L 1 KR 9/23 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 9/23 KL
Datum
2. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 9/24 R
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Begründung eines Schiedsspruches nach § 125 Abs. 5 SGB V kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Gerichtsverfahren ergänzt werden. 

Auf die Klage der Kläger zu 2 und zu 3 wird festgestellt, dass der Schiedsspruch der Beklagten vom 08. März 2021 rechtswidrig war, soweit die Anlage 2 – Vergütungsvereinbarungen – nicht festgesetzt worden ist.

 

Auf die Klage der Kläger zu 2 bis 5 wird der Schiedsspruch der Beklagten vom 21. Juli 2021 aufgehoben, soweit die Festsetzung von Zahlbeträgen zum Ausgleich der bei den Leistungserbringern im Zeitraum vom 10. Januar 2021 bis 31. März 2021 eingetretenen Vergütungsausfälle abgelehnt wurde. Die Beklagte wird verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

 

Im Übrigen werden die Klagen zurückgewiesen.

 

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1 zu 33%, die Kläger zu 2 und 3 zu je 15%, die Kläger zu 3 und 4 zu je 6% und die Beklagte zu 25%.

 

Die Kosten der Kläger zu 2 und 3 hat die Beklagte je zu 37,5 % zu tragen, die der Kläger zu 4 und 5 zu je 25%. Die Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1 zu 33%, die Kläger zu 2 und 3 zu je 15% und die Kläger zu 4 und 5 zu je 6%.

 

Im Übrigen hat jeder für seine Kosten jeweils selbst aufzukommen.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Im Streit stehen die Schiedssprüche der Beklagten, der Schiedsstelle nach § 125 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), zur Festsetzung des Vertragsinhalts nach § 125 Abs. 5 SGB V (Physiotherapie) vom 08. März 2021 und vom 21. Juli 2021.

 

Die Kläger zu 2 bis 5 sind Berufsverbände der Physiotherapeuten.

 

Nach Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vom 06. Mai 2019 mit Wirkung vom 11. Mai 2019, mit welchem die Pflicht zum Abschluss eines bundesweit geltenden Vertrages über die Einzelheiten der Versorgung mit dem jeweiligen Heilmittel durch die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer und den jetzigen Kläger zu 1, dem GKV-Spitzenverband, eingeführt wurde, verhandelten die Kläger ab dem 19. November 2019 in 21 Sitzungen zu einem Abschluss eines Rahmenvertrages. Keine Einigung erzielten die Vertragspartner u.a. hinsichtlich einer Vergütungsvereinbarung.

 

Mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 09. Oktober 2020 riefen die jetzigen Kläger zu 2 bis 5 die hier beklagte Schiedsstelle an und beantragten eine Entscheidung zu insgesamt 48 Anträgen, die insbesondere dissente Gegenstände aus dem Entwurf des Rahmenvertrages, der Anlage 3a und 3b, der Anlage 1 (Leistungsbeschreibung) sowie der Anlage 2 (Vergütungsvereinbarung) zum Inhalt hatten. Sie bezogen sich zur Begründung u.a. auf ein Gutachten des Institutes für Gesundheitsökonomik (Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen, WAT-Bericht Physiotherapie, München August 2020 = WAT-Bericht). Sie beantragten eine Anhebung der Vergütung um 50,13 %, bezogen auf das bundesgesetzliche Preisniveau vom 01. Juli 2019. Der Kläger zu 1 stellte mit Schriftsatz vom 09. Dezember 2020 eigene Anträge und bezog sich zur Begründung auf ein Gutachten des Instituts für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IGES-Institut; Gutachten zur Preisbildung des Heilmittelpreises für die Physiotherapie, Berlin November 2020 = IGES-Gutachten). In Erörterungs- bzw. Verhandlungsterminen am 16. Dezember 2020, 06. Januar 2021 und 12. Januar 2021 erzielten die Vertragspartner teilweise Verständigungen. Eine weitere Verhandlung fand am 27. Januar 2021 statt. Die Beklagte traf zu den dissenten Gegenständen unter dem Vorbehalt eines Gesamtergebnisses eine vorläufige Entscheidung, die den Beteiligten aber nur kursorisch mitgeteilt wurde. Auf das Protokoll vom 27. Januar 2021 in seiner berichtigten Fassung wird verwiesen.

 

Die letzte Sitzung der Schiedsstelle fand am 26. Februar 2021 statt. Auf das Protokoll wird verwiesen (Kopie GA SG Berlin, S 76 KR 1568/21, Band 1, 61 ff.). Am Schluss der Verhandlung wurde der Tenor der Entscheidung folgenden Inhaltes verkündet:

 

  1. Der Inhalt des Rahmenvertrages sowie der Anlage 3a und 3b wird mit Wirkung ab 01.04.2021 entsprechend der beigefügten Anlage festgesetzt. In der Anlage 2 – Vergütungsvereinbarung – wird folgende Position entsprechend der Synopse aufgenommen: „Physiotherapeutischer Bericht auf schriftliche Anforderung der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse oder des behandelnden Arztes sowie des MDK“.
  2. Den Vertragsparteien wird aufgegeben, die Anlage 2 – Vergütungsvereinbarung – mit Wirkung ab 01.04.2021 ausgehend vom gesetzlich festgesetzten Basispreisniveau zum 01. 07.2019 (§ 125b SGB V) nach folgenden Vorgaben anzupassen:

 

    1.  Die Entwicklung der Personalkosten für Therapeuten/-innen (§ 125 Abs. 3
       Nr. 1 SGB V) ist ab dem 01.07.2019 einheitlich mit der durchschnittlichen
       Rate des TVöD-Bund: 1,27 % zu berücksichtigen (Gewichtung: 82,6 %);

       
    2.  Die Entwicklung der Sachkosten für die Leistungserbringung (§ 125 Abs. 3
       Nr. 2 SGB V) ist ab dem 01.07.2019 anhand der Inflationsrate zu
       berücksichtigen (Rate 2019/2020: 0,5 %; Gewichtung: 11 %);

       
    3.  Der Entwicklung der durchschnittlich laufenden Kosten für den Betrieb einer
       physiotherapeutischen Praxis (§ 125 Abs. 3 Nr. 3 SGB V) ist für den
       maßgeblichen Zeitraum der Mietpreisindex (Büroraummiete, Destatis: 6,4 %
       2019/2020) zu Grunde zu legen (Gewichtung: 6,4 %).

       
    4.  Hinsichtlich der Angemessenheit der festzusetzenden Preise für die
       wirtschaftliche Führung einer physiotherapeutischen Praxis sind folgende Vorgaben zu berücksichtigen:
  • Für die Kalkulation des Gehalts eines/-er angestellten Therapeut/-in im
    Rahmen der Preisbildung der Schiedsstelle wird die folgende Entgeltgruppe zu Grunde gelegt: TVöD-Bund/Entgeltgruppe 7/Stufe 5 (Physiotherapeut/-in); Entgeltgruppe 6/Stufe 5 (Masseur). Die höheren Anforderungen bei den Zertifikatspositionen sind bei der Preiskalkulation durch eine höhere Entgeltgruppe zu berücksichtigen.

 

  • Für die Berechnungen des – zusätzlichen – kalkulatorischen Unternehmerlohns wird die Entgeltgruppe 9b/Stufe 4 zu Grunde gelegt (Physiotherapeut/in); Entgeltgruppe 8/Stufe 4 (Masseur).

 

  • Ausgehend vom Arbeitgeberbrutto ist Folgendes zusätzlich zu  berücksichtigen:
     
  • Die Kapitalverzinsung für den erforderlichen investiven Aufwand ist mit 5,5 % auf einer Basis von 40.000,00 Euro zu berücksichtigen.

 

  • Bei der Therapiejahreszeit für die/den Praxisinhaber/-in sind wöchentlich 11 Stunden für den administrativen Mehraufwand zu berücksichtigen.
     

2.5 Die Festsetzung gilt ab dem 01.04.2021, mindestens bis zum 31.12.2021.
 

3. Weitergehende Anträge der Antragsteller und Antragsgegner werden abgelehnt.
 

4. Im Übrigen wird angeregt, bis spätestens zum 31.12.2021 die Angemessenheit der Preise für eine wirtschaftlichen Praxisführung erneut
zu überprüfen.

