S 17 AS 471/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 471/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 671/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die Klägerin bezieht seit dem 01.07.2017 vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnt seit Leistungsbeginn eine Wohnung in N., für die eine Grundmiete in Höhe von 255,- € monatlich sowie Nebenkosten in Höhe von 59,- € monatlich zu zahlen sind. Die ihr mit Änderungsbescheid vom 23.11.2019 bewilligten Leistungen in Höhe von 856,- € monatlich unter Anerkennung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten wurden auf das Konto einer Frau H. U. bei der R.-Bank überwiesen, welches die Klägerin im Rahmen der weiteren Beantragung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 01.07.2019 angegeben hatte. Bereits mit Schreiben vom 21.06.2019 hatte die Klägerin den Beklagten um Direktzahlung der Kosten der Unterkunft auf das von der Vermieterin angegebene Konto bei der H.-Bank A-Stadt gebeten, was zunächst nicht erfolgte. 

Mit Schreiben vom 21.04.2020 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass Frau U. für die Annahme und Weiterleitung der laufenden Sozialleistungen nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Zahlung der Unterkunftskosten solle ab 01.05.2020 direkt auf das bereits mit Schreiben vom 21.06.2019 angegebene Konto erfolgen. Mit Schreiben vom 29.04.2020 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine Anweisung der Leistungen für Mai 2020 bereits erfolgt sei. Die Kontoverbindung habe nicht mehr geändert werden können. Die Klägerin werde gebeten, die genaue Bankverbindung mitzuteilen, um Leistungen überweisen zu können. Die Leistungen ab Juni 2020 würden bis zur Einreichung der Bankverbindung vorerst zurückgestellt. 

Am 02.05.2020 bat die Klägerin den Beklagten nochmals, die Unterkunftskosten direkt auf das von der Vermieterin angegebene Konto und ab 01.05.2020 keine Zahlungen - mit Ausnahme von Nachzahlungen und Zinsen - auf das Konto von Frau  U. zu überweisen. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollten zurückgehalten werden, bis ein Konto eingerichtet sei. Schecks oder sonstige, mit Kosten verbundene Aktionen lehne die Klägerin ab. Darüber hinaus beantragte sie die um 15 % auf 293,46 € monatlich erhöhte Grundmiete ab 01.07.2020 zu übernehmen. Der Warmwasserabschlag bleibe weiterhin unverändert. Zudem beantragte sie einen Termin zur Niederschrift/Protokollierung. Sofern dies nicht möglich sei, beantrage sie eine Verlängerung der laufenden Fristen, vorläufige Bewilligung der Anträge wie aus den Unterlagen ersichtlich sowie Übernahme der wegen Zeitablaufs unvermeidbar entstehenden Kosten und Aufwendungen.

Auf die daraufhin erfolgte Bitte des Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2020, bis 21.05.2020 mitzuteilen, zu welchem Thema eine Niederschrift erfolgen solle, sowie die Aufforderung, das Mieterhöhungsschreiben vorzulegen und die aktuelle Kontoverbindung des Vermieters mitzuteilen, damit eine korrekte Überweisung sichergestellt werden könne, hat die Klägerin am 14.05.2020 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (Az. S 19 AS 469/20 ER). Hinsichtlich der Begründung wird auf die Klage-/Antragsschrift vom 14.05.2020 Bezug genommen.

Die vormals zuständige 19. Kammer hat mit Beschluss vom 20.05.2020 den einstweiligen Rechtsschutzantrag bereits wegen Unzulässigkeit mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt. Auf die Begründung im Beschluss wird verwiesen. Beschwerde gegen den Beschluss hat die Klägerin nicht eingelegt.

Am 25.05.2020 hat die Klägerin im Klageverfahren mitgeteilt, sie gehe davon aus, dass die von ihr eingeforderten Aktivitäten ihre Mitwirkungspflicht erfüllen würden, da die erforderlichen Angaben bereits in den Unterlagen enthalten seien, z. B. Angaben zum aktuellen Vermieterkonto in den Schreiben vom 21.06.2019 und 28.06.2019 sowie Eigenbeleg "erhöhte Miete". Der Antrag für Ausgleichszinsen und Nachzahlung sei seit Monaten gestellt. Aus dem Schriftverkehr sei auch ersichtlich, warum eine persönliche Vorsprache erforderlich sei. Die Klägerin habe bereits Akteneinsicht gehabt. Die Akte sei unvollständig. Die ihr übergebene Auflistung der Zahlungen sei falsch.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 02.06.2020 erwidert, die Klage sei bereits unzulässig. Das Schreiben der Klägerin vom 14.05.2020 habe der Beklagte erst mit Fax des Sozialgerichts vom selben Tag erhalten. Über die darin gestellten Anträge müsse zunächst entschieden werden. Auf richterlichen Hinweis hat der Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2020 mitgeteilt, dass die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag informiert worden sei, dass eine Direktüberweisung der Miete in Höhe von 384,- € für Juni 2020 an die Vermieterin erfolgt sei. Zudem hat der Beklagte einen vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 17.06.2020 für die Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 übermittelt, wonach Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 384,- € monatlich bewilligt und diese direkt auf das Konto der Vermieterin überwiesen werden. Auch ist der Hinweis erfolgt, dass die Regelleistung sowie die Kosten für Warmwasser in dem Bescheid nicht aufgeführt würden, da die Klägerin ihre aktuelle Bankverbindung noch nicht eingereicht habe und auf ihren Wunsch hin die o. g. Leistungen auch nicht per Scheck ausbezahlt werden sollen. 

