S 19 AS 559/17 ZVW

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 559/17 ZVW
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 174/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2015 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 0,15 € monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind von dem Beklagten nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :


Die Klägerin begehrt von dem beklagten Jobcenter die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.08.2015 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Beratung, Information und Betreuung.

Die am xx.xx.xxxx geborene Klägerin bewohnte im o.g. Zeitraum eine 78 m² große Wohnung in der P. in  H.. Hierfür bezahlte sie eine Miete in Höhe von 537,60 € (inklusive Garage, ohne Heizkosten).

Bereits bei ihrer ersten Antragstellung am 27.03.2014 wurde sie von dem Beklagten darüber aufgeklärt, dass ihre Wohnung unangemessen im Sinne der Vorschriften des SGB II sei und dass nurmehr für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten die tatsächlichen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden könnten. Ferner wurde ihr der zu diesem Zeitpunkt gültige Richtwert des Beklagten für eine angemessene Wohnung von 322,- € mitgeteilt.

Mit Bescheiden vom 29.04.2014 und 08.05.2014 gewährte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 in Höhe von zuletzt 991,- € unter Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Mietkosten. Auf einen Fortzahlungsantrag vom 07.08.2014 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 01.09.2014 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 31.09.2014 in Höhe von 991,- €. Für den Zeitraum ab dem 01.10.2014 bis 28.02.2015 bewilligte der Beklagte Leistungen in Höhe von 775,- € unter Anerkennung von 322,- € (Mietobergrenze) als Kosten der Unterkunft. Auf den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch hin übernahm der Beklagte die tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch für die Monate Oktober und November 2014 (Bescheid vom 21.10.2014). Der Beklagte ist bei dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin ihren Suchbemühungen in ausreichendem Maße nachgekommen war, sie jedoch noch keine angemessene Wohnung hatte finden können. Der Beklagte wies in diesem Bescheid nochmals darauf hin, dass ab Dezember 2014 nur noch Kosten der Unterkunft in Höhe von 322,- € als angemessen anerkannt werden würden.

Mit Bescheid vom 09.09.2014 (Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014) gewährte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II ab 01.12.2014 bis 28.02.2015 nur noch unter Zugrundelegung von angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 322,- €.

In den diesbezüglichen Klage- bzw. Eilverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg, Az. S 10 AS 1238/14 bzw. S 10 AS 1368/14 ER schlossen die Beteiligten am 14.01.2015 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Klägerin in Abänderung des Bescheides vom 09.09.2014 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft noch bis einschließlich 31.03.2015 gewährt wurden. Hierbei wurden der Klägerin auch die im gesamten Landkreis B-Stadt ab dem 01.01.2015 aktualisierten und angehobenen Richtwerte zu den Kosten der Unterkunft unter Nennung konkreter Mietobergrenzen mitgeteilt.

Mit Bescheid vom 17.02.2015 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende für den Zeitraum ab dem 01.04.2015 bis 31.08.2015 in Höhe von monatlich 800,05 € unter Zugrundelegung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 338,65 € (Grundmiete plus Nebenkosten). Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (vgl. Widerspruchsbescheid vom 05.05.2015).   

Die hiergegen am 03.06.2015 zum Sozialgericht Nürnberg erhobene und unter dem Aktenzeichen S 19 AS 626/15 geführte Klage wurde mit Urteil vom 30.10.2015 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin (Az.: L 11 AS 872/15) hob das Bayerische Landessozialgericht dieses Urteil mit Urteil vom 25.04.2017 auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurück. 

In dem zurückgewiesenen und unter dem Aktenzeichen S 19 AS 559/17 ZVW geführten Verfahren beantragt die Klägerin sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2015 aufzuheben und die tatsächlichen Kosten ihrer Unterkunft in voller Höhe zu übernehmen.

Darüber hinaus beantragt die Klägerin mit Schreiben vom 30.12.2019 sinngemäß,
den Beklagten zur recht- und pflichtgemäßen Erfüllung seiner Beratungs-, Informations- und Betreuungspflichten zu verurteilen.


Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die beigezogenen Gerichtsakten L 11 AS 872/15, S 6 AS 564/17 ZVW und S 6 AS 1141/18 verwiesen. Insbesondere wird verwiesen auf die von der Klägerin vorgelegten Nachweise zur Wohnungssuche, die Unterlagen des Beklagten zur Ermittlung einer Referenzmiete für den Landkreis B-Stadt sowie die durch den Vorsitzenden des Sozialgerichts Nürnberg diesbezüglich erfolgte weitere Sachaufklärung.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu gehört. 

Soweit sich das Begehren der Klägerin auf die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.08.2015 nach dem SGB II bezieht, ist die Klage zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Der Bescheid vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2015 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als sie einen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 0,15 € monatlich hat.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der alleinstehenden Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat eine Ermittlung der o.g. Angemessenheitsgrenze in einem gestuften Verfahren stattzufinden, bei dem auf der ersten Stufe eine abstrakte und auf der zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung stattzufinden hat (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R und vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). 


Bei der Prüfung der abstrakten Angemessenheit ist die sog. "Produkttheorie" zugrunde zu legen. Danach sind die Unterkunftskosten als Produkt der nach Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis zu bilden. 


Vorliegend hat der Beklagte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R und vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R) zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben. In Bayern sind dies die Wohnraumförderbestimmungen 2012 (WFB 2012) vom 11.01.2012 bzw. 11.09.2012. Diese sehen für einen Einpersonenhaushalt wie den der Klägerin eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße bis 50 m² vor.


In einem weiteren Schritt hat der Beklagte den Quadratmeterpreis ermittelt, der - multipliziert mit der angemessenen Wohnungsgröße - als sog. "Referenzmiete" den Grenzwert für eine angemessene Wohnung darstellt. Seine Kenntnis vom angemessenen Quadratmeterpreis hat der Beklagte mit Hilfe eines von der Firma R. & Partner GbR erstellten grundsicherungsrelevanten Mietspiegels gewonnen, das nach nochmaliger Überprüfung durch die erkennende Kammer nicht auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beruht. 


An die Anerkennung der Schlüssigkeit eines Konzeptes hat das Bundessozialgericht (BSG v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R; v. 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R; v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R) folgende Mindestvoraussetzungen geknüpft:

* Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (Vermeidung einer Ghettobildung),
* es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
* Angaben über den Beobachtungszeitraum,
* Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
* Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
* Validität der Datenerhebung,
* Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
* Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).


Diese Anforderungen sind nach Auffassung der Kammer hinsichtlich der schlüssigen Definition eines örtlichen "Vergleichsraums" im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zur Begründung verweist die Kammer auf die nachfolgenden Ausführungen im Urteil des Vorsitzenden des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.12.2019 (Az.: S 6 AS 564/17 ZVW), denen sie sich nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt:

"Vergleichsraum" ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG v. 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R) und innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar wäre (BSG v. 01.06.2009 - B 4 AS 27/09 R), bzw. ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Deckelung der Aufwendungen auf die bisherige Höhe zur Folge hätte. Für die Festlegung des Vergleichsraum ist - ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person - ein bestimmter, ausreichend großer Raum der Wohnbebauung auszuwählen, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG v. 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II, stellt das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen solchen Vergleichsraum dar. Er kann indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere eigene Vergleichsräume zu unterteilen sein, für die dann jeweils eigene Angemessenheitswerte zu bestimmen wären. Als solche relevanten örtlichen Gegebenheiten kommen dabei weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen sowie etwa aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveaus einzelner Räume, in Betracht (BSG v. 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R, B 14 AS 24/18 R). 

Das von dem Beklagten bei der Fa. R. & Partner in Auftrag gegebene, im Jahr 2012 erstellte und zum 01.01.2015 fortgeschriebene Konzept, welches er der Bemessung der Unterkunftskosten in den streitgegenständlichen Bescheiden zugrunde legte, erfüllt aber nicht die an ein "schlüssiges Konzept" zu stellenden Voraussetzungen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Festlegung und Zuweisung einzelner Gemeinden zu bestimmten Vergleichsräumen.

So hat der Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb er den Wohnort der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zurecht gemeinsam mit mehreren anderen einem Vergleichsraum "A" zugewiesen hat. Vielmehr hält es das erkennende Gericht nach der gegebenen Erkenntnislage durchaus für möglich, dass  H. in einen anders zugeschnittenen Vergleichsraum aufzunehmen gewesen wäre oder etwa schon vor dem 01.01.2017 mit der Kreisstadt B-Stadt den Vergleichsraum "B" gebildet hat. Der Frage kommt für den vorliegenden Rechtsstreit insoweit entscheidende Bedeutung zu, als für den Vergleichsraum "A" die niedrigste MOG aller Vergleichsräume gegolten hatte. Es liegt daher nahe, dass eine bereits für den streitgegenständlichen Zeitraum erfolgte andere Betrachtung, etwa zusammen mit der Kreisstadt B-Stadt in einem Vergleichsraum "B" für  H. zu einer höheren MOG - und damit letztlich auch zu höheren Leistungen für die Unterkunft der Klägerin - geführt hätte-

Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein Zuständigkeitsgebiet, den Landkreis B-Stadt, in mehrere Vergleichsräume, die vier bzw. fünf Regionen, "A", "B", "C1"/"C2" und "D" aufgespalten hat. Wenngleich er für deren Bildung von den hierfür relevanten Aspekten wie etwa Infrastruktur, verkehrstechnische Anbindung, homogener Lebens- und Wohnbereich etc. ausgeht, bleibt doch zweifelhaft, ob diese Gesichtspunkte es tatsächlich gerechtfertigt haben, aus der Stadt  H. zusammen mit den anderen Gemeinden einen Vergleichsraum "A" zu bilden. Wie aus der übermittelten Entfernungsmatrix (s. Anlage, Stellungnahme v. R. & Partner, Anlage 2) hervorgeht, wurden auch Kommunen dem Vergleichsraum "A" zugerechnet, die von  H. etwa 35,3 Km, 30,5 Km oder 16,4 Km entfernt waren und von dort aus mit einem Pkw - über den die Klägerin laut ihren Angaben nach einem Defekt nicht mehr verfügte - erst in ca. 38 Minuten zu erreichen sind. Unabhängig von diesen doch beträchtlichen Distanzen zeigt sich daran, dass es der Beklagte offenbar für ausreichend hielt, die zu fordernde verkehrstechnische Verbundenheit innerhalb des Vergleichsraums allein anhand der Erreichbarkeit mittels eines Pkw zu beurteilen. Er geht dabei unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Meinung (s. Berlit in LPK SGB II, jetzt 6. Aufl. 2017 § 22 Rn 74) davon aus, dass der Forderung nach "räumlicher Nähe" zur Feststellung einer hinreichenden Verbundenheit in einem Vergleichsraum bereits dann genüge getan sei, wenn darin Fahrzeiten eingehalten werden können, wie sie nach dem Arbeitsförderungsrecht gem. § 140 Abs. 4 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) berufstätigen Pendlern zuzumuten sei, vorliegend also bis zu 60 Minuten für eine einfache Fahrt. Dieser Kommentierung liegt die Entscheidung des BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R zugrunde. Zur Rechtfertigung, das Stadtgebiet Berlin trotz dessen Größe als einen Vergleichsraum anzuerkennen, hat der entscheidende Senat dazu ausgeführt (s. Rn. 18;): 

"Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden." 

Er geht also von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus (s.a. BayLSG v. 16.05.2019 - L 11 AS 447/17). Nach Ansicht des erkennenden Gerichts können die in diesem Urteil in Bezug auf die speziell zur Stadt Berlin getroffenen Aussagen ohnehin nicht unbesehen für alle Situationen verallgemeinert werden (s. BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, wonach etwa die Rechtsprechung für Großstädte, zur Vermeidung der sozialen Segregation das gesamte Stadtgebiet als einen Vergleichsraum anzusehen, nicht ohne weiteres auf Flächenlandkreise übertragbar ist). Darüber hinaus stellt die Erreichbarkeit mittels eines Pkw hier kein besonders geeignetes Abgrenzungskriterium für die Bestimmung eines Vergleichsraums dar, da von der Stadt  H. aus mit privaten Fahrzeugen auch alle anderen Orte des Landkreises B-Stadt zu erreichen gewesen wären. Weitaus größeren Erkenntniswert wäre hingegen einer Untersuchung der Mobilität im Vergleichsraum mittels öffentlicher Verkehrsmittel zu entnehmen, also etwa der Feststellung ob und ggf. wie die einzelnen Orte durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) untereinander verknüpft sind. Große Relevanz hätten zudem die weitgehend fehlenden Aussagen über das Vorhandensein einer gemeinsamen Sozial - und Infrastruktur. Diese, für die Beurteilung eines Vergleichsraums als insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich essentiellen Punkte werden im MOG-Konzept nicht, jedenfalls nicht hinreichend behandelt und beantwortet. Wenig zielführend sind in diesem Zusammenhang die vom Beklagten im Schreiben vom 21.06.2018 - wohl im Sinne einer beabsichtigten Nachbesserung - übermittelten Grund- und Kennzahlen für die regionale Gliederung (s. Anlage, Stellungnahme v. R. & Partner, Anlage 1). Die daraus zu entnehmenden Angaben über die Entfernungen zu Bundesfernstraßen bzw. der schnellsten Verbindung zu Fern-, Regional- oder S-Bahnhöfen mittels ÖPNV mögen zwar die jeweilige Gesamtverkehrsanbindung der Orte darstellen und der Beurteilung ihrer Attraktivität dienen, tragen aber nicht zur Rechtfertigung ihrer Zusammenfassung in unterschiedliche Vergleichsräume bei.

