1) Zur Annahme einer Unterschenkelvenenthrombose als Impfkomplikation (Primärschädigung) infolge einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff (Impfung gegen Covid 19).
2) Die gesundheitliche Schädigung als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, muss neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im Vollbeweis nachgewiesen sein (Fortsetzung der st. Rspr. des Senats).
3) Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Impfung und einer Impfkomplikation bzw. einem Impfschaden ist ein Nachweis fehlender konkurrierender Ursachen nicht ausreichend.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) streitig.
Der 1968 geborene Kläger wurde am 03.07.2021 mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) gegen Covid 19 geimpft; es wurde der Impfstofftyp SARS-CoV-2-mRNA vaccine verwendet. Dabei handelt es sich um die Erstimpfung gegen Covid 19, diese wurde im Impfzentrum L durchgeführt. Aus den Unterlagen geht u.a. hervor, dass der Kläger am linken Oberarm mit einer Impfdosis von 30 Mikrogramm geimpft worden ist.
Am 20.09.2021 stellte der Kläger beim Beklagten Antrag auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens wegen einer Unterschenkelvenenthrombose rechts 5 bis 6 cm, nahezu lumenausfüllend ohne Fluss und fehlende Kompressibilität - dreimonatige Antikoagulation und Tragen Kompressionsstrumpf, Schmerzen beim Auftreten und Laufen, D-Dimere-Erhöhung und rechte Seite Lungenschmerzen.
Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass sich der Kläger am 16.07.2021 beim Klinikum L vorgestellt und angegeben hatte, seit vier Tagen Schmerzen in der rechten Wade zu haben. Im Klinikum, Abteilung für Innere Medizin, wurde laut Befundbericht vom 16.07.2021 eine Unterschenkelvenenthrombose rechtsseitig diagnostiziert.
In dem Befundbericht der Internistin Dr. P vom 19.07.2021 wurde festgestellt, dass ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung bestehe, auch wenn tiefe Beinvenenthrombosen nicht regelhaft als Nebenwirkung der Biontech-Impfung beschrieben worden seien. Hingegen riet die Internistin Dr. A (Attest vom 12.08.2021) von einer Zweitimpfung ab.
Aus den weiteren vom Beklagten ausgewerteten medizinischen Unterlagen geht hervor, dass der Kläger seit mehreren Jahren an Rückenbeschwerden im Bereich der LWS leidet und dass 2000 Beschwerden aufgetreten waren, die als Migräneanfall gedeutet wurden; für ein ischämisches Ereignis habe sich kein Anhalt gefunden (vgl. Klinikum N, Neurologie, 08.06.2000).
Der Verdachtsfall ("Impfkomplikation Unterschenkelvenenthrombose ab 13.07.2021") wurde am 20.08.2021 dem P1-Institut gemeldet.
Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Internisten und Rheumatologen Dr. H vom 23.05.2022, in der auf die Erkenntnisse des P1-Instituts verwiesen wurde, dass sich für den Impfstoff Comirnaty keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen ergebe und dass sich beim Kläger im Zusammenhang mit der Thrombose keine entsprechende Gerinnungsstörung, aber ein deutlich erhöhter Cardiolipin-IgM-Antikörper gefunden habe, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.06.2022 den Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass beim Kläger die Voraussetzungen für eine Beschädigtenversorgung nicht erfüllt seien; es wurde die versorgungsärztliche Stellungnahme wiedergegeben. Im Zusammenhang mit der Thrombose habe beim Kläger keine entsprechende Gerinnungsstörung, wie sie bei einzelnen Impfstoffen gefunden worden sei, nachgewiesen werden können.
Hiergegen erhob der Kläger am 30.06.2022 Widerspruch, der am 01.08.2022 von dem (damaligen) Bevollmächtigten des Klägers begründet wurde. Die Beschwerden hätten sich bereits wenige Tage nach der Impfung am 03.07.2021 eingestellt; da der Kläger jedoch den entsprechenden Zusammenhang mit der Impfung nicht erkannt habe, habe er wenige Tage zugewartet. Vor diesem Hintergrund sei das Vorliegen von Kausalität überaus wahrscheinlich. Die erlittene Gesundheitsschädigung sei bereits innerhalb der ersten sieben Tage nach der Schutzimpfung aufgetreten. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass sie zufällig und ohne Zusammenhang mit der Erstimpfung erfolgt sei. Der aufgestellten Behauptung des Beklagten, mit der Verabreichung des Impfstoffs gehe keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen einher, sei zu widersprechen mit Blick auf eine Printstudie der Universität Oxford. Zudem komme es nicht darauf an, ob es grundsätzlich eine signifikante Erhöhung von Thromboserisiken im Zusammenhang mit dem Impfstoff gebe; entscheidend sei vielmehr allein, ob der Kläger von der Verwirklichung eines entsprechenden Risikos betroffen sei. Seit der diagnostizierten Unterschenkelvenenthrombose leide der Kläger unter starken Rücken- und Lungenschmerzen. Im November 2021 sei dann doch eine Zweitimpfung mit dem Impfstoff von Biontech durchgeführt worden.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S (Internist und Kardiologe) vom 17.08.2022 wurde darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich eine sehr große Anzahl von Impfungen mit dem Comirnaty-Impfstoff überblickt werden könnte und vom P1-Institut in den sehr seltenen Meldungen über tiefe Beinvenenthrombosen nach stattgehabter Impfung (etwa vier Verdachtsmeldungen auf 1.000.000 Impfungen) kein Risikosignal für die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs gesehen werde. Auch in der Produktinformation zu dem Impfstoff sei die Beinvenenthrombose nicht als mögliche Nebenwirkung aufgeführt. Der Artikel der Universität Oxford, den der Bevollmächtigte des Klägers genannt habe, sei vorliegend ohne Belang, denn er berichte nicht über Beinve-nenthrombosen, sondern über das Risiko einer cerebralen Venenthrombose nach einer tatsächlichen Covid-19-Infektion im Vergleich zu Covid-19-Impfungen. Der Artikel beschäftige sich gerade nicht mit tiefen Beinvenenthrombosen als möglichen Impfschaden.
Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2022 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zwischen der geltend gemachten Unterschenkelvenenthrombose rechts und der Impfung vom 03.07.2021 könne kein ursächlicher Zusammenhang festgestellt werden. Die hierfür erforderliche Wahrscheinlichkeit sei nicht gegeben.
Am 21.10.2022 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben. Zur Begründung ist dargelegt worden, dass insbesondere vor dem Hintergrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung und dem Auftreten der Gesundheitsschädigung deutlich werde, dass der Kläger von der Verwirklichung des entsprechenden Risikos durch den Impfstoff betroffen sei. Es treffe nicht zu und werde bestritten, dass durch die Verabreichung des Impfstoffs "keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen einhergegangen wäre". Es ist angeregt worden, ein medizinisches Sachverständigengutachten gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen.
Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts hat das SG Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Im Befundbericht des Neurologen G vom 28.12.2022 ist die Diagnose einer zervikalen Bandscheibendegeneration mit Neuritis gestellt worden. Aufgrund der vorliegenden MRT-Untersuchungen und seiner Untersuchung sei die Diagnose einer Wurzelreizung, Wurzelkompression C6 auf der linken Seite gestellt worden. Im Befundbericht vom 09.01.2023 hat der Orthopäde und Chirurg Dr. T als klinische Befunde vom 17.08.2022 Schmerz rechts thorakal und dorsal, keine motorischen Defizite, Taubheit linker Daumen festgehalten. Als Diagnosen hat der Facharzt Unterschenkelthrombose, Zustand nach Zervikalneuralgie, Spinalkanalstenose Zervikothorakalbereich, Radikulopathie, zervikaler Bandscheibenschaden und Kompression von Nervenwurzel und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden gestellt.
Sodann hat das SG den Facharzt für Innere Medizin Dr. M mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachinternistischen Gutachten vom 09.04.2023, das auf der Untersuchung vom 04.04.2023 beruht, hat der Sachverständige die Angaben des Klägers geschildert, dass er wenig später nach dem Impftag Beschwerden im rechten Bein bemerkt habe. Dann habe der Kläger auch Beschwerden an der Lunge und im Thorax festgestellt, auch hier seien nachfolgend diagnostische Schritte unternommen worden. Hinweise auf eine Lungenembolie oder andere Lungenerkrankungen seien bisher nicht gefunden worden. Dennoch habe der Kläger berichtet, dass er seither unter erheblichen Beeinträchtigungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens leiden würde. Er könne seinen sportlichen Aktivitäten, wie z.B. Schwimmen oder auch Kraftsport, nicht mehr in vollem Umfang nachgehen. Auch leichte kognitive Einschränkungen habe er, so der Kläger, bemerkt. Die Konzentrationsfähigkeit habe abgenommen, leichte Beeinträchtigungen im Berufsleben seien die Folge gewesen. Zudem habe der Kläger bei ihm, so Dr. M, nach wie vor immer noch bestehende Beschwerden an der rechten Seite genannt; der Kläger habe z.B. auch die doch erheblichen Rückenschmerzen beschrieben. Sonst habe der Kläger keine wesentlichen Zusatzerkrankungen genannt, eine Herzerkrankung oder eine psychiatrische Erkrankung seien ihm nicht bekannt.
Nach wie vor beschreibe der Kläger immer noch Beschwerden am Rücken, die sich zumeist bei ungünstiger Körperhaltung (wie längerem Gehen, Stehen, Sitzen oder Liegen) deutlich verstärken würden und nach wie vor bestünden immer noch Schlafprobleme nachts aufgrund der unverändert bestehenden Rückenschmerzen. Der Kläger beschreibe eine Belastungsatemnot, er selbst sehe möglicherweise einen Zusammenhang mit der fehlenden sportlichen Aktivität. Andere Beschwerden habe der Kläger nicht genannt.
Dr. M hat als Diagnosen Zustand nach Beinvenenthrombose, Zustand nach Appendektomie und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit noch bestehendem Schmerzsyndrom am Rücken, vor allem rechtsseitig, gestellt.
Er, der Gutachter Dr. M, habe hinsichtlich der Lungen keinen pathologischen Befund erhoben. Die eingehenden Herz- und Kreislaufkontrollen hätten altersphysiologische Werte bestätigt. Bei der klinischen Untersuchung des Abdomens habe sich kein wesentlich auffälliger Befund ergeben. Auch im Rahmen der begleitend durchgeführten Laboruntersuchungen sei ein Normbefund erhoben worden. Bei der Überprüfung des Stütz- und Bewegungsapparats habe sich ebenfalls kein pathologischer Befund ergeben. An den Ex-tremitäten habe sich ebenfalls kein wesentlicher auffälliger Befund gefunden, keine Varikosis, keine venöse Insuffizienz etc. Entsprechendes gelte für die grob neurologische Überprüfung.
Zusammenfassend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass in einer Internetrecherche, wie bereits zuvor beschrieben, von Seiten des P1-Instituts keine Häufung von Thrombosen in Verbindung mit der Impfung festgestellt worden sei. Zum jetzigen Zeitpunkt bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, die bisher von zwei Orthopäden bestätigt worden seien, aber auch ein Neurologe habe bereits minimale Veränderungen bezüglich eines degenerativen Geschehens an den Foramina der Halswirbelsäule bestätigen können. Es müsse hier also davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger geschilderte Symptomatik doch eindeutig muskoskelettaler Ursache sei.
Es sei festzuhalten, so Dr. M, dass eine Beinvenenthrombose und eine jetzt geschilderten Beschwerdesymptomatik am Thorax zu keinem Zeitpunkt in Zusammenhang zu bringen sei. Insgesamt habe sich nach genauer Recherche der vorliegenden Unterlagen des P1-Instituts und auch des R-Instituts und der dem Gutachter vorliegenden Unterlagen zu keinem Zeitpunkt auch nur ein minimaler Ansatz gefunden, dass eine Beinvenenthrombose mit einer Impfung in Verbindung zu bringen wäre. Auch seien anhand der geschilderten Darstellungen mögliche Komplikationen nach Impfungen in einem so langen Zeitraum gar nicht mehr zu beachten gewesen.
In den Unterlagen des P1-Instituts seien nach Gabe des bivalenten Impfstoffes Comirnaty 63 sogenannte besondere Nebenwirkungen bzw. unerwünschte Reaktionen von besonderem Interesse beschrieben. Darunter seien lediglich zwei mit einer Thrombose und eine mit einer tiefen Venenthrombose gewesen. Derzeit seien weitere epidemiologische Studien am Laufen. Dennoch könne auch hier kein Zusammenhang einer Thrombose mit der stattgehabten Impfung und vor allem der daraus resultierenden jetzt geschilderten Beschwerdesymptomatik gefunden werden. Die Thrombose habe zu keinem Zeitpunkt Auswirkungen auf ein muskoskelettales thorakales Schmerzsyndrom gehabt. Daher könne der kausale Zusammenhang nicht hergestellt werden.
In Beantwortung der Beweisfragen hat der Sachverständige dargelegt, dass im direkten Anschluss an die Impfung (vom 03.07.2021) keine Gesundheitsstörung dokumentiert sei. Die sich später entwickelnde Beinvenenthrombose sei ca. eine Woche nach der Impfung dokumentiert und sei damit nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang zu erkennen.
Ein Gesundheitsschaden infolge der Thrombose bestehe heute nicht mehr. Heute bestünden an weiteren Gesundheitsstörungen bereits vorbekannte, degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparats (insbesondere der HWS). Somit sei aufgrund der Impfung eine nachweisbare Impfschädigung nicht eingetreten. Selbst eine Impfreaktion könne als solche nicht gesehen werden. Andere schädigungsunabhängige Umstände, die an der Entstehung der Thrombose ursächlich mitbeteiligt seien, könnten nicht nachgewiesen werden. Eine umfassende Diagnostik bezüglich einer Bluterkrankung hätte keinen pathologischen Befund erbracht und somit auch keinen Hinweis auf eine hämatologische Ursache einer Thrombose. Ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) sei nicht zu erkennen, da keine Schädigungsfolgen mehr bestünden. Ein GdS könne nicht gebildet werden. Die vom Kläger geschilderten heute bestehenden Beeinträchtigungen seien nicht ursächlich mit einer Impfung bzw. mit einer Beinvenenthrombose in Verbindung zu bringen.
Auf die gerichtliche Anfrage hin, ob die Klage aufrecht erhalten bleibe, hat der Kläger über seine Bevollmächtigte mitgeteilt, dass das vorliegende Gutachten nur als unbrauchbar bezeichnet werden könne, nachdem der Sachverständige gegenüber dem Kläger selbst deutlich gemacht habe, dass er in der hier streitgegenständlichen Materie keine besondere Expertise vorweisen könne und auch noch nie zuvor in diesem Zusammenhang ein Gutachten erstellt habe. Mit den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen habe sich der Sachverständige überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 11.05.2023 sind die Beteiligten über die geplante Entscheidung per Gerichtsbescheid informiert worden. Am 16.05.2023 hat der Beklagte mitgeteilt, gegen eine solche Entscheidung bestünden keine Bedenken. Der Kläger hat über seine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 25.05.2023 beantragt, durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG zu entscheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei nicht begründet. Im Falle des Klägers fehle es bereits am Nachweis einer dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, die mit der am 16.07.2021 festgestellten Beinvenenthrombose in ursächliche Verbindung gebracht werden könne. Die vom Kläger angegebenen nach wie vor bestehenden Beschwerden seien nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M nicht auf die (erfolgreich behandelte) Thrombose zurückzuführen, sondern folge am ehesten bereits vorbestehenden Abnutzungserscheinungen am Skelettsystem. Ein krankheitswertiger Befund auf internistischem Fachgebiet habe nicht erhoben werden können. Die Kompetenz des Sachverständigen stehe, so das Gericht, insoweit außer Frage. Anhaltspunkte dafür, dass orthopädische Leiden Folgen einer tiefen Beinvenenthrombose sein könnten, sehe das Gericht nicht. Das Gericht folge auch der Einschätzung von Dr. M, wonach die Beinvenenthrombose nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit Folge der Impfung sei. Zwar treffe es zu, dass nach Impfungen mit adenovirus-basierten Vektor-Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson in sehr seltenen Fällen Komplikationen in Form von Thrombosen an untypischen Stellen - z.B. in den Hirnvenen (Sinusvenenthrombosen) und der Milz - aufgetreten seien, bei denen ein Zusammenhang mit den genannten Impfungen hergestellt werden könne. Beim Kläger sei jedoch weder eine solche seltene Thrombose aufgetreten noch habe er einen der genannten Impfstoffe erhalten, sondern vielmehr einen mRNA-Impfstoff von Biontech-Pfizer. Für einen solchen lägen medizinische Erkenntnisse über derartige Komplikationen aber gerade nicht vor.
Am 06.07.2023 hat der Kläger über seine Bevollmächtigte beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Diese ist entsprechend des bisherigen Vortrags begründet worden. Für den Kläger stehe fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfung am 03.07.2021 und der erlittenen Gesundheitsschädigung gebe. Die Verwertung des vom SG eingeholten Gutachtens durch das Gericht erscheine überaus bedenklich. Der Sachverständige könne auf dem vorliegenden Gebiet keine besondere Expertise vorweisen. Dies gelte es nun nachzuholen.