 

Der ausgefertigte Schiedsspruch selbst mit Begründung datiert vom 08. März 2021.

Zur Begründung des ersten Schiedsspruches führte die Beklagte u. a. zum „Tatbestand“ aus, die (jetzigen) Kläger zu 2 bis 5 hätten im Schiedsverfahren eine Entscheidung zu insgesamt 48 Anträge begehrt. Die Vergütungsforderung habe 50,13 % bezogen auf das gesetzliche Preisniveau vom 01. Juli 2019 betragen. Der jetzige Kläger zu 1 habe das Volumen der beantragten Erhöhung auf 3,496 Milliarden Euro geschätzt. Im Erörterungstermin am 16. Dezember 2020 habe der Vorsitzende der Beklagten darauf hingewiesen, dass nach dem ersten Eindruck der drei Unparteiischen erhebliche Zweifel an der Repräsentativität des von den Klägern zu 2 bis 5 vorgelegten Gutachtens sowie an der Plausibilität und Tragfähigkeit der daraus abgeleiteten Preise bestünden. Die Beklagte habe am 27. Januar 2021 über die gestellten Anträge streitig verhandelt. Auf dieser Grundlage habe sie zu den streitigen Gegenständen des Rahmenvertrages, die Anlage 3a und 3b sowie weiterer Gegenstände unter dem Vorbehalt eines Gesamtergebnisses vorläufig entschieden. Die Beteiligten seien kursorisch über das Ergebnis informiert worden, eine Verkündung des Ergebnisses sei aber nicht erfolgt. Im Termin am 26. Februar 2021 habe der Vorsitzende zunächst einen Vorschlag unterbreitet, den die Kläger zu 2 bis 5 als bei weitem unzureichend ablehnt hätten. Sie hätten erklärt, den bereits erzielten Konsens zur Festlegung neuer Regelleistungszeiten zurückzuziehen.

 

Zur Begründung in der Sache wurde im Schiedsspruch u.a. ausgeführt, die Beklagte habe entschieden, soweit der Gegenstand entscheidungsreif gewesen und eine Entscheidung als sachdienlich erachtet worden sei. Dabei gehe sie davon aus, dass auf der Grundlage einer einschränkenden Auslegung des Gesetzes in dieser spezifischen Konstellation die Vorgabe von inhaltlichen Kriterien, aus denen sich die rechnerischen Preise ergäben, der Festsetzung von Preisen gleichstehe. Dies ergebe sich aus dem auch dieses Schiedsstellenverfahren prägenden grundsätzlichen Vorrang des Vertragsprinzips. Hiernach habe die Schiedsstelle im Rahmen der gestellten Anträge zu den dissenten Gegenständen insoweit zu entscheiden, als die Vertragspartner unter verständiger Würdigung der Schiedsstelle nicht selbst hätten entscheiden können. Hierfür spreche auch, dass selbst in 21 Verhandlungsterminen die Vergütungsvereinbarung nicht Gegenstand ernsthafter Verhandlung gewesen sei, da man sich nicht über die Kriterien der Preisbildung habe verständigen können. Dies führe zwar nicht zur Unzulässigkeit der Antragstellung, sei aber bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Preisbildung sei das vom Gesetzgeber vorgegebene Preisniveau zum 01. Juli 2019 gewesen. Hiervon ausgehend seien in der ersten Stufe die Entwicklung der Personalkosten, der Sachkosten für die Leistungserbringung sowie der durchschnittlich laufenden Kosten für den Betrieb der Heilmittelpraxis für den Zeitraum vom 01. Juli 2019 bis zum 31. März 2021 zu ermitteln. In der zweiten Stufe sei zu klären, ob dieses Preisniveau ein angemessenes für einen wirtschaftlich zu führenden Praxisbetrieb der Physiotherapie sei (§ 125 Abs. 3 S. 2 SGB V). Es gehe also bei der Prüfung der Angemessenheit eines bestimmten Preisniveaus alleine um die Frage, ob das unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung seit dem 01. Juli 2019 erreichte Preisniveau für die wirtschaftliche Führung einer Physiotherapiepraxis angemessen sei. Eine weitere Erhöhung der Preise erfolge nur, wenn sich auf der Grundlage der festzulegenden Kriterien für angemessene Preise eine Differenz zwischen dem unter Einbeziehung der Kostenentwicklung erreichten Preisniveau und dem nach den Kriterien der Angemessenheit festzulegenden Preisniveau ergebe. Für die Beratungen und Entscheidungen der Heilmittelschiedsstelle als Behörde gelte das Amtsermittlungsprinzip, das durch die Mitwirkungsobliegenheiten der beteiligten Vertragsparteien begrenzt sei. Auch in Schiedsverfahren sei von demjenigen der Sachverhalt und seine einzelnen Elemente plausibel darzulegen, der die bestimmte Höhe eines Preises daraus ableiten wolle. Gelinge dies nicht zur Überzeugung der Schiedsstelle, gelte die Vermutung für die Angemessenheit der Heilmittelpreise auf dem Niveau, das sie durch die Entwicklung bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrages oder der Festsetzung der Schiedsstelle erreicht hätten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 13. August 2014 – 6 KA 6/14 R – Rdnr. 14 zur vertragsärztlichen Gesamtvergütung).

 

Die in den Rahmenverträgen festzusetzenden Preise seien solche, die der Struktur nach solchen zum Kollektivvertragssystem ähnelten, sodass die entsprechende Rechtsprechung herangezogen werden könne (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – Rdnr. 47 zur häuslichen Krankenpflege). Insoweit sei zu beachten, dass als Grundlage der Vergütungsbemessung bei Kollektivverträgen eine repräsentative Anzahl der den Antrag stellenden Verbänden zugehörigen Einrichtungen auszuwählen sei, die für die Ermittlung einer nachvollziehbaren und plausiblen Kostenstruktur zugrunde zu legen sei (Bezugnahme auf BSG, a.a.O. Rdnr. 42).

Nach intensiven Beratungen habe die Beklagte für die Entwicklung der für den Betrieb einer Physiotherapiepraxis ab dem 01. Juli 2019 bis zum 31. März 2021 maßgeblichen Kriterien (Stufe 1) folgende Annahmen zugrunde gelegt: Für die Entwicklung der Personalkosten sei ab dem 01. Juli 2019 einheitlich die durchschnittliche Entwicklung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst Bund (TVöD-Bund) zugrunde zu legen. Die Daten der Berufsgenossenschaft für das Gesundheitswesen und die Wohlfahrtspflege lägen nur für 2019 vor (Halbjahresrate: 6,31 %). Im Interesse der Einheitlichkeit bei der Entwicklung der Personalkosten habe die Schiedsstelle so entschieden (Gewichtung: 82,6 %). Für die Entwicklung der Sachkosten der Leistungserbringung sei die Inflationsrate zugrunde zu legen (0,5 %, Gewichtung: 11,0 %). Für die sonstigen Gemeinkosten sei die Entwicklung der Büroraummiete mit 6,4 % (Gewichtung: 6,4 %) zugrunde zu legen.