Weiterhin fehlt es auch an der nachvollziehbaren Begründung des Beklagten dafür, warum er das Bestehen eines einheitlichen Lebens- und Wohnbereichs für den Vergleichsraum "A" annahm, obwohl  H. einerseits, und die wesentlich kleineren Orte A., Bü., Ge., Ro., Ka., und Rö. andererseits, durch die zentral dazwischenliegende Stadt B-Stadt - als eigener Vergleichsraum "B -" zumindest geografisch voneinander getrennt waren. Obschon nicht zu fordern ist, dass die Gemeinden eines Vergleichsraums stets räumlich aneinander angrenzen müssen, bedarf es im Falle einer räumlichen Trennung doch einer eingehenden Begründung, warum gleichwohl von einem - einheitlichen - Vergleichsraum ausgegangen wird und das Bestehen eines "sozialen Umfelds" auch zwischen den getrennten Gemeinden anzunehmen wäre. Der alleinige Verweis auf das vergleichbare Mietpreisniveau ist hierfür völlig unzureichend. 

Schließlich vermochte der Beklagte auch keine das erkennende Gericht befriedigende Erklärung dafür zu geben, weshalb er in dem neu erstellten Konzept für die Zeit ab 01.01.2017 die Stadt  H. aus der Region "A" herausgenommen und dem bisher aus der Stadt B-Stadt alleine bestehenden Vergleichsraum "B", zugewiesen hat, dessen MOG - wie bereits zuvor - über den Werten der in dem Vergleichsraum "A" verbliebenen Gemeinden liegt. Für das erkennende Gericht stellt sich vielmehr die Frage, ob der Beklagte mit der Neubildung der Vergleichsräume "A" und "B" nicht seine ursprünglich fehlerhaft getroffene Entscheidung für die Zukunft korrigieren wollte. Auf diese Absicht lässt etwa die Aussage in Nr. 2.2. des neuen Konzeptes schließen. Es wird darin erklärt, dass die Einteilung in Vergleichsräume ab 01.01.2017 nicht gänzlich neu vorgenommen wurde, da die Einteilung des Landkreises in homogene Lebens- und Wohnbereiche bereits im ursprünglichen - und damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum angewendeten - Konzept erfolgt wäre. Weiter wird angegeben, dass es sich dabei um eine grundlegende Betrachtung der langfristigen Strukturen innerhalb des Landkreises gehandelt hätte und die Kennzahlen, auf deren Grundlage 2012 die Einteilung erfolgte, auf langfristige Aussagekraft angelegt gewesen seien. Konkret beruft sich der Beklagte im Hinblick auf  H., den Wohnort der Klägerin darauf, dass das Mietpreisniveau 2016 dort, anders als in der Erhebung 2012, deutlich über dem der weiteren Kommunen im Vergleichsraum "A" gelegen und das Mietniveau und die verkehrstechnische Verbundenheit eine Auswertung zusammen mit der Kreisstadt B-Stadt nahegelegt hätten (s.a. Schreiben des Bekl. v. 21.06.2018, Anlage, Stellungnahme v. R. & Partner, zu Punkt 2). Er konstatiert in dieser Aussage das Bestehen einer verkehrstechnischen Verbundenheit zwischen  H. und der Stadt B-Stadt, wie sie für die in einem Vergleichsraum zusammengefassten Gemeinden zu fordern ist. Angesichts der zu unterstellenden Dauer für eine Entwicklung verkehrstechnischer Strukturen ist aber nicht davon auszugehen, dass diese Verbundenheit erst in den letzten zwei Jahren entstanden wäre und nicht schon zum Zeitpunkt des ab 2015 angewendeten MOG-Konzeptes gegeben war. Besondere Umstände die dieser Annahme entgegenstehen wurden vom Beklagten werden vorgetragen noch sind sie für das erkennende Gericht ersichtlich. Bestanden diese verkehrstechnischen Strukturen jedoch schon längere Zeit fragt sich, warum ihnen nicht schon bei der erstmaligen Vergleichsraumbildung Bedeutung beigemessen wurde.

