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner am 14. Januar 2024 die Zusicherung der Aufwendungen für eine im D-Weg in A-Stadt gelegene 57qm große Wohnung mit einer monatlichen Kaltmiete von 643,00 Euro, Nebenkosten von 171,00 Euro ohne Heizkosten. Mit Bescheid vom 22. Januar 2024 lehnte der Antragsgegner die Zusicherung für die Wohnung im D-Weg mit der Begründung ab, die Miete sei nicht angemessen und könne daher seitens des Jobcenters nicht anerkannt werden. 

Am 16. Februar 2024 beantragte die Antragstellerin über ihren Prozessbevollmächtigten nunmehr die Zusicherung der Aufwendungen für die ebenfalls in der C-Straße in A-Stadt gelegene Wohnung im vierten Obergeschoss. Die Grundmiete beträgt ausweislich des vorgelegten Mietvertrages 691,45 Euro, die Nebenkostenvorauszahlungen 149,00 Euro und die Heizkostenvorauszahlungen 111,00 Euro monatlich. Mit Bescheid vom 19. Februar 2024 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, die Miete sei nicht angemessen und könne daher seitens des Jobcenters nicht anerkannt werden. 

In der Verwaltungsakte befindet sich ein Berechnungsbogen zu den angemessenen Unterkunftskosten. Darin wird ausgeführt:

„Für die HG-Größe angemessen ist eine Wohnungsgröße von 35 m² - 50 m². Die Wohnungsgröße ist mit 58 m² eigentlich zu groß.
Für die HG-Größe ist eine Grundmiete in Höhe von 550,00 € angemessen. Die tatsächliche Grundmiete ist mit 691,45 € unangemessen. 
Für die HG-Größe sind Betriebskosten in Höhe von 141,00 € (aufgerundet) angemessen. Die tatsächlichen Betriebskosten sind mit 149,00 € unangemessen. 
Für die HG-Größe ist eine Bruttokaltmiete in Höhe von 691,00 € angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete ist mit 840,45 € unangemessen. Eine Zusicherung der begehrten Kosten kann grds. nicht erfolgen. Ggf. kommt im Rahmen der Einzelfallprüfung eine Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten in Betracht (vgl. Ausnahmen FRL). 
Ergebnis: Die berücksichtigungsfähige Bruttokaltmiete teilt sich in folgende Beträge auf: Grundmiete:
Grundmiete:         550,00 €
Betriebskosten:     141,00 € 
Bruttokaltmiete (Gesamt) 691,00 € angemessen.“

Die Antragstellerin legte, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 20. Februar 2024 Widerspruch beim Antragsgegner ein. 

Am gleichen Tag hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Frankfurt am Main gestellt. 

Sie führte aus, dass der Verlängerung der Räumungsfrist nicht zugestimmt worden sei. Sie habe keine weitere Möglichkeit, eine andere Unterkunft anzumieten und habe niemanden, der ihr helfen könne oder bei dem sie zumindest vorübergehend leben könne.

Der Antragsgegner trug vor, die Wohnung sei für den Ein-Personen-Haushalt der Antragstellerin unangemessen groß und die Wohnung bezogen auf die Wohnungsgröße unangemessen teuer. Angemessen für eine Wohnung bis Baualter 1977 sei eine Grundmiete von maximal 550,00 Euro, akzeptabel eine solche von bis zu 519,00 Euro.

Der Termin zur Zwangsräumung der Wohnung wurde durch den Gerichtsvollzieher am 11. März 2024 für den 16. April 2024 festgesetzt.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den Antrag mit Beschluss vom 19. März 2024 abgelehnt. Der Antrag sei zulässig aber unbegründet.

Es fehle hinsichtlich der begehrten Zusicherung an einem Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die in der C-Straße in A-Stadt im vierten Obergeschoss gelegenen Mietwohnung, da die Aufwendungen für die neue Unterkunft in Höhe von insgesamt 840,45 Euro nicht angemessen seien. Vorliegend seien die Aufwendungen für die neue Unterkunft weder abstrakt noch konkret angemessen.
Abstrakt angemessen sei vorliegend eine Wohnungsgröße zwischen 35 und 50 Quadratmeter. Diesen Wert überschreite die anzumietende Wohnung der Antragstellerin. Hinsichtlich des Wohnungsstandards sei ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen (BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -); welchen die Wohnung aufweise.