Sodann hat der Senat die Internistin und Kardiologin Dr. L mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 30.12.2023 hat die Sachverständige die Angaben des Klägers am Begutachtungstag 29.11.2023 festgehalten, nach der Impfung habe er keine relevante systemische Reaktion verspürt, es habe lediglich die Impfstelle am Arm geschmerzt. In den nächsten Tagen habe der Kläger jedoch nach eigenen Angaben eine zunehmende Schwere und Schmerzen im Bereich der rechten Wade bemerkt, bis er fast nicht mehr habe auftreten können. Er habe sich dann im Krankenhaus L vorgestellt. Nach über doch längere Zeit bestehenden Beschwerden sei er nun von Seiten der Thrombose wieder beschwerdefrei. Etwa zeitgleich hätten sich aber, so die Angaben des Klägers, mit den Beinschmerzen wenige Tage nach der Impfung auch Schmerzen im Bereich des Rückens bzw. des rechten Lungenflügels entwickelt. Weiterhin habe er auch Schmerzen im unteren Drittel des Brustkorbs rechts, so dass er nachts oft aufwache. Wegen der Ein- und Durchschlafstörungen sei er nun schon ständig übermüdet und es bestünden Konzentrationsstörungen. Der Kläger habe u.a. angegeben, so Dr. L, nicht mehr joggen zu können, er könne auch kein Krafttraining mehr machen. Früher sei er gut zweimal in der Woche 2.000 m in 40 Minuten geschwommen, nun sei ihm Schwimmen nicht mehr möglich. Seit einem gewissen Abstand zur Impfung empfinde er nun auch etwa alle zwei Tage für zehn Minuten pfeifende Ohrgeräusche und ein Druckgefühl auf den Ohren. Er müsse sich dann ganz schnell entspannen, dann würden sich diese Probleme wieder lösen. Auch sein Namensgedächtnis habe sich erheblich verschlechtert. Er habe bisher immer ganz gesund gelebt und Sport gemacht. Die nun bestehenden Beeinträchtigungen, die ja in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten seien, seien Impffolgen.
Dr. L hat als Diagnosen eine akute passagere Sehschwäche 05/2000, Verdacht auf Migräne mit Aura (Differenzialdiagnose trans. zerebrale Durchblutungsstörung (TIA)) - nachfolgend keine anhaltenden Beschwerden und auch keine Migräne - sowie Tinnitus, wiederholte Entfernung von gutartigen Colonpolypen, rechtsthorakale Beschwerden am ehesten muskoskelettal bedingt und eine Unterschenkelvenenthrombose rechts Erstdiagnose am 16.07.2021 - nur vorübergehende Antikoagulation bei fehlendem Hinweis auf eine Thrombophilie (jetzt restlose Auflösung des thrombotischen Materials bis 26.10.2021, keine medikamentöse Therapie mehr erforderlich, keine Restbeschwerden im Beinbereich, aber Dekonditionierung, Anpassungsstörung) gestellt.
Hinsichtlich der Thrombose am rechten Unterschenkel sei doch festzustellen, dass von dieser keine anhaltende Beeinträchtigung zurückgeblieben sei, was der Kläger nun auch bei ihrer Begutachtung bestätigt habe.
Beeinträchtigt sei der Kläger bis jetzt noch anhaltend durch zeitgleich mit der Thrombose aufgetretene rechtsthorakale Schmerzen vor allem im Liegen, durch eine Verminderung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und auch durch eine psychische Beeinträchtigung. Bei den auftretenden Thoraxschmerzen im Rahmen einer Beinvenenthrombose bestehe zunächst immer der dringende Verdacht auf einer Lungenembolie. Hierfür habe sich beim Kläger jedoch kein Anhalt ergeben, nämlich weder laborchemisch noch in der Bildgebung noch in der Lungenfunktionsdiagnostik oder echokardiographisch. Mit Blick auf den Bericht des Orthopäden Dr. L1 hat die Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Angaben des Pulmologen Dr. S1 im Bericht vom August 2021 eindeutig gegen eine Veränderung durch eine abgelaufene Lungenembolie mit Infarktpneumonie nach Beinvenenthrombose sprechen würden. Hinweise für eine kardiale Ursache der den Kläger beeinträchtigenden Thoraxschmerzen gebe es nicht. Am ehesten sei von einer multoskelettalen Abnutzungserscheinung auszugehen.
Es spreche allerdings, so Dr. L, auch viel für eine psychische Überlagerung der Beschwerdesymptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung. Der Kläger sei deutlich erkennbar verunsichert, leide nun auch unter Tinnitus und Konzentrationsproblemen. Ihm fehle das Vertrauen zu seinem körperlichen Leistungsvermögen und er sehe sich nicht mehr in der Lage zu joggen etc. Dieses Schonverhalten führe seinerseits wieder zu einer weiteren Dekonditionierung mit Beeinträchtigung der physischen Leistungsfähigkeit.
Wegen des relativ engen zeitlichen Zusammenhangs sehe der Kläger eine Verursachung durch die Impfung. Bestätigt sehe er sich darin dadurch, dass keine andere der bekannten Ursachen erkennbar sei, weil es keinen Hinweis auf eine relevante Beeinträchtigung des Blutflusses durch eine Herzschwäche etc., keine Gefäßwandschädigung durch eine lokale Entzündung etc. und keine generelle genetisch bedingte oder erworbene Thrombophilie des Blutes gebe.
Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin könne die Überzeugung des Beklagten auch nicht bestätigt werden, es gäbe keine Hinweise darauf, dass Impfstoffe das generelle Thromboserisiko erhöhen würden. Der Kläger sei aber nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem mRNA-Impfstoff (Comirnaty) geimpft worden. Die Ursache für ein thrombotisches Geschehen nach einer Impfung mit einem Vektorimpfstoff sei so gut wie geklärt: Durch in dieser Impfstoffklasse - aber nicht in den mRNA-Impfstoffen - enthaltene adenovirale Antigene werde die Bildung von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4 ausgelöst, wodurch es zu einer Signalkaskade mit massiver Thrombozytenaktivierung komme (Vaccine-induzierte Immunogene Thrombozytische Thrombozytopenie - VITT). Bei dem Impfstofftyp, der beim Kläger verwendet worden sei, bestehe die Gefahr hierfür nicht. Es sei bei diesem Impfstofftyp in allen Studien kein über das generell zu erwartende Ausmaß hinaus vermehrtes Auftreten von Thrombosen beobachtet worden.
