L 11 KR 456/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 414/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 456/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.01.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage verschiedene gerichtliche Feststellungen.

Die 1955 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.2005 als Bezieherin von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist ausgebildete Zahnarzthelferin und war in diesem Beruf bis zum 31.05.1979 tätig. In der Zeit vom 01.09.1979 bis 30.04.1995 war die Klägerin, unterbrochen von einer Zeit der Arbeitslosigkeit von Januar 1982 bis zum 13.10.1985, mit Bürotätigkeiten beschäftigt. Seitdem ist sie dauerhaft arbeitslos. Die Klägerin führte bereits zahlreiche gerichtliche Verfahren gegen verschiedene Versicherungsträger wegen verschiedener von ihr vorgetragener Erkrankungen und Beschwerden, welche sie auf einen Quecksilberunfall während ihrer Tätigkeit in einer Zahnarztpraxis zurückführt (wobei die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1102 [Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen] mangels Nachweises eines solchen Unfalls nicht erfolgte, vgl. Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg vom 19.06.2008, Aktenzeichen L 6 U 1540/06).

Mit Schreiben vom 13.06.2019 und 22.06.2019 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Nachweise, dass im Leistungskatalog der Krankenkasse vor 1992 Abrechnungspositionen zur Abrechnung von Positionen für Untersuchungen und Therapien von Schwermetallbelastungen vorhanden gewesen und dass diese nach 1992 aus dem Leistungskatalog der Krankenkasse herausgenommen worden seien.

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 18.06.2019 mit, dass sie keine Nachweise über Abrechnungspositionen vor dem Jahr 1992 bezüglich der Untersuchungen von Belastungen auf Schwermetallen habe. Sie könne sich hierfür ggfs. an die Kassenärztliche Vereinigung wenden.

Am 10.02.2021 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und wortwörtlich beantragt, festzustellen:

„Dass die Beklagte, B1, zuständig ist für Positionen zur Abrechnung des Arzt Gespräches zur Klärung der Untersuchungen auf Schwermetalle aus meiner früheren medizinischen Tätigkeit in der Praxis und andere Belastung und deren Behandlung.

Dass die Beklagte, B1, in ihren gesetzlichen Kassenleistungen die Schwermetalle, Leichtmetalle und andere Belastungen bis 1992 zu akuten Belastungen an Arbeitsplätzen und chronische Belastungen bis 1992 als Positionen zu Abrechnung des Arzt Gespräches enthielt. Nach 1992 bis heute im Leistungskatalog Positionen zur Abrechnung des Arzt Gespräches für chronische Belastungen von Schwermetallen und anderen Belastungen nicht mehr enthält. Dass in Folge auch Positionen zu Labor Untersuchungen + Therapie dazu nicht enthalten sind.“

Zur Begründung hat sie ausgeführt, es bestehe ein berechtigtes Interesse auf baldige Feststellung, da die Klage dazu dienen solle, eine Klage vor einem ordentlichen Gericht zu erheben. Als Mitglied der Beklagten habe sie einen Rechtsanspruch auf eine klare und konkrete Auskunft, ob die benötigten Leistungen im Katalog der Krankenkasse enthalten seien. Hintergrund sei ein Schreiben des Jobcenters H1, in welchem dieses ausführe, dass die von ihr benötigten Untersuchungen im Beitrag der Krankenkasse enthalten seien. Der Leistungskatalog der Beklagten habe bei akuten und chronischen Belastungen an Arbeitsplätzen bis 1992 Positionen zur Abrechnung von Arztgesprächen zur Klärung und Belastung von Schwermetallen enthalten, die der Leistungskatalog nun nicht mehr enthalte, weshalb die Laboruntersuchungen und Therapien hierzu auch nicht mehr enthalten seien. Die Klägerin hat zudem beantragt, ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren zu führen. Ihr sei aus einem Gespräch mit dem Ministerium und der Kassenärztlichen Vereinigung bekannt, dass ohne Anerkennung der Berufskrankheit seit 1992 für Folgeschäden, Auswirkungen und Nachschäden durch die Quecksilberbelastung an ihrem Arbeitsplatz die Krankenkasse für die medizinischen Untersuchungen und Therapien nicht mehr zuständig sei. Weiter hat sie beantragt, ihr zwei getrennte Ausdrucke von 1992 der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung schriftlich zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei unzulässig, da weder erkennbar sei, dass der Gegenstand der begehrten Feststellung unter § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) falle, noch, dass ein berechtigtes Feststellungsinteresse bestehe. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage Untersuchungen oder Behandlungen begehre, sei die Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage subsidiär.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2022 abgewiesen. Die erhobene Feststellungsklage sei unzulässig. Soweit die Klägerin die Feststellung durch das Gericht begehre, dass die Beklagte für Positionen zur Abrechnung von Arztgesprächen aufgrund von Schwermetallbelastungen zuständig sei, sei die Klage mangels eines zuvor durchgeführten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren unzulässig. Soweit die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehre, im Leistungskatalog der Beklagten seien bis 1992 Positionen zur Abrechnung von Arztgesprächen aufgrund von Schwermetallbelastungen enthalten gewesen und seit 1992 nicht mehr enthalten, sei die Klage aufgrund eines fehlenden konkreten feststellbaren Rechtsverhältnisses unzulässig. Es fehle außerdem an einem erforderlichen Feststellungsinteresse der Klägerin. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG könne die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig sei, begehrt werden. Die Feststellungklage erfordere grundsätzlich eine vorherige Verwaltungsentscheidung und die gegen sie gerichtete Anfechtungsklage. Regelfall sei also eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, nur in dieser Kombination sei die Feststellungsklage im Regelfall zulässig. Die Klägerin habe vor Erhebung der Klage weder ein Verwaltungs- noch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt, die Beklagte sei nicht zuvor mit der Frage ihrer Zuständigkeit für Positionen zur Abrechnung von Arztgesprächen durch die Klägerin befasst worden. Eine Entscheidung der Beklagten hierzu, insbesondere in Form eines feststellenden Verwaltungsaktes, gebe es nicht. Eine Ausnahme von dem Erfordernis eines durchgeführten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren liege nicht vor. So sei eine Feststellungsklage dann ausnahmsweise zulässig, wenn es der Klägerin nicht zuzumuten wäre, die Entscheidung der Behörde zunächst abzuwarten. Für eine Unzumutbarkeit einer Vorbefassung der Beklagten seien vorliegend jedoch keine Gründe ersichtlich. Mit der Feststellung, dass und ob gewisse Leistungen im Leistungskatalog der Beklagten vor 1992 vorhanden gewesen und nun nicht mehr vom Leistungskatalog umfasst seien, beantrage die Klägerin die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage, weshalb die Klage diesbezüglich ebenfalls unzulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG könne mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis verstehe man die Rechtsbeziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Gegenständen, die sich aus einem Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergebe. Eine Feststellungsklage sei nur zulässig, wenn ein konkretes Rechtsverhältnis in Streit stehe, also konkrete Rechte in Anspruch genommen oder bestritten würden, wenn also die Anwendung einer Norm auf einen konkreten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig sei. Zur Klärung abstrakter Rechtsfragen dürften Gerichte nicht angerufen werden.
Die Klägerin begehre die Feststellung reiner Rechtsfragen ohne einen erkennbaren nahen unmittelbaren Zusammenhang zwischen ihr und der Beklagten. Die von der Klägerin begehrte Feststellung ziele nicht auf die Feststellung von Rechten und Pflichten aus einem konkret erkennbaren Rechtsverhältnis ab; sie benenne keinen ausreichend konkreten Sachverhalt, der Anlass geben könnte, die von ihr aufgeworfenen Fragen im Wege der Feststellungsklage zu klären. Ohne Darlegung eines solchen konkreten Sachverhaltes begehre die Klägerin aber nicht die Feststellung von Rechten und Pflichten aus einem Rechtsverhältnis, vielmehr laufe ihr Begehren auf die gewünschte Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage hinaus. Demzufolge wolle sie hier lediglich abstrakt geklärt wissen, ob bestimmte Leistungen im Leistungskatalog der Beklagten vor 1992 vorhanden gewesen und danach nicht mehr im Leistungskatalog aufgeführt seien. Ein solches Begehren könne nicht mit der gerichtlichen Feststellungsklage verfolgt werden. Auch könne das Gericht kein Feststellungsinteresse erkennen. Sofern die Klägerin die Feststellung begehre, dass Positionen zur Abrechnung von Arztgesprächen zur Abklärung von Schwermetallbelastungen im Leistungskatalog der Krankenkasse vor 1992 enthalten gewesen seien, dürfte es sich ohnehin um ein vergangenes und beendetes Rechtsverhältnis handeln, insbesondere, da die Klägerin erst seit dem Jahr 2005 bei der Beklagten krankenversichert sei. Ein qualifiziertes Feststellungsinteresse könne das Gericht hierfür nicht erkennen. Sofern die Klägerin die Feststellung begehre, dass nach 1992 im Leistungskatalog der Krankenkasse solche Leistungen nicht mehr enthalten seien, weil sie diesbezüglich möglicherweise einen Anspruch auf diese Leistungen in Zukunft geltend machen wolle, fehle ihr für die Feststellung dieses etwaigen künftigen Rechtsverhältnisses und der daher dann vorbeugenden Feststellungsklage ebenfalls ein besonderes Feststellungsinteresse. Der Klägerin sei ein Abwarten einer Entscheidung der Beklagten zu einer konkret von ihr beantragten Leistung zumutbar. Die Anträge der Klägerin hinsichtlich eines Beweissicherungsverfahrens seien, sofern sie überhaupt die inhaltliche Qualität eines Antrages auf ein Beweissicherungsverfahren erreichten, jedenfalls unzulässig. Nach § 76 Abs. 1 SGG könne auf Gesuch eines Beteiligten die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn zu besorgen sei, dass das Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert werde, oder wenn der gegenwärtige Zustand einer Person oder einer Sache festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung habe. Gemäß § 76 Abs. 3 SGG gölten für das Verfahren die §§ 487, 490 bis 494 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Den Ausführungen der Klägerin sei weder zu entnehmen, für welches Beweismittel sie ein Beweissicherungsverfahren beantrage, noch in wie weit zu besorgen sei, dass dieses Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert würde. Das Begehren der Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 76 SGG, der Antrag auf ein Beweissicherungsverfahren sei daher abzulehnen. Soweit die Klägerin für sich „Amtshilfe“ des Sozialgerichts hinsichtlich der Übermittlung von Gesetzesauszügen fordere, sei dieser Antrag unzulässig. Amtshilfe könne nur direkt zwischen Behörden oder Gerichten erfolgen, vgl. § 5 SGG bzw. § 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Klägerin sei jedoch Naturpartei und keine Behörde im Gesetzesinne.

Hiergegen (sowie gegen die weiteren Entscheidungen des SG in den Verfahren S 11 KR 415/21, S 11 KR 416/21, S 11 KR 587/21, S 11 KR 588/21, S 11 KR 589/21, S 11 KR 590/21, S 11 KR 591/21, S 11 KR 592/21, S 11 KR 593/21, S 11 KR 594/21, S 11 KR 595/21, S 11 KR 596/21, S 11 KR 597/21, S 11 KR 613/21, S 11 KR 628/21 und S 11 KR 629/21) hat die Klägerin am 19.02.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung (sämtlicher soeben angeführter Berufungen) ausgeführt, es handele sich „nur um eine gesamte Klage, die in kleine Teilbereiche gestellt wurde“. Sie habe keine Anerkennung ihrer Berufskrankheit. Daher benötige sie einzelne Bescheinigungen der Krankenkasse, dass die genannten Leistungen im Katalog der Beklagten enthalten seien. Auch für Arztgespräche ohne Abrechnungsnummern dürften Ärzte privates Honorar fordern. Sie müsse bei den Sozialträgern den Nachweis erbringen, dass die Krankenkasse die Folgeschäden der Intoxikation nicht erbringe. Sie erhalte nicht die benötigten Behandlungen für Folgeschäden. Diese seien nach Auskunft ihres betreuenden Arztes nicht über sein Budget abrechenbar. Das SG habe keine Ermittlungen bei der Beklagten durchgeführt. Es bestehe ein Feststellungsinteresse. Sie habe bereits Verwaltungsverfahren durchgeführt, insbesondere auf Zahnersatz. Zudem habe sie 2019 und 2022 Anträge gestellt. Auch habe die Beklagte keine Verwaltungsbescheide ausgestellt, so dass sie keine Anfechtungsklage habe erheben können. Sie begehre die gerichtliche Feststellung, um über den Zivilprozess ihre Behandlung zu sichern. Es bestehe auch ein konkretes Rechtsverhältnis mit der Beklagten, da ihr kein Arzt für die Folgeschäden zur Verfügung stehe. Es gehe somit nicht um abstrakte Rechtsfragen. Auch bestehe ein Beweissicherungsinteresse.

Die Klägerin beantragt (wortwörtlich),

„1. alle Gerichtsbescheide des SG HN zur B1, Beklagte, welche als Anlage auf Seite 2 genannt werden aufzuheben,
2. an das Sozialgericht zurückzuweisen,
3. das Feststellungs-Interesse anzuweisen,
4. dass das Sozialgericht HN Amtshilfe erbringt,
5. damit die endgültige Feststellung des zuständigen Trägers festgestellt wird und
6. wer in Zukunft die medizinische Versorgung der Folgeschäden der Intoxikation mit Auswirkungen und Nachschäden ohne vorhandene Anerkennung der Berufskrankheit trägt bzw. zuständig ist, endgültig zu klären.“

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Die frühere Berichterstatterin des Senats hat in dem Verfahren (sowie in den Parallelverfahren L 11 KR 457/22 bis 472/22) am 25.04.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem die Klägerin zahlreiche Unterlagen vorgelegt hat. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Protokoll auf Bl. 107 ff. der Senatsakte verwiesen. Zudem hat die Klägerin in ihren Schreiben vom 08.07.2022, 05.09.2022, 07.09.2023, 09.09.2023, 10.09.2023, 11.09.2023, 12.09.2023, 14.09.2023, 15.09.2023 und 16.09.2023 weitere Ausführungen zum Sachverhalt gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.


I. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig.

II. Streitgegenständlich ist im Berufungsverfahren allein der von der Klägerin in dieser Instanz gestellte - zuletzt in der mündlichen Verhandlung wiederholte - Antrag, welchen die Klägerin wortgleich für alle siebzehn parallelen Verfahren formuliert hat und mit dem sie - nach sachgerechter Auslegung ihres Begehrens - eine Aufhebung der Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Heilbronn, die Zurückverweisung der Verfahren an das Sozialgericht Heilbronn, die „Anweisung“ des Feststellungsinteresses sowie die Verpflichtung des Sozialgerichts Heilbronn zur Erbringung von Amtshilfe zur endgültigen Feststellung des zuständigen Trägers der zukünftigen medizinischen Versorgung von Folgeschäden
durch Intoxikation bei fehlender Anerkennung einer Berufskrankheit begehrt.

III. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Deshalb kommt auch eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG nicht in Betracht.

Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das LSG die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Nr. 1) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Nr. 2). Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine fakultative Zurückweisung im Sinne der Nr. 1 sind erfüllt, wenn das Sozialgericht zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat, also dann, wenn es ein Prozessurteil gefällt, d.h. die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Ein Verfahrensmangel im Sinne der Nr. 2 liegt vor, wenn das Sozialgericht gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift verstoßen hat.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da das SG die Feststellungsklage der Klägerin zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht ersichtlich.

Mit einer Feststellungsklage kann nach § 55 Abs. 1 SGG begehrt werden
1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4. die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

Bei dem in § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG genannten Rechtsverhältnis muss es sich in der Regel um ein öffentlich-rechtliches handeln. Darunter versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen mehreren Personen oder zwischen Personen und Sachen, die sich aus der Anwendung einer Rechtsnorm auf das Verhältnis von mehreren Personen zueinander oder auf das Verhältnis einer Person zu einer Sache ergeben. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn konkrete Rechte in Anspruch genommen oder bestritten werden, wenn also die Anwendung einer Norm auf einen konkreten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl. 2020, § 55 Rn. 5). Die Klärung abstrakter Rechtsfragen ohne Bezug zu einem konkreten Sachverhalt kann nicht mit der Feststellungsklage verfolgt werden. Kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist somit die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Auskunft zu einer abstrakten Rechtsfrage (Scholz, in: BeckOGK 01.05.2023, SGG § 55 Rn. 34). Unabhängig von der Verdichtung und Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ist dieses auch nur dann feststellungsfähig, wenn zwischen den Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite fordern zu können (BSG 09.02.1995, 7 RAr 78/93, SozR 3-4427 § 5 Nr. 1, SozR 3-1500 § 55 Nr. 21, Rn. 26).

Die Zuständigkeitsklage in § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG wird schon durch Nr. 1 erfasst und hat lediglich klarstellende Funktion. Auch hier geht es stets um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl. 2020 § 55 Rn. 12; Scholz, in: BeckOGK 01.05.2023, SGG § 55 Rn. 43).

Vorliegend fehlt es für die von der Klägerin in der ersten Instanz gestellten Feststellungsanträge bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Die Klägerin begehrt vorliegend,
festzustellen, dass die Beklagte für Positionen zur Abrechnung eines Arztgespräches zur Klärung der Untersuchungen auf Schwermetalle aus ihrer früheren medizinischen Tätigkeit in der Praxis und andere Belastungen und deren Behandlung zuständig sei, sowie festzustellen, dass der Leistungskatalog der Beklagten bis 1992 bestimmte Positionen zur Abrechnung eines Arztgespräches für akute und chronische Belastungen mit Schwer- und Leichtmetallen enthalten habe und nun nicht mehr enthalte und demzufolge auch Positionen zu Laboruntersuchungen und Therapien hierfür nicht mehr enthalten seien.

Im Hinblick auf den ersten Feststellungsantrag der Klägerin erschließt sich bereits nicht, woraus sich eine „Zuständigkeit“ der Beklagten für die Abrechnung eines Arztgespräches überhaupt ergeben soll. Die Abrechnung von Gebührenpositionen durch den behandelnden Arzt nimmt dieser nach der Gebührenordnung für Ärzte vor (GOÄ), einer von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Rechtsverordnung, vor. Hierfür sieht die GOÄ unter B.I. Gebühren für allgemeine Beratungen und Untersuchungen, unter B.II. Zuschläge zu Beratungen und Untersuchungen nach Nummer 1, 3, 4, 5, 6, 7 oder 8 und unter B.III. Spezielle Beratungen und Untersuchungen vor. Eine Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten, welche Gebührenposition ihr behandelnder Arzt für ein Gespräch abrechnen kann oder darf, betrifft weder das Rechtsverhältnis zwischen den hier Beteiligten noch darüber hinaus eine konkrete Rechtsfrage. Denn die von ihr begehrte Feststellung bezieht sich auf eine unbestimmte und nicht bestimmbare Anzahl von Fällen und hat einen unbestimmten inhaltlichen Umfang; ihr fehlt mithin die erforderliche Beziehung zu einem konkreten Sachverhalt, der allein in der Lage wäre, ein feststellbares Rechtsverhältnis zu umgrenzen (BSG 13.11.1974, 6 RKa 35/73, SozR 2200 § 368e Nr. 1, Rn. 11).

Auch der weitere Feststellungsantrag über den Inhalt des Leistungskatalogs der Beklagten vor und nach 1992 zu Abrechnungspositionen des Arztgespräches betrifft eine solche abstrakte Rechtsfrage ohne konkreten Bezug zu einem konkreten Sachverhalt. Auch erschließt sich dem Senat nicht, inwieweit die Feststellung, dass bestimmte Positionen nicht mehr im Leistungskatalog der Beklagten enthalten seien, der Klägerin zu einem konkreten Anspruch verhelfen soll.

Mangels feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses kommt es auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - vorher durchgeführtes Verwaltungsverfahren, besonderes Feststellungsinteresse - nicht mehr an, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

Im Hinblick auf den von der Klägerin gestellten Antrag, das Sozialgericht Heilbronn zur Amtshilfe zu verpflichten, wird auf die zutreffende Begründung des SG verwiesen, wonach eine solche nur zwischen
Behörden oder Gerichten vorgesehen ist, und im Übrigen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

V. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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