Für die Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung verwende der Antragsgegner vorliegend einen qualifizierten Mietspiegel. Dies sei nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 41/18 R –, Rn. 29, juris) Abstrakt angemessen sei danach vorliegend eine Nettokaltmiete von maximal 550,00 Euro.

Unter Einbeziehung der kalten Nebenkosten betrage die (abstrakt) angemessene Bruttokaltmiete 691,00 Euro. Diesen Betrag würden die Aufwendungen für die Wohnung in der C-Straße in A-Stadt im vierten Obergeschoss um 149,45 Euro und damit um etwa 22 Prozent übersteigen.

Die Aufwendungen für die Wohnung in der C-Straße in A-Stadt im vierten Obergeschoss seien auch nicht konkret angemessen. Weder die Situation der Antragstellerin noch die konkrete Lage auf dem Wohnungsmarkt ließen die gesamten Aufwendungen angemessen erscheinen.

Einen Anspruch auf Zusicherung könne die Antragstellerin auch nicht aus § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II herleiten. Zwar könnten kommunale Träger innerhalb der – auch hier vorliegenden – Karenzzeit höhere als die angemessenen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, dies jedoch insbesondere dann, wenn die Beendigung des Leistungsbezuges vor Ablauf der Karenzzeit zu erwarten sei. Dass bei der Antragstellerin die Beendigung des Leistungsbezuges vor Ablauf der Karenzzeit zu erwarten sei, wäre weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch im Übrigen lägen keine Anhaltspunkte vor, welche unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm einen Anspruch der Antragstellerin auf Zusicherung der unangemessenen Aufwendungen begründen könnten.

Der Beschluss ist der Antragstellerin am 20. März 2024 zugestellt worden.

Der Antragsgegner hat den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 19. Februar 2024 mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2024 zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat am 2. April 2024 Beschwerde beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Mit Beschluss vom 8. April 2024 hat der Senat der Antragstellerin unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten PKH bewilligt.

Zur Begründung der Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, dass die Zwangsräumung am 16. April 2024 der von ihr aktuell noch bewohnten Unterkunft drohe. Die Eilbedürftigkeit dürfte damit zweifelsfrei gegeben sein.

Der Anordnungsanspruch sei entgegen der Auffassung des Erstgerichts und des Antragsgegners vorliegend ebenfalls gegeben. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die vom Antragsgegner zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten herangezogene „Übersicht der im Sinne des SGB XII / SGB II / AsylbLG angemessenen Bruttokaltmieten der Stadt A-Stadt“ (Stand: 11/2023) eine taugliche Entscheidungsgrundlage sei. Denn bisher seien die Zahlen aus dem jeweiligen Mietspiegel der Stadt A-Stadt abgeleitet worden. Unter Verweis auf eine Internetseite der Stadt A-Stadt trägt die Antragstellerin vor, dass ein Mietspiegel für das Jahr 2024 erst im Juni zu erwarten sei.

Es liege daher die Vermutung nahe, dass die vom Antragsgegner verwendete Übersicht auf die 2. Auflage des A-Stadter Mietspiegels 2022 zurückzuführen sei. Die dortigen Daten seien aber nicht ausreichend aktuell, sondern seien mindestens 2 Jahre alt. Auch wenn grundsätzlich ein qualifizierter Mietspiegel ausreichend sei, gelte es vorliegend zu beachten, dass kein ausreichender Wohnraum mehr zu den Vorgaben des Antragsgegners vorhanden sein dürfte. Der ohnehin schon angespannte Wohnungsmarkt in A-Stadt dürfte zusätzlich durch die Notwendigkeit der Sicherung einer humanitären Versorgung und damit angemessenen Unterkunft für Flüchtlinge zusätzlich belastet sein.

