I. Das Sozialgericht Nürnberg erklärt sich ebenfalls für örtlich unzuständig.
II. Es wird beantragt, dass das Bundessozialgericht gemäß § 58 Abs. 1 SGG das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bestimmt.
G r ü n d e:
I.
Der in F. lebende Kläger hat, vertreten durch die B., am 10.11.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) C-Stadt gegen die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit erhoben, die dort unter dem Az.: eingetragen wurde.
Die Klage richtet sich gegen den von der Agentur für erlassenen Bescheid vom 27.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2021, mit dem ein Überprüfungsantrag des Klägers vom 27.05.2021 abgelehnt worden war. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides war darauf hingewiesen worden, dass gegen die Entscheidung der Arbeitsagentur Klage beim SG C-Stadt oder beim SG Nürnberg erhoben werden könnte.
Nach Klageeingang hörte das SG C-Stadt die Beteiligten am 15.10.2021 zu der beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das SG Nürnberg an.
In dem Anhörungsschreiben kam das SG C-Stadt zu dem Schluss, für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich nicht zuständig zu sein.
Es begründete seine Ansicht damit, dass der Kläger seinen Wohnsitz bzw. seinen Aufenthaltsort nicht in seinem Bezirk, sondern im Zuständigkeitsbereich des SG Nürnberg hätte, da nach § 57 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgeblich für die Frage der örtlichen Zuständigkeit bei Wohnsitz im Ausland der Sitz der Beklagten sei. Der Hauptsitz der beklagen Bundesagentur für Arbeit wäre aber Nürnberg.
Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn der Kläger im Zuständigkeitsbereich des hiesigen Gerichts in einem Beschäftigungsverhältnis stünde.
Insoweit wurde um entsprechende Mitteilung ersucht.
Unter Berufung auf "Zuständigkeitsirretationen wegen der Rechtsmittelbelehrung" beantragte der Kläger am 29.10.2021 die Verweisung an das "zuständige SG Nürnberg".
Mit Beschluss vom 01.11.2021 wurde der Rechtsstreit sodann an das SG Nürnberg verwiesen.
In den Gründen wurde u.a. ausgeführt, dass ein Wahlrecht des Klägers nach § 369 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wegen fehlendem Aufgabenbezugs zur Regionaldirektion H. nicht gegeben wäre und der Rechtsstreit von Amts wegen an das örtlich zuständige Sozialgericht zu verweisen war.
Seitens des SG Nürnberg wurde der Kläger am 12.07.2023 darüber aufgeklärt, dass entgegen den Ausführungen im Verweisungsbeschluss des SG C-Stadt keine ausschließliche örtliche Zuständigkeit des SG Nürnberg bestehe.
Vielmehr sei ihm hinsichtlich des Gerichtsstandes ein Wahlrecht eröffnet. Zutreffend wäre er folglich in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides über die Möglichkeit, eine Klage beim SG C-Stadt oder dem SG Nürnberg erheben zu können, informiert worden.
Durch seine Klageerhebung beim SG C-Stadt hätte er sein Wahlrecht zunächst auch ausgeübt.
Es werde daher angefragt, ob der Rechtsstreit aus seiner Sicht beim SG C-Stadt fortgesetzt werden sollte.
Am 24.07.2023 teilte der Kläger daraufhin dem SG Nürnberg mit, dass er seinen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht C-Stadt fortsetzen möchte.
II.
Gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, § 58 Abs. 2 SGG.
Vorliegend haben sich sowohl das SG C-Stadt als auch das SG Nürnberg für örtlich unzuständig erklärt. Eines der beiden Gerichte ist aber für den Rechtsstreit örtlich zuständig.
Das SG Nürnberg ist als das derzeit mit dem Rechtsstreit befasste Gericht antragsberechtigt. Zuständig für die Bestimmung ist das Bundessozialgericht, da zwei Gerichte verschiedener Landessozialgerichtsbezirke betroffen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Komm. zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 58 RdNr. 3a).
Das SG Nürnberg ist örtlich unzuständig.
Es hält sich insoweit insbesondere nicht gemäß § 98 Satz 1 SGG i.Vm. § 17a Abs. 2 GVG an den Verweisungsbeschluss des SG C-Stadt vom 01.11.2021 gebunden, da dieser auf willkürlichem Verhalten beruhte.
Objektiv willkürlich ist eine Entscheidung etwa dann, wenn das Gericht eine einschlägige Norm nicht angewendet hat; auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an (s. BSG, B. v. 02.05.2023 - B 11 SF 5/23 S).
In diesem Sinne war die ohne Beachtung von § 369 SGB III erlassene Verweisungsentscheidung des SG C-Stadt willkürlich, da es fehlerhaft davon ausging, diese Vorschrift über die Wahl des Gerichtsstandes wäre auf vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar.
Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG ist grundsätzlich örtlich zuständig das SG, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen SG klagen. Wenn der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland hat, ist gemäß § 57 Abs. 3 SGG örtlich zuständig das SG, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seifen Aufenthaltsort hat.
Hat eine gegen die Bundesagentur für Arbeit gerichtete Klage jedoch Bezug auf den Aufgabenbereich einer Regionaldirektion oder einer Agentur für Arbeit und ist der Sitz der Bundesagentur maßgebend für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, so kann die Klage gemäß § 369 SGB Ill auch bei dem Gericht erhoben werden, in dessen Bezirk die Regionaldirektion oder die Agentur für Arbeit ihren Sitz hat.
Die Vorschrift des § 369 SGB IIl eröffnet somit das Wahlrecht, eine Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit entweder beim SG Nürnberg - als dem nach dem Sitz der Bundesagentur, § 367 Abs. 4 SGB III, zuständigen Gericht - oder bei dem SG zu erheben, in dessen Bezirk die Regionaldirektion oder die Agentur für Arbeit ihren Sitz hat (s. Düe in Brand, SGB III, 9. Auflage 2021, § 369 RdNr. 2).
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegen die Bundesagentur für Arbeit hatte der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland. Im Widerspruchsbescheid vom 08.09.2021 war er zutreffend darüber belehrt worden, gegen diesen mit einer entweder zum SG C-Stadt oder zum SG Nürnberg erhobenen Klage vorgehen zu können.
Mit Klageeinreichung beim SG C-Stadt hat der Kläger das ihm zustehende Wahlrecht ausgeübt (s. Keller, a.a.O., § 57 RdNr. 7b).
Seine spätere Bitte um Verweisung an das "zuständige" SG Nürnberg beruhte offensichtlich auf den Ausführungen zur örtlichen Unzuständigkeit im Rahmen seiner Anhörung zu der beabsichtigten Abgabe des Rechtsstreits an das SG Nürnberg.
Die Feststellung des SG C-Stadt, ein Wahlrecht des Klägers nach § 369 SGB III wäre wegen fehlendem Aufgabenbezugs zur Regionaldirektion H. nicht gegeben, war allerdings unzutreffend.
Denn damit hat das Gericht verkannt, dass es für die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 369 SGB III ausreicht, wenn die Klage gegen die Bundesagentur einen Bezug auf den Aufgabenbereich einer Agentur für Arbeit hat.
Ein Bezug der eingereichten Klage zur Agentur für ergibt sich offenkundig bereits daraus, dass von dieser die angegriffenen Bescheide erlassen wurden (s.a. Düe, a.a.O., RdNr. 5).
Die Vorschrift des § 369 SGB III ist somit auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar und eröffnete dem Kläger die Möglichkeit, den Rechtsstreit auch vor dem SG C-Stadt zu führen.
Den Wunsch des Klägers, den Rechtsstreit beim SG C-Stadt zuführen, belegte seine ursprüngliche Wahl des Gerichtsstandes. Er wird durch seine Erklärung gegenüber dem SG Nürnberg, den Rechtsstreit beim SG C-Stadt fortsetzen zu wollen, ausdrücklich bestätigt.
Wurde eine Klage bei dem nach § 369 SGB III örtlich zuständigen SG eingelegt, ist die Wahl dieses SG verbindlich. Der Kläger könnte also nicht verlangen, dass der Rechtsstreit nach Klageerhebung an ein anderes SG verwiesen wird, das auch zuständig gewesen wäre.
Ebenso ist das angegangene SG ist nicht berechtigt, die Sache an ein anderes SG zu verweisen (s. Düe, a.a.O. RdNr. 7).
Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Verweisung des Rechtsstreits an das SG Nürnberg wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit des SG C-Stadt auf fehlender Anwendung der Regelung des § 369 SGB III beruht und mithin willkürlich erfolgt ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.