Auf die Anfrage des Gerichts, ob die Klage hinsichtlich des Antrags auf Direktüberweisung der Leistungen für Unterkunft und Heizung für erledigt erklärt werde, hat die Klägerin erst nach Erinnerung seitens des Gerichts mit Schreiben vom 05.08.2020 geantwortet. Hierauf wird ebenfalls Bezug genommen. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 19.08.2020 mitgeteilt, die Unterkunfts- und Heizkosten würden auf das seitens der Klägerin mitgeteilte Konto der Vermieterin mit dem Verwendungszweck "Miete A. " überwiesen. Soweit die Klägerin eine erbetene Vorauszahlung von Bewerbungskosten auf das Konto einer Frau H.  U. moniere, werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2020 erklärt habe, sie wünsche keine Zahlungen mehr auf das Konto von Frau H.  U.. Wegen der beantragten Bewerbungskosten sei die Klägerin gebeten worden, sich an ihre Ansprechpartnerin im Bereich Arbeitsvermittlung zu wenden. Die Klägerin habe überdies mit Schreiben vom 29.07.2020 einen Termin zur persönlichen Vorsprache am 18.08.2020 erhalten, den sie ohne Angabe von Gründen und ohne Absage nicht wahrgenommen habe. Sie habe einen erneuten Termin am 11.09.2020 angeboten bekommen. Soweit die Klägerin einen Überbrückungskredit in Höhe von 4.999,- € beantragt habe, sei der Antrag mit Bescheid vom 07.08.2020 abgelehnt worden. Mit Schreiben ebenfalls vom 07.08.2020 sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass ausnahmsweise eine einmalige Barzahlung der Regelleistung möglich, jedoch für künftige Zahlungen eine Bankverbindung erforderlich sei. Andernfalls komme nur Scheckzahlung in Betracht. Eine grundsätzliche Entbindung von der Mitwirkungspflicht, wie von der Klägerin gewünscht, scheide aus.

Mit Schreiben vom 02.10.2020 hat das Gericht die Klägerin auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Klage hingewiesen und mitgeteilt, dass es beabsichtige, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, sofern die Klage nicht zurückgenommen werde. Der Beklagte wurde hierzu ebenfalls gehört. Dieser hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 21.10.2020 erwidert, auf das Bezug genommen wird.

Die Klägerin stellt die Anträge aus den Schreiben vom 14.05.2020 und 05.08.2020.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vom Beklagten übersandte Verwaltungsakte verwiesen.
 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage überwiegend bereits deshalb unzulässig, weil es bezogen auf die weit überwiegende Zahl der seitens der Klägerin in den Schreiben vom 14.05.2020 und 05.08.2020 gestellten Klageanträge an einer rechtsbehelfsfähigen Entscheidung des Beklagten bzw. Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als notwendiges Vorverfahren eines Klageverfahrens fehlt. Dies galt bei Klageerhebung hinsichtlich des Begehrens auf Direktüberweisung der Unterkunfts- und Heizkosten, der Berücksichtigung eines Mieterhöhungsverlangens, des Antrags auf Terminsmitteilung zur Protokollierung/Niederschrift sowie des Ausgleichs der Differenz und Zinsen bei Frau  U.. Auch ist bezüglich der drei erstgenannten Begehren ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht ersichtlich, da die Klägerin bezüglich dieser Begehren zur Mitwirkung aufgefordert wurde, die die Klägerin ohne weiteres hätte erfüllen können. Einen "Ausgleich der Differenz und Zinsen bei Frau  U." hatte die Klägerin vor Klageerhebung beim Beklagten nach Aktenlage nicht beantragt.

Soweit die Klägerin in der Klageschrift vom 14.05.2020 die Verurteilung der Beklagten zur Direktüberweisung der Unterkunfts- und Heizkosten an die Vermieterin begehrt hat, ist die Klage zwischenzeitlich auch deshalb unzulässig, weil der Beklagte dem Begehren der Klägerin insoweit mit Bescheid vom 17.06.2020 ab Juni 2020 entsprochen hat. Warum die Klägerin dies mit Schreiben vom 05.08.2020 lediglich als "Absichtserklärung" angesehen hat, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht. Aus dem Bescheid vom 17.06.2020 geht eindeutig hervor, dass die Unterkunfts- und Heizkosten auf das Konto überwiesen werden, das die Klägerin mit Schreiben vom 21.06.2019 erstmals angegeben hat. 