Die vom Grundsicherungsträger zur Erstellung des Konzepts gewählte Datengrundlage müsse aber die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergebe (Hess. LSG, Urt. v. 23. Februar 2024, L 9 AS 138/19, BeckRS 2024, 3533, Rn. 73; BSG, Urt. v. 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, BeckRS 2008, 55885, Rn. 16). Dabei reichten sporadische Auswertungen als Datenmaterial nicht aus; die Datenerhebung müsse vielmehr vollständig und fortlaufend erfolgen (so Schneider/Otto, in: HdB des FA Sozialrecht, 6. Aufl., 2020, 4. Kap., Rn. 172).

Wichtig sei stets die Gewährleistung, dass der für angemessen erachtete Wohnraum tatsächlich zur Verfügung stehe.

Letztlich könne es aber dahinstehen, ob die vom Antragsgegner vorgegebenen Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhten, da sich der Anordnungsanspruch jedenfalls aus § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II ergebe.

Der Antragsgegner sei aber sowohl in seinem Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 2024 als auch in seiner Antragserwiderung vom 26. Februar 2024 von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen. Der vorbenannte Bescheid sei daher wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig. 

Das Sozialgericht Frankfurt am Main habe in seinem Beschluss vom 19. März 2024 ausgeführt, ein Anspruch auf Zusicherung könne die Antragstellerin nicht aus § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II herleiten, da dies erfordere, dass die Beendigung des Leistungsbezuges vor Ablauf der Karenzzeit zu erwarten sei. Eine solche Voraussetzung finde im Gesetz jedoch keine Stütze.

Zum anderen sehe aber selbst der Gesetzgeber das Ende des Leistungsbezuges nicht als ausschließlichen Fall einer positiven Ermessensentscheidung. Vielmehr sei in den Gesetzesmaterialien lediglich ein denkbares Beispiel genannt, wenn es dort heißt, der kommunale Träger könne innerhalb der Karenzzeit auch höhere als die angemessenen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, insbesondere dann, wenn die Beendigung des Leistungsbezuges vor Ablauf der Karenzzeit zu erwarten ist (BT-Drs. 20/4360, S. 35). Es handele sich also erkennbar um eine nicht abschließende Aufzählung.

Im Falle der Antragstellerin sei von Bedeutung, dass dieser unmittelbar die Obdachlosigkeit infolge einer Zwangsräumung drohe. Diese habe mithin einen größeren Zeitdruck, eine neue Unterkunft zu finden.

Hinzu komme, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner ein kostenangemessenes Unterkunftsangebot im Dezember 2023 vorgelegt habe, für das der Antragsgegner jedoch zunächst mit Bescheid vom 13. Dezember 2023 die Zusicherungserteilung verweigerte. Der Antragsgegner habe somit durch seine rechtswidrige Zusicherungsverweigerung in der Vergangenheit selbst dafür gesorgt, dass der Antragstellerin ein kostenangemessenes Unterkunftsangebot nicht mehr zur Verfügung gestanden habe.

Hinsichtlich des Vortrages des Antragsgegners wird angemerkt, dass dieser zwar hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskoten auf den Mietspiegel A-Stadt verweise, es bleibe jedoch weiterhin unklar, wie der Betrag von 550,00 Euro für die Grundmiete und von 141,00 Euro für die kalten Betriebskosten ermittelt worden sei.

Bezogen auf eine angemessene Wohnfläche von (bis zu) 50 Quadratmeter für eine Einzelperson ergebe sich bei einer Grundmiete von 550,00 Euro ein Quadratmeterpreis von 11,00 EUR, welcher der Angemessenheitstabelle des Antragsgegners zugrunde liege.

Aus dem mit dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 10. April 2024 vorgelegten Prüfung folge, dass hinsichtlich der Wohnungsgröße auf den Bereich von 35 bis 50 Quadratmeter abgestellt worden sei. Übernehme man die Daten aus dem Mietspiegel (2. Aufl., 2022), ergebe sich ein durchschnittlicher qm-Preis von 11,27 Euro. Der Ansatz des Antragsgegners liege bei 11,00 Euro und damit um 0,27 Euro niedriger, was erklärungsbedürftig sei. Bezogen auf eine Wohnungsgröße von 50 Quadratmeter ergebe sich hieraus immerhin eine Differenz von 13,50 Euro.

Dabei sei noch nicht geklärt, ob die im Mietspiegel vorgesehenen Zu- und Abschläge unberücksichtigt bleiben könnten.

Hinsichtlich der Betriebskosten bleibe unklar, wie der Antragsgegner mit dem Umstand umgegangen sei, dass die Tabelle Betriebskosten im Mietspiegel eine Position Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss/Satellitenschüssel (Kosten je Wohnung) ausweise, die wohnungs- und nicht Quadratmeterbezogen sei.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2024 aufzuheben und Antragsgegner zu verpflichten, die Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die in der C-Straße in A-Stadt im vierten Obergeschoss gelegene Mietswohnung (Grundmiete 691,45 Euro, Nebenkostenvorauszahlungen 149,00 Euro, Heizkostenvorauszahlungen 111,00 Euro monatlich) zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verweist zur Begründung seines Antrags auf die den Beschluss tragenden Gründe des Sozialgerichts. Seit dem 1. Januar 2024 erfolge die Beurteilung der Angemessenheit anhand der Bruttokaltmiete. Die Bestimmung der anerkennungsfähigen Bruttokaltmiete erfolge auf Grundlage des qualifizierten Mietspiegels zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete in A-Stadt 2022 unter Einbeziehung der Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) i.V.m. § 23 Wohngeldverordnung (WoGV).

Bei der Angemessenheitsprüfung werde nicht zwischen angemessener Kaltmiete und angemessenen Betriebskosten unterschieden. Die Leistungsberechtigten sollten einen gewissen „Spielraum“ haben dürfen. Der Antragsgegner verweist auf die Berechnung zur Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete.

Seiner Ansicht nach liege auch kein Eilbedürfnis vor, da die Antragstellerin die Wohnungssuche offenbar selbst verzögert. Das Mietverhältnis über die Wohnung im A-Weg in A-Stadt habe der Vermieter bereits im Februar 2023 gekündigt. Seitdem habe die Antragstellerin nicht intensiv eine neue Unterkunft gesucht. Die spärlichen Wohnungsangebote, die von der Antragstellerin beim Antragsgegner vorgelegt worden seien, hatten immer eine Wohnfläche von über 50 Quadratmeter. Diese seien für eine alleinstehende Person eigentlich zu groß. Die Antragstellerin habe es mit der Wohnungssuche offenbar nicht so ernst genommen. Hinzu komme, dass es für die Antragstellerin als Immobilienmaklerin ein Leichtes sein müsste, eine preisgünstige Wohnung zu finden.

Hinsichtlich der Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum verweist der Antragsgegner auf das übersandte aktuelle Wohnungsangebots, nämlich einer Balkonwohnung in A-Stadt in E. (Immowelt vom 10. April 2024). Vermieter sei die „Nassauische Heimstätte“. Die angebotene Wohnung habe eine Wohnfläche von 65,64 qm mit drei Zimmern. Kaltmiete 540,00 Euro und 126,50 Euro Nebenkosten, mithin somit 666,50 Euro. Somit sogar unterhalb der angemessenen Bruttokaltmiete von 691,00 Euro.

Eine heutige Recherche der Berichterstatterin bei Immoblienscout24 hat bei Eingabe der Wohnungsgröße von minimal 35 bis maximal 50 Quadratmetern und einer maximalen Kaltmiete von 550,00 Euro neun Treffer ergeben. Bei Eingabe einer maximalen Kaltmiete von 696 Euro fanden sich 33 Treffer im Stadtgebiet A-Stadt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Sozialgerichts S 5 AS 164/24 ER und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.


II.

Die am 2. April 2024 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2024 ist zulässig aber unbegründet.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988, Az.: 2 BvR 745/88 = BVerfGE 79, 69 ff.; Beschluss vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236 f.). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG - i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG), ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166). Existenzsichernde Leistungen dürfen im sozialgerichtlichen Eilverfahren nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere, wenn sich diese auf vergangene Umstände stütze (BVerfG a.a.O.). (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. Mai 2023 – L 7 AS 26/23 B ER –, Rn. 35, juris).

Eine Entscheidung im Wege einer Folgenabwägung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angezeigt, wenn ein Gericht sonst nicht in der Lage wäre, effektiven Rechtsschutz i.S.v. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewähren. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat danach die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Indessen dürfen sich die Gerichte, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, nur dann an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, wenn sie die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen können. Eine solche abschließende Prüfung kommt allerdings nur in Betracht, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren möglich ist. Ist das nicht der Fall, ist eine Folgenabwägung durchzuführen (siehe zum Ganzen BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 8. Juli 2020 – 1 BvR 932/20 m.w.N.). (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 8. September 2020 – L 7 AS 25/20 B ER –, juris).

Vorliegend muss im Wege einer Folgenabwägung entschieden werden, da im hiesigen Verfahren aufgrund des anstehenden Räumungstermins nicht abschießend darüber entschieden werden kann, ob die vom Antragsgegner als angemessenen zugrunde gelegten Unterkunftskosten auf einem schlüssigen Konzept beruhen. 

Dem Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Zusicherung im einstweiligen Rechtschutz steht nicht entgegen, dass damit die Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen würde.

Denn auf das Hauptsacheverfahren können Leistungsberechtigte wegen der Dringlichkeit der Entscheidung über den Zusicherungsantrag regelmäßig nicht verwiesen werden, da ein Auszug aus der bisherigen Wohnung häufig kurzfristig erfolgen muss, vor allem aber Mietangebote regelmäßig nur für einen sehr begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen. „Effektiver Rechtsschutz kann daher durch das Hauptsacheverfahren in aller Regel nicht gewährt werden. Auch können Leistungsberechtigte nicht darauf verwiesen werden, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur eine vorläufige Zusicherung zu beantragen. Denn einem hierauf gerichteten Eilantrag fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Eine einstweilige Anordnung zur Erteilung einer vorläufigen Verpflichtung würde, wie auch ein Ausführungsbescheid, nach einer gegenteiligen Hauptsacheentscheidung ihre Rechtswirkungen verlieren, so dass sich die durch das Zusicherungsverfahren nach § 22 Abs. 4 SGB II eigentlich intendierte Planungssicherheit für den Leistungsberechtigten durch eine einstweilige Regelung gerade nicht erreichen lässt, zumal die Anmietung der Wohnung in der Praxis vielfach von der Vorlage einer (vorbehaltlosen) Mietübernahmebescheinigung abhängig ist (vgl. zum Vorstehenden: Senatsbeschluss vom 26. August 2020 – L 13 AS 143/20 B ER – juris Rn. 7 ff. m. w. N.; so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – L 10 AS 1386/21 B ER – juris Rn. 8)“ (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Oktober 2023 – L 13 AS 185/23 B ER –, Rn. 22, juris).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auf das Hauptsacheverfahren kann sie keinesfalls verwiesen werden, da das Wohnungsangebot nicht zeitlich unbegrenzt zur Verfügung steht und eine Anmietung ihr nur bei Vorlage einer Mietübernahmebescheinigung möglich ist. Zudem begründet der angesetzte Räumungstermin eine besondere Dringlichkeit einer gerichtlichen Regelung im Eilverfahren (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Oktober 2023 – L 13 AS 185/23 B ER –, Rn. 26, juris).

Nach Ansicht des Senats hat sie jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach § 22 Abs. 4 SGB II in der Fassung des Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes [Bürgergeld-Gesetz] vom 16. Dezember 2022 [BGBl. I S. 2328]) soll die leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen (S. 1). Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat (S. 2). Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (S. 3).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Allerdings kann die Angemessenheit der Unterkunftskosten der streitgegenständlichen Wohnung nicht festgestellt werden. 

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen (stRspr BSG vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R - juris; BSG vom 20. Dezember 2011 - B 4 AS 19/11 R - juris; BSG vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 18; BSG vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R -, Rn. 14 f, juris; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, Rn. 20, juris). 
Das BSG hat diese Ermittlung wie folgt zusammengefasst und konkretisiert: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, Rn. 20, juris).

Ungeachtet einer Erforderlichkeit des Umzugs der Antragstellerin fehlt es nach summarischer Prüfung jedenfalls an der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft für die avisierte Wohnung i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und damit an einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin. 

Ausgehend von den vom BSG aufgestellten Maßstäben ist festzustellen, dass die Wohnung in der C-Straße, 4. Obergeschoss, in A-Stadt, für welche die Zusicherung begehrt wird, für einen Einpersonenhaushalt zu groß ist. Für eine Person ist eine Wohnungsgröße bis 50 Quadratmetern angemessen (vgl. Berlit, in Münder, LPK-SGB II, 8. Auflage, 2024, § 22 Rn. 84). Die angemessene Größe überschreitet diese Wohnung mit 57 Quadratmetern.

Der Senat geht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand von einem angemessenen Wohnungsstandart der Wohnung aus. Der Wohnungsstandard wäre in einem Hauptsacheverfahren zu ermitteln. Anhaltspunkte, dass dieser unangemessen ist, liegen nicht vor und drängen sich nicht auf. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). 

In einem dritten Schritt hat nach der Rechtsprechung des BSG die Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, Rn. 20, juris).

Für eine Folgenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin spricht hier, dass im Rahmen des Eilverfahrens keine abschließende Sachverhaltsermittlung von Seiten des Gerichts erfolgen kann, der eine umfassende Prüfung ermöglicht, ob die von Seiten des Antragsgegners zugrunde gelegten Unterkunftskosten angemessenen im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 3, Abs. 1 SGB II sind. Zutreffend hat der Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass derzeit nicht im Detail nachvollzogen werden kann, wie die vom Antragsgegner verwendeten Daten zu Bestimmung der Angemessenheit ermittelt worden sind und ob diese auf einem schlüssigen Konzept beruhen. 

Festzustellen ist jedoch, dass die Kosten der Unterkunft bei Berücksichtigung eines Ein-Personen-Haushalts sogar noch deutlich oberhalb des Angemessenheitswerts nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % liegen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. August 2021 – L 18 AS 984/21 B ER –, Rn. 5, juris). 

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 WoGG in der derzeit gültigen Fassung sind die monatlichen Höchstbeträge für Miete und Belastung vorbehaltlich des § 11 Abs. 3 WoGG nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder und nach der Mietenstufe zu berücksichtigen. Sie ergeben sich aus Anlage 1 (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WoGG).

Gemäß der auf § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) basierenden Anlage der WoGV in der Fassung vom 17. April 2023 gilt für die Stadt A-Stadt Mietstufe VI. Das ergibt sich aus Anlage 1 (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WoGG).

Daher ergibt sich aus § 12 Abs.1 WoGG i.V.m. Anlage 1 WoGG ein monatlicher Höchstbetrag für Miete von 633 Euro. Dieser Betrag umfasst die Kaltmiete einschließlich der kalten Nebenkosten. Das folgt aus § 9 Abs. 1, 2 WoGG. Nach § 9 Abs. 1 WoGG ist Miete das vereinbarte Entgelt für die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum auf Grund von Mietverträgen oder ähnlichen Nutzungsverhältnissen einschließlich Umlagen, Zuschlägen und Vergütungen. Bei der Ermittlung der Miete bleiben nach § 9 Abs. 1 WoGG folgende Kosten und Vergütungen außer Betracht:
1. Heizkosten und Kosten für die Erwärmung von Wasser,
2. Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme und Warmwasser, soweit sie den in Nummer 1 bezeichneten Kosten entsprechen,
3. die Kosten der Haushaltsenergie, soweit sie nicht von den Nummern 1 und 2 erfasst sind,
4. Vergütungen für die Überlassung einer Garage sowie eines Stellplatzes für Kraftfahrzeuge,
5. Vergütungen für Leistungen, die über die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum hinausgehen, insbesondere für allgemeine Unterstützungsleistungen wie die Vermittlung von Pflege- oder Betreuungsleistungen, Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung oder Notrufdienste.

Bei Anmietung der Wohnung wären eine Kaltmiete von 691,45 Euro und kalte Nebenkosten von 149,00 Euro geschuldet. Das gibt eine Bruttokaltmiete von 840,45 Euro monatlich. Dieser Betrag übersteigt den Höchstbetrag nach § 12 Abs. 1 WoGG i.V.m. Anlage 1 WoGG von 633,00 Euro um 207,45 Euro. Selbst bei Einbeziehung eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlages (10% von 633,00 Euro = 63,00 Euro; gesamt: 696,00 Euro) überschreitet diese den Höchstbetrag um 144,00 Euro. Diese Überschreitung spricht für die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Für die Angemessenheit der vom Antragsgegner zugrunde gelegten Daten, die im Rahmen dieses Verfahrens nicht umfassend geprüft werden kann, spricht der Umstand, dass der Antragsgegner ein aktuelles Wohnungsangebot vorlegen konnte, das seinen Kriterien entspricht. 
Eine Recherche der Berichterstatterin bei Immoblienscout24 vom heutigen Tag hat bei der Eingabe der Wohnungsgröße von minimal 35 bis maximal 50 Quadratmetern und einer maximalen Kaltmiete von 550,00 Euro neun Treffer ergeben. Bei Eingabe einer maximalen Kaltmiete von 696 Euro fanden sich 33 Treffer. Die Anzahl der Wohnungsanzeigen wird als Indiz vom Senat gewertet, dass zu den vom Antragsgegner als angemessen erachteten Kosten tatsächlich im Stadtgebiet A-Stadt Wohnungen aktuell angemietet werden können.

In diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, dass die Verwaltungsabläufe des Antragsgegners bei der Prüfung eines Antrages auf Erteilung der Zusicherung dem zeitkritischen Moment des lokalen Wohnungsmarktes nicht hinreichend Rechnung tragen. Eine Prüfung der Angemessenheit müsste, um eine Chancengleichheit der Leistungsberechtigten auf dem Wohnungsmarkt zu wahren, zeitnah eher binnen weniger Stunden als nach Tagen erfolgen. Da - wie der Fall der Antragstellerin zeigt - kostenangemessene Wohnungen sonst an andere Bewerber vergeben werden.

Nach summarischer Prüfung sprechen jedoch mehr Argumente gegen als für eine Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. 

Hierbei muss der Senat auch berücksichtigen, dass die Antragstellerin als selbständige Immobilienmaklerin gegenüber anderen Leistungsbeziehern mit dem Immobilienmarkt besonders vertraut ist. Der Senat geht deshalb davon aus, dass sie über entsprechende Branchenkenntnissen und Kontakte verfügt, und mit den Gepflogenheiten des Markts in besonderem Maße vertraut ist, was ihr bei der Suche helfen sollte. 

Dem Antragsgegner ist insoweit zu zustimmen, dass nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin intensiv nach Wohnungen gesucht hat. Die Kündigung wurde der Antragstellerin bereits im Februar 2023 ausgesprochen. Seitdem steht sie auch im Leistungsbezug. Trotz der ausgesprochenen Kündigung hat die Antragstellerin nur drei Wohnungsangebote vorgelegte, die sämtlich die angemessene Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern überschritten, wobei eines der Angebote, dennoch den Angemessenheitskriterien entsprach.

Bei der Entscheidung verkennt der Senat nicht, dass die Zwangsräumung der derzeit bewohnten Wohnung für den 16. April 2024 anberaumt ist. Dieser Umstand begründet zwar die Eilbedürftigkeit, nicht aber ein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner. Zwar ist der Schutz der Wohnung auch in Form des Behalts der Wohnung verfassungsrechtlich beachtlich, allerdings kann die drohende Wohnungslosigkeit keinen unbegrenzten Kostenübernahmeanspruch gegen den Antragsgegner begründen. Hierbei ist beachtlich, dass die Antragstellerin zwar von Wohnungslosigkeit bedroht ist, nicht aber von Obdachlosigkeit. Denn bzgl. der Obdachlosigkeit besteht ein Einweisungsanspruch gegen die Stadt A-Stadt. Nach Angaben der Antragstellerin ist die zuständige Behörde über den drohenden Wohnungsverlust informiert. 

Aus diesem Grund sprechen mehr Gründe gegen als für einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin, weshalb der Antrag abzulehnen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
Saved