L 7 SO 868/24 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 346/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 868/24 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 2024 abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für einen Schulbegleiter für die Zeit vom 14. März 2024 bis zum 24. Juli 2024, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, im Rahmen eines Persönlichen Budgets in Höhe von wöchentlich 600 Euro zu bewilligen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

 


Gründe

I.


Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen für eine Schulbegleitung des Antragstellers in Form eines persönlichen Budgets streitig.

Der 2008 geborene Antragsteller leidet an frühkindlichem Autismus, einer umschriebenen Entwicklungsstörung der Motorik sowie einer mittelgradigen Intelligenzminderung. Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts M1 vom 9. September 2022 wurde zur Erfüllung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung festgestellt, dass der festgestellte Anspruch ab dem 12. September 2022 an der W1schule Gemeinschaftsschule in H1 erfüllt wird (Bl. 97 Band V Verwaltungsakten).

Die Antragsgegnerin unterbreitete dem Antragsteller unter dem 26. Juli 2023 eine Zielvereinbarung für die Gewährung eines Persönlichen Budgets nach § 105 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. § 29 SGB IX (Bl. 207 Bd. V Verwaltungsakten) mit einer Geltungsdauer vom 1. Mai 2023 bis zum 24. Juli 2024. Als erforderliche Leistung zur Bedarfsdeckung war darin u.a. enthalten eine Schulbegleitung als Leistung der Teilhabe an Bildung an der W1schule durch eine Fachkraft im Umfang von 34,92 Zeitstunden pro Woche vom 11. September 2023 bis zum 24. Juli 2024 (Schuljahr 2023/24). Die Stunden setzten sich zusammen aus dem Stundenumfang gem. dem Stundenplan (33,58 Zeitstunden) zzgl. der Wegebegleitung von insgesamt 40 Minuten pro Tag (insg. 36,92 Zeitstunden) abzüglich der Pausen von 30 Minuten an vier Arbeitstagen mit je über sechs Zeitstunden Arbeitszeit und einem Stundensatz von 45 Euro je Zeitstunde. Die Bevollmächtigte des Antragstellers teilte der Antragsgegnerin darauf mit Schreiben vom 9. August 2023 mit (Bl. 217 Band V Verwaltungsakten), es hätten sich noch einige Änderungen ergeben. Zunächst werde um ersatzlose Streichung der Befristung aus der Zielvereinbarung gebeten. Die Eltern des Antragstellers hätten seit dem 1. Juli 2023 das Anstellungsverhältnis der Schulbegleitung übernommen. Die Kosten für die Schulbegleitung betrügen 3.212,41 Euro zzgl. Unfallversicherung bei der BG. Der Kostenanfall für das Schuljahr ab dem 11. September 2023 werde sich auf monatlich 4.714,20 Euro belaufen (45 x 34,92 h/Woche = 1.571,40 Euro pro Woche, d.h. bei 36 Wochen i.H.v 56.570,40 Euro). Da sich der Lohn aktuell auf ca. 3.300 Euro belaufe und die Supervision auf 1.200 Euro, komme im Monat ein Betrag i.H.v. 4.500 Euro zusammen. Eine Unterzeichnung der Zielvereinbarung erfolgte nicht.

Von der Antragsgegnerin übernommen wurden die Kosten für die Autismustherapie. Da die W1schule der Autismustherapeutin des Antragstellers den Zutritt zum Schulgebäude nicht erlaubte, erfolgte in der Folgezeit jedoch kein Schulbesuch des Antragstellers. Der Antragsteller wurde durch den Schulbegleiter im häuslichen Umfeld betreut. Die Kosten hierfür übernahm die Antragsgegnerin bis zum 28. Februar 2024 jeweils nachträglich (zuletzt mit Bescheid vom 13. März 2024 für die Monate Januar und Februar 2024 [Bl. 543 Bd. V Verwaltungsakten]).

Den am 16. Februar 2024 beim Sozialgericht Mannheim (SG) gestellten Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, dem Antragsteller vorläufig über den 29. Februar 2024 hinaus die Kosten für Schulbegleitungen und die diese Maßnahme begleitende Autismustherapie durch Frau K1 in gleichem Kosten- und Stundenumfang im Rahmen des Persönlichen Budgets, auch im häuslichen Umfeld, weiter zu gewähren und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen, hilfsweise auf Bewilligung eines Vorschusses gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), lehnte das SG mit Beschluss vom 29. Februar 2024 ab mit der Begründung, die Kosten für eine Schulbegleitung seien nicht zu übernehmen, da der Antragsteller die Schule nicht besuche und keine aus zwingenden Gründen notwendige bzw. zulässige Beschulung im häuslichen Umfeld durch Schulbegleitungen ersichtlich sei.

Gegen den dem Antragsteller am 4. März 2024 zugestellten Beschluss hat dieser am 4. März 2024 Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, indem die begehrte Fortsetzung der schulischen Integrationshilfe im häuslichen Bereich aufgrund des Zutrittsverbotes von Frau K1 in die W1schule mit der Begründung abgelehnt werde, dass die Vermittlung von Lernstoff, die Anwendung und Vermittlung von Lernmethoden sowie die entsprechende schulische Förderung des Beschwerdeführers Aufgabe der Schule sei und grundsätzlich nicht im Kompetenzbereich einer Teilhabeassistenz liege, werde insoweit darauf hingewiesen, dass sich damit zwar auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sogenannten Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule bezogen werde, jedoch nicht mit den Anforderungen, die die aktuelle Situation mit Beschulungsarten wie Online- und Hausbeschulung mit sich bringe, kompatibel sei. Zudem sei am 14. März 2024 mit einem Schulversuch in Präsenz mit zwei Stunden täglich gestartet worden.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 2024 aufzuheben und ihm vom Tag der Entscheidung an, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, die bis zum 29. Februar 2024 bezahlten Kosten für Schulbegleitungen zusätzlich zu der diese Maßnahme begleitenden Autismustherapie durch Frau K1 im Rahmen des Persönlichen Budgets, auch im häuslichen Umfeld, weiter zu gewähren und die hierfür entstehen Kosten zu übernehmen, hilfsweise auf Bewilligung eines Vorschusses gem. § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 2024 zurückzuweisen.

Sie trägt vor, für die Zeit bis zum 29. Februar 2024 bestünden keine offenen Ansprüche des Antragstellers. Mit Bescheid vom 23. Februar 2024 sei die Übernahme der Kosten für die Autismustherapie in Höhe von monatlich 1.100 Euro bis zum 31. Juli 2024 zugesagt worden. Mit Bescheid vom 13. März 2024 sei eine Kostenzusage für die Schulbegleitung, allerdings lediglich bis zum 29. Februar 2024, erfolgt.


II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerde ist jedoch nur in dem tenorierten Umfang begründet.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 21; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 3; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 19; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 3).

Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch in dem tenorierten Umfang glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat aufgrund summarischer Prüfung einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX. Danach umfassen die Leistungen zur Teilhabe an Bildung die Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe sind mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit gegeben. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 99 Abs. 1 SGB IX Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind oder von einer solchen wesentlichen Behinderung Bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 erfüllt werden kann. Die Leistung soll den Leistungsberechtigten nach § 90 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz vom 16. Juni 2021 (BGBl I S. 1810) – SGB IX – eine individuelle Lebensführung ermöglichen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern; nach Satz 2 der Vorschrift soll die Leistung die Leistungsberechtigten befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich vornehmen zu können. Nach § 90 Abs. 4 SGB IX ist es besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Bein Antragsteller liegt eine wesentliche Behinderung in diesem Sinne aufgrund des frühkindlichen Autismus, einer Entwicklungsstörung der Motorik sowie einer mittelgradigen Intelligenzminderung vor. Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Schulbegleitung ist auch gegeben und von der Antragsgegnerin grundsätzlich anerkannt, wie insbesondere dem Entwurf der Zielvereinbarung vom 26. Juli 2023 mit einer Geltungsdauer bis zum 24. Juli 2024 entnommen werden kann. Eine Schulbegleitung ist auch geeignet und erforderlich, um einen Schulbesuch des Antragstellers zu ermöglichen.

Es ist auch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Die Eltern des Antragstellers haben glaubhaft vorgetragen, die Kosten für einen Schulbegleiter nicht länger vorfinanzieren zu können, so dass ohne die vorläufige Übernahme der Kosten ein Schulbegleiter nicht zur Verfügung stünde und ohne diesen ein Schulbesuch nicht möglich wäre. Die besondere Dringlichkeit folgt auch daraus, dass der Antragsteller im ersten Schulhalbjahr die Schule nicht besucht hat und dringend auf eine Wiedereingliederung in den Unterricht in der Schule angewiesen ist.

Ein Bedarf und dementsprechend ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter besteht jedoch nur, soweit tatsächlich ein Schulbesuch stattfindet. Aufgabe des Schulbegleiters ist nämlich, den behinderten Menschen beim Schulbesuch zu unterstützen, nicht jedoch, den Unterricht selbst und damit den Kernbereich der pädagogischen Arbeit durchzuführen. Ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Wochenplanes findet täglich von Montag bis Freitag der Unterricht in der W1schule von 09.40 Uhr bis 11.30 Uhr, somit 1 Stunde und 50 Minuten, statt. Weiter erforderlich ist eine Begleitung auf dem Schulweg. Abweichend von der im Wochenplan angesetzten Fahrtzeit von jeweils 50 Minuten für die Hinfahrt bzw. 45 Minuten für die Heimfahrt legt der Senat einen Zeitaufwand für die Begleitung für den Weg zur Schule und zurück von täglich 50 Minuten zugrunde, wie auch im Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 10. August 2023 (Bl. 219 Band V Verwaltungsakten) angegeben wird. Damit besteht ein Bedarf im Umfang von täglich 2 Stunden 40 Minuten bzw. wöchentlich 13 Stunden 20 Minuten. Weiter ist ein Stundenlohn von 45,00 Euro zugrunde zu legen (vgl. gleichfalls Zielvereinbarung <Bl. 211 Band V Verwaltungsakten> und Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 10. August 2023 <Bl. 219 Band V Verwaltungsakten>), so dass wöchentlich 600 Euro anzusetzen sind.

Die Voraussetzungen für einen darüber hinausgehenden Anspruch, insbesondere auf einen Schulbegleiter für eine häusliche Beschulung, sind nicht glaubhaft gemacht. Anders als in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Würzburg vom 16. August 2021 (W 3 E 21.985) zugrunde lag, liegt schon keine Bescheinigung über eine Schulbesuchsunfähigkeit des Antragstellers vor. Ein Besuch der W1schule war nicht wegen der Schulbesuchsunfähigkeit des Antragstellers nicht möglich, sondern weil er ohne seine Autismustherapeutin - welcher die Schule den Zutritt nicht gestattet - die Schule nicht besuchen wollte. Andere Hinderungsgründe sind nicht ersichtlich.

Anders als in der vom VG Würzburg entschiedenen Konstellation steht für den Antragsteller auch nicht die Möglichkeit einer Beschulung mittels einer Online-Schule im Raum. Voraussetzung hierfür wäre, dass am Unterricht einer Online-Schule teilgenommen werden könnte. Diese Art der Beschulung wird vom Antragsteller jedoch gerade nicht angestrebt und von der W1schule zumindest aktuell auch nicht angeboten. Geltend gemacht wird demgegenüber die Gewährung einer Schulbegleitung auch im häuslichen Umfeld, um den Antragsteller zu befähigen, den Lernstoff aufnehmen zu können, der jedoch nicht von Lehrern der W1schule, sondern vom Schulbegleiter vermittelt wird. Damit wird aber eine Leistung geltend gemacht, die nicht in die Leistungspflicht des Trägers der Eingliederungshilfe fällt.

Der Leistungspflicht im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unterfallen sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nichtpädagogische Maßnahmen. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert („begleitet“). Ihn berühren deshalb alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden Assistenzdienste nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann (BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 - B 8 SO 2/18 R - juris Rdnr. 16). Soweit vorliegend auch die Hilfe eines Schulbegleiters für den häuslichen Bereich geltend gemacht wird, handelt es sich nicht um eine das pädagogische Angebot der Schule flankierende Maßnahme, sondern um dessen Ersetzung durch einen außerschulischen Unterricht. Ein inhaltlicher Hausunterricht ist dem Leistungsbereich der Eingliederungshilfe von vorneherein entzogen. Denn dabei handelt es sich nicht um unterstützende, sondern um originär pädagogische Arbeit (Meßling in Birnbaum, Bildungsrecht in der Corona-Krise, 1. Aufl. 2021, Rdnr. 138).

Schließlich steht der Verpflichtung zur Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen in Form eines persönlichen Budgets im Wege einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen, dass bisher noch keine Zielvereinbarung abgeschlossen worden ist (für Hauptsacheverfahren offengelassen in BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 - B 8 SO 9/19 R - juris Rdnr. 27). Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB IX schließen der Leistungsträger nach Abs. 3 und die Leistungsberechtigten zur Umsetzung des Persönlichen Budgets eine Zielvereinbarung ab. Zwar könnte die in § 29 Abs. 4 Satz 7 SGB IX vorgeschriebene Aufhebung des bewilligenden Verwaltungsaktes nach einer Kündigung der Zielvereinbarung die Annahme nahe legen, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung materielle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Bewilligung eines Persönlichen Budgets ist (vgl. zum Meinungsstand: Schneider in Hauck/Noftz, SGB IX, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 29 Rdnr. 39a) Allerdings ist weiter zu berücksichtigen, dass das Gesetz das Persönliche Budget mittlerweile als Rechtsanspruch ausgestaltet hat und dass der Bestand eines Rechtsanspruchs in einem öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis nicht davon abhängen kann, mit welchem Inhalt zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungsträger ein Vertrag abgeschlossen worden ist (BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 - B 8 SO 9/19 R - juris Rdnr. 28). Das BSG hat eine Zielvereinbarung als lediglich formelle Voraussetzung für die Vereinbarung eines Persönlichen Budgets qualifiziert und im Übrigen offengelassen, welche Folgen aus dem Fehlen einer Zielvereinbarung für den Anspruch des Berechtigten abzuleiten sind (BSG, a.a.O. - juris Rdnr. 27). Damit steht jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine fehlende Zielvereinbarung einer vorläufigen Bewilligung nicht entgegen (Oberverwaltungsgericht [OVG] Bremen, Beschluss vom 22. Mai 2020 - 2 B 66/20 - juris Rdnr. 22; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. November 2016 - L 9 SO 522/16 B ER - juris Rdnr. 7). Soweit das LSG Nordrhein-Westfalen in der genannten Entscheidung ausgeführt hat,
hierdurch werde der Leistungsberechtigte auch nicht schutzlos gestellt, da er von dem Leistungsträger zunächst die Leistungserbringung im Rahmen einer Dienst-, Sach- oder (wie im vorliegenden Fall) Geldleistung verlangen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen könne, wird verkannt, dass es sich bei der Geldleistung um ein Sachleistungssurrogat, mithin nicht um die Auszahlung einer im vornhinein im Gesetz bestimmten Geldsumme (wie etwa bei den unterhaltssichernden Leistungen), sondern um eine bedarfsabhängige Kostenerstattung handelt, die in der Regel vor der Inanspruchnahme der Leistung an den Leistungsempfänger (§ 47 SGB I) auszuzahlen ist, um diesem den selbstbestimmten Einkauf der Leistung innerhalb des vorgegebenen Sachleistungssystems zu ermöglichen. Das persönliche Budget (§ 29 SGB IX) ist demgegenüber eine Leistungsform mit anderer Zielsetzung: Dieses wird grundsätzlich nach eigenen Kriterien als Pauschalleistung gewährt und betrifft nicht nur einzelne Sachleistungen, sondern grundsätzlich sämtliche Leistungen zur Teilhabe für den Leistungsberechtigten auch außerhalb des Systems vereinbarungsgebundener Leistungsanbieter in der Form monatlich auszuzahlender Geldleistungen (Luthe in jurisPK-SGB IX, Stand 1. Oktober 2023, § 8 Rdnr. 78).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Erhöhung des Persönlichen Budgets in Betracht kommt, wenn der Antragsteller in einem zeitlich höheren Umfang am Unterricht in der Schule teilnimmt.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf einen höheren Vorschuss im Wege der einstweiligen Anordnung. Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (§ 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Die einstweilige Anordnung führt zu einer vorläufigen Leistungsverpflichtung, soweit ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind. Der materielle Vorschussanspruch ist im Vergleich zum Leistungsanspruch in seiner Durchsetzbarkeit verringert, weil die Höhe des Vorschusses nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Dieses Ermessen darf das Gericht - auch im Eilverfahren - nur eingeschränkt überprüfen, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Eine einstweilige Anordnung ist in diesen Fällen regelmäßig nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null möglich (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Aufl. 2023, § 86b Rdnr. 30a; Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. August 2012 - L 7 AS 589/12 B ER - juris Rdnr. 12). Eine derartige Ermessensreduzierung ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Antragstellers. Kosten des Antragsverfahrens sind nicht zu erstatten, da der Schulbesuch erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung aufgenommen wurde.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).





 

 

 

 

 

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