Soweit die Klägerin mit der Klageschrift vom 14.05.2020 die Anerkennung einer Mieterhöhung auf 293,46 € monatlich geltend gemacht hat, ist ergänzend auszuführen, dass die Klägerin nach Aktenlage der Aufforderung des Beklagten zur Vorlage des Mieterhöhungsschreibens seitens der Vermieterin bisher nicht nachgekommen ist. Sie hat lediglich mit Schreiben vom 25.05.2020 auf einen "Eigenbeleg" "erhöhte Miete" verwiesen, der bereits bei den Unterlagen sei. Weder befindet sich in der Verwaltungsakte ein Nachweis zur Mieterhöhung noch hat die Klägerin einen derartigen Nachweis im einstweiligen Rechtsschutz- oder Klageverfahren vorgelegt. Was sie mit "Eigenbeleg" meint, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht.

Dem Antrag der Klägerin auf Vergabe eines Termins zur persönlichen Vorsprache ist der Beklagte im Übrigen mit Schreiben vom 29.07.2020 und 19.08.2020 nachgekommen, so dass auch insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Klageverfahrens besteht.

Den weiteren Antrag im Schreiben vom 05.08.2020 auf Gewährung eines Überbrückungskredits hat der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2020 abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin nach Kenntnis der erkennenden Kammer keinen Widerspruch eingelegt, so dass der Bescheid bestandskräftig geworden und die Klage auch insofern bereits unzulässig ist. Im Übrigen dürfte der Leistungsanspruch in Form der Gewährung des Regelbedarfs sowie des Mehrbedarfs für Warmwasserkosten nicht streitig sein. Der Beklagte kann allein mangels Mitwirkung der Klägerin die genannten Bedarfe seit Juli 2020 nicht mehr an die Klägerin auszahlen, da diese weder eine Bankverbindung mitteilt noch eine Auszahlung per Scheck wünscht. Ein Anspruch auf Barzahlung, wie die Klägerin begehrt, besteht nicht. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 SGB II werden Geldleistungen nach diesem Buch auf das im Antrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22) gilt. Nach der Systematik des § 42 SGB II geht der Gesetzgeber vom Regelfall der Überweisung von Geldleistungen aus. Hinsichtlich der Art und Weise der Auszahlung kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum zu. Die Überweisung als Regelauszahlung vermeidet unnötige Kosten für den Leistungsempfänger, indem eine persönliche Empfangnahme der Leistungen bei der Behörde entfällt. Diese würde im Regelfall zusätzliche Kosten insbesondere durch An- und Abreise des Leistungsempfängers verursachen. Zudem hat der Gesetzgeber mit dem Überweisungsverfahren den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprochen, da eine persönliche Auszahlung in bar in den Räumen der zuständigen Behörde neben zusätzlichem Personalaufwand weitere Kosten für die Vorhaltung und Sicherung entsprechender nicht unwesentlicher Geldmengen mit sich bringen würde. Nach den Gesetzesmaterialien war Sinn und Zweck des § 42 SGB II die effiziente Erbringung von Geldleistungen in einem automatisierten Verfahren unter Vermeidung von Kosten für besondere Zahlungsweisen. Hierdurch werden steuerfinanzierte Verwaltungskosten reduziert (vgl. hierzu SG Gießen, Urt. v. 30.03.2009 - S 29 AS 801/06). 

Soweit die Klägerin im Schreiben vom 05.08.2020 weiter moniert, dass eine erbetene Vorauszahlung auf das Konto von H.  U. wegen vorausausgelegter Bewerbungskosten nicht erfolgt sei, wird auf die Erwiderung des Beklagten vom 19.08.2020 Bezug genommen. Zum einen hatte die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2020 den Beklagten ausdrücklich gebeten, ab 01.05.2020 keine Zahlungen auf das Konto von Frau  U. zu überweisen. Zum anderen wurde die Klägerin seitens des Beklagten gebeten, sich wegen der Erstattung von Bewerbungskosten an ihre Ansprechpartnerin in der Vermittlung zu wenden, was die Klägerin ebenfalls unterlassen hat. Auch diesbezüglich kann die Klägerin durch eigene Mitwirkung eine Klärung der Angelegenheit herbeiführen.

Für eine Entbindung der Klägerin von den gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungspflichten während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II existiert keine Rechtsgrundlage.

Soweit die Klägerin schließlich eine unvollständige Vorlage der Verwaltungsakte moniert, zuletzt mit Schreiben vom 21.10.2020, kann die erkennende Kammer dem nicht folgen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte die Verwaltungsakte unvollständig übermittelt hätte. Die Klägerin benennt auch nicht konkret Schriftverkehr bzw. Unterlagen, die der Beklagte nicht an das Gericht übermittelt hätte, die sich jedoch in der Verwaltungsakte befinden müssten. Der weitere Vortrag im Schreiben vom 21.10.2020 ist zu pauschal, als dass diesem ein weiterer Klageantrag entnommen werden könnte. 

Aus o. g. Gründen konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben und war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Rechtskraft
Aus
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