Weiter hat die Sachverständige dargestellt, dass ein zeitlicher Zusammenhang sicher generell ein potentieller Hinweis auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang sein könne, aber er belege einen solchen keineswegs mit ausreichender Wahrscheinlichkeit. So unbefriedigend dies "für die Betroffenen und ihr Kausalitätsbedürfnis" sein möge, es gebe in der Medizin immer wieder Phänomene, denen die Medizin keine Ursache zuordnen könne, wie z.B. das Auftreten eines Herzinfarkts zu einem bestimmten Zeitpunkt oder eines Bronchialkarzinoms bei Nichtrauchern auch ohne sonstige Risikofaktoren. Dies habe der Kläger aber ja bereits selbst bei seinen gesundheitlichen Problemen im Mai 2000 erlebt.
In Beantwortung der Beweisfragen des Senats hat Dr. L festgestellt, dass es beim Kläger außer vorübergehenden lokalen Schmerzen an der Impfstelle infolge der Impfung zu keinen körperlich, geistig und seelischen Reaktionen gekommen sei. Bei den vorübergehenden lokalen Schmerzen an der Impfstelle habe es sich um eine übliche vorübergehende Impfreaktion gehandelt. Die sehr umschriebene nachfolgend wieder völlig aufgelöste 5 cm lange Thrombose in der Vena tibialis posterior am rechten Unterschenkel stehe nach den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty von Biontech.
Auf das Gutachten hat der Senat die Sachverständige um ergänzende Stellungnahme zu der Frage der von ihr festgestellten Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit (unabhängig von der Thrombose etc.) gebeten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 27.01.2024 hat Dr. L darauf hingewiesen, dass die gewisse Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit gegenüber der früher weit überdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit in einer Dekonditionierung infolge eines verminderten Trainingszustands bestehe. Die körperliche Leistungsfähigkeit sei auch zum Zeitpunkt der Begutachtung keineswegs gegenüber der Altersgruppe des Klägers vermindert gewesen (so sei bei Abbruch der Belastung bei 125 Watt wegen empfundener allgemeiner Erschöpfung die Herzfrequenz erst maximal auf 105/Minute und der Blutdruck auf maximal 166,67 mmHg angestiegen, was noch keineswegs einer objektiven Ausbelastung entspreche). Es habe sich bei der eigenen Begutachtung wie auch bisher kein Anhalt für eine die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Organstörung, insbesondere nicht im Bereich des Herzens oder der Lunge ergeben, so die Sachverständige.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.02.2024 ist auf die geringen Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen worden. Darauf hat die Bevollmächtigte des Klägers am 27.02.2024 beantragt, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG zu entscheiden. Der Beklagte hat am 04.03.2024 das Einverständnis mit einer solchen Entscheidung erklärt.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 17.08.2023),
den Gerichtsbescheid des SG München vom 06.06.2023 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 02.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2022 zu verpflichten, dem Kläger ab Antragstellung Leistungen auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG im vorliegenden Klageverfahren beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Die erhobene Klage ist bereits unzulässig. Denn eine Klage, die wegen eines im Einzelnen bezeichneten schädigenden Ereignisses "auf Versorgung" gerichtet ist, wie hier ausdrücklich von der Bevollmächtigten des Klägers beantragt, ist unzulässig (vgl. die Urteile des BSG v. 02.10.2008 - B 9 VG 2/07 R - und v. 27.09.2018 - B 9 V 2/17 R). Die beanspruchte Leistung muss im sozialgerichtlichen Verfahren genau bezeichnet werden. Dies ist bei den Begriffen der "Entschädigung" und der "Versorgung" nicht der Fall, die keine bestimmte Leistung betreffen, sondern vielmehr alle nach dem BVG bzw. SGB XIV zur Verfügung stehenden Leistungen umfassen (vgl. die Urteile des BSG v. 02.10.2008 - B 9 VG 2/07 R - und v. 27.09.2018 - B 9 V 2/17 R.)
B. Allerdings hat die Berufung dessen ungeachtet keinen Erfolg, weil der Kläger entsprechend der zutreffenden Entscheidung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid keinen Anspruch auf Anerkennung eines Impfschadens und auf die Gewährung von Beschädigtenversorgung durch den Beklagten wegen der Impfung vom 03.07.2021 hat. Der Bescheid des Beklagten vom 02.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen hierfür sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, fehlt es vorliegend sowohl an einer Primärschädigung ("Impfkomplikation") als auch an der Schädigungsfolge ("Impfschaden") als zweites und drittes Glied der dreigliedrigen Kausalkette im Sinne des Sozialen Entschädigungsrechts.
Zwar ist im Fall des Klägers eine Beinvenenthrombose nachgewiesen, die in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung vom 03.07.2021 aufgetreten ist. Diese Thrombose stellt jedoch keine Primärschädigung dar: Denn sie ist nicht Folge der Impfung gegen Covid-19. Auch die beim Kläger heute bestehenden ggf. länger anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind nicht mit der Beinvenenthrombose bzw. der Impfung in Verbindung zu bringen.
a. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG beurteilen sich Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Ansprüche nach dem Recht, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes gegolten hat, sofern nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas Anderes bestimmt (Grundsatz des intertemporalen Rechts, vgl. nur BSG, Urteil vom 26.11.1991 - 1 RK 22/91). Rechtsänderungen erfassen danach auch bereits begonnene, aber noch nicht vollendete Sachverhalte. Soweit keine besondere Übergangsregelung vorhanden ist, ist der Fall zeitabschnittsbezogen anhand sämtlicher Gesetzesfassungen zu prüfen, die sich seit dem ersten Entstehen des Anspruchs in Kraft befunden haben (BayLSG, Urteil vom 11.07.2017 - L 15 VJ 6/14).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der zum Zeitpunkt der vorliegenden Antragstellung geltenden Fassung vom 28.05.2021 erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die (1.) von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, die (1a.) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgenommen wurde, die (2.) auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, die (3.) gesetzlich vorgeschrieben war oder die (4.) auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. § 60 IfSG in der Fassung vom 12.12.2023 hat eine Änderung im Wesentlichen lediglich bzgl. des Zusatzes erfahren, dass auch Schutzimpfungen von Personen, die in der privaten Krankenversicherung versichert sind, erfasst sind, die in einem Umfang vorgenommen werden, der dem Anspruch auf Basis einer Rechtsverordnung nach § 20i Abs. 3 SGB V entspricht.
Vorliegend ist nicht § 24 SGB XIV einschlägig. Gemäß § 141 Satz 1 SGB XIV, der eine Übergangsvorschrift zur Lösung des Konflikts zwischen der alten Regelung des Impfschadensrechts in § 60 IfSG und der Neuregelung in § 24 SGB XIV darstellt, erhalten Personen, die wie der Kläger vor dem Inkrafttreten dieses Buches am 01.01.2024 geschädigt worden sind, Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 60 IfSG in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung erfüllt waren.
Nach § 2 Nr. 11, 1. Halbsatz IfSG in der bis 31.12.2023 unverändert geltenden Fassung vom 20.07.2000 ist der Impfschaden definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Die Anerkennung als Impfschaden setzt eine dreigliedrige Kausalkette voraus (BSG, Urteil vom 25.03.2004 - B 9 VS 1/02 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 3/13 R): Ein schädigender Vorgang in Form einer "Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe", der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllt (1. Glied), muss zu einer "gesundheitlichen Schädigung" (2. Glied), also einem Primärschaden in Form einer Impfkomplikation geführt haben, die wiederum den "Impfschaden", d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden (3. Glied) bedingt.
Diese drei Glieder der Kausalkette müssen - auch im Impfschadensrecht - im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - und vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R; BayLSG, Urteil vom 25.07.2017 - L 20 VJ 1/17; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014 - L 1 VE 12/09; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.2016 - L 13 VJ 19/15). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist jedoch ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R) und somit eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92).
Zwar hat der erkennende Senat in seiner früheren Rechtsprechung auf das Erfordernis des Vollbeweises in Bezug auf den Primärschaden (vorübergehend) verzichtet (vgl. das Urteil des Senats vom 31.07.2012 - L 15 VJ 9/09). Diese Rechtsprechung hat der Senat vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch bereits mit Urteil vom 26.03.2019 - L 15 VJ 9/16 - ausdrücklich aufgegeben (vgl. auch das Urteil des Senats vom 02.07.2019 - L 15 VJ 4/16).
Das Erfordernis eines Vollbeweises in Bezug auf alle drei Glieder der Kausalitätskette entspricht auch der Rechtsprechung des BSG im wesensverwandten Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch dort muss der unmittelbar nach dem schädigenden Vorgang vorliegende Gesundheitsschaden (sog. "Erstschaden") im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein (vgl. nur Urteile des BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - und B 2 U 23/11 R; BayLSG, Urteil vom 25.07.2017 - L 20 VJ 1/17).
Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen den drei Gliedern der Kausalitätskette folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 23.11.1977 - 9 RV 12/77, vom 08.05.1981 - 9 RV 24/80, vom 20.07.2005 - B 9a V 1/05 R - und vom 18.05.2006 - B 9a V 6/05 R). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalkette reicht nach § 61 Satz 1 IfSG der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus. Die Beweisanforderung der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität zwischen dem ersten und dem zweiten Glied der Kausalitätskette als auch für den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem zweiten und dem dritten Glied (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Die vom BSG früher vertretene Rechtsauffassung, dass für die haftungsbegründende Kausalität ebenfalls der Beweismaßstab des Vollbeweises zu fordern wäre (so BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RV 31/90), hat das BSG inzwischen längst ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R).
Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77), also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981 - 9 RVi 5/80, vom 26.06.1985 - 9a RVi 3/83, vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84, vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R - und vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 26.11.1968 - 9 RV 610/66, und vom 07.04.2011, a.a.O.).
Kann eine Aussage zu einem wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kann-Versorgung gemäß § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 61 S. 2 IfSG in Betracht.
Lässt sich der Vollbeweis in Bezug auf die drei Glieder der Kausalitätskette nicht führen oder der Ursachenzusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalitätskette nicht wahrscheinlich machen und auch über die Kann-Versorgung nicht herstellen, so geht die Nichterweislichkeit der Tatsache bzw. des Ursachenzusammenhangs nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs hierauf stützen will, vorliegend also zu Lasten des Klägers (s. auch unten).
b. Ausgehend von diesen Grundsätzen, kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass beim Kläger ein Impfschaden vorliegt. Vorliegend fehlt es am Nachweis einer Primärschädigung als zweites Glied der dreigliedrigen Kausalkette. Auch ist eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also ein Folgeschaden (Impfschaden), nicht gegeben.
aa. An dem Erfordernis einer Primärschädigung ist nach der ständigen jüngeren Rechtsprechung des Senats festzuhalten (s.o.). Insbesondere ist es nicht Aufgabe der Gerichte, hier zur Erleichterung des Zugangs zu Sozialen Entschädigungsleistungen für Impfschäden entgegen der gesetzlichen Systematik des Sozialen Entschädigungsrechts von geminderten Voraussetzungen auszugehen. Hier in dem genannten Sinne Abhilfe zu schaffen, wäre Aufgabe des Gesetzgebers. Einem solchen Ansinnen ist der Gesetzgeber jedoch gerade nicht gefolgt und hat bei der Fassung des ab 01.01.2024 geltenden § 24 SGB XIV an der bisherigen eingrenzenden Systematik (sowie auch an den Begrifflichkeiten des IfSG) ohne inhaltliche Änderung festgehalten und sie ins neue Soziale Entschädigungsrecht übertragen (vgl. z.B. Karl, in: Schmidt, SGB XIV, § 24, Rn. 64 ff.). Das Vorliegen der Primärschädigung muss (nach wie vor) positiv im Vollbeweis festgestellt werden (vgl. Karl, a.a.O., Rn. 70, m.w.N.).
Dieser Nachweis ist im Fall des Klägers nicht erbracht.