Ähnlich verwunderlich ist sein Hinweis auf die Entwicklung des Mietpreisniveaus von  H., das nunmehr - wie in der Neumietwerterhebung zum 01.09.2016 festgestellt - anders als noch nach der im Jahr 2012 durchgeführten Erhebung - deutlich über dem Mietpreisniveau der weiteren Kommunen im Vergleichsraum "A" liege (s. Konzept ab 01.01.2017 Nr. 2.2 sowie Schreiben des Bekl. v. 21.06.2018, Anlage, Stellungnahme v. R. & Partner, zu Punkt 2). Denn das im Jahr 2012 erstellte und ab 2013 angewendete Konzept wurde im Jahr 2015 fortgeschrieben (sog. "kleine Fortschreibung"). Offensichtlich war der von ihm als "deutlich" beschriebene Unterschied des Mietpreisniveaus von  H. im Vergleich zu den anderen Gemeinden aus dem Vergleichsraum "A" bei der nach Ablauf eines Zweijahreszeitraums vorzunehmenden Überprüfung des MOG-Konzepts (s. BSG v. 12.12.2017 -B 4 AS 33/16 R) für den Beklagten noch nicht erkennbar, so dass für die Zeit ab 01.01.2015 eine Neugestaltung der Vergleichsräume unterblieb. Damit müssten sich die signifikanten Veränderungen erst in der Folgezeit bis zum 01.09.2016, als dem Stichtag für den Abschluss der Neuerhebung von Mietdaten für das ab 01.01.2017 geltende Konzept, vollzogen haben. Sollte es in  H. tatsächlich relativ kurzfristig zu einer derartigen Steigerung im Mitpreisniveau gekommen sein, die eine zunächst zutreffend erfolgte Zuordnung zum Vergleichsraum "A" in den "teureren Vergleichsraum B" erforderlich machte, hätte der Beklagte die Gründe hierfür zu erforschen und näher darzulegen gehabt. Denn die Kenntnis über die Ursachen für den vergleichsweise raschen Mietpreisanstieg in  H. führt zur Beantwortung der Frage, ob es sich dabei um das Ergebnis einer nachhaltigen Entwicklung oder lediglich um eine vorübergehende Erscheinung gehandelt hat. Eine Ursachenerforschung wäre dabei nicht nur im Hinblick auf die Darlegung der Schlüssigkeit seines bisherigen Konzeptes, sondern auch für die von ihm angestrebte grundlegende Betrachtung der längerfristigen Strukturen unter Heranziehung der auf längerfristige Aussagekraft angelegten Kennzahlen unerlässlich. 

Das Gericht hat dem Beklagten mit Schreiben vom 06.03.2018 u.a. auch seine Bedenken hinsichtlich der ursprünglichen Vergleichsraumbildung sowie weitere Fragen zur Schlüssigkeit des Konzeptes mitgeteilt. Damit wurde ihm zugleich die Gelegenheit gegeben, die bestehenden Zweifel auszuräumen bzw. die Schlüssigkeit seines Vorgehens darzulegen und ggf. Änderungen bzw. Ergänzungen am MOG-Konzept vorzunehmen (s. hierzu etwa BSG v. 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R m.w.N.). Eine Änderung bzw. Ergänzungen des MOG-Konzeptes ist daraufhin nicht erfolgt. Die Stellungnahme des Beklagten vom 21.06.2018 führte auch nicht dazu, die seitens des Gerichts geäußerten Bedenken zu zerstreuen und ein schlüssiges Vorgehen bei seiner Vergleichsraumbildung zu erkennen. In der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2019 erklärte der Beklagte zudem, dass über seine bisherigen Stellungnahmen hinaus keine weiteren Angaben zur Wohnsituation im streitgegenständlichen Zeitraum gemacht werden könnten und seinerseits auch keine Nachbesserung erfolgen werde.


Gelingt es einem Jobcenter - wie dem Beklagten - aber nicht, die Beanstandungen an dem einer angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden MOG-Konzept auszuräumen, sondern bleibt dieses - wie etwa vorliegend wegen der ungeklärten Fragen zu der Vergleichsraumbildung - nicht nachvollziehbar, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache jedoch nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen, um so noch zu einem schlüssigen Konzept zu gelangen oder ein solches - ggf. mit Hilfe von Sachverständigen - zu erstellen. Denn die Bildung des Vergleichsraums und die Erstellung des Konzepts - einschließlich der anzuwendenden Methode - korrespondieren miteinander, sie können nicht getrennt werden und sind damit insgesamt dem Jobcenter vorbehalten (BSG v. 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R). Da auch kein qualifizierter Mietspiegel für  H. existiert, konnte das Gericht zur Beurteilung der Angemessenheit von Mieten auch nicht auf dessen Daten zurückgreifen. Ebenso ausgeschlossen war die Möglichkeit, das vom Beklagten ab 01.01.2017 angewendete MOG-Konzept - im Hinblick auf die darin vorgenommene Zuordnung der Stadt  H. zu dem eine höhere MOG aufweisenden Vergleichsraum "B" - auf den streitgegenständlichen Zeitraum quasi "zurückzuschreiben". Unabhängig davon, dass dies die nicht mehr mögliche Feststellung voraussetzen würde, inwieweit sich die Werte des Vergleichsraums "B" in der Vergangenheit durch die fiktive Erweiterung um die Stadt  H. verändert hätten, scheidet eine derartige Rückschreibung schon grundsätzlich aus, da sie nicht lediglich das zulässige Gegenstück zu einer Fortschreibung des Konzepts, sondern etwas anderes ist (BSG v. 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R)." 

Liegt damit ein schlüssiges Konzept des Beklagten nicht vor, ergeben sich hieraus in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Urteil der D. des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.12.2019 (Az.: S 6 AS 564/17 ZVW) folgende Konsequenzen:

"Mangels eines nachvollziehbaren - und damit schlüssigen - MOG-Konzeptes und des darauf beruhenden Fehlens von in rechtlich zulässiger Weise bestimmter Angemessenheitsgrenzen, sind damit die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Unterkunft der Bemessung ihres Bedarfs zugrunde zu legen. Allerdings ist deren Übernahme auf die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG), zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 %, zu begrenzen (BSG v. 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R; v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen - wenn auch für einen anderen Personenkreis - durch eine "Angemessenheitsobergrenze" Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (BSG v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R). Die Gewährung des Sicherheitszuschlages dient dabei dem Ausgleich möglicher Unbilligkeiten, die mit der pauschalen Begrenzung der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten, Betrachtung der angemessenen Bruttokaltmiete im Wohngeldrecht verbunden sind (BayLSG v. 16.05.2019 - L 11 AS 447/17). Da durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietstufen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden Kosten einfließen, ist ein Zuschlag von 10% angemessen aber auch ausreichend (BSG v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; v. 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R; v. 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R; v. 22.02.2012 - B 4 AS 16/11 R; v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R)."

Die Gemeinde  H. war gemäß der Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) in der ab 01.01.2009 bis 31.12.2015 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 3 der V. v. 15.12.2008 (BGBl. I 2486) während des streitgegenständlichen Zeitraums der Mietenstufe I zugeordnet. Für die Stadt B-Stadt galt die Mietstufe II. Für den Einpersonenhaushalt der Klägerin ergibt sich damit ein Höchstbetrag nach § 12 WoGG für die zu gewährende Kaltmiete einschließlich Nebenkosten (nach der bis 31.12.2015 geltenden Fassung vom 09.12.2010) für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 von 292,00 €, erhöht um einen 10%-igen Sicherheitszuschlag, also 321,20 € monatlich. 

In Übereinstimmung mit dem Urteil der D. des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.12.2019 (Az.: S 6 AS 564/17 ZVW) schließt die erkennende Kammer indes nicht aus, dass die Stadt  H. bereits im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit der Kreisstadt B-Stadt einen gemeinsamen Vergleichsraum "B" bildete, so dass zugunsten der Klägerin auch für  H. der für B-Stadt geltende Wert anzusetzen und von der höheren Mietstufe II auszugehen ist, zumal auch der Beklagte eine Annäherung der Mietniveaus beider Städte bestätigt hat. Damit liegt nun - die Mietstufe II zugrunde gelegt - die Grenze für die angemessene Bruttokaltmiete eines Einpersonenhaushalts für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 bei 338,80 € (308,00 € nach § 12 WoGG, erhöht um einen 10%-igen Sicherheitszuschlag). Eine weitere Erhöhung dieses Wertes ist bei der Klägerin nicht veranlasst, da bei ihr keine besonderen Zugangsprobleme zum Wohnungsmarkt erkennbar sind, welche einen zusätzlichen Aufschlag rechtfertigen könnten. Die Differenz zwischen den der Klägerin mit Bescheid vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2015 gewährten Kosten der Unterkunft (Nettokaltmiete) in Höhe von 338,65 € und den aufgrund der o.g. Ausführungen zugrunde zu legenden Kosten der Unterkunft in Höhe von 338,80 € liegt bei 0,15 €, zu deren Nachzahlung der Beklagte zu verpflichten ist.

Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin auf dem für sie maßgeblichen Wohnungsmarkt nicht möglich war, eine abstrakt als angemessen einzustufende Wohnung anmieten zu können, vermochte die erkennende Kammer nicht zu erkennen. Zur weiteren Begründung verweist sie auch hier nach eigener Prüfung auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.12.2019 (Az.: S 6 AS 564/17 ZVW): 

"Zwar sind nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II die Aufwendungen für Unterkunft, soweit sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls den angemessenen Umfang übersteigen, solange als Bedarf eines alleinstehenden Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Dies gilt in der Regel aber nur für längstens sechs Monate. Kennt der Leistungsberechtigte seine Obliegenheit zur Senkung der Kosten seiner Unterkunft und sind Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch objektiv möglich, kann er die Erstattung seiner Aufwendungen ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen wirksam werden könnten, nur noch in Höhe der Referenzmiete, also der Aufwendungen für eine angemessene Wohnung verlangen. Sind Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, werden die tatsächlichen Aufwendungen zwar zunächst übernommen, aber regelmäßig eben nur sechs Monate. Entsprechend der gesetzlichen Regelung ist also vorgesehen, dass selbst bei Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit einer Kostensenkung nach einem gewissen Zeitraum nur noch angemessene Unterkunftskosten erbracht werden.

Dem ist zuzustimmen, da bereits das BayLSG (U. v. 16.05.2019 - L 11 AS 447/17) festgestellt hat:

 " unangemessen hohe Kosten der Unterkunft werden auch bei Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu angemessenen Kosten der Unterkunft".

Da aber bei der Suche von Alternativwohnungen aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen nicht Unmögliches verlangt werden kann ("impossibilium nulla obligatio est"), gibt es von der vorgesehenen Absenkung auch Ausnahmen. An diese sind jedoch im Hinblick auf die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit strenge Anforderungen zu stellen (s. BayLSG, ebenda).

Einen solchen Ausnahmefall der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit eine angemessene Wohnung zu finden, vermochte das erkennende Gericht danach bei der Klägerin nicht zu erkennen. Dabei war auch zu bedenken, dass sie bereits am 27.03.2014 gem. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in zulässiger Weise auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hingewiesen und zu einer Kostensenkung aufgefordert worden war. Die Klägerin kann sich diesbezüglich auch nicht auf die Fehlerhaftigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten berufen, da das Gesetz an diesen Hinweis keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen stellt (s. BayLSG v. 16.05.2019 - BL 11 AS 447/17 mit Verweis auf BSG v. 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R). Zudem hat der Beklagte die Regelfrist für die Kostensenkung mehrfach verlängert, so dass der Klägerin ausreichend Zeit für die Suche eingeräumt worden war. Der Beklagte war seinerseits auch nicht verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Wohnung zu beschaffen, ihr entsprechende Angebote vorzulegen oder ihr im Einzelnen aufzuzeigen, wie die Unterkunftskosten zu senken wären (BSG v. 09.08.2018 - B 14 AS 38/17 R; v. 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; 27.02.2008 - B 14/7b AS 70/06 R. Es obliegt vielmehr ihrer Verantwortung, selbst für den eigenen Unterkunftsbedarf zu sorgen und innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Quadratmeterpreis eine andere Wohnung frei zu wählen (BSG v. 09.08.2018 - B 14 AS 38/17 R; v. 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R).

Dem Einwand der Klägerin, es seien keine anderen Wohnungen für sie am Mietmarkt zu finden gewesen, vermag das Gericht nicht zu folgen. Dagegen sprechen etwa die im Schreiben des Beklagten vom 21.06.2018 angeführten Angebote aus dem wöchentlich kostenlos im Landkreis B-Stadt verteilten Wochenanzeiger, sowie aus den Internetportalen "im." und "i.". Wenngleich darunter auch ungeeignete Wohnungen sind, belegt die Aufstellung im Übrigen doch, dass grundsätzlich für die Klägerin zumutbarer und angemessener Wohnraum ausreichend vorhanden war. Dies gilt etwa für das Jahr 2015 für die Wohnungsangebote im Wochenanzeiger vom:

  - 08.01. ( H., OT U., 60 m², 280,00 € Kaltmiete), 
  - 29.01. (Bü., 60 m², 295,00 € inkl. NK), 
  - 05.02. (A., 50 m², Kaltmiete 210,00 € zzgl. 40,00 € NK und Kü., OT 
         Bü., 54 m², Kaltmiete 280,00 €), 
  - 12.02. (All., 58 m², Kaltmiete 280,00 €) 26.03.  H., OT, 40 m², 
         Warmmiete 400,00 € und Ka., 335,00 €), 
  - 21.05. ( H., 41,07 m², Kaltmiete 200,00 €), 
  - 16.07. (Abe., 39 m², Warmmiete 335,00 €) 
  
sowie in den Internetportalen "Q." vom:

    - 03.06. (Bü., 43 m², Warmmiete 330,00 €),
  
von "im." vom:

  - 14.07. (Abe., 39 m², Warmmiete 335,00 €), 
  - 22.20. (All., 55 m², Warmmiete 400,00 €) 
  

und von "i." vom:

- 06.10. (Abe., 65 m², Kaltmiete 250,00 €).

(...)
Entsprechendes kann auch der vom Beklagten übermittelten Tabelle der Klägerin über die von ihr geprüften Angebote entnommen werden, wenngleich es dabei letztlich nicht zum Abschluss eines Mietvertrages gekommen ist. Aus den von ihr geprüften Mietangeboten geht aber zugleich auch hervor, dass sie an der geforderten Kostensenkung nicht dadurch gehindert war, dass sich die ihr benannte MOG letztlich als zu niedrig erwiesen hat (s. hierzu BSG v. 19.02.2009 - B 4 AS 30(08 R)." 

Im Ergebnis konnte nach alledem dem auf die Gewährung höherer Leistungen für die Unterkunft gerichteten Begehren der Klägerin nur in einem sehr geringen Umfang entsprochen werden.

Soweit sich das Begehren der Klägerin auf die Verpflichtung des Beklagten zur recht- und pflichtgemäßen Erfüllung seiner Beratungs-, Informations- und Betreuungspflichten bezieht, erweist sich die Klage bereits als unzulässig. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Diese Sachentscheidungsvoraussetzung begründet sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns; prozessuale Rechte dürfen nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats missbraucht werden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde (vgl. Keller in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, vor § 51, Rz. 16a). Genau dies ist vorliegend der Fall. Die von der Klägerin begehrte Beratung, Information und Betreuung bezieht sich ausschließlich auf das Mietverhältnis in der P. in H. und die diesbezüglich von der Beklagten zu gewährenden Leistungen. Dieses Mietverhältnis besteht im Zeitpunkt der Entscheidung der erkennenden Kammer seit geraumer Zeit nicht mehr. Die der Klägerin nach § 22 SGB II für die Dauer des Mietverhältnisses von dem Beklagten zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II sind/waren Gegenstand zahlreicher Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegt es daher auf der Hand, dass eine weitergehende Beratung, Information und Betreuung der Klägerin durch den Beklagten ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung nicht weiter zu verbessern vermag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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