S 18 KA 160/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 18 KA 160/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze


Als förderungsfähige Fachgebiete kommen nur die in der Anlage I der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen aufgenommenen Fördergebiete in Betracht.

Dabei umfasst das in Anlage I genannte Fördergebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nur die Weiterbildung zum Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, nicht hingegen die Weiterbildung zum Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen oder zum Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie.
 


Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die finanzielle Förderung einer ärztlichen Weiterbildungsassistentin.

Die Klägerin ist mit einer HNO-Praxis in A-Stadt vertragsärztlich tätig.

Mit Bescheid vom 07.04.2011 ermächtigte die Landesärztekammer Hessen die Klägerin zur Weiterbildung im Gebiet „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“.

Mit Datum vom 12.07.2021 stellte sie für Frau Dr. med. D. einen Antrag der Genehmigung zur Beschäftigung einer Ärztin in Weiterbildung und der finanziellen Förderung.

Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 25.08.2021 (Bl. 26 - 27 Verwaltungsakte) die Genehmigung für die Beschäftigung von Frau D. als Ärztin in Weiterbildung in der Zeit vom 01.09.2021 bis 31.03.2023 im Umfang von 24 Stunden im Gebiet „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ in der klägerischen Praxis. In dem Bescheid wies sie darauf hin, dass bezüglich des Antrages auf Gewährung eines Zuschusses für die Beschäftigung der Ärztin in Weiterbildung eine gesonderte Mitteilung ergehen werde.

Mit Schreiben vom 01.09.2021 fragte die Klägerin hinsichtlich der Genehmigung und Förderung an und teilte mit, bislang keinen Bescheid erhalten zu haben, weshalb der Arbeitsbeginn auf den 01.01.2021 verschoben worden sei.

Die Beklagte erließ am 04.10.2021 einen neuen Bescheid und passte darin die Genehmigung auf den Zeitraum 01.10.2021 bis 30.04.2023 an.

Mit Bescheid vom 18.10.2021 wiederum lehnte sie die finanzielle Förderung der Weiterbildung Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen für Frau Dr. med. D. ab. Die Ablehnung begründete sie damit, dass ausweislich der Richtlinie zur finanziellen Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen ausschließlich die in Anlage I der Richtlinie aufgeführten Fördergebiete förderfähig seien. Das Weiterbildungsgebiet „Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen“ werde jedoch nicht in der Anlage I aufgeführt, sodass die Voraussetzungen für eine finanzielle Förderung der Weiterbildung leider nicht erfüllt seien.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass der Umfang des Weiterbildungsgebiets Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, wie es in der Richtlinie (Anlage 1) aufgeführt sei, ihrer Ansicht nach nur so rechtskonform und sinnvoll zu verstehen sei, dass das Weiterbildungsgebiet auch den Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen mitumfasse. Gemäß der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen aus dem Jahre 2005, der die Ausbildung von Frau D. unterliege, sei der Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen mitumfasst. Die Weiterbildungsordnung umfasse unter der Überschrift „Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ (Nr. 9) einerseits die Ausbildungsabschnitte und –inhalte, die für die Erlangung des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vorgeschrieben seien (Nr. 9.1) und andererseits die Ausbildungsabschnitte und –inhalte, die für die Erlangung des Facharztes für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen vorgeschrieben seien (Nr. 9.2). Frau Dr. D. strebe den Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen im Sinne von Nr. 9.2 der Weiterbildungsordnung an. Dies müsse daher im Einklang mit der Weiterbildungsordnung unter dem Begriff des Weiterbildungsgebiets Hals-Nasen-Ohrenheilkunde förderungsfähig sein.

Darüber hinaus müssten die folgenden Erwägungen unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung und des Sinns und Zwecks der finanziellen Förderung betrachtet werden:

Erstens sei eine Ungleichbehandlung angehender Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen und angehende HNO-Ärzte schon im Hinblick auf den konkreten Ausbildungsgegenstand nicht gerechtfertigt, da das Ausbildungs-Curriculum für den Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen neben Phoniatrie- und Pädaudiologie-spezifischen Ausbildungsabschnitten und -inhalten Ausbildungsabschnitte und –inhalte allgemeiner Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vorsehe. Diese Ausbildungsabschnitte seien inhaltlich identisch mit den entsprechenden Ausbildungsabschnitten und –inhalten, die für die Erlangung des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vorgesehen seien.

Zweitens sei eine Ungleichbehandlung auch unter dem Blickwinkel des Bedarfs und dessen Planung nicht gerechtfertigt, da nach ihrer Kenntnis von Seiten der KV für die Bemessungsgrundlage des zukünftigen Bedarfs an HNO-Fachärzten wie auch Fachärzten für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen nicht zwischen beiden Facharztgruppen unterschieden werde. Aus ihrer Sicht bestehe in A-Stadt auch eher das Bild eines deutlichen Mangels an Fachärzten für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen, während im Fachbereich HNO eine ausreichende Versorgung vorhanden sei. Eventuell böte sich vorliegend auch die Möglichkeit einer begründeten Einzelfallentscheidung angesichts der besonderen Verhältnisse im Zulassungsbereich A-Stadt.

Drittens sei eine Ungleichbehandlung auch unter dem Blickwinkel der Behandlung der Kassenarztsitze nicht gerechtfertigt, denn auch hier werde nicht zwischen den beiden Fachärzten unterschieden. Vielmehr seien Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen berechtigt, ihre Tätigkeit auf einem HNO-Kassenarztsitz auszuüben.

Schließlich würde die Weiterbildung von Frau Dr. D. durch sie auch dem Sinn und Zweck der finanziellen Förderung entsprechen, da sie und Frau Dr. D. erwägen würden, langfristig eine Beteiligung an bzw. Übernahme ihrer Praxis und des von ihr gehaltenen Kassenarztsitz durchzuführen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2022 zurück und verwies auf die Anlage I der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen. In Anlage I der förderfähigen Weiterbildungsgebiete in Hessen für den Zeitraum 01.10.2020 bis 30.09.2022 werde als förderfähiges Weiterbildungsgebiet u.a. das Weiterbildungsgebiet der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde aufgeführt. Das Weiterbildungsgebiet der Sprach-, Stimm- und kindlichen Hörstörungen oder der Phoniatrie und Pädaudiologie finde sich hingegen nicht in Anlage I. Die Anlage l der Richtlinie sei nicht weit auszulegen, indem unter dem Weiterbildungsgebiet „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" auch das Weiterbildungsgebiet der „Sprach-, Stimm- und kindlichen Hörstörungen“ zu verstehen wäre. Denn die in Anlage I der Richtlinie aufgeführten förderfähigen Weiterbildungsgebiete würden sich nach den Weiterbildungsgebieten der Weiterbildungsordnung richten. Nach Punkt 6 b) der Richtlinie würden die Regelungen der Weiterbildungsordnung der hessischen Landesärztekammer in der aktuellen Version Anwendung finden, womit mithin die Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen 2020 (WBO 2020) maßgebend sei. Dort würden als Weiterbildungsgebiete voneinander getrennt das „Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) sowie als eigenes Weiterbildungsgebiet das der Phoniatrie und Pädaudologie (Facharzt für Phoniatrie und Pädaudologie) aufgeführt. Mithin handele es sich auch nach der Weiterbildungsordnung um jeweils eigenständige Weiterbildungsgebiete mit eigenem Weiterbildungsinhalt, auch wenn sich Teilbereiche der Weiterbildungsinhalte überschneiden mögen würden.

Selbst wenn man auf die Weiterbildungsordnung 2005 abstellen würde, ergäbe sich keine andere Bewertung. Zwar werde dort unter Nr. 9 „Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" zunächst die für die folgenden unter Nr. 9.1 und Nr. 9.2. genannten Fachgebiete eine gemeinsam geltende Basisweiterbildung geregelt. Jedoch differenziere auch die WBO 2005 erkennbar die Fachgebiete durch die Unterscheidung der in Nr. 9.1 geregelten Facharztweiterbildung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sowie der in Nr. 9.2 geregelten Facharztweiterbildung für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen. Beide Fachgebiete hätten einen gemeinsamen Basisweiterbildungsinhalt, würden jedoch auch nach der WBO 2005 als eigenständige Weiterbildungsgebiete behandelt. Im Übrigen obliege es ihrer Einschätzung, welche (Basis-)Weiterbildungsgebiete im Hinblick auf den Sicherstellungsauftrag als besonders förderbedürftig bewertet werden würden. Da die Richtlinie auf die Weiterbildungsgebiete der Weiterbildungsordnung abstelle, seien diese eng im Wortsinne der WBO auszulegen. Inwieweit in der Bedarfsplanung Fachgebiete zusammengefasst würden, sei für die Entscheidung der Verteilung von Fördermitteln, die ein begrenztes Finanzbudget zur Sicherstellung der Basisversorgung zur Verfügung stellen würden, nicht relevant. Die finanzielle Förderung ziele zudem nicht darauf ab, reibungslose Praxisübergaben zu ermöglichen. Ziel sei vielmehr, in Ausfüllung ihres Sicherstellungsauftrags solche Weiterbildungen zu unterstützen, die von ihr als besonders förderbedürftiges Fachgebiet eingeschätzt würden, um in Zukunft qualifizierte Vertragsärzte für die vertragsärztliche Versorgung zu gewinnen.

Die Klägerin hat anschließend anwaltlich vertreten Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, einen Anspruch auf Förderung gemäß der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen in Verbindung mit § 75a SGB V zu besitzen. Die Richtlinie der Beklagten mache die Förderung nicht abhängig davon, dass am Ende der Weiterbildung die weiterzubildende Assistenzärztin den Facharzttitel „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ erhalte. Nach dem eindeutigen Wortlaut gehe es um die Förderung von Weiterbildungsabschnitten, die bestimmten Weiterbildungsgebieten zugeordnet würden. Die von Frau Dr. D. angestrebte Bezeichnung der „Fachärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie“ (so WBO 2020) bzw. „Fachärztin für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen (WBO 2005) ziele auf die ambulante Grundversorgung der fachärztlichen Versorgung im Sinne des § 75a Abs. 9 SGB V ab.

Die Beklagte interpretiere den rechtlich eindeutigen Wortlaut der Nr. 1a der Richtlinie restriktiv, in dem sie auf ein über die konkrete Weiterbildung hinausreichendes Ziel abstelle, welches nicht förderungsfähig sei. Da aber Nr. 1a und die Anlage I ausdrücklich auf förderfähige Weiterbildungsgebiete abstelle, also auf den Inhalt der konkret zu beurteilenden Weiterbildung, sei allein maßgeblich der Bescheid der Beklagten vom 04.10.2021, mit dem der Klägerin die Genehmigung zur Weiterbildung der Frau Dr. D. als Ärztin in Weiterbildung im Gebiet „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ genehmigt worden sei. Dieser Bescheid und der Weiterbildungsplan in Verbindung mit der Weiterbildungsermächtigung würden die Beklagte verpflichten, diese Weiterbildung gemäß der Richtlinie zu fördern. Darauf habe sie einen Anspruch.

Die Beklagte habe die Pflicht zu prüfen, ob und inwieweit die angestrebte Bezeichnung versorgungsrelevant sei. Hierzu habe sie an keiner Stelle auch nur ansatzweise dargelegt, dass für die Versorgung im Bereich „Phoniatrie und Pädaudiologie“ kein Bedarf bestehe, für die Versorgung im Bereich „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ aber schon. So gesehen handele es sich um eine willkürliche Ausgrenzung, die mit dem Sinn und Zweck der Förderpflicht nicht übereinstimmen würde. Denn auch die Weiterbildung zur Fachärztin Phoniatrie sei ebenso „grundversorgend“ wie die HNO-Heilkunde und damit ebenso förderungsfähig. 

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Weiterbildung der Frau Dr. med. D. in ihrer Praxis finanziell zu fördern.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Regelung in Punkt 1m) der Richtlinie in Verbindung mit Anlage I bringe zum Ausdruck, dass nur solche Weiterbildungsabschnitte gefördert würden, in welchen der Arzt in Weiterbildung dann auch seinen entsprechenden Facharzttitel erwerben würde. Deshalb würden entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht einzelne Weiterbildungsabschnitte, unabhängig vom angestrebten Facharzttitel, gefördert. 

Den Vertragspartnern auf regionaler Ebene stünde ein weiter, gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum zu. Die geförderten Fachärzte müssten nach dem Wortlaut von § 75a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 SGB V dem Bereich der allgemeinen fachärztlichen Versorgung angehören und an der Grundversorgung teilnehmen. Der Begriff der „grundversorgenden Fachärzte“ ergebe sich dabei aus den Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte. Dort werde die fachärztliche Versorgung in eine spezialisierte fachärztliche, sowie in eine allgemeine fachärztliche Versorgung unterteilt. Aus den in § 12 Abs.2 BeplaR-Ä gelisteten Fachärzten, die dort einzelnen Arztgruppen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung zugeteilt seien, hätten sich die Vertragspartner auf diejenigen Fachärzte zu verständigen, die aufgrund des bestehenden oder zukünftigen Mangels an Weitergebildeten besonders förderungswürdig erscheinen würden. Sie habe sich mit den Verbänden der Krankenkassen auf die in der Anlage I der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen genannten Facharztbezeichnungen geeinigt. Danach sei der Facharzt für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde der geförderte Facharzttitel und nicht die Arztgruppe. Nur wenn sie hier die Arztgruppe aufgezählt hätte, könnten im Sinne der Bedarfsplanungsrichtlinie die Fachärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie und die Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen von einer möglichen Förderung mitumfasst sein.

Mit Verfügung vom 12.04.2024 hat das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Der vorliegende Fall geht nicht über den durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad eines sozialgerichtlichen Verfahrens hinaus und es ist nicht zu erwarten, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung neue tatsächliche Gesichtspunkte ergeben könnte. Die Beteiligten wurden mit richterlicher Verfügung vom 12.04.2024 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. 

Der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf finanzielle Förderung der Weiterbildung der Frau Dr. med. D. zur Fachärztin für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung der finanziellen Förderung fachärztlicher Weiterbildungen ist die „Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen“ der Beklagten vom 01.10.2016 (im Folgenden nur Richtlinie genannt). Danach kann eine Förderung zur Beschäftigung eines Arztes in Weiterbildung bei einer Weiterbildung in den Weiterbildungsgebieten entsprechend der Anlage I der Richtlinie erfolgen.

Anlage I der Richtlinie listet die folgenden förderungsfähigen Weiterbildungsgebiete auf:

  • Allgemeine Chirurgie
  • Augenheilkunde
  • Frauenheilkunde und Geburtshilfe
  • Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
  • Haut- und Geschlechtskrankheiten
  • Innere Medizin und Angiologie
  • Innere Medizin und Rheumatologie
  • Kinder- und Jugendmedizin
  • Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie
  • Neurologie
  • Orthopädie und Unfallchirurgie
  • Psychiatrie und Psychotherapie
  • Urologie


Diese Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf der Ermächtigungsgrundlage in § 79 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 75a Absatz 4 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft das Nähere über den Umfang und die Durchführung der finanziellen Förderung nach den Absätzen 1 bis 3 vereinbart, i. V. m. der auf dieser Grundlage am 01.07.2016 in Kraft getretenen „Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V“.

§ 75a Absatz 4 Satz 2 SGB V enthält einen Katalog von Gegenständen, über die insbesondere Vereinbarungen zu treffen sind. Nähere Vorgaben für die Ausgestaltung der finanziellen Förderung macht das Gesetz nicht. Es überlässt die Art und Weise dieser Ausgestaltung vielmehr dem Gestaltungsspielraum der genannten Vertragspartner.

Die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V enthält in § 3 Vorgaben zur Förderung fachärztlicher Weiterbildungen, zum Beispiel zur Anzahl der zu fördernden Weiterbildungsstellen (Absatz 2), zur Mindestdauer einzelner Weiterbildungsabschnitte (Absatz 3), zur maximalen Förderdauer (Absatz 6) und zur Förderfähigkeit einzelner Facharztgruppen (Absätze 7 und 8). Die Feststellung der Förderfähigkeit weiterer Facharztgruppen (Absatz 8) wird auf die regionale Ebene verlagert. § 4 verweist auf weitere Regelungen in Anlagen.

In § 3 der „Anlage I – Verfahrenswege / operative Ausführungsbestimmungen zur Förderung der Weiterbildung im vertragsärztlichen Bereich“ (Anlage I) der Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V sind Regelungen zu Fördervoraussetzungen und Förderantrag enthalten.

§ 3 Absatz 2 der Anlage I listet Fördervoraussetzungen unter folgendem Einleitungssatz auf:
„Folgende Voraussetzungen der Förderung gelten unbeschadet ergänzender Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigungen: …“
§ 3 Absatz 3 der Anlage I wiederum lautet: „Für die jeweilige Auswahl der Facharztgruppen nach § 3 der Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung können regional insbesondere die nachfolgenden Kriterien und Verfahren für eine weitere Auswahl angewendet werden:
Nr. 1: Wird für mehrere Facharztgruppen eine Förderfähigkeit festgestellt, kann entsprechend der regionalen Förderbedarfe eine Priorisierung erfolgen.
Nr. 2: Die Vergabe der vorhandenen Förderkontingente kann quotiert werden.
Nr. 3: Können wegen der Begrenztheit der förderungsfähigen Stellen nicht alle Anträge positiv beschieden werden, erfolgt eine Vergabe nach der Reihenfolge der Antragseingänge. (…)“
§ Absatz 7 der Anlage I lautet:
„Die Kassenärztlichen Vereinigungen können ergänzende Vorschriften zur Konkretisierung, Umsetzung und Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen erlassen.“

Weitere Regelungen enthält die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V hierzu nicht.

Nach dieser Maßgabe durfte die Beklagte die Vorschrift in Ziff. 1 lit. a) der Richtlinie als Satzungsrecht erlassen. Es kann dahinstehen, ob bereits aus der allgemeinen Satzungsermächtigung aus § 79 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB V – gerade im hier einschlägigen Bereich der Leistungsverwaltung – eine entsprechende Ermächtigung der Beklagten abzuleiten ist, da jedenfalls in § 75a Absatz 4 Satz 1 SGB V i. V. m. § 3 Absatz 2 und Absatz 7 der Anlage I eine Ermächtigungsgrundlage besteht.

Die Vorschrift in Ziff. 1 lit. a) der Richtlinie erstreckt die Förderung auf Antrag der vertragsärztlichen Weiterbildungspraxis auf die in der Anlage I aufgeführten Weiterbildungsgebiete. Damit konkretisiert und ergänzt die Vorschrift die Fördervoraussetzungen.

Als förderungsfähiges Weiterbildungsgebiet listet die Anlage I die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde auf. 

Nach Auffassung der Kammer lässt sich hieraus einzig die Förderfähigkeit der Weiterbildung zum Facharzt bzw. zur Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ableiten, nicht hingegen die von der Klägerin beantragte Weiterbildung zur Fachärztin für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen bzw. zur Fachärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie. Die beiden zuletzt genannten Facharztgebiete sind nicht in der Anlage I aufgelistet, wodurch keine Förderfähigkeit nach der Richtlinie besteht.

Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin können allesamt nicht überzeugen. Die in Anlage I verwendete Bezeichnung der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ist nach Auffassung der Kammer nicht als Oberbegriff für die Arztgruppe der HNO-Ärzte zu verstehen, mit der Konsequenz, dass sämtliche zu der Arztgruppe gehörende Fachärzte, hier also auch die Fachärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie und die Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen, mitumfasst wären. Eine solche Lesart der Anlage I würde eine explizite Verweisung bzw. Bezugnahme auf die Arztgruppen voraussetzen, was sich dem Wortlaut der Richtlinie nicht entnehmen lässt. Vielmehr zeigt die Bezeichnung der anderen Gebiete (bspw. die Verwendung des Begriffes der Allgemeinen Chirurgie), dass die Anlage I nicht auf Oberbegriffe Bezug nimmt, sondern nur auf die in der Anlage I konkret bezeichneten Fachgebiete. Eine solche restriktive Auslegung ist bei einer Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen für die nur beschränkte Fördermittel zur Verfügung stehen, auch angezeigt.

Soweit die Klägerin als Grundlage für die finanzielle Förderung auf den Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 04.10.2021 abstellt, verfängt dies nicht. Denn der Bescheid über die Genehmigung zur Weiterbildung der Frau Dr. D. als Ärztin in Weiterbildung im Gebiet „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ trifft keine Entscheidung über die finanzielle Förderung, sondern verweist gerade darauf, dass bezüglich des Antrages auf Gewährung eines Zuschusses für die Beschäftigung der Ärztin eine gesonderte Mitteilung ergeht. Eine Regelung zur Förderung ergibt sich hieraus nicht, sondern es bleibt alleine maßgeblich die ausdrückliche Regelung in der Richtlinie. Insoweit besteht auch kein Entscheidungsspielraum der Beklagten, da die dortigen Regelungen einzig eine Förderung in den aus der Anlage I ersichtlichen Gebieten zulässt. Die damit abstrakt getroffene Auswahl von förderungsfähigen Weiterbildungsgebieten ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.

Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor. Die Regelung der Beklagten steht nicht im Widerspruch zu § 75a SGB V und auch nicht zur Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V. Anhaltspunkte für eine willkürliche Ausgrenzung bestehen nicht, sondern die Begrenzung einer Förderung auf die in der Anlage I der Richtlinie genannten Gebiete entspricht dem weiten Entscheidungsspielraum der Beklagten. Die Kammer hat dabei nicht zu entscheiden, ob es auch alternative Regelungen zur sorgfältigen Mittelverwendung im Bereich der Leistungsverwaltung bei der finanziellen Förderung der ärztlichen Weiterbildung gibt, die das angestrebte Ziel ebenso gut oder gar besser erfüllen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Normgeber einer Regelung mit dem von ihm gewählten Maßstab die Grenzen seines Gestaltungsspielraums gewahrt hat. Dies ist hier der Fall. Dass der Gestaltungsspielraum der Beklagten auch eine Förderung der von der Klägerin gewünschten Weiterbildung rechtfertigen könnte, macht die derzeit geltende Regelung in der Richtlinie der Beklagten nicht rechtswidrig.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Absatz 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§ 143, 144 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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