Vorliegend kann nicht die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen einer Primärschädigung (eines "Impfschadens") zweifeln würde im Sinne des notwendigen Vollbeweises. Vielmehr spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nichts für die Annahme einer Primärschädigung.
bb. Eine Primärschädigung (in Form einer Impfkomplikation) ist vorliegend nicht ersichtlich. Es steht fest, dass die vorübergehenden lokalen Schmerzen an der Impfstelle als insoweit unbeachtliche übliche Impfreaktionen anzusehen sind, wie dies auch für z.B. kurzzeitige Rötungen, Schwellungen oder Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle, kurzzeitiges Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder Unwohlsein gilt (vgl. z.B. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XIV, 2. Aufl., § 24 SGB XIV, Stand: 09.01.2024, Rn. 31).
Zwar ist unbestritten, dass beim Kläger eine Beinvenenthrombose bestanden hat, die in einem gewissen - durchaus relativ engen - zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung vom 03.07.2021 aufgetreten ist. Diese stellt jedoch keine Primärschädigung dar: Denn sie ist nicht Folge der Impfung des Klägers gegen Covid-19. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang im o.g. Sinne ist nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77, vom 19.08.1981 - 9 RVi 5/80, vom 26.06.1985 - 9a RVi 3/83, vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84, vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R - und vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R).
Allein ein gewisser zeitlicher Zusammenhang ist in keinem Fall einer möglichen Impfschädigung für die Annahme einer Kausalität ausreichend (vgl. Teil C Nr. 3c Versorgungsmedizinische Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Wie im vorliegenden Fall von der beauftragten Sachverständigen Dr. L ausdrücklich hervorgehoben worden ist, kann eine zeitliche Nähe zwischen der Impfung und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen zwar einen potentiellen Hinweis auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang darstellen, er kann jedoch generell und auch vorliegend einen solchen per se nicht belegen. Denn für die Annahme einer auf die Impfung zurückzuführenden Primärschädigung ist die Erfüllung mehrerer Kriterien im Rahmen einer detaillierten Prüfung erforderlich (vgl. für Viele z.B. Karl: in Schmidt, SGB XIV, 1. Aufl. 2021, § 24, Rn. 70 ff.).
Es reicht auch nicht aus, dass vorliegend entsprechend der Annahme des Klägers wohl keine andere der bekannten Ursachen für eine Beinvenenthrombose im Raum stehen dürfte, weil es keinen Hinweis auf eine relevante Beeinträchtigung des Blutflusses durch eine Herzschwäche, keine Gefäßwandschädigung durch eine lokale Entzündung und keine generelle genetisch bedingte oder erworbene Thrombophilie des Blutes o.ä. geben dürfte. Denn ein Rückschluss, dass daher nur die Impfung in Betracht käme, ist unzulässig; ein Nachweis fehlender konkurrierender Ursachen ist nicht ausreichend (vgl. z.B. das Urteil des LSG Hessen vom 02.11.2017 - L 1 VE 29/13; Meßling, in: Knickrehm/ Rademacker, SGB XIV, 1. Aufl. 2022, § 24, Rn. 109).
Im Übrigen ist diese Fallkonstellation für den Bereich des Impfschadensrechts nach dem IfSG/SGB XIV nicht untypisch. Denn gerade hier "stehen oft Erkrankungen im Raum, die in einem mehr oder weniger weiten zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung aufgetreten sind, für die es aber schwer ist, eine Erklärung zu finden, entweder weil die Ursache der Erkrankung an sich schwer oder kaum zu klären ist oder weil für die Auslösung der Erkrankung auch andere Ursachen außerhalb der Impfung denkbar sind" (Urteil des BayLSG v. 25.07.2017 - L 20 VJ 1/17). Für die Annahme des Klägers, der in Bezug auf beide Aspekte einen Zusammenhang annimmt, was auch aufgrund eines generell bestehenden Bedürfnisses nach einem erklärenden Kausalzusammenhang grundsätzlich nachvollziehbar ist ("Vermutung des Nichtzufälligen im Zufall" durch den Menschen, vgl. illustrativ hierzu Illinger, Süddeutsche Zeitung v. 13.05.2019, S. 1, Lotto, endlich menschlich), hat der Senat daher auch in gewisser Weise Verständnis. Sie berücksichtigt jedoch nicht die bindenden rechtlichen Vorgaben und logisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse.
Die erforderliche Kausalität in dem oben näher geschilderten Sinn ist vorliegend nicht gegeben. Dies folgt aus der Beweisaufnahme, insbesondere aus dem plausiblen Sachverständigengutachten von Dr. L und im Übrigen auch aus dem Sachverständigengutachten, das vom SG eingeholt worden ist. Die Sachverständigen haben die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen vollständig erfasst und unter Beachtung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben (und u.a. auch der VG) zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich die Feststellungen der genannten Sachverständigen nach eigener Prüfung zu eigen.
So gibt es entsprechend der plausiblen Darlegung der Sachverständigen Dr. L durchaus Hinweise darauf, dass Impfstoffe das generelle Thromboserisiko erhöhen. Dies hat sie anschaulich dadurch erläutert, dass die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach Covid-19-Impfungen vor allem in hierfür ungewöhnlichen Venen - insbesondere dem Sinus venosus im Hinterkopf und dem Splanchnicusgebiet im Abdomen - auf der Auslösung der Bildung von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4 durch speziell in den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca-Vaccephrin) enthaltenen adenoviralen Antigenen beruhen. Hierdurch kann eine Signalkaskade ausgelöst werden, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führt mit einerseits Thrombenbildung und andererseits Thrombozytenmangel im Blut mit Blutungsneigung (VITT). Wie die Gutachterin aber plausibel dargelegt hat, ist beim Kläger eine derartige Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern gegen Thrombozytenfaktor 4 und Thrombozytenmangel nicht nachgewiesen worden. So hat eine normale Thrombozytenzahl bestanden. Vor allem hat die Sachverständige auch überzeugend dargestellt, dass eine solche Konstellation beim Kläger auch nicht zu erwarten gewesen ist. Denn dieser ist nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem mRNA-Impfstoff (von Biontech) geimpft worden. Dr. L hat nachvollziehbar festgestellt, dass nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff eine derartige thrombogene Konstellation so gut wie nie beobachtet worden ist. Sie hat den im Raum stehenden kausalen Zusammenhang in zwei untergeordneten Ausnahmefällen (dem P1-Institut gemeldeten Fällen mit VITT nach einer mRNA-Impfung) aufgezeigt und klargestellt, dass ein solcher kausaler Zusammenhang bei diesen einzigen Fällen aus anderen Gründen ausgeschlossen hat werden können. Nach den plausiblen Feststellungen der Sachverständigen gibt es für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung.
cc. Zudem ist beim Kläger keine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (Folge-, d.h. Impfschaden) nachgewiesen.
Die Thrombose selbst kommt nicht als Impfschaden in Betracht, da sie unstreitig vollständig abgeheilt ist. Es sind keine Restbeschwerden verblieben.
Dauerhafte gesundheitliche Schädigungen, die auf die Beinvenenthrombose oder eine sonstige Primärschädigung zurückzuführen wären, bestehen nicht.
Der Kläger leidet entsprechend der überzeugenden Feststellung von Dr. L an den oben bereits mehrfach dargestellten Gesundheitsstörungen. Beeinträchtigt ist der Kläger danach vor allem durch bis jetzt noch anhaltende, zeitgleich mit der Thrombose aufgetretene rechtsthorakale Schmerzen vor allem im Liegen, durch eine von ihm angenommene Verminderung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und auch durch eine psychische Beeinträchtigung. Wie die Sachverständige nachvollziehbar festgestellt hat, hat sich beim Kläger im Hinblick auf die aufgetretenen Thoraxschmerzen kein Anhalt für den Verdacht auf eine Lungenembolie ergeben, weder laborchemisch noch in der Bildgebung noch in der Lungenfunktionsdiagnostik oder echokardiographisch. Mit der Sachverständigen geht der Senat daher davon aus, dass sich die Schmerzen auf multoskelettale Abnutzungserscheinungen zurückführen lassen. Zusätzlich besteht entsprechend der plausiblen Darlegung durch Dr. L eine psychische Überlagerung der Beschwerdesymptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung. Wie sie dargelegt hat, leidet der Kläger deutlich erkennbar an Verunsicherung und auch unter Tinnitus sowie an Konzentrationsproblemen. Vor allem fehlt ihm auch das Vertrauen zu seinem körperlichen Leistungsvermögen. Sein Schonverhalten führt nun wiederum zu einer weiteren Dekonditionierung mit Beeinträchtigung der physischen Leistungsfähigkeit.
Für die genannten Gesundheitsstörungen ist entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme (vgl. die Darlegungen der beiden Sachverständigen) somit bereits keine Primärschädigung ersichtlich, auf die sie zurückgeführt werden könnten. Eine Primärschädigung wäre jedoch nach der Rechtsprechung des Senats unabdingbar für die Anerkennung als Impfschaden (siehe näher oben). Die Beinvenenthrombose stellt keinen solchen Primärschaden dar (siehe näher oben). Zudem wären die gesundheitlichen Störungen, die vom Kläger beklagt werden, auch nicht auf die Thrombose zurückzuführen. Dies ist insbesondere bei den - multosekelettal bedingten - thorakalen Schmerzen augenfällig. Für die vom Kläger beklagte verminderte körperliche Leistungsfähigkeit ist festzustellen, dass das Leistungsvermögen entsprechend der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 27.01. 2024 zum Zeitpunkt der Begutachtung keineswegs gegenüber der Altersgruppe des Klägers vermindert gewesen ist. Ein Anhalt für eine beeinträchtigende Organstörung hat sich bei der Begutachtung durch die Sachverständige nicht finden lassen. Dafür, dass (auch) die psychiatrische Komponente (inkl. Tinnitus) auf die Thrombose bzw. auf die Impfung zurückzuführen sein könnte, fehlt es an jeglichem Vortrag des Klägers und an jeglichen sonstigen Anhaltspunkten.
Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Impfschadens nach der sog. Kann-Versorgung gemäß § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 61 S. 2 IfSG liegen im Fall des Klägers nicht vor.
Eine Versorgung ist nach diesen Vorschriften mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Nach Teil C Nr. 4.2 VG ist eine Kann-Versorgung zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird.
Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Denn die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (vgl. BSG, SozR 3-3200 § 81 Nr. 9 m.w.N.). Es genügt nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, die insbesondere auf statistischen Erhebungen beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94), untermauert ist. Die Fakten müssen - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung - zwar (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94 - und vom 17.07.2008 - B 9/9a VS 5/06 R) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt. Es darf also nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen. Es muss sich vielmehr um eine "gute Möglichkeit" handeln, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94).
Wird eine solche Auffassung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit jedoch nicht infolge einer Ungewissheit. Vielmehr besteht in einem solchen Fall gerade Einigkeit, dass sich ein Kausalzusammenhang nicht begründen lässt (BSG Urteil vom 10.11.1993 - 9/9a RV 41/92; BSG, Beschluss vom 07.07.2022 - B 9 V 2/22 B).
Hiervon ausgehend scheidet die Kann-Versorgung im Fall des Klägers bereits deshalb aus, weil es in der wissenschaftlichen Literatur - nach den für den Senat überzeugenden ausdrücklichen Ausführungen von Dr. L - keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung gibt, die von einem Ursachenzusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen ausgeht. Auch der Kläger hat keine entsprechende Studie genannt. Allein der Umstand, dass ein Ursachenzusammenhang nicht für unmöglich gehalten wird, genügt nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen des BSG für die Kann-Versorgung nicht. Es fehlt insofern bereits an der Darlegung des medizinisch-biologischen Wirkmechanismus, um die Voraussetzungen einer Kann-Versorgung nach den Vorgaben des BSG zu bejahen.
Zudem kann die Kann-Versorgung zur Begründung eines Anspruchs freilich nichts beitragen, soweit ein dauerhafter Gesundheitsschaden gar nicht feststellbar ist.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG.