L 6 VG 1909/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VG 129/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1909/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Die Klägerin begehrt – im Wege des Überprüfungsverfahrens – die Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleichs nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die 1979 geborene, mittlerweile verpartnerte Klägerin und selbst Mutter von 2013 geborenen Zwillingen, wuchs, bis sie 10 Jahre alt war, mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten R1 (im Folgenden: R.) im Haus der Großeltern mütterlicherseits auf, wobei die Großmutter nach dem Tod des Großvaters im Jahre 1986 ihre Bezugsperson war. Anschließend zog die Klägerin mit ihrer Mutter und R. innerhalb der Wohngemeinde um. Ab dem 13. Lebensjahr hielt sie sich dort nur noch an den Wochenenden auf, ihren Lebensmittelpunkt hatte sie wieder zu ihrer Großmutter verlagert, zu der sie auch in der Zeit davor den Kontakt intensiv gepflegt hatte. Sie lebte dort bis zum Abschluss der Hauptschule im Jahre 1994. Anschließend zog sie wieder zu ihrer Mutter und besuchte die Haus- und Landwirtschaftsschule M1, eine hauswirtschaftlich-sozialpädagogische Berufsfachschule, die sie 1996 mit der Durchschnittsnote 3,0 und der Berechtigung des Realschulabschlusses beendete. Im Mai 1996 kam sie in eine von der Jugendhilfe C1 e. V. betreute Außenwohngruppe. Von 1996 bis 1997 leistete sie ein Vorpraktikum in einem Kindergarten ab.

Nachdem die Klägerin einen Tag nach ihrem 18. Geburtstag vormittags jeweils zehn Tabletten Lasix und Paracetamol sowie mehrere pflanzliche Kreislauftabletten eingenommen und deswegen am Abend erbrochen hatte, wurde sie im C2-Krankenhaus M1 stationär aufgenommen. H1 diagnostizierte nach dem Entlassungsbericht eine Tablettenintoxikation in suizidaler Absicht (ICD-10 T96.3) und eine Borderline-Persönlichkeit. Am 14. April 1997 verließ sie eigenmächtig das Krankenhaus. Nach Verständigung der Polizei wurde sie von dieser aufgegriffen und in die Psychiatrische Abteilung des Kreiskrankenhauses T1 verbracht. Dort wurden von dem L1 der Verdacht auf eine Verhaltensstörung bei einem Zustand nach Suizidversuch (ICD-10 F44.0) und eine Essstörung (ICD-10 F50.0) diagnostiziert. Ab Juni 1997 bis September 2001 befand sich die Klägerin, mit Unterbrechung, in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung bei S1, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostizierte. Die dem Krankheitsbild zugrundeliegenden schweren seelischen und körperlichen Vernachlässigungen und Traumatisierungen im häuslichen Bereich schon in frühester Kindheit ließen durch die damit verbundenen angstbedingten Abwehrmechanismen nur ganz allmählich eine kausale Bearbeitung zu. Die Klägerin habe das therapeutische Angebot nach ihren Möglichkeiten zuverlässig wahrgenommen und allmählich Vertrauen entwickeln können. Ein zweitägiger stationärer Aufenthalt im C2-Krankenhaus in M1 im Januar 2000 erfolgte wegen der Einnahme von acht Tabletten Oxazepam. H2 diagnostizierte im Entlassungsbericht eine demonstrativ-appellative Tablettenintoxikation in nichtsuizidaler Absicht bei bestehender Konfliktsituation.

Auf Veranlassung ihres Hausarztes, T2, wurde die Klägerin aufgrund der von ihm gestellten Diagnosen „Angstneurotische Fehlhaltung mit depressivem Einschlag bei gestörter Primärpersönlichkeit, Spannungskopfschmerz, Migräne“ von Ende August bis Mitte Dezember 2000 stationär in der Abteilung für Psychosomatik der B1-Klinik (heute: M2-Klinik am V1) in D1 aufgenommen. Nach dem Entlassungsbericht von T3 wurden eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode, soziale Ängste und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline diagnostiziert. Die Klägerin habe berichtet, zur Mutter keinen Kontakt mehr zu haben. Diese sei aggressiv und überfordert, schlage und schreie nur, sei gefühlskalt, ichbezogen und geldgierig. Zu Hause sei es sehr schmutzig gewesen. Ihre Großmutter mütterlicherseits sei nett, aber gefühllos. Auch von ihr sei sie nie in den Arm genommen worden.

Bereits von 1997 an bis 2000 erlernte die Klägerin den Beruf der Haus- und Familienpflegerin, den sie von Februar bis August 2001 in einem Alten- und Pflegeheim ausübte. Diese Tätigkeit beendete sie, um den Beruf der Erzieherin zu erlernen. Die zweijährige schulische Ausbildung schloss sie im Jahre 2003 an der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik in K1 mit der Durchschnittsnote 1,7 ab. Das anschließende Berufspraktikum in einer Kindertagesstätte brach sie Ende September 2003 nach einem Monat ab, da sie Schwierigkeiten im Kontakt mit den Kindern gehabt haben soll. Im Dezember 2003 arbeitete sie wiederum als Familienpflegerin für einen Pflegedienst. Nach durch Tätigkeiten für Personalvermittlungsunternehmen unterbrochenen Zeiten der Arbeitslosigkeit erwarb sie im Sommer 2006 an der Beruflichen Schule B2 in der hauswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Fachrichtung mit der Durchschnittsnote 3,5 die Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg.

Nach einer einjährigen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme für eine berufliche Neuorientierung durch das Berufliche Trainingszentrum im Beruflichen Fortbildungszentrum der B6 gGmbH in W1 (B6) von Mitte September 2006 bis Ende August 2007 führte sie, begleitet hierdurch, von September 2007 bis 28. Juli 2010 eine Umschulung zur Rechtsanwaltsfachangestellten in der Rechtsanwaltssozietät B3 sowie S2 und Kollegen in W2 und L2 durch. Nach dem Abschlussbericht der K2 vom Beruflichen Trainingszentrum im B6 von September 2010 schloss die Klägerin die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten erfolgreich ab. Intensive Unterstützung sei hierfür notwendig gewesen. Die Klägerin habe in all den Jahren durchaus kleine, sichtbare Fortschritte und Entwicklungen gemacht, die aber ohne enge und intensive Betreuung nicht möglich gewesen wären. Kognitiv verfüge die Klägerin über ein gutes Wissen. Wegen ihrer Biografie habe sie ein hohes Maß an Schädigung erlitten, welche andauere und sie ein Leben lang begleiten werde. Sie werde langfristig und dauerhaft auf Unterstützung und Begleitung angewiesen sein. Wegen ihrer Schädigung sei sie nicht in vollem Umfang arbeitsfähig und bedürfe weiterhin einer berufsfördernden Maßnahme. Eine traumatherapeutische Behandlung erscheine sinnvoll.

Ab 20. Juli 2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Ein stundenweiser Arbeitsversuch beim Immobilienbüro S3 in T4 ab Ende 2010 konnte im Januar 2011 nicht fortgesetzt werden. S3 führte hierzu aus, eine weitere Zusammenarbeit sei wegen der Erkrankung der Klägerin, die sie daran hindere, sich mit anderen Personen in einem Raum aufzuhalten, nicht möglich. Die Klägerin hatte sich anfangs noch wegen eines Lohnkostenzuschusses beim Landratsamt T4 erkundigt. Noch bevor dieser bewilligt wurde, teilte die Klägerin den Abbruch des Arbeitsversuches mit.

Der leibliche Vater der Klägerin, wohl gelernter Maschinenschlosser und auch als Koch tätig gewesen, verunglückte noch vor ihrer Geburt tödlich im Straßenverkehr; möglicherweise erfolgte der Aufprall des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges auf einen Baum in suizidaler Absicht. Aus der Beziehung ihrer Mutter, die als Reinigungskraft tätig war, mit R. gingen fünf Kinder hervor. Außer S4, der im 2. Lebensjahr, angeblich an einem Magen-Darm-Virus, verstarb, wobei als mitursächlich auch die verwahrlosten häuslichen Verhältnisse angesehen wurden, haben alle die Hauptschule besucht und bis auf B4, welche auf die Realschule wechselte und die Mittlere Reife erreichte, auch abgeschlossen. B4 begann eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten und strebt nach deren Beendigung die Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife an. I1 erlernte den Beruf des Verkäufers und war als Geschäftsführer für die B5 GmbH & Co. KG tätig. Nach den Angaben der Klägerin schloss er ebenfalls eine Mittelschulausbildung ab und will noch das Abitur machen. D2, der vor der Hauptschule einen Kindergarten für Menschen mit Behinderung besuchte und anfangs auf die Sonderschule ging, ist mittlerweile als Lagerist tätig. J1 erlernte den Beruf der Metzgereifachverkäuferin.

Am 19. Oktober 2001 beantragte die Klägerin bei dem Landratsamt T4 (LRA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen Misshandlungen durch die Mutter und sexuellen Missbrauch durch R. Während ihrer gesamten Kindheit sei sie von ihrer Mutter psychisch und körperlich misshandelt worden und habe in einer verwahrlosten Wohnung aufwachsen müssen. Sie sei von R. bis zum Alter von 11 Jahren sexuell missbraucht worden; bis sie 15 Jahre alt gewesen sei, habe er sie noch sexuell bedrängt.

Das Amtsgericht M1 verurteilte R. wegen an der Klägerin 1990/1991 und 1994/1995 vorgenommener sexueller Handlungen neben einer Geldauflage zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde nach Rücknahme des Rechtsmittels rechtskräftig.

Auf Veranlassung des Beklagten erstattete M3 nach einer Untersuchung der Klägerin am 13. November 2002 ein nervenärztliches Gutachten, wonach eine chronische posttraumatische Belastungsreaktion, depressive Verstimmungszustände bei erheblichen sozialen Problemen und eine primäre Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, der GdS mit 50 eingeschätzt und die Fortführung der Psychotherapie für notwendig erachtet wurden.

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Einschätzung von H3 von März 2003 stellte der Beklagte mit (Erstanerkennungs-)Bescheid vom 15. Mai 2003 fest, dass die chronische posttraumatische Belastungsreaktion, die depressiven Verstimmungen und die Borderline-Persönlichkeit Folgen von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen in den Jahren 1990/1991 und 1994/1995 sind. Weiter wurde festgestellt, dass die Klägerin hierdurch in ihrer Erwerbsfähigkeit ab 1. Oktober 2001 um 50 vom Hundert (v. H.) gemindert ist. Ferner wurde dem Grunde nach Heilbehandlung gewährt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einkommensunabhängiger Leistungen wie Ausgleichsrente, Familienzuschlag und Berufsschadensausgleich seien nicht erfüllt. Unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 15. Mai 2003 wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2005 ein Recht der Klägerin auf Ausgleichsrente vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2003 festgestellt.

Zur Prüfung, ob eine von der Klägerin am 14. März 2007 geltend gemachte Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen eintrat, erstattete wiederum M3 für den Beklagten ein Gutachten, wonach angesichts der nach wie vor bestehenden erheblichen Schwierigkeiten, besonders in der beruflichen Entwicklung, ab Februar 2008 ein Grad der Schädigung (GdS) von 60 anzunehmen sei. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2008 den GdS mit 60 ab 1. Februar 2008 fest.

S1 führte im Arztbericht von November 2008 aus, inzwischen bezeichne sie das Krankheitsbild der Klägerin aus psychotherapeutischer Sicht eher als schwere neurotische Depression mit Borderline-Persönlichkeitsanteilen. Ursächlich hierfür sei eine Kindheit voller Vernachlässigung, Missbrauch und Brüchen. Im Arztbericht von September 2009 teilte sie mit, bei überdurchschnittlicher Intelligenz, persönlichem Ehrgeiz und prinzipieller Leistungsbereitschaft sei die Klägerin in relativ stabilen Phasen durchaus vier Stunden täglich, unterteilt in Zwei-Stunden-Blöcke mit einer zwischenzeitlichen Pause, einsetzbar. Um ihrer erhöhten Irritierbarkeit durch zwischenmenschliche Kontakte, Nähe und Druck entgegenzukommen, wäre ein relativ ruhiger Arbeitsplatz mit Rückzugsmöglichkeit und ohne stärkeren Publikumsverkehr angebracht und ratsam, an dem sie in ihrem Tempo die Aufgaben erledigen könne. Sie sei auf eine vertrauensvolle Atmosphäre und Verständnis für ihre Labilität angewiesen. Unter solchen Bedingungen werde der Arbeitsplatz sogar einer weiteren Stabilisierung förderlich sein. Unter dieser Maßgabe sei sie im Beruf der „Rechtsanwaltsgehilfin“ einsetzbar.

Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken S5 in G1 vom 1. bis 20. Juli 2010 diagnostizierte S6 im Entlassungsbericht eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Schulter-, Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen (ICD-10 F45.40), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine gemischte Angststörung (ICD-10 F41.3). Der Aufenthalt habe der Beurteilung gedient, ob trotz der bestehenden Störung ein verwertbares Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden sei. Aufgrund der Verhaltensbeobachtung im Milieu und während der Berufstherapie sei derzeit kein verwertbares Leistungsbild für den allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden, wobei betont werden müsse, dass keine kognitiven Einschränkungen vorhanden seien. Die Einbußen im Leistungsbild hätten ihre Ursache in einem massiv gestörten Sozialverhalten mit Problemen in der Interaktion. Diese seien auf eine hohe Anspannung im zwischenmenschlichen Kontakt zurückzuführen, welche im Zusammenhang mit den erlittenen Traumata zu sehen sei. Die Klägerin sei wegen ihrer posttraumatischen Belastungsstörung bisher noch keiner spezifischen Behandlung zugeführt worden. Sie befinde sich bereits seit etwa zehn Jahren in ambulanter Psychotherapie, wobei in deren Rahmen, aus medizinisch therapeutischen Gründen nachvollziehbar, nicht an den Traumata gearbeitet worden sei. Vermutlich sei angenommen worden, deren Bearbeitung würde zu einer erheblichen Destabilisierung beitragen. Die Klägerin solle nun aber einer stationären, spezifischen Traumatherapie zugeführt werden. Diesbezüglich zeige sie sich in hohem Maße motiviert und habe sich bereits Adressen von Kliniken mit entsprechendem Leistungsspektrum besorgt. Sie sei am 20. Juli 2010 für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als arbeitsunfähig, für den Ausbildungsberuf hingegen als arbeitsfähig entlassen worden.

Im Psychotherapeutischen Zentrum der K3-Klinik in M1 wurde die Klägerin ab 28. April 2011 psychotherapeutisch behandelt. Der stationäre Aufenthalt wurde nach dem Entlassungsbericht des P1 am 1. Juni 2011 beendet, da die Klägerin die stationäre Behandlung als sehr belastend empfunden und von zunehmendem inneren Druck, auch Selbstverletzungsdruck, berichtet habe. Es sei der gemeinsame Entschluss gefasst worden, die stationäre Behandlung nicht fortzuführen. Es seien eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61.0), der Verdacht auf eine Essstörung (ICD-10 F50.9), eine Migräne (ICD-10 G43.0) und polyzystische Ovarien (ICD-10 E28.2) diagnostiziert worden. Bei Therapiebeginn sei vorgesehen gewesen, die Klägerin im stationären Setting mit einem 4-phasigen Psychotherapiekonzept zu behandeln.

Am 20. September 2010 stellte die Klägerin ausdrücklich einen Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches. Im Antragsformular danach gefragt, wie der berufliche Werdegang ohne die Schädigung verlaufen wäre, führte sie einen Intelligenzquotienten (IQ) von 130 an. Es sei schwer zu sagen, welchen Weg sie ohne die Schädigung eingeschlagen hätte, da diese bereits vor Grundschulbeginn erfolgt sei. Sie hätte gerne Jura oder Sozialpädagogik studiert. Allerdings habe sie bereits bei den Ausbildungen große Probleme mit der Klassengröße und Mitschülern sowie wegen Konzentrationsschwierigkeiten und körperlichen Schmerzen in Form von Migräne, Übelkeit und Verspannungen gehabt.

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen nicht erfüllter Wartezeit ab.

Mit Bescheid vom 8. März 2012, welcher durch das Schreiben vom 17. April 2012 berichtigt wurde, stellte der Beklagte, unter Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit, den GdS mit 70 ab 1. Februar 2011 fest. Mit weiterem Bescheid vom 8. März 2012 stellte der Beklagte zum einen ein Recht der Klägerin auf Ausgleichsrente im Juni 2011 in Höhe von 479 € und ab dem Folgemonat in Höhe von monatlich 484 € fest; zum anderen gewährte er ihr damit einen Berufsschadensausgleich für Juni 2011 in Höhe von 779 € und ab dem Folgemonat in Höhe von monatlich 805 €. Für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches legte der Beklagte das Durchschnittseinkommen der Besoldungsgruppe A 7, DA 9 mit Stellenzulage, zugrunde; er orientierte sich am Abschluss einer Mittelschulausbildung („Mittlere Reife“) und daher aus seiner Sicht am Durchschnittseinkommen von Beamtinnen und Beamten im Mittleren Dienst.

Mit ihrem Widerspruch erhob die Klägerin Einwände gegen den festgestellten Beginn der Gewährung des Berufsschadensausgleiches und der Ausgleichsrente sowie die Berechnung des Berufsschadensausgleiches unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens, welches ohne Schädigungsfolgen an einer vermuteten Mittelschulausbildung anknüpfe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2012 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG – S 4 VG 1922/12).

Zur Akte gelangte das Attest des Z1 von November 2013, wonach die Klägerin bei ihm seit Ende November 2008 in ambulanter psychiatrischer Behandlung sei. Ihre kognitiven Fähigkeiten, insbesondere ihre Fähigkeit, theoretische und konkrete Problemstellungen zu erfassen, sowie ihr planerisches Denkvermögen seien überdurchschnittlich. Sie erfasse Alltagssituationen gut und finde angemessene Lösungen. Das belege auch ein Intelligenztest aus dem Jahre 2007. Ohne die traumatisierenden Erlebnisse und ihre Folgen hätte die Klägerin ohne Zweifel ein Hochschulstudium absolvieren und eine akademische Laufbahn einschlagen können. Des Weiteren legte sie die Auskunft der G2 vom Beruflichen Trainingszentrum im B6 von Dezember 2013 vor, nach der mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE-R) im Februar 2007 ein IQ von 122 gemessen worden sei. Die Klägerin liege mit diesem Ergebnis im oberen Bereich ihrer Altersgruppe. Lediglich 4 % der Gleichaltrigen erbrächten gleich gute oder bessere Leistungen. Bei Berücksichtigung der Messungsungenauigkeit des Verfahrens dürfte der IQ mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 114 und 130 liegen. Daher sei die intellektuelle Leistungsfähigkeit als hoch bis extrem hoch zu bezeichnen. Die intellektuellen Fähigkeiten, ein Studium zu absolvieren, seien demnach gegeben.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 3. September 2014 verurteilte das SG den Beklagten, der Klägerin ab dem 1. Juni 2011 den Berufsschadensausgleich „mit dem Ansatz eines Durchschnittseinkommens unter Eingruppierung bei vermutlichem Erzielen der Reifeprüfung“ zu gewähren, und wies die Klage im Übrigen ab.

Gegen das Urteil legte die Klägerin am 28. Oktober 2014 Berufung beim Senat ein (L 6 VG 4549/14), der Beklagte im Nachgang zu der nichtöffentlichen Sitzung vom 17. Juli 2015 am 22. Juli 2015 Anschlussberufung.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2015 hob der Senat das Urteil des SG vom 3. September 2014 teilweise auf und wies die Klage umfassend ab. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die grundlegend reformierten Vorschriften über den Berufsschadensausgleich nur für Fälle gelten würden, bei denen der Berufsschadensausgleich erstmals nach dem 30. Juni 2011 beantragt worden sei, was bei der Klägerin nicht der Fall sei. Die Berechnung sei richtig anhand der Besoldungsgruppe A7 als Vergleichseinkommen erfolgt. Der Beklagte habe die zutreffende – nachträgliche – Prognoseentscheidung getroffen, dass die Klägerin ohne die mit Bescheid vom 15. Mai 2003 anerkannten Schädigungsfolgen nicht vermutlich den Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) erreicht habe. Die im Sommer 2006 an der Beruflichen Schule B2 in der hauswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Fachrichtung tatsächlich erreichte Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg stelle keinen solchen Bildungsgrad dar. Denn im Unterschied dazu beschränke dieses so genannte „Fachabitur“ mit dem Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife den Hochschulzugang auf bestimmte, in der Regel eben fachgebundene Hochschulstudiengänge. Ohnehin seien aus dem zurückgelegten Schul- und Erwerbsleben, auf das auch der Beklagte zuletzt im Wesentlichen abgestellt habe, allenfalls Anhaltspunkte für den Rückschluss auf die Veranlagung und die Fähigkeiten der Beschädigten zu gewinnen. Entsprechendes gelte auch für das Verhalten des sozialen Umfelds, welches allenfalls hilfsweise als Indiz dafür dienen können, ob eine angestrebte Ausbildung unter Beachtung des familiären Lebenszuschnittes überhaupt in Betracht zu ziehen gewesen sei.

Sei daher vorrangig auf die Veranlagung und die Fähigkeiten der Klägerin abzustellen, so lasse sich zwar der im Februar 2007 ermittelte IQ von 122 anführen, der im oberen Bereich der Altersgruppe liege und lediglich 4% der Gleichaltrigen gleich gute oder bessere Leistungen erbrächten. Eine überdurchschnittliche Intelligenz sei der Klägerin auch von S1 attestiert worden. Auch wenn die einzelnen Erhebungen zu dem Testergebnis nicht mehr vorlägen, deute ein IQ in dieser Höhe auf die Möglichkeit hin, die Allgemeine Hochschulreife zu erlangen oder sogar eine Hochschulausbildung zu absolvieren. Eine solche, gegenüber den Mitmenschen höhere Begabung liefere indessen noch nicht ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass zu vermuten sei, die Betreffenden erreichten auch einen entsprechenden Abschluss, sondern zeigten nur das im Wege des Berufsschadensausgleich nicht zu entschädigende Potential des Geschädigten. Im Übrigen führe eine überdurchschnittliche Intelligenz allein nicht zwangsläufig zu entsprechend überdurchschnittlichen Schul- oder Hochschulleistungen. Dies zeige sich auch daran, dass die Klägerin die Haus- und Landwirtschaftsschule mit der Durchschnittsnote 3,0 und die Berufliche Schule B2 mit der Durchschnittsnote 3,5 abgeschlossen habe.

Der im September 2010 gegenüber dem Beklagten mitgeteilte und angeblich schon länger bestandene Wunsch, Jura oder Sozialpädagogik zu studieren zu wollen, ohne dass er konstant vorhanden gewesen sei oder sich bereits verdichtet habe, lasse keinen Rückschluss auf Fähigkeiten oder Neigungen der Klägerin mit Blick auf einen vermutlichen Schul- oder Hochschulabschluss zu. Die Schädigungsfolgen hätten bei ihr nämlich zu keinerlei kognitiven Einschränkungen geführt, sodass sie aufgrund der anerkannten Schädigung nicht gehindert gewesen sei, einen höheren als die drei bereits erreichten Berufsschulabschlüsse zu erreichen, wenn sie dies tatsächlich gewollt habe. Vor diesem Hintergrund sei auch die Äußerung der Klägerin zu werten, dass sie das Abitur gemacht hätte, wenn ihr die Sachbearbeiterin bei der Antragstellung 2001 diese Möglichkeit aufgezeigt hätte. Danach sei selbst aus Sicht der Klägerin gerade nicht die Schädigung kausal für den beruflichen Werdegang gewesen. Dies werde eindrucksvoll dadurch unterstrichen, dass sie trotz der Schädigung gesundheitlich in der Lage gewesen sei, drei mehrjährige Berufsausbildungen erfolgreich durchzustehen und abzuschließen.

Insbesondere bestätige der Entlassungsbericht des S6 über die stationäre Rehabilitation 2010, dass bei der Klägerin keine kognitiven Einschränkungen bestünden. Die von der Klägerin im Antrag auf Berufsschadensausgleich aufgezeigten Umstände hätten sie indessen nicht daran gehindert, die Allgemeine Hochschulreife mittels Fernunterricht zu erwerben. Dass dies bisher nicht erfolgt sei, habe seine Ursache nicht in den Schädigungsfolgen, sondern sei finanziellen Umständen geschuldet. Als ergänzendes Indiz sei festzustellen, dass auch die Eltern der Klägerin über keine entsprechende Ausbildung verfügten und sie im häuslichen Bereich nicht den notwendigen Rückhalt für den Erwerb einer höheren Schul- oder Hochschulausbildung gehabt habe. Die Klägerin könne ihr Begehren schließlich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Es könne nur ein Handeln der Verwaltung nachgeholt werden, nicht aber Handlungen, die persönlich durch die Betroffenen vorzunehmen seien, wie vorliegend einen bestimmten Schulabschluss zu absolvieren.

Die Klägerin habe ohne die Schädigungsfolgen daher vermutlich keine höhere oder gleichwertige Schulausbildung abgeschlossen, weshalb das Durchschnittseinkommen nach der Besoldungsgruppe A7 zu ermitteln gewesen sei. Dass sie mit dem tatsächlichen Erwerb der Fachhochschulreife einen gehobenen Bildungsabschluss erreicht habe, der zwischen einer Mittelschul- oder gleichwertigen Schulausbildung und einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV liege, der vermutliche Abschluss also hinter dem tatsächlichen zurückbleibe, liege an dem generalisierten und pauschalierten Berufsschadensausgleich bei einer vor Abschluss der Schuldausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung. In einer solchen Konstellation bestimme sich das Durchschnittseinkommen ausgehend von drei verschiedenen Schul- und Hochschulausbildungsabschlüssen. Verfassungsrechtlich sei dies nicht zu beanstanden, da die Vorschriften des BVG und der Berufsschadensausgleichverordnung (BSchAV) über den Berufsschadensausgleich einen Bereich der gewährenden Staatstätigkeit regelten und der Gesetzgeber im Rahmen der ihm in diesem Bereich zustehenden besonders weitgehenden Gestaltungsfreiheit in weitem Umfang zum Erlass typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt sei.

Die zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (B 9 V 69/15 B) wurde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 25. Februar 2016).

Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 nahm das LRA den (Erstanerkennungs-)Bescheid teilweise nach § 44 Sozialgesetzbuch zehntes Buch (SGB X) zurück und stellte fest, dass die Klägerin in den Jahren 1985 bis 1993 sowie 1990/1991 und 1994/1995 Opfer eines vorsätzlich rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist. Eine strafbare Kindervernachlässigung habe nicht vorgelegen und könne deshalb nicht berücksichtigt werden. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S7 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2017 zurück. Dem Antrag nach § 44 SGB X habe nur insoweit entsprochen werden können, als der Missbrauch durch die Mutter der Klägerin auch in der Zeit vor dem 1.1.1990 rückwirkend zum 1. November 2011 anerkannt werden könne. Eine Erhöhung des GdS nach § 1 OEG ergebe sich hieraus nicht. Für die Höhe des GdS sei es unerheblich, ob eine Vernachlässigung im strafbaren Sinne nachzuweisen sei.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2016 lehnte das LRA die Gewährung von Berufsschadensausgleich im Zusammenhang mit dem Beginn eines Fernstudiums ab. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S7 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2017 zurück. Es werde daran festgehalten, dass mit dem Bescheid vom 8. März 2012 bindend über die Einstufung des Berufsschadensausgleichs entschieden worden sei und das BVG bei der Aufnahme eines Studiums zu einem späteren Zeitraum keine weitergehenden Regelungen vorsehe. Im Übrigen habe die Klägerin ihr Studium erst jetzt begonnen und damit entgegen der Widerspruchsbegründung tatsächlich noch keinen Hochschulabschluss erreicht.

Den Überprüfungsantrag zum Bescheid vom 15. März 2003 lehnte das LRA mit Bescheid vom 28. Juni 2016 ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2017 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG lägen nicht vor. Die Verjährung von Ansprüchen Minderjähriger sei auch nach Eintritt der vollen Geschäftsfähigkeit mit 18 Jahren nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt. Die Klägerin habe ihren Versorgungsantrag aber erst am 1. Oktober 2001 gestellt, also rund ein Jahr und fünf Monate nach der Vollendung des 21. Lebensjahres, obwohl sie 1996 nach dem letzten schädigenden Ereignis 1995 siebzehn Jahre alt und damit sozialrechtlich handlungsfähig im Sinne des § 36 SGB I gewesen sei. Außerdem habe die Klägerin im Antrag vom 15. Dezember 2015 angegeben, wegen fehlender Informationen über die Möglichkeit einer Antragstellung an einer rechtzeitigen Beantragung gehindert gewesen sei. Dies genüge für eine unverschuldete Verhinderung nicht.

Ebenso lehnte das LRA den Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 8. März 2012 mit Bescheid vom 29. Juni 2016 ab, der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2017). Es sei an dem Bescheid vom 8. März 2012 festzuhalten, wonach der GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erst ab dem 1. Juni 2011 um 10 zu erhöhen gewesen sei. Es seien bis 28. Februar 2011 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden. Ein Arbeitsversuch im Februar 2011 sei fehlgeschlagen, worauf dann die medizinische Behandlung in M1 erfolgt sei, die am 1. Juni 2011 endete. Erst danach habe festgestanden, dass weitere Maßnahmen nicht mehr zumutbar und erfolgversprechend gewesen seien (§ 29 BVG).

Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 lehnte das LRA die Gewährung einer Pflegezulage nach § 35 BVG ab, der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2017 zurückgewiesen. Dem Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage nach § 35 BVG habe nicht entsprochen werden können. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid keinen Anlass zu Beanstandungen biete.

Die nachfolgenden Verfahren beim SG (S 8 VG 2743/17, S 8 VG 2788/17, S 8 VG 2782/17 und S 8 VG 2786/17) wurden am 21. November 2018 vergleichsweise beendet.

Mit Ausführungsbescheid vom 1. Februar 2019 stellte das LRA fest, dass als Schädigungsfolgen eine chronische posttraumatische Belastungsstörung, depressive Verstimmungszustände bei erheblichen sozialen Problemen und eine Borderlinpersönlichkeit anerkennt blieben. Der dadurch bedingte GdS gemäß § 30 Abs. 1 und 2 BVG betrage 70 ab dem 1. März 2011. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichsrente nach § 32 BVG sowie der Gewährung eines BSA nach § 30 Abs. 3 BVG lägen ab dem 1. März 2011 vor. Ermittelt wurde ein Auszahlungsbetrag von insgesamt 4.113,00 € zuzüglich Zinsen.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 wurden die Versorgungsleistungen – automatisiert – zum 1. Juli 2018 aufgrund der 24. KOV-Anpassungsverordnung auf 2.126,00 € angepasst. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium S7 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2019 zurück. Mit dem Bescheid sei nur eine Anpassung der Leistungen erfolgt, dabei sei die mehrfach rechtskräftig festgestellte Besoldungsgruppe A7 DA 8 mit Stellenzulage zu Grunde gelegt und die geänderten Einkommensverhältnisse für die Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen seien berücksichtigt worden. Die Voraussetzungen für eine Verzinsung seien nicht gegeben.

Am 26. März 2020 beantragte die Klägerin aufgrund des inzwischen abgeschlossenen Studiums die Eingruppierung des Berufsschadensausgleichs in das Vergleichseinkommen eines Beschäftigten mit Hochschulabschluss. Wie vor dem LSG festgestellt, sei der tatsächliche Bildungsstand maßgebend. Dieser sei aufgrund des inzwischen abgeschlossenen Fernstudiums, auch wenn ihr eine realistische Arbeitstätigkeit weiterhin unmöglich sei, nun der eines Beschäftigten mit Hochschulabschluss. Da das Studium weiterhin erforderlich gewesen sei, um ihre tatsächlichen geistigen Fähigkeiten nachzuweisen, beantrage sie die Übernahme der Studienkosten. Zudem beantrage sie die rückwirkende Einstufung in die Eingruppierung eines Beschäftigten mit Hochschulabschluss seit März 2016, also seit dem Studienbeginn, da bereits hier festgestanden habe, dass ihre geistigen Fähigkeiten ihr einen Hochschulabschluss ermöglichten. Zur Akte gelangte das Abschlusszeugnis der D3 Hochschule – Private Fachhochschule N1 – für die bestandene Bachelor-Prüfung im Bachelor-Studiengang „Soziale Arbeit“ vom 21. März 2020 (Gesamtnote 1,7).

Im Klageverfahren beim SG (S 8 VG 2123/19) schlossen die Beteiligten am 12. August 2020 einen Vergleich dahingehend, dass der Widerspruch vom 3. Dezember 2018 als Überprüfungsantrag im Sinne des § 44 SGB X bezüglich des Bescheides vom 8. März 2012 gewertet werde.

Mit Bescheid vom 31. März 2021 lehnte das LRA die Rücknahme des Bescheides vom 8. März 2012 nach § 44 SGB X ab. Mit dem Widerspruch vom 3. Dezember 2018 werde Berufsschadensausgleich auf der Grundlage eines höheren Vergleichseinkommens wegen der Eingruppierung nach der später erreichten Fachhochschulreife begehrt. Die Eingruppierung sei bereits Gegenstand zahlreicher sozialgerichtlicher Verfahren gewesen. Ohne die anerkannten Schädigungsfolgen wäre der Abschluss einer höheren Schulausbildung (Reifeprüfung) prognostisch nicht erreicht worden. Es seien keine überdurchschnittlichen Schulleistungen erbracht worden, obwohl die Schädigungsfolgen zu keinerlei kognitiven Einschränkungen geführt hätten. Zudem hätten auch die Eltern der Klägerin keine vergleichbare Schulbildung besessen, weshalb das Durchschnittseinkommen nach der Besoldungsgruppe A7 zu ermitteln gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich auch in vergleichbaren Fällen (Verweis auf BSG, Urteil vom 29. Juli 1998 – B 9 V 14/974 R) sinngemäß, dass bei einer erstmaligen Entscheidung über den Berufsschadensausgleich die zu diesem Zeitpunkt erreichte berufliche Stellung zu berücksichtigen sei. Da die Klägerin schon einige Jahre einen Berufsschadensausgleich beziehe, könne die später erreichte Fachhochschulreife bei der Feststellung des Vergleichseinkommens zum Berufsschadensausgleich keine Berücksichtigung mehr finden. Da das Versorgungsamt bereits lange vor der Fachhochschulreife seine Prognose zum Schulabschluss getroffen habe, könne die damalig getroffene Entscheidung nicht mehr nachträglich durch Elemente aus dem tatsächlichen beruflichen Werdegang korrigiert werden, die im Entscheidungszeitpunkt über die erstmalige Entscheidung gar nicht erkennbar gewesen seien. Maßgebend sei der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung. Somit könne zum damaligen Zeitpunkt der Entscheidung auch nicht vor einer Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. März 2012 ausgegangen werden.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Es werde nicht die generelle Entscheidung über den Berufsschadensausgleich angegriffen, sondern die Feststellung des Vergleichseinkommens. § 7 Abs. 1 BSchAV a. F. sei zum 30. Juni 2011 aufgehoben worden, in der Neufassung werde nicht mehr hilfsweise auch auf die berufliche und soziale Stellung der Eltern abgestellt, sondern es seien nur noch die sonstigen Lebensumstände zur Prognoseentscheidung heranzuziehen.

Sie habe fortwährend höhere Schulabschlüsse angepeilt und auch erreicht. So habe sie die Fachhochschulreife erlangt und einen Bachelor abgeschlossen. Als Vergleichseinkommen müsse daher heute ein Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 11 als Grundlage angenommen werden. Die Tatsache, dass sie den Fachschulabschluss erreicht habe, zeige, dass die Grundlage und Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt falsch gewesen sein müsse. Es zeige sich, dass sie schon immer die Veranlagung und die Fähigkeiten für eine gute Hochschulausbildung hatte und habe.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S7 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2021 zurück. Eine Rechtswidrigkeit des überprüften Bescheides bestehe nicht. Maßgeblich für die Einstufung des Berufsschadensausgleichs sei der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung, also am 8. März 2012. Der später erreichte Fachhochschulabschluss könne keine Berücksichtigung mehr finden.

Den Antrag auf Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs lehnte das LRA mit Bescheid vom 1. April 2021 ab, der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2021 zurückgewiesen.

Am 21. Januar 2022 hat die Klägerin erneut Klage beim SG erhoben sowie eine weitere gegen den Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2021 (S 8 VG 128/22). Der Bescheid vom 8. März 2012 sei rechtswidrig, da sich die damalige Prognose – schon vom damaligen Zeitpunkt aus – als falsch erweise. Die BSchAV sei zum 30. Juni 2011 aufgehoben und neu geregelt worden, in der Neufassung werde nicht mehr hilfsweise auf die berufliche und soziale Stellung der Eltern oder Familie abgestellt. Die Tatsache, dass es ihr nun tatsächlich gelungen sei, einen Fachhochschulabschluss zu erreichen, zeige, dass die Grundlage und Einschätzung zum Zeitpunkt der Entscheidung falsch gewesen sein müsse. Zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung am 8. März 2012 sei eine rückwirkende Prognose getätigt worden. Die ersten Schädigungshandlungen und damit einhergehenden Schädigungsfolgen seien bereits im Jahr 1995 und damit mehr als 25 Jahre vor der Prognoseentscheidung getätigt worden. Der Bescheid vom 8. März 2012 gehe fehlerhaft von einer Mittelschulausbildung aus, tatsächlich habe vom Erreichen einer Hochschulausbildung ausgegangen werden müssen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die damalige Prognoseentscheidung hinsichtlich des Hätteberufs nicht nachträglich durch einen im weiteren Leben erreichten höheren Schulabschluss revidiert werden könne. Eine Prognoseentscheidung erfolge schon vom Wortlaut her für die Zukunft mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten. Der später erreichte Bachelor im Studiengang „Soziale Arbeit“ sei kein Nachweis, dass die frühere Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt falsch gewesen sei. Da die Klägerin bereits seit mehreren Jahren einen Berufsschadensausgleich beziehe, könne der jetzt erreichte Studienerfolg keine Berücksichtigung finden.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Mai 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe bei dem Bescheid vom 8. März 2012 weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Die Entscheidung des Beklagten, anzunehmen, dass die Klägerin ohne die Schädigung vermutlich einen Mittelschulabschluss gemacht habe, sei nicht zu beanstanden, wie sich aus der vorangegangenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ergebe. Dass der vermutliche Abschluss hinter dem tatsächlich erreichten zurückbleibe, liege an dem generalisierten und pauschalierten Berufsschadensausgleich bei einer vor Abschluss der Schulbildung erlittenen Schädigung. Dementsprechend könne bei einer späteren Entscheidung über den Berufsschadensausgleich zwar auch der berufliche Werdegang des Beschädigten Anhaltspunkte für die Veranlagung und Fähigkeiten bieten, mehr aber auch nicht. Es verbiete sich bei einer späten Entscheidung am Ende des Berufslebens einfach auf den tatsächlich zurückgelegten Berufsweg Bezug zu nehmen. Einem solchem Vorgehen stehe nicht nur die eindeutige Verweisung des § 2 Abs. 1 Satz 2 BSchAV entgegen, sondern auch, dass es sich bei § 7 BSchAV um eine abweichende Sondervorschrift handele, die, wenn ihre Anwendbarkeit feststehe, als abschließende Regelung auch allein maßgeblich bleibe.

Am 3. Juli 2023 hat die Klägerin erneut Berufung beim Senat eingelegt und auf die Begründung im Klageverfahren Bezug genommen. Die Begründung der Entscheidung des SG könne nicht nachvollzogen werden. Der Überprüfungsantrag betreffe den Bescheid vom 8. März 2012, in dem das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Beklagte habe damals eine andere Prognoseentscheidung treffen müssen, da eindeutige Anhaltspunkte bestünden, dass die Einstufung in eine höhere Vergleichsgruppe habe erfolgen müssen.

Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Mai 2023 und den Bescheid vom 31. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 8. März 2012 Berufsschadensausgleich nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) alter Fassung ab Antragstellung auf Grundlage eines höheren Vergleichseinkommens mindestens in Höhe eines Grundgehalts eines Beschädigten mit Fachhochschulabschluss der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 11 nach Anlage IV zum Bundesbesoldungsgesetz zu gewähren,
hilfsweise, den Beklagte zu verpflichten, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2012 Berufsschadensausgleich ab Antragstellung in Höhe der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 9 gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 BSchAV zu gewähren
sowie den nachzuzahlenden Betrag zu verzinsen.



Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen. Hierzu hat die Klägerin mitgeteilt, einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zuzustimmen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte, auch des Vorverfahrens, Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 24. Mai 2023, mit dem die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleichs unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 17. Dezember 2021 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 8. März 2012 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Antrags nach § 44 SGB X ist die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht („geläuterte Rechtsauffassung“ vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R –, juris, Rz. 16). Mit dem Überprüfungsbescheid hat der Beklagte den Bescheid vom 8. März 2012 hinsichtlich der Berechnung des Berufsschadensausgleichs überprüft. Bei dem Berufsschadensausgleich handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2017 – L 6 VH 789/15 –, juris, Rz. 67), der unabhängig von anderen Regelungsgegenständen des Bescheides überprüft werden kann. Eine weitergehende Überprüfung des Bescheides hat die Klägerin weder beansprucht, noch der Beklagte vorgenommen.
Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 31. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie kann die Rücknahme des Bescheides vom 8. März 2012 und die Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleich nach einem höheren Vergleichseinkommen nicht beanspruchen, da auch dieser Bescheid zur Überzeugung des Senats rechtmäßig ist. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, sodass der Senat auf die Entscheidung des SG nach eigener Prüfung Bezug nimmt und insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Berechnung des Berufsschadensausgleichs und damit dessen Höhe nicht zu beanstanden ist. Rechtsgrundlage für den Berufsschadensausgleich ist vorliegend § 1 OEG i. V. m. § 30 Abs. 3 BVG in der bis 30. Juni 2011 geltenden Fassung (a. F.). Entgegen der Auffassung der Klägerin gelten die Neuregelungen zum 1. Juli 2011 insgesamt nur für Fälle, in denen erstmalig nach dem 30. Juni 2011 ein Berufsschadensausgleich beantragt worden ist (vgl. Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 30 Rz. 49), was bei ihr aufgrund des am 19. Oktober 2001 gestellten Antrags nicht der Fall ist.

Nach § 30 Abs. 3 BVG (a. F.) erhalten rentenberechtigende Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H. des auf volle Deutsche Mark – gemäß § 66a Abs. 1 und 2 BVG in der Fassung von Art. 55 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) nunmehr Euro – nach oben abgerundeten Einkommensverlust oder, falls dies günstige ist, Berufsschadensausgleich nach Abs. 6.

Die Wendung „nach Anwendung des Absatzes 2“ kennzeichnet das Nebeneinander der gemäß § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erhöhten Grundrente und des nach § 30 Abs. 3 BVG zu gewährenden Berufsschadensausgleiches (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 28. April 2005 – B 9a/9 VJ 1/04 R –, juris, Rz. 20). Beide Formen der Entschädigung besonderer beruflicher Folgen stehen in einem inneren Zusammenhang. Durch die Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG können berufliche Schäden ausgeglichen werden, die vom Berufsschadensausgleich nicht erfasst werden; der „besonderen beruflichen Betroffenheit“ kommt vor diesem Hintergrund die Bedeutung einer Härtevorschrift zu (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RV 18/94 –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 14, S. 26, 29), nach der – allerdings auch nur ausnahmsweise – individuelle berufliche Belastungen zur Erhöhung der festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit führen können. Der Berufsschadensausgleich ist auch dann zu zahlen, wenn – anders als im Falle der Klägerin – die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 BVG nicht erfüllt werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1969 – 9 RV 730/67 –, BSGE 29, 208 [211 ff.]); ebenso kann – wie hier – ein allerdings modifizierter Berufsschadensausgleich neben der Grundrentenerhöhung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit stehen.

Die Berechnung des Berufsschadensausgleiches in Höhe von 42,5 v. H. des Einkommensverlustes folgt vorliegend den Regelungen in § 30 Abs. 4 BVG. Die gesetzliche Alternative, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG zu gewähren, kommt nach dem Wortlaut nur in Betracht, „falls dies günstiger ist“; der einschlägige „Nettovergleich“ ist indessen im Falle der Klägerin nicht günstiger.

Einkommensverlust ist gemäß § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Letzteres errechnet sich gemäß § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG nach dessen Sätzen 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Durch die Bezugnahme auf ein „Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe“ kommt bereits deutlich eine gesetzliche Vorgabe zur Pauschalierung bei der Feststellung des Vergleichseinkommens zum Ausdruck (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2005 – B 9a/9 VJ 1/04 R –, juris, Rz. 23).

§ 30 Abs. 14 Buchst. a BVG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene BSchAV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der BSchAV vom 16. Januar 1991 (BGBl I S. 136) verweist in ihrem § 2 Abs. 1 Satz 2 für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens auf § 7 BSchAV, wenn die Schädigung vor Abschluss der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist. Im Falle der Klägerin ist die Schädigung durch die anerkannten Angriffshandlungen in den Jahren 1990/91 und 1994/95 bereits vor Abschluss der Schulausbildung eingetreten, selbst wenn auf den Abschluss der Haus- und Landwirtschaftsschule M1 mit Erreichen des Realschulabschlusses im Jahre 1996 abgestellt wird und nicht auf den Erwerb der Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg an der Beruflichen Schule in B2 im Jahre 2006 abgestellt wird. Dass der Beklagte mit Bescheid vom 24. Juni 2016 eine Schädigung durch die Mutter auch vor dem 1. Januar 1990 und damit insgesamt einen Zeitraum von 1985 bis 1993 anerkannt hat, führt deshalb zu keiner anderen Beurteilung, da die Schädigung damit immer noch vor Abschluss der Schulausbildung eingetreten ist.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 5 BVG vom 29. Juni 1984 (BGBl I S. 858) ist das Durchschnittseinkommen nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu ermitteln, wenn Beschädigte infolge einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung in ihrem beruflichen Werdegang behindert sind. Hierbei handelt es sich um eine von den allgemeinen Einstufungsregeln abweichende Sondervorschrift, die, wenn wie vorliegend ihre Anwendbarkeit feststeht, als abschließende Regelung allein maßgeblich bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1998 – B 9 V 14/97 R –, SozR 3-3642 § 7 Nr. 1, S. 3). Die Eingruppierung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV nach ihrer Veranlagung und ihren Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung ihrer Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse der Beschädigten, vorzunehmen. Durchschnittseinkommen ist nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV zumindest das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, vom vollendeten 45. Lebensjahr an A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 (Anlage V), bei vermutlichem Abschluss einer Mittelschul- oder gleichwertigen Schulausbildung das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen, bei einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des gehobenen Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen und Hochschulausbildung (§ 3 Abs. 5 Satz 2) das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen. Der Berufsschadensausgleich ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 BSchAV frühestens nach dem vermutlichen Abschluss der beruflichen Ausbildung zu gewähren.

Zwar trifft es zu, dass die BSchAV zum 1. Juli 2011 neu gefasst worden ist und die Regelungen zu Schädigungen vor dem Abschluss der Berufsausbildung nunmehr in § 5 BSchAV abweichend geregelt sind. Hierauf kommt es vorliegend jedoch deshalb nicht an, weil die Klägerin den Antrag vor dem 30. Juni 2011 gestellt hat und deshalb die bis dahin geltende Rechtslage anwendbar bleibt (vgl. oben). Es kann deshalb auch dahinstehen, dass § 5 Satz 1 Nr. 3 BSchAV in der aktuellen Fassung eine andere Differenzierung vornimmt, sodass die Durchschnittseinkommen nach § 3 Abs. 1 BSchAV aktueller Fassung nach anderen Besoldungsgruppen zu ermitteln sind, insbesondere auch ein Fachhochschulabschluss nunmehr ausdrücklich genannt und gesondert bewertet wird.

Dementsprechend bestimmt die Übergangsvorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 BVG (vgl. zu deren Verfassungsmäßigkeit ausführlich: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. August 2018 – L 10 VE 4/16 –, juris, Rz. 33 ff.; Hansen, jurisPR-SozR 24/2018 Anm. 4), dass wenn der Berufsschadensausgleich vor dem 1. Juli 2011 beantragt worden ist, zum 30. Juni 2011 der Betrag des jeweiligen Vergleichseinkommens festgestellt und dann jährlich mit dem in § 56 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Vomhundertsatz angepasst wird. Die Gesetzesbegründung weist zu der Übergangsvorschrift darauf hin, dass mit der Regelung das maßgebliche Vergleichseinkommen betragsmäßig festgestellt und dann zukünftig jährlich mit dem gleichen Vomhundertsatz wie die Rentenleistungen nach dem BVG – und damit mit demselben Anpassungssatz wie die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung – angepasst werden (vgl. BT-Drs. 17/5311, S. 23). Dass die Anpassungen nach der Übergangsvorschrift somit nicht mehr an der Entwicklung der Vergleichseinkommen teilnehmen, sondern nach dem im BVG überwiegend geltenden Mechanismus angepasst werden (vgl. Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 87 Rz. 1), unterstreicht gleichzeitig, dass es für die Feststellung des Vergleichseinkommens auf den Stichtag (30. Juni 2011) ankommt und nachträgliche Änderungen nicht zu berücksichtigen sind.

Der Beklagte hat daher zu Recht das Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 7 zum 30. Juni 2011 festgestellt und dieses – erstmals zum 1. Juli 2011 – nach dem damaligen Erhöhungssatz von 0,99 % angepasst.

Die – nachträgliche – Prognose des Beklagten, dass die Klägerin vermutlich nicht den Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) erreicht hätte, ist zur Überzeugung des Senats auch weiterhin nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Ausführungen in der vorangegangenen Entscheidung, die das SG in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung auszugsweise wiedergegeben hat, Bezug. Sachgerechte Prognosen beruhen auf den erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung, sodass Grundlage der Prognose nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbare Umstände sein können (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2016 – B 6 KA 20/15 R –, juris, Rz. 24). Die Prognose bezieht sich vorliegend auf den hypothetischen Schulabschluss, für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte und stimmt daher mit der Wirklichkeit nicht überein, sodass sie auch nicht durch die Wirklichkeit, sondern allein durch die Fehlerhaftigkeit der Schlussfolgerung widerlegt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 1989 – 9 RV 40/88 –, juris, Rz. 16).

Solche fehlerhaften Schlussfolgerungen liegen nicht vor, insbesondere begründet der wiederholte Hinweis der Klägerin, dass sie die Fachhochschulreife erlangt und zwischenzeitlich ein Fachhochschulstudium abgeschlossen hat, solche nicht. Der Senat hat bereits in der vorangegangenen Entscheidung dargelegt, dass die Klägerin nur eine Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen erworben hat, aber eben keine allgemeine Hochschulreife. Dementsprechend hat sie – zwischenzeitlich – auch nur ein Studium an einer Fachhochschule abgeschlossen, aber eben kein Hochschulstudium im Sinne der Vorschriften. § 7 BSchAV in der hier maßgebenden Fassung hat aber nur zwischen einer Mittelschulausbildung, der Reifeprüfung und einer Hochschulausbildung differenziert, während die Neufassungen in §§ 3 und 5 BSchAV nunmehr auch einen Fachhochschulabschluss berücksichtigen, wobei das Vergleichseinkommen nach Besoldungsgruppe A 11 immer noch niedriger angesetzt wird, als das für Beschädigten mit Hochschulabschluss (A 14). Der Fachhochschulabschluss wird damit auch nach geltendem Recht einem Hochschulabschluss nicht gleichgestellt, dementsprechend konnte und kann auch eine Fachhochschulreife nicht mit der allgemeinen Hochschulreife gleichgesetzt werden. Daraus, dass der Gesetzgeber nunmehr eine andere Differenzierung und andere Anknüpfungspunkte wählt, folgt keine andere Beurteilung. Die Vorschriften des BVG über den Schadensausgleich regeln einen Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, in dem der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden besonders weitgehenden Gestaltungsfreiheit in weitem Umfang zum Erlass typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt ist. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass bei der Gewährung des Schadensausgleichs der Gesichtspunkt der individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierenden und pauschalierten Schadensausgleichs zurücktreten muss (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 14. Mai 1969 – 1 BvR 615/67 –, juris, Rz. 39). Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit § 87 BVG eine Übergangsvorschrift geschaffen und damit klargestellt, für welche Fälle die Neuregelungen einschlägig sein sollen (vgl. oben).

Daneben hält der Senat daran fest, dass aus dem durch die Testungen wohl festgestellten IQ von 122 allein nicht auf ein besonderes schulisches Leistungsvermögen geschlossen werden kann, zumal sich ein solches in den Ergebnissen der erreichten Abschlüsse nicht widerspiegelt. Vielmehr können sich hieraus nur Anhaltspunkte auf das Potential des Geschädigten geben, welches nicht im Wege des Berufsschadensausgleichs zu entschädigen ist.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass in der vorangegangenen Entscheidung die berufliche und soziale Stellung der Eltern der Klägerin schon nur als ergänzendes Indiz, nicht aber als tragender Gesichtspunkt, gewertet worden ist, deren Heranziehung aber von den anzuwendenden Rechtsvorschriften (§ 7 BSchAV a. F.) ausdrücklich normiert wurde und daher, entgegen der Auffassung der Klägerin, keine Fehlerhaftigkeit der Prognoseentscheidung zu begründen vermag.

Die Wertung des Senats im vorangegangen Urteil, dass die Schädigung nicht kausal für den beruflichen Werdegang gewesen ist, sondern die beschriebenen Einschränkungen die Klägerin nicht gehindert hätten, mittels Fernschule die allgemeine Hochschulreife zu erwerben, wird dadurch untermauert, dass es die Klägerin zwischenzeitlich geschafft hat, mittels genau einer solchen Fernschule einen Fachhochschulabschluss zu erreichen. Hierauf kommt es im Hinblick auf den maßgebenden Zeitpunkt und die zu treffende Prognoseentscheidung indessen nicht entscheidungserheblich an.

Soweit in dem überprüften Bescheid der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 2011 nur mit 779,00 €, statt der – zutreffend – errechneten 799,00 € gewährt worden ist, verhilft dies dem Antrag nach § 44 SGB X nicht zum Erfolg. Der Überprüfungsantrag ist nämlich erst am 3. Dezember 2018 gestellt worden (vgl. den Vergleich im SG-Verfahren), sodass einer Nachzahlung der Differenz von 20,00 € die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht, wonach Leistungen nur für einen Zeitraum von vier Jahren rückwirkend erbracht werden. Allein hieraus ergibt sich deshalb kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VS 5036/15 –, juris, Rz. 54 m. w. N.). Auswirkungen auf die Anpassung der Leistungen folgen hieraus nicht, da der Beklagte mit dem Bescheid schon ab 1. Juli 2011 die Leistungen zutreffend festgesetzt hat.

Nachdem somit das Vergleichseinkommen zutreffend festgestellt worden ist, konnte auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben. Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.



 

Rechtskraft
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