 

Hinsichtlich der Angemessenheit der Preise lasse sich aus den Gesetzesmaterialien der erst im Ausschussverfahren zum Terminservicegesetz eingebrachten Neuregelungen nichts Näheres entnehmen. Daher habe die Beklagte folgende Vorgaben getroffen:

Für die angestellten Therapeuten sei die Entgeltgruppe TVöD/Entgeltgruppe 7/Stufe 5 (Physiotherapeut), Entgeltgruppe 6/Stufe 5 (Masseur) zugrunde zu legen. Das entspreche in der Entgeltgruppe auch der Empfehlung des WAT-Gutachtens (Seite 43 ff). Zur Überzeugung der Schiedsstelle habe nicht dargelegt werden können, dass auf die Vergleichsgruppe eines vollzeitbeschäftigen Spezialisten abzustellen sei. Das Anforderungsprofil der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für einen solchen werde von Physiotherapeuten mit einer dreijährigen Berufsausbildung in der Regel nicht erfüllt. Hierfür sei üblicherweise eine Meister- oder Technikerausbildung bzw. ein gleichwertiger Fachschul- oder Hochschulabschluss Voraussetzung. Um den Besonderheiten der Preiskalkulation in einer selbstständigen Praxis Rechnung zu tragen, erfolge eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7/5. Bei der Kalkulation sei für einen zu gewichtenden Leistungsanteil auch zu berücksichtigen, dass für Zertifikatsleistungen besondere, höherwertige Qualifikationen nachzuweisen seien. Für den kalkulatorischen Unternehmerlohn des Praxisinhabers werde Entgeltgruppe 9 b/Stufe 4 bzw. 8/Stufe 4 für Masseure des TVöD-Bund zugrunde gelegt. Ausgehend vom sogenannten Arbeitgeberbrutto sei zusätzlich der Investitionsbedarf einzubeziehen, der erforderlich sei, um eine Praxis zu eröffnen. Hier sei ein Betrag von 40.000,00 Euro mit einem Zinssatz von 5,5 % als angemessen in die Kalkulation einzustellen. Schließlich habe sich die Schiedsstelle mehrheitlich davon überzeugen können, dass bei der Therapiejahreszeit für den Praxisinhaber wöchentlich 11 Stunden für den administrativen Mehraufwand zu berücksichtigen seien. Damit sei der administrative Mehraufwand einer selbstständigen Praxis abgegolten.

 

Ein Anlass zur Entscheidung über eine Nachzahlung für Vergütungsausfälle gemäß § 125 Abs. 5 S. 2 SGB V bestehe nicht. Durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz vom 22. Dezember 2020 sei der gesetzliche Termin für das Zustandekommen des Rahmenvertrages auf den 01. Januar 2021 verschoben worden. Ein Hinweis, dass es auf eine frühere Auslösung der Nachzahlungsverpflichtung ankommen könne, sei der Begründung des Gesetzesentwurfs nicht zu entnehmen.

 

Die weitergehenden Anträge seien zurückzuweisen bzw. abzulehnen gewesen. Die Verbände hätten nach Kündigung des Konsenses zu den neuen Regelleistungszeiten nicht ausreichend dargelegt, weshalb eine Anhebung der Preise über die Kostenentwicklung hinaus beantragt werde. Dies sei jedoch für die Entscheidungsfindung unerheblich gewesen, da sie ihrer Darlegungspflicht nicht ausreichend nachgekommen seien. Sie hätten dazu eine repräsentative Anzahl der den antragstellenden Verbänden zugehörigen Einrichtungen auswählen müssen, die für die Ermittlung einer nachvollziehbaren und plausiblen Kostenstruktur zugrunde zu legen sei. Der von ihnen vorgelegte WAT-Bericht erfülle diese Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht. Der Bericht schließe selbst nicht aus, dass eine Verzerrung vorliegen könne, weil sich an der Umfrage verstärkt große, umsatzstärkere Praxen beteiligt hätten. Eine repräsentative Anzahl der den Verbänden zugehörigen Praxen habe laut Bericht nicht zugrunde gelegen. Daran ändere auch der Hinweis nichts, dass den kleinen Praxen und ihrer Bedeutung für die flächendeckende Versorgung ein besonderes Augenmerk zukommen müsse. Auch hinsichtlich der Ableitung der maßgeblichen Kriterien für die Angemessenheit der Preise für eine wirtschaftliche Praxisführung kämen die Verbände ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nach. Im WAT-Bericht seien zwei Varianten für die Ableitung eines angemessenen Gehaltes eines angestellten Therapeuten vorgeschlagen (Variante 1: Einstufung nach TVöD; Variante 2: durchschnittliches Bruttomonatsentgelt für vollzeitbeschäftigte Spezialisten). Ein eindeutiges Votum fehle. Die Variante 2 enthalte der Bericht selbst nicht (Bezugnahme auf WAT-Bericht Seite 44, 45). Die Verbände begründeten ihre Vergütungsforderungen gleichwohl mit der Vergleichsvergütung eines Spezialisten und nähmen Bezug auf die Konkurrenzsituation zu stationären Einrichtungen. Dies habe die Beklagte bereits deswegen nicht überzeugen können, weil die Vergütungsvorschriften des SGB V keine Rechtsgrundlage dafür böten, völlig außerhalb des derzeitigen Vergütungsgefüges zu kalkulieren.

 

Die Rechtsmittelbelehrung sieht die Klage beim hiesigen Landessozialgericht vor.

 

Am 12. Februar 2021, 18. März 2021 sowie am 25. März 2021 verhandelten die Kläger untereinander.

 

In (vorweggenommener) Teilumsetzung des Schiedsspruches vom 08. März 2021 führte der Kläger zu 1 eine Anpassung der Preise mit Wirkung vom 01. April 2021 in Höhe von 1,51 % durch.

 

Gegen den ersten Schiedsspruch haben die Kläger zu 2 und 3 am 08. April 2021 Klage beim hiesigen Gericht erhoben (Az. ursprünglich L 1 KR 135/21 KL). Sie haben zunächst die Anträge angekündigt, (1.) die Festsetzungen des Schiedsspruches vom 08. März 2021 unter den Ziffern 2.1 bis 2.3 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Inhalt des Vertrags gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Heilmittelbereich der Physiotherapie insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, sowie (2.) die Beklagte zu verpflichten, Zahlbeträge zu beschließen, durch die Vergütungsausfälle ausgeglichen werden, die bei den Leistungserbringern im Zeitraum vom 01. Januar 2021 bis 31. März 2021 durch die verzögerte Entscheidung der Schiedsstelle entstanden seien.

 

Der Kläger zu 1 hat dann mit Schriftsatz vom 09. April 2021 erneut die Beklagte angerufen und um die Festsetzung der Preise gemäß § 125 Abs. 2 S. 2 SGB V gebeten. Er hat mit weiterem Schriftsatz vom 06. Juli 2021 die Festsetzung des Vertrages einschließlich aller seiner Anlagen beantragt.

 

Der Senat hat im Klageverfahren zunächst den jetzigen Kläger zu 1 beigeladen (Beschluss vom 03. Juni 2021).

 

Am 13. Juli 2021 hat eine weitere Sitzung der Beklagten stattgefunden. Auf das Protokoll wird verwiesen. Am Schluss der Verhandlung wurde ein weiterer Schiedsspruch-Beschlusstenor mit folgendem Inhalt gefasst:

 

  1. Die am 01.07.2019 gültigen Bundespreise (§ 125b SGB V) werden für die Behandlungen ab dem 01.08.2021 um 14,09 % angehoben.

 

  1. Für Behandlungen ab dem 01.08.2021 bis 30.11.2021 werden die zum 01.07.2019 gültigen Bundespreise als Ausgleich für die verzögerte Preisfestsetzung in dem Zeitraum vom 01.04.2021 bis zum 31.07.2021
    vorübergehend um 26,67 % angehoben.

 

  1. Der Preis für die besondere Position „Physiotherapeutischer Bericht auf schriftliche Anforderung der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse oder behandelnden Arztes sowie des MD“ wird mit Wirkung ab 01.08.2021 auf 55,00 € festgesetzt.

 

  1. Anlage 2 Teil B zum Vertrag (Vergütungsvereinbarung) wird in der anliegenden Fassung [Protokoll Anlage 1] festgesetzt und tritt zum 01.08.2021 in Kraft. Der Vertrag einschließlich seiner Anlagen im Übrigen wird mit den diesem Beschluss beigefügten Anlagen mit Wirkung zum 01.08.2021 festgesetzt. Die Entscheidungen der Schiedsstelle vom 13.07.2021 sind darin entsprechend umgesetzt.
    Damit bestehen unter Berücksichtigung der geeinten Texte sowie der Festsetzung im Schiedsspruch vom 08.03.2021 zwischen den Verfahrensbeteiligten die als Anlagen beigefügten vertraglichen Vereinbarungen.

 

  1. Weitergehende Anträge der Antragsteller und Antragsgegner werden abgelehnt.

 

  1. Die Schiedsstelle regt an, die Mengenentwicklung des besonderen physiotherapeutischen Berichts auf Anforderung (Nr. 3) auf einer dazu geeigneten Datengrundlage zum 31.12.2022 zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zu vereinbaren; die Verhandlungen zur Regelleistungszeit auf der Grundlage der neu festgesetzten Preise wieder aufzunehmen sowie das „Kumulationsmodell“ für die Leistungspositionen X0501 „KG“ und X1201 „Manuelle Therapie“ mit dem Ziel seiner Umsetzung bis zum 31.12.2021 zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Schritte zu seiner Umsetzung zu unternehmen.

 

  1. Eine Abschrift des Schiedsspruchs wird dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu dem bei diesem anhängigen Verfahren – L1 KR 135/21 KL – mitgeteilt (§ 96 Abs. 2 SGG).

 

Die Schiedsstelle regt an, dass die Klage auf der Grundlage des Schiedsspruchs für erledigt erklärt wird.

 

Der Schiedsspruch mit Begründung datiert vom 21. Juli 2021.

 

Zum Sachverhalt führt die Begründung unter anderem aus, dass die Beklagte im ersten Schiedsspruch vom 08. März 2021 den Inhalt des Vertrages nach § 125 SGB V einschließlich der in den Verhandlungen strittigen Anlagen Nr. 3a und 3b mit Wirkung vom 01. April 2021 festgesetzt habe. Die übrigen Anlagen, außer der Anlage 2, seien konsensual. Hinsichtlich der Kosten für die Leistungen der Physiotherapie (Anlage 2 Teil a – Vergütungsvereinbarung) habe sie im Schiedsspruch vom 08. März 2021 den Beteiligten aufgegeben, ausgehend vom gesetzlich festgesetzten Basispreisniveau zum 1. Juli 2019 nach § 125b SGB V die Preise entsprechend der Entwicklung der Personalkosten für Therapeuten, entsprechend der Entwicklung der Sachkosten für die Leistungserbringung sowie hinsichtlich der Entwicklung der durchschnittlichen laufenden Kosten nach den im Schiedsspruch festgesetzten Werten anzupassen (Nr. 2.1 bis 2.3 des ersten Schiedsspruches, § 125 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 SGB V). Diese Anpassung der Preise sei hinsichtlich der Kostenentwicklung seitens des Klägers zu 1 mit Wirkung zum 01. April 2021 in Höhe von 1,51 % erfolgt. Zur Begründung in der Sache selbst heißt es u. a., die Zulässigkeit des ergänzenden Schiedsverfahrens sei durch die Ergänzung des § 125 Abs. 5 S. 2 SGB V im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz vom 11. Juli 2021 nicht ausgeschlossen. Die mit der Einfügung beabsichtigte Einschränkung auf Antragsverfahren für den erstmaligen Abschluss der Verträge werde nur dann wirksam, wenn ein Vertrag zu dem im Gesetz vorgesehenen Zeitpunkt (1. Januar 2021) bereits zustande gekommen sei. Das sei hier nicht der Fall. Unabhängig hiervon habe die Beklagte ab dem 1. Januar 2021 von Amts wegen ein Schiedsverfahren durchzuführen, solange und soweit die Vertragskompetenz noch nicht verbraucht sei. Dies sei der Fall, soweit bislang Preise für die physiotherapeutischen Leistungspositionen (Anlage 2, Teil a Vergütungsvereinbarung) nicht festgesetzt worden seien. Nachdem die Beteiligten auch auf der Grundlage der Vorgaben des ersten Schiedsspruches erneut keine Vereinbarung getroffen hätten, sei die gesetzliche Festsetzungskompetenz wieder an die Schiedsstelle zurückgefallen. Die Anpassung der Preise im hiesigen ergänzenden Schiedsverfahren baue auf den Festsetzungen des ersten Schiedsspruches auf und ergänze diese durch die Festsetzung der prozentualen Preisanpassungen, ohne sie zu ändern. Die Nr. 2 des Schiedsspruches vom 08. März 2021 habe sich insoweit als Teil eines Verwaltungsaktes durch die weitere, ergänzende Entscheidung der Schiedsstelle mit Wirkung für die Zukunft auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X).

 

Die Anpassung der Preise für die Leistungspositionen der Vergütungsvereinbarung (Anlage 2, Teil A) mit 14,09 % bezogen auf das gesetzliche Preisniveau vom 1. Juli 2019 sei sachlich begründet. Die Preise seien leistungsgerecht und wirtschaftlich. Die Anpassung zum 1. April 2021 sei mit eingerechnet. Zu entscheiden gewesen seien hinsichtlich der Anpassung der Preise auf der Grundlage der Nr. 2 des ersten Schiedsspruches insbesondere über die Zahl der Vollzeitäquivalente (VZÄ) der zugrunde zu legenden durchschnittlichen physiotherapeutischen Praxis sowie die anzusetzende Jahresleistungszeit eines angestellten Therapeuten. Alle übrigen für die Preisanpassung relevanten Faktoren habe bereits der erste Schiedsspruch bestimmt.

 

Die Größe einer durchschnittlichen physiotherapeutischen Praxis ergebe sich aus der angenommen Zahl der VZÄ, die in einer durchschnittlichen physiotherapeutischen Praxis therapeutisch tätig seien, einschließlich des Praxisinhabers. Der Kläger zu 1 gehe auf der Grundlage des von ihm vorgelegten IGES-Gutachtens von einer durchschnittlichen Praxisgröße von 3,5 VZÄ aus. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Ein-Personen-Praxen unberücksichtigt geblieben seien (Bezugnahme auf IGES-Gutachten Seite 25). Dies werde damit begründet, dass für die Preiskalkulation die durchschnittliche Praxisgröße i. S. einer betriebswirtschaftlichen Praxis mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sei. Es gebe jedoch 10.215 Ein-Personen-Praxen. Insbesondere im ländlichen Raum seien diese vorherrschend. Der Anteil der Einzelpraxen betrage ca. 82 % der physiotherapeutischen Praxen. Für eine flächendeckende Versorgung mit Physiotherapie seien die kleineren Einzelpraxen deshalb zwingend notwendig (Bezugnahme auf das WAT-Gutachten, Seite 24 f.). Auf der Grundlage des von ihnen vorgelegten Gutachtens unter Einbeziehung von Ein-Personen-Praxen gingen die Kläger zu 2 bis 5 von 2,47 VZÄ aus. Die Beklagte habe sich nicht davon überzeugen können, dass bei der Preiskalkulation Klein- und Kleinstpraxen vernachlässigt werden könnten. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob über die Preiskalkulation und die ihr zugrundeliegenden Annahmen mittelbar Vorgaben für eine sogenannte wirtschaftliche Praxisstruktur gemacht werden könnten. Dies vor allem, weil der Anteil von Klein- und Kleinstpraxen gerade auch im ländlichen Raum so erheblich sei, wie in dem von den Klägern zu 2 bis 5 vorgelegten Gutachten dargelegt. Für die Kalkulation der Preisanpassung seien daher die VZÄ einer durchschnittlichen physiotherapeutischen Praxis i. S. eines Interessenausgleichs mit Kompromisscharakter mit 2,9 angesetzt worden. Soweit der Kläger zu 1 gegen den Ansatz der Verbände vorgebracht habe, deren Zahl sei zu niedrig, weil auf der Grundlage der Daten der Berufsgenossenschaft für das Gesundheits- und Wohlfahrtswesen (BGW) Praxisinhaber nicht eingeflossen seien, habe dies die Schiedsstelle nicht überzeugt. Die Verbände hätten nämlich überzeugend vorgetragen, dass auf der Grundlage der Gesundheitspersonalrechnung des Bundes 2018 in die Berechnung der Zahl der VZÄ sehr wohl auch die Anzahl der Praxisinhaber eingeflossen sei. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass die Physiotherapeuten zu den Gesundheitsberufen gehörten, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in der Unfallversicherung pflichtversichert seien, gerade auch als Selbstständige.

 

Bei der Jahresleistungszeit der Therapeuten setze der Kläger zu 1 eine Jahresleistungszeit von 1.416,71 Stunden an, die Kläger zu 2 bis 5 demgegenüber 1.204 Stunden. Für die Praxisinhaber gehe die Beklagte von 1.121 Stunden aus, da bereits im ersten Schiedsspruch festgesetzt worden sei, dass bei der Jahresleistungszeit der Praxisinhaber wöchentlich 11 Stunden für den administrativen Mehraufwand mindernd zu berücksichtigen seien. Entscheidungserheblich sei allein die Jahresleistungszeit der Therapeuten. Hier sei der GKV-Spitzenverband von 1.535 Stunden ausgegangen, die Verbände von 1.364,68 Stunden. Der höhere Wert des Klägers zu 1 beruhe darauf, dass in dessen Kalkulationslogik die Minderung der Jahresleistungszeit der Praxisinhaber durch eine höhere Leistungszeit der Therapeuten kompensiert werden solle. Dem sei die Beklagte nicht gefolgt. Zwar sei richtig, dass in der Berechnung der Jahresleistungszeit der Therapeuten bereits Urlaub, Erkrankung sowie Fortbildung eingerechnet sei. Pauschal berücksichtigt seien auch die Vor- und Nachbereitung sowie Dokumentation der Behandlungen. Nicht zum Tragen komme aber bei dieser Berechnung die Tatsache, dass Termine aus den unterschiedlichsten Gründen, z. B. einer kurzfristigen Verhinderung des Patienten wegen Erkrankung, nicht wahrgenommen werden könnten. Die Vorstellung, dass der angestellte Therapeut die gesamte Leistungszeit therapeutisch tätig sein könne, sei deshalb nicht überzeugend, auch wenn das Risiko der Minderauslastung einer Praxis grundsätzlich dem Praxisinhaber als Unternehmer zuzuordnen sei. Zugrunde gelegt habe die Beklagte deshalb i. S. eines Kompromisses eine Jahresleistungszeit von 1.450 Stunden.

 

Aus den beiden Werten, den VZÄ von 2,9 und der Jahresleistungszeit der Therapeuten von 1.450 Stunden, ergebe sich auf der Grundlage der im Übrigen bereits festgelegten Werte eine Anpassung der am 01. Juli 2019 gültigen Bundespreise unter Berücksichtigung der Kostenanpassung zum 01. April 2021 sowie aller weiteren Faktoren um 14,09 % mit Wirkung zum 01. August 2021. Dieser angepasste Preis sei ein angemessener Preis, der eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermögliche, § 125 Abs. 3 SGB V.

 

Da die Preise erst mit Wirkung zum 01. August 2021 hätten angepasst werden können, sei ein Ausgleich der Differenz zwischen dem erhöhten Preis ab dem 01. August 2021 sowie dem angepassten Preis zum 01. April 2021 erforderlich (§ 125 Abs. 5 S. 3 SGB V). Dieser Ausgleich erfolge dadurch, dass die zum 01. Juli 2019 gültigen Bundespreise für Behandlungen ab dem 01. August 2021 bis zum 30. November 2021 vorübergehend um 26,67 % angehoben würden. Hingegen sei ein Ausgleich für einen Zeitraum vor dem 01. April 2021 nicht vorgesehen, da insoweit noch die Festlegungen des Schiedsspruches vom 08. März 2021 Wirksamkeit entfalteten.

 

Die übrigen gestellten Anträge beider Seiten seien abzulehnen gewesen. Insbesondere habe der Antrag der Kläger zu 2 bis 5 auf Anpassung der Preise der ersten Stufe um 25 % sowie der darauf aufbauende Antrag, den objektiven Wert für den leistungsgerechten und angemessenen Minutenpreis durch ein (weiteres) Gutachten eines neutralen Wirtschaftsgutachtens für eine zweite Stufe der Preisanpassung ermitteln zu lassen, die Beklagte nicht überzeugt. Im Wege des Interessenausgleiches zwischen den sehr unterschiedlichen Positionen seien bei der Kompromissfindung im Schiedsverfahren diese Anträge zurückgestellt worden, u.a. deswegen, weil sich die Beklagte – abgesehen von dem Volumen einer 25-%igen Anpassung der Preise in einer ersten Stufe – im Rahmen der getroffenen Feststellungen des ersten Schiedsspruches zu bewegen gehabt habe.

 

Eine Rechtsmittelbelehrung brauche der jetzige Schiedsspruch nicht zu enthalten, weil er nach § 96 SGG Gegenstand des bereits laufenden Gerichtsverfahrens sei.

 

Am 19. August 2021 haben die Kläger zu 2 bis 5 beim hiesigen Gericht Klage gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 21. Juli 2021 erhoben (ursprüngliches Az. L 14 KR 323/21 KL).

 

Mit Beschluss vom 27. August 2021 hat sich der Senat im ersten Rechtsstreit für sachlich-instanziell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin (SG) verwiesen (dortiges Az.: S 76 KR 1568/21).

 

Am 23. September 2021 hat der Kläger zu 1 Klage gegen beide Schiedssprüche beim SG erhoben (Az. S 221 KR 1561/21).

 

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2021 hat das SG die Verfahren S 221 KR 1561/21 und S 76 KR 1568/21 verbunden und unter dem Aktenzeichen S 221 KR 1561/21 fortgeführt.

 

Mit Beschluss vom 22. März 2022 hat der 14. Senat die zweite Klage der Verbände an das Sozialgericht Berlin verwiesen (dortiges Az. S 122 KR 1252/22).

 

Das SG hat mit Beschluss vom 03. Mai 2022 (S 221 KR 1561/21) den Beiladungsbeschluss des hiesigen Senats vom 03. Juli 2021 aufgehoben. Es hat weiter mit Beschluss vom 04. November 2022 im Verfahren S 122 KR 1252/22 den jetzigen Kläger zu 1 beigeladen.

 

Die Beklagte hat am 13. Dezember 2022 für die Zeit ab 1. Januar 2023 einen weiteren Schiedsspruch beschlossen, der die Preise durch Anpassung der Werte des Schiedsspruches vom 21. Juli 2021 regelt.

 

Mit In-Kraft-Treten des 8. SGB IV-Änderungsgesetzes (8. Gesetz zur Änderung des 4. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 20. Dezember 2022, BGBl I Nr. 56, S, 2759 ff) am 01. Januar 2023 ist das hiesige LSG für Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 125 SGB V zuständig. Nach § 210 Abs. 3 SGG in der Fassung des 8. SGB IX-Änderungsgesetzes sind alle Verfahren gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 125 SGB V, die am 01. Januar 2023 anhängig sind und sich nicht in der Hauptsache erledigt haben, in dem Stadium, in dem sie sich befinden, auf das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg übergegangen.

 

Das Verfahren S 221 KR 1561/21 hat nach Übergang der Rechtshängigkeit auf das LSG gemäß § 210 Abs. 3 SGG zunächst das Az. L 9 KR 9/23 KL erhalten und ist dann aufgrund Vorbefassung i. S. d. Geschäftsverteilungsplanes vom 1. Senat übernommen worden (Az. L 1 KR 9/23 KL).

 

Das SG hat das Klageverfahren des Klägers zu 1 (S 122 KR 1252/22) mit Beschluss vom 19. Januar 2023 an das hiesige Gericht verwiesen (Az.: L 14 KR 411/23 KL).

 

Mit Beschluss vom 08. Mai 2023 hat der Senat die Rechtsstreitigkeiten L 1 KR 9/23 KL und L 14 KR 41/23 KL zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

 

Die Kläger haben am 4. Dezember 2023 eine ab dem 1. Januar 2024 geltende Vergütungsvereinbarung geschlossen.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Januar 2024 hat der Vorsitzende der Beklagten für diese die für sie maßgeblichen Faktoren für die Festsetzung der Preisanpassung im zweiten Schiedsspruch erläutert:

 

Auf der ersten Stufe stünden danach die unter 2.1 bis 2.3. gemachten Festsetzungen des ersten Schiedsspruches, die zu der Anpassung zum 1. April 2021 i. H. v. 1,51 % geführt hätten. Im Weiteren seien zur Beurteilung der Angemessenheit und zur Bestimmung des Sollwertes einer leistungsgerechten Vergütung herangezogen worden:

  • Gehalt angestellte/r Physiotherapeut/in EG 7 Stufe 5 TVöD Bund
  • Gehalt angestellte/r Masseur/in EG 6 Stufe 5 TVöD Bund
  • Berücksichtigung höherer Anforderung bei Zertifikatspositionen durch Einstufung in eine höhere EG
  • Zusätzlicher kalkulatorischer Unternehmerlohn Physiotherapeut/in EG 9b Stufe 4, Masseur/in EG 8 Stufe 4 jeweils TVöD Bund
  • Durchschnittliche VZÄ physiotherapeutische Praxis 2,9
  • Jahresleistungszeit der Therapeuten/Therapeutinnen: Praxisinhaber/innen 1.121 Stunden nach Abzug von 11 Stunden administrativer Tätigkeit wöchentlich, ansonsten 1.450 Stunden.

 

Unter Verwahrung gegen eine Notwendigkeit hat er weiter dargelegt, wie sich der Wert von 14,09 % im Einzelnen errechnet:

Im Ausgangspunkt seien eine VZÄ von 2,9 sowie eine Jahresleistungszeit der Therapeuten von 1.450 bzw. für die therapeutisch tätigen Praxisinhaber von 1.121 Stunden zugrunde gelegt worden. Der Faktor für den Praxisinhaber betrage 1,0. Daraus ergebe sich rein rechnerisch eine zusammengefasste Jahresleistungszeit von 1.336,55 Stunden pro VZÄ.

Zur Kostenentwicklung seien dann berücksichtigt worden:

Personalkosten zum 1. April 2021 i. H. v. 189.738,81 €, die sich auf den Praxisinhaber mit 72.399,60 € und die Therapeuten mit 52.262,40 € verteilten zzgl. 18.040,65 € für Verwaltungsarbeiten.

Bei den Sachkosten sei ein Betrag von 23.032,04 € berücksichtigt worden, dies umfasse die Kapitalverzinsung wie im ersten Schiedsspruch i. H. v. 2.200 € nebst sonstigen Sachkosten i. H. v. 20.832,04 €.

Als Gemeinkosten seien Raumkosten i. H. v. 11.440,41 € berücksichtigt worden. Hieraus errechneten sich Gesamtkosten i. H. v. 224.211,26 €. Letztlich ergebe sich damit unter Berücksichtigung der zusammengefassten Jahresleistungszeit ein Betrag von 167,75 €. Durch 60 Minuten geteilt errechne sich ein Wert von 2,796 €. Dividiert durch eine VZÄ von 2,9 ergebe sich ein Minutenpreis von 0,964 €. Im Vergleich zum Bundespreis zum 1. Juli 2019 i. H. v. 0,845 € errechne sich schließlich eine Preisanpassung von 14,09 %.

Auf Nachfrage hat er weiter bestätigt, dass die Entgelte von Masseuren sowie von Therapeuten mit Zertifikatsleistung nicht berücksichtigt worden seien. Ob die Raum- und Sachkosten – heruntergerechnet auf 2,9 VZÄ - denjenigen entsprächen, die in den Berechnungen des Klägers zu 1 (Schriftsatz vom 9. April 2021) Berücksichtigung gefunden hätten, vermöge er derzeit nicht zu beantworten.

 

Die Kläger zu 2 und 3 tragen zur Klagebegründung im ersten Klageverfahren vor, nach Ergehen des Schiedsspruches vom 21. Juli 2021 sei Erledigung eingetreten, soweit ursprünglich eine Beseitigung und Neubescheidung hinsichtlich der Festsetzungen unter den Ziffern 2.1 bis 2.3 des ersten Schiedsspruches begehrt worden sei Die Kläger hätten ein berechtigtes Interesse aufgrund sogenannter Wiederholungsgefahr. Da es sich vorliegend um das erste bundeseinheitliche Schiedsverfahren im Bereich der Heilmittelerbringer nach § 125 Abs. 5 SGB V handele, sei nicht auszuschließen, dass einige der Verfahrens- oder Vorgehensweisen der Beklagten auch für folgende Schiedsverfahren richtungsweisend sein könnten. In der Sache könnten die speziellen Festsetzungen des Schiedsspruches vom 08. März 2021 unter den Ziffern 2.1, 2.2 und 2.3 isoliert zum Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung gemacht werden. Die übrigen Festsetzungen des Schiedsspruches hätten auch ohne sie in sinnvoller Weise Bestand. Beide Schiedsverfahren hätten die Preisliste zum Gegenstand gehabt, jedoch verfolgten die Vertragsparteien im Kern verschiedene Vorgehensweisen, um zu einer Preisfestsetzung zu gelangen. Soweit im zweiten Schiedsverfahren konkrete Preise für die einzelnen Leistungen hätten festgesetzt werden sollen, entsprächen die diesbezüglichen Anträge der Kläger zu 2 bis 5 auch nicht den beklagten Festsetzungen des ersten Schiedsspruches unter Ziffer 2. Demnach sei festzustellen, dass sich die Beschwer der Kläger zu 2 und 3, der diese durch den (ersten) Schiedsspruch ausgesetzt gewesen seien, weder geändert und schon gar nicht gemindert habe. Es sei lediglich die eine Beschwer durch eine neue (gleichwertige) ersetzt worden. Wie die Beklagte selbst ausführe, handele es sich bei dem zweiten Schiedsspruch um eine weitere, ergänzende Entscheidung. Erledigt habe sich zwar die Vorgabe, sich selbst über die Preise zu verständigen, aber nicht die bereits festgesetzten Kriterien. Denn soweit eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage nicht zur Gegenstandslosigkeit des Verwaltungsaktes führe, sondern nur zur Folge habe, dass die Voraussetzungen nunmehr anders zu beurteilen wären, bleibe ein Verwaltungsakt wirksam, wenn und soweit durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt sei.

 

Soweit die Beklagte im ersten Schiedsspruch nicht konkrete Preise, sondern lediglich für die drei wesentlichen Parameter des § 125 Abs. 3 S. 2 SGB V die Entwicklung der Personalkosten, der Sachkosten und der durchschnittlichen laufenden Kosten und der Gewichtung untereinander festgesetzt habe, verstoße sie gegen den im sozialrechtlichen Schiedsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Dispositionsmaxime. Das Unterlassen einer konkreten Preisfestsetzung stelle ein Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Hinsichtlich der Festsetzungen zu Personalkosten, Sachkosten und sonstigen Gemeinkosten sei auffällig, dass nur geringfügige Abweichungen zwischen den Vorschlägen des Klägers zu 1 und den Entscheidungen der Beklagten festzustellen seien, sodass im Ergebnis die Gesamterhöhung vom Kläger zu 1 mit 1,48 % und von der Beklagten mit 1,51 % beziffert worden sei. Diese offenkundig zu Tage tretende Übereinstimmung spreche deutlich für einen Verstoß der Beklagten gegen das Willkürverbot.

 

Die Festsetzung unter Ziffer 2.1 des ersten Schiedsspruches (Ermittlung der Entwicklung der Personalkosten) überschreite den Gestaltungsspielraum mit der durchschnittlichen Rate des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes TVöD-Bund von 1,27 % deutlich. Sie verstoße gegen das gesetzliche Gebot in § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V. Danach seien die tatsächlich geleisteten Arbeitsentgelte zu berücksichtigen auf der Grundlage der von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) anzufordernden Statistik. Nach dem Willen des Gesetzgebers liefere nur das Datenmaterial der BGW den Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte. Da der Gesetzgeber sowohl die Vergütung für Heilmittelleistungen als auch die Arbeitsentgelte für die angestellten Heilmittelerbringer habe positiv verändern wollen, sei eine Berücksichtigung der Entwicklung der Personalkosten bei den zukünftigen Vergütungen der Heilmittelerbringer in realistischer Form nur möglich, wenn auf eine Tarif- bzw. Arbeitsentgeltstruktur abgestellt werde, welche diese Veränderungen auch tatsächlich berücksichtige. Diese Struktur sei aufgrund der Gesetzgeberentscheidung die von der BGW zu erstellende Statistik. Der TVöD-Bund enthalte demgegenüber die Entgelte für alle Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst auf Bundesebene und berücksichtige die Steigerungen der Arbeitsentgelte der in ambulanten Physiotherapiepraxis angestellten Physiotherapeuten nicht. Deshalb könne die von der Beklagten zugrunde gelegte Entwicklung des TVöD-Bund weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht eine Grundlage der von § 125 Abs. 3 SGB V geforderten Berücksichtigung der Entwicklung der Personalkosten sein. Im Übrigen sei der TVöD-Bund unabhängig hiervon aus sachlichen Gründen ungeeignet zur Feststellung einer tatsächlichen Personalkostenentwicklung. Denn Tariferhöhungen seien nur ein Teil eines zuvor festgelegten, umfänglichen Vergütungskonzepts. Auch könne ein präziser Prozentwert des gesamten Erhöhungsvolumens im Rahmen des TVöD gar nicht ermittelt werden. Auch bestehe kein direkter oder indirekter Zusammenhang zwischen der Tarifbildung im Öffentlichen Dienst und der Aushandlung der Gehälter zwischen Praxisinhabern und Angestellten. Ferner hätte mit Blick auf die in die Zukunft gerichtete Preisbildung ab dem 01. April 2021 auch die tarifliche Vergütungserhöhung zum 01. April 2021 um immerhin 1,4 % berücksichtigt werden müssen. Nicht zu akzeptieren sei auch, dass die Beklagte für das 2. Halbjahr 2019 sowie prospektiv für die folgenden Jahre ab 2021 auf die im TVöD-Bund vereinbarten Gehaltssteigerungen für den stationären Bereich abstellen wolle. Insoweit würde für das 2. Halbjahr 2019, soweit nachvollziehbar, eine Personalkostensteigerung in Höhe von 0 % angewendet. Die Schiedsspruchbegründung übernehme zu 100 Prozent die Darlegungen des Klägers zu 1 in dessen Schriftsatz vom 12. Februar 2021. Unter Berücksichtigung der Entwicklung ab dem 01. April 2019 habe die Tarifsteigerung im Öffentlichen Dienst 2019 im Durchschnitt 3,09 % betragen und könne daher nicht in eine Berechnung eingeflossen sein, die einen Wert von 1,27 % zum Ergebnis habe. Die fehlende Berücksichtigung des Personalkostenanstiegs in den ambulanten Physiotherapiepraxen im 2. Halbjahr 2019 widerspreche mit Blick auf die tatsächliche Steigerung der Angestelltengehälter von 12,6 % gemäß BGW für das (Gesamt-) Jahr 2019 jeder allgemeinen Lebenserfahrung und stelle sich nicht nur bei näherer Betrachtung als vollkommen unplausibel und mathematisch inkorrekt dar. Zwar sei es zutreffend, dass zum Zeitpunkt der Schiedsstellensitzungen die statistischen Daten der BGW für das Jahr 2020 und das 1. Quartal 2021 nicht vorgelegen hätten, hingegen die Zahlen des Jahres 2019. Diese seien von den Klägern zu 2 bis 5 auch im Schiedsverfahren eingebracht worden. Die tatsächlichen Gehaltssteigerungen in ambulanten Physiotherapiepraxen für das Jahr 2019 seien von der BGW mit 12,6 % angegeben worden. In den vergangenen Jahren hätten die tatsächlichen Gehaltssteigerungen in den Praxen stets deutlich über den Tarifsteigerungen im Öffentlichen Dienst gelegen. Dies liege daran, dass das absolute Gehaltsniveau für die im Öffentlichen Dienst angestellten Physiotherapeuten deutlich oberhalb der Gehälter liege, die im ambulanten Bereich gezahlt werden könnten. Insoweit habe das 2017 in Kraft getretene HHVG zu Steigerungen geführt. Auch der von der Bundesagentur festgestellte überdurchschnittlich hohe Fachkräftemangel im Bereich der physiotherapeutischen Versorgung spiele bei Gehaltssteigerungen in den ambulanten Praxen eine Rolle. Deshalb sei auch für das Jahr 2020 sowie das 1. Quartal 2021 mit einer signifikanten Steigerung der Personalkosten in den Praxen zu rechnen gewesen. Für das Jahr 2020 seien die Effekte allerdings durch die Corona-Pandemie nur schwer einzuschätzen. All diese Umstände habe die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung in keiner Weise berücksichtigt. Der von ihr angesetzte Wert in Höhe von 1,27 % für die Steigerung der Personalkosten im Zeitraum zwischen Juli 2019 und März 2021 könne jedenfalls nicht als Ausdruck der tatsächlichen Verhältnisse angesehen werden. Sachnäher und denklogisch fast schon zwingend wäre es gewesen, die vorliegenden Zahlen der BGW für 2019 zugrunde zu legen und die Erhöhung der Personalkosten für das Jahr 2020 zu prognostizieren, indem die Umsatzsteigerung des Jahres 2020 zu denen des Jahres 2019 ins Verhältnis gesetzt werden. Mittlerweile lägen die tatsächlichen Zahlen der BGW für das Jahr 2020 vor. Danach seien die Gehälter in den Physiotherapiepraxen um rund 3,4 % gestiegen.

 

Auch die Festsetzung unter 2.2 des ersten Schiedsspruches zur Ermittlung der Entwicklung der Sachkosten für die Leistungserbringung sei vom Beklagten unter Überschreitung seines Gestaltungsspielraumes festgesetzt worden. Sie habe die wertmäßige Festlegung der Inflationsrate in einer Weise vorgenommen, die allgemeinen Denkgesetzen der Logik widerspreche. Auch habe sie fehlerhafte Datengrundlagen herangezogen. Die Beklagte habe bei der Festlegung der Vergütungserhöhung von 1,51 % auf Basis der zum 01. Juli 2019 geltenden Bundeshöchstpreise die Kostensteigerung bis Dezember 2020 in ihre Erwägung mit einbezogen. Die Kostenentwicklung für das 1. Quartal 2021 sei jedoch vollständig unberücksichtigt geblieben. Dies ergebe sich als zwingende Folge des Umstandes, dass der von der Beklagten festgesetzte Wert für die preisbildenden Parameter deckungsgleich mit den Werten sei, welche der Kläger zu 1 zuvor in dem Schiedsverfahren eingebracht habe.

 

Auch hinsichtlich der Festsetzung unter Ziffer 2.3 des ersten Schiedsspruches (Ermittlung der durchschnittlichen laufenden Kosten für den Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis) habe sich die Beklagte den Ausführungen des Klägers zu 1 angeschlossen, ohne dass hierfür Gründe dargelegt worden seien. Dies lege sachfremde Erwägungen nahe.

 

Die Gewichtung der drei maßgeblichen Parameter durch die angenommenen Steigerungen der drei Kostenbestandteile sowie der zugrunde gelegten jeweiligen Anteile auf insgesamt 1,51 % sei ebenfalls fehlerhaft. Der Kläger zu 1 habe die Gewichtungsanteile ohne erkennbaren Grund im Laufe des Verfahrens abgeändert. Diese Abänderungen habe die Beklagten im Schiedsspruch nahezu deckungsgleich übernommen. Eine auch nur ansatzweise Begründung für diese Synchronisation sei gänzlich unterblieben. Die Behauptung des Klägers zu 1 eines Personalkostenanteiles von 82,6 % widerspreche der Kostenstrukturanalyse des Statistischen Bundesamtes 2018, wonach von rund 66 % auszugehen sei. Obgleich die Beklagte einen weiten Gestaltungsspielraum habe, müsse sie die von den Vertragsparteien eingebrachten Berechnungsmodelle logisch und nachvollziehbar übernehmen.

 

Soweit die Beklagte zur Begründung ihres Zurückweichens hinter den Anträgen der Kläger auf die behaupteten erheblichen finanziellen Folgen für die GKV abstelle, überschreite sie ihren Gestaltungsspielraum, da nach § 125 Abs. 3 S. 3 SGB V i. V. m. § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V der Grundsatz der Beitragsstabilität ausdrücklich keine Rolle spielen dürfe. Das Abstellen der Beklagten auf die Auswirkungen der Vergütungsanhebung für den Heilmittelbereich Physiotherapie für die Ausgaben der GKV sei damit objektiv erkennbar sachwidrig berücksichtigt. Zudem habe der Kläger zu 1 falsche Angaben zu den tatsächlichen Ausgaben im Heilmittelbereich der Physiotherapeuten gemacht. Diese betrügen nicht, wie vom Kläger zu 1 im Verfahren angegeben, 6.953.701.400,66 €, sondern gemäß Online-Auskunft nach dem „GKV-HIS“ nur 6.233.015.000,00 €.

 

Der erste Schiedsspruch leide ferner an dem Verfahrensfehler, dass die Abwägung nicht auf der Grundlage tragfähiger Tatsachenfeststellungen getroffen worden sei. Liege hinsichtlich eines Umstandes keine Begründung vor, könne daraus geschlossen werden, dass dieser im Rahmen der Beurteilung und Entscheidungsfindung durch die Schiedsstelle keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe es insbesondere versäumt, tragfähige Tatsachenfeststellungen durch Einholung eines neutralen Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen zu treffen. Sie habe im ersten Schiedsspruch in der Begründung ausgeführt, dass als Grundlage der Vergütungsbemessung bei Kollektivverträgen eine repräsentative Anzahl der den Antrag stellenden Verbänden zugehörigen Einrichtungen auszuwählen sei, die für die Ermittlung einer nachvollziehbaren und plausiblen Kostenstruktur dieser Betriebe zugrunde zu legen sei. Die Beklagte habe deshalb den von den Klägern zu 2 bis 5 vorgelegten WAT-Bericht ausgeschieden, nicht hingegen das vom Kläger zu 1 eingebrachte IGES-Gutachten, obwohl die Kostenanteile in diesem Gutachten lediglich auf der Basis von zwei Interviews, also in zwei Praxen, ermittelt worden seien.

 

Im zweiten Klageverfahren haben die Kläger zu 2 bis 5 zunächst den Antrag angekündigt, den Schiedsspruch vom 21. Juli 2021 aufzuheben, soweit er zur Vergütung unter den Ziffern 1., 2., 3. und 4. S. 1 Festsetzungen trifft, darüber hinaus, soweit er unter der Ziffer 5. die Anträge der Kläger zum „Kumulationsmodell“ und zur Berücksichtigung der erforderlichen Zeiten für die Behandlung des Versicherten sowie für die Vor- und Nachbereitung der Behandlung im Rahmen der Regelleistungszeiten ablehnt sowie die Beklagte zu verpflichten, über den Inhalt des Vertrages gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Heilmittelbereich der Physiotherapie insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden

 

Zur Begründung der (zweiten) Klage wiederholen die Kläger zu 2 bis 5 das bisherige Vorbringen der Kläger zu 2 und 3. Sie führen zusätzlich aus, die Beklagtenfestsetzungen könnten isoliert zum Gegenstand der Klage gemacht werden. Es handele sich um mehrere Regelungen i. S. d. § 31 S. 1 SGB X. Unabhängig voneinander würden die Vergütungsanpassung bzw. Vergütungserhöhung entsprechend § 125 Abs. 1 S. 1 SGB V, die Festsetzung von Ausgleichszahlungen entsprechend § 125 Abs. 5 S. 3 SGB V, die Festsetzung des Preises für den besonderen physiotherapeutischen Bericht „der Höhe nach“ sowie die Festsetzung des Vertrages und seiner Anlagen angegriffen. Obwohl letzteres die Festsetzung unter Ziffer 1 beinhalte, hebe dies die Möglichkeit, beides zu beklagen, nicht auf. Denn die Klage richte sich jedenfalls gegen beide Festsetzungen gleichermaßen. Die übrigen Festsetzungen könnten auch ohne die beklagten Festsetzungen Bestand haben. Insbesondere beziehe sich Ziffer 4 S. 2 auf andere Gegenstände als Ziffer 4 S. 1, der die Festsetzung der Anlage 2, Teil B zum Inhalt habe.

 

Die angegriffenen Festsetzungen seien rechtswidrig und verletzten die Kläger zu 2 bis 5 in ihren Rechten. Die Festsetzung unter Nr. 1 des Schiedsspruches vom 21. Juli 2021 sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Die Vertragspartner hätten sich zur Vorgehensweise im zweiten Schiedsverfahren darauf verständigt, nicht – wie noch im ersten Schiedsverfahren – eine erforderliche Vergütungsanpassung (insgesamt oder hinsichtlich einzelner Leistungspositionen) zu vereinbaren, sondern stattdessen den angemessenen Preis einer Leistungsminute in der Physiotherapie – bezogen im Durchschnitt auf durchweg alle Leistungspositionen – zum aktuellen Zeitpunkt zu konsentieren und diesen Minutenpreis für die weiteren Betrachtungen zugrunde zu legen („wirtschaftlicher Minutenpreis“). Das weitere Vorgehen habe vorgesehen, aus der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Minutenpreis und den seit dem 01. Juli 2019 geltenden Bundeshöchstpreisen folgerichtig die prozentuale Vergütungssteigerung zu ermitteln. Der Kläger zu 1 habe im Schiedsverfahren für den Umfang dieser notwendigen Veränderungen gegenüber den Bundeshöchstpreisen hin zu einem wirtschaftlichen Minutenpreis insgesamt einen Wert von 4,4 % zugrunde gelegt (Antragschriftsatz des Klägers zu 1 im zweiten Schiedsverfahren vom 09. April 2021, Seite 7), die Kläger zu 2 bis 5 hätten hingegen einen Wert von 59,8 % angesetzt (Antragserwiderung vom 19. Mai 2021, Seite 6 ff.). Ihre Annahme, ein Vergütungssatz von 1,35 € pro Minute könne als wirtschaftlich angesehen werden, sei bereits ein Zugeständnis an den Kläger zu 1 gewesen. Dieser habe als Ausgangsbasis den gewichteten Minutenpreis zum 01. Juli 2019 mit 0,845 € berechnet. Davon ausgehend sei eine Steigerung von 59,8 % erforderlich, um den Minutenpreis von 1,35 € zu erzielen. Die Beklagte habe aus der Spanne zwischen 4,4 % und 59,8 % zwar nicht zwingend den Mittelwert bilden müssen, der gewählte Faktor 14,09 % werde allerdings nicht begründet, auch nicht unter Zugrundelegung der Werte für VZÄ und Jahresleistungszeit sowie „aller weitere(r) Faktoren“ (Bezugnahme auf Begründung des Schiedsspruches Seite 7 f. und Buchstabe e Seite 10 oben). Nach eigenem Bekunden wolle die Beklagte eine den Gesetzen der Logik folgende, mathematisch rekonstruierbare und nachprüfbare Berechnung durchgeführt haben, die dann aber auch mathematisch korrekt sein müsse. Die Kläger zu 2 bis 5 könnten nur vermuten, dass sich die Beklagte an derselben Methodik orientiert habe, die von den Vertragsparteien gleichermaßen für die Ermittlung und Berücksichtigung der Vergütungsentwicklung Verwendung gefunden habe. Hierfür spreche, dass die Beklagte die überwiegende Anzahl der für die Preisfindung bedeutsamen Parameter nach der jeweiligen Berechnungsmethode des Klägers zu 1 festgesetzt habe. Im Schiedsspruch vom 08. März 2021 habe die Beklagte unter Nr. 2.4 des Tenors den Vertragsparteien verschiedene Kalkulationsansätze für einzelne Kalkulationsgrößen vorgegeben und diese aufgefordert, hierauf basierend einen leistungsgerechten und wirtschaftlichen Preis zu verhandeln. Beide Vertragsparