Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht eine Untätigkeit des Beklagten im Hinblick auf ausstehende Antworten auf sein Schreiben vom 08.10.2020 geltend.
Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger erhielt vom Beklagten über viele Jahre bis 30.09.2021 laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII, vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021). In der Folgezeit lehnte der Beklagte mehrere (Neu-)Anträge des Klägers ab. Zahlreiche hiergegen erhobene Widerspruchs-, Klage- Berufungs- und Beschwerdeverfahren sowie Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos.
Mit Schreiben vom 28.06.2022, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Reutlingen am selben Tag, hat der Kläger unter Bezugnahme auf ein Schreiben von ihm an den Beklagten vom 08.10.2020 (vgl. Bl. 2 SG-Akte, Bl. 307 VA) Klage erhoben und erklärt, dass er Untätigkeitsklage erheben wolle. Er habe den Beklagten mit Schreiben vom 08.10.2020 aufgefordert, „offen zu legen wie hoch die Zinsforderung gegen das Sozialamt sein müsste“. Leider sei die Berechnung nie vorgenommen worden, weshalb er Untätigkeitsklage erhebe. Zudem hat der Kläger in seiner Klageschrift den Kammervorsitzenden wegen Befangenheit abgelehnt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Das SG hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH mit Beschluss vom 12.01.2023 abgelehnt. Zunächst könne der Vorsitzende hierüber selbst entscheiden, da das Ablehnungsgesuch des Klägers unzulässig sei. Ein Ablehnungsgesuch sei nämlich unzulässig, wenn dessen Begründung völlig ungeeignet sei oder wenn mit ihm rechtsmissbräuchlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt würden, z.B. um Richter, die eine missliebige Rechtsansicht vertreten, auszuschalten. Dies sei hier der Fall. Soweit der Kläger zur Begründung seiner Ablehnung fehlende Unterschriften auf Schriftsätzen geltend mache, seien diese fehlenden Unterschriften der eingeführten elektronischen Aktenführung geschuldet und zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Soweit der Kläger, der in der Vergangenheit schon ausgeführt habe, er wolle nichts ungenutzt lassen, um jeden Einzelschritt des Vorsitzenden zu Fall zu bringen (vgl. Schreiben des Klägers vom 01.03.2022 im Verfahren S 4 SO 608/21), dem Vorsitzenden ohne nähere Spezifizierung Rechtsbeugungen und die Nutzung korrupter Quellen vorwerfe, gehe es ihm mit seinen Ablehnungsgesuchen offensichtlich allein darum, den Vorsitzenden, der ihm missliebige Rechtsansichten vertrete, auszuschalten.
Die ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage habe keine Erfolgsaussichten. Diese Untätigkeitsklage sei bereits unzulässig. Eine Untätigkeitsklage sei nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach näherer Maßgabe zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts nicht beschieden worden sei, d.h. es müsse der Erlass eines Verwaltungsaktes und nicht einer sonstigen Amtshandlung begehrt werden. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da der Kläger lediglich die Erläuterung des Beklagten zu Zinszahlungen und damit eine sonstige Amtshandlung begehre. Dafür komme eine Untätigkeitsklage nicht in Betracht. Der Beklagte habe zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die maßgebliche Zinsforderung bereits Gegenstand des beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängigen Berufungsverfahrens L 2 SO 3549/20 sei.
Die gegen den Beschluss vom 12.01.2023 erhobene Beschwerde zum LSG Baden-Württemberg ist erfolglos geblieben (vgl. Beschluss vom 06.04.2023, - L 7 SO 162/23 B -). Das LSG hat ergänzend zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der vom Kläger begehrten Aufstellung der Zinsforderungen - welche vom Beklagten verneint würden - um eine behördliche Verfahrenshandlung handeln dürfte, so dass der Klage - auch wenn man sie nicht als Untätigkeitsklage, sondern als auf einfaches Verwaltungshandeln gerichtete Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) einstufen wollte - daneben wohl bereits die Regelung des § 56a Satz 1 SGG als negativer Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen stehe. Denn gemäß § 56a Satz 1 SGG könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen - hier der Unterlassung der begehrten Berechnung - nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen - hier der derzeit im Berufungsverfahren L 2 SO 3549/20 anhängigen Klage - geltend gemacht werden. Eine Ausnahme zu dieser Beschränkung (vgl. insbesondere § 56a Satz 2 SGG) dürfte vorliegend nicht in Betracht kommen.
Das SG hat die Klage daraufhin nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2023 abgewiesen. Das Ablehnungsgesuch gegen den Kammervorsitzenden sowie die vom Kläger ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage seien bereits unzulässig. Gleiches gelte für eine einfache Leistungsklage. Zur weiteren Begründung hat das SG auf den Beschluss über die Ablehnung von PKH vom 12.01.2023 sowie auf die hierzu ergangene, ablehnende Beschwerdeentscheidung des LSG im Beschluss vom 06.04.2023 (- L 7 SO 162/23 B -) Bezug genommen. Den dortigen Ausführungen sei nichts hinzuzufügen.
Gegen den ihm am 10.05.2023 gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.06.2023, einem Sonntag, Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Er wolle das ihm zustehende Rechtsmittel nutzen. Es interessiere zudem offensichtlich niemanden, dass befangene Richter entscheiden würden. In der Folge hat der Kläger Ausführungen dazu gemacht, dass er seit dem 01.10.2021 keine Grundsicherung mehr erhalte und sich hierbei auf einen Ablehnungsbescheid vom 05.06.2023 (vgl. Bl. 7, 19 LSG-Akte) bezogen. Mit Schreiben vom 17.01.2024 hat der Kläger weitere Unterlagen, alle betreffend eines von ihm wohl erneut beim Beklagten gestellten Grundsicherungsantrages vorgelegt (Bl. 50 ff. LSG-Akte).
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2023 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Schreiben des Klägers vom 8. Oktober 2020 zu beantworten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung des SG Reutlingen.
Mit Verfügung vom 18.12.2023 (Bl. 37 LSG-Akte), dem Beklagten am 18.12.2023 (vgl. eEB, Bl. 38 LSG-Akte) und dem Kläger am 20.12.2023 (vgl. PZU, Bl. 44 LSG-Akte) zugestellt, ist Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.02.2024 bestimmt worden. Der Beklagte hat mitteilen lassen, keinen Vertreter zum Termin erscheinen zu lassen. Ein zunächst gestellter Verlegungsantrag des Beklagten ist zurückgenommen worden (vgl. Bl. 32 ff. im Verfahren L 2 SO 1664/23).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 28.02.2024 in Abwesenheit der Beteiligten über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger und der Beklagte ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG). Der Beklagte hat zudem bereits im Vorfeld mitgeteilt, keinen Vertreter zum Termin zu entsenden sowie den zunächst gestellten Verlegungsantrag zurückgenommen. Der Kläger hat keinen Verlegungsantrag gestellt.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage, mit der er vom Beklagten die Beantwortung des Schreibens vom 08.10.2020 und die Aufstellung über die von ihm begehrten Zinsen gegen den Beklagten begehrt. Soweit der Kläger zuletzt ausgeführt hat, dass er seit dem 01.10.2021 keine Grundsicherung mehr erhalte und sich hierbei auf einen Ablehnungsbescheid vom 05.06.2023 berufen hat, ist dieser nicht Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Denn der angegriffene Bescheid ist nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen, das SG hat folgerichtig hierüber nicht entschieden und der geltend gemachte Anspruch ist damit auch im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist grundsätzlich durch den Umfang der erstinstanzlichen Entscheidung begrenzt (Littmann in Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, § 143, Rn. 17, beck-online). Eine Berufung, die einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist (mangels Beschwer) grundsätzlich unzulässig (Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. [Stand: 15.06.2022], § 143, Rn. 15). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, nach erfolglosem Widerspruchsverfahren, inzwischen vom Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 05.06.2023 Klage beim SG Reutlingen erhoben worden ist (- S 4 SO 1182/23 -; Bl. 6 Verfahren L 2 SO 294/24). Gleiches gilt im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Schreiben vom 17.01.2024 zu einem erneuten Antrag auf Grundsicherungsleistungen beim Beklagten.
Die so verstandene Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die (Untätigkeits-)Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend unter Bezugnahme auf die Entscheidung über die Gewährung von PKH vom 12.01.2023 und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung des LSG vom 06.04.2023 (- L 7 SO 162/23 B -) die rechtlichen Grundlagen der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage dargestellt (vgl. § 88 Abs. 1 SGG) und richtig ausgeführt, dass eine Untätigkeitsklage hier unzulässig ist, da der Kläger nicht die Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs, sondern allein eine Aufstellung über die von ihm geforderten Zinsen begehrt. Die Untätigkeitsklage ist daher allein auf eine reine Amtshandlung gerichtet. Dafür kommt eine Untätigkeitsklage nicht in Betracht. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass sich auch aus dem Vortrag im Berufungsverfahren nichts Anderes ergibt. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Ablehnungsgesuche wegen offensichtlicher Unzulässigkeit verworfen hat und der abgelehnte Richter von dieser Entscheidung auch nicht ausgeschlossen war (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 20.7.2021 - 2 BvE 4/20 - juris, Rn. 35 m.w.N.).
Darüber hinaus ist eine Untätigkeit des Beklagten auch weiter nicht zu erkennen. Es liegt bereits eine Entscheidung über die vom Kläger begehrte Verzinsung der Nachzahlung von laufenden SGB XII- Leistungen vor (vgl. Bescheid des Beklagten vom 01.10.2020 [Bl. 298 VA] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2020 [Bl. 317 VA]). Diese Entscheidung ist Gegenstand des wegen eines vorgreiflichen SG-Verfahrens zwar ausgesetzten, aber nach wie vor nicht erledigten Rechtsstreits - L 2 SO 3549/20 -. Eine Untätigkeitsklage kann ferner nur auf die zu erfolgende Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet sein, nicht aber auf den Erlass eines Verwaltungsakts bestimmten Inhalts (Claus in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. [Stand: 15.06.2022], § 88, Rn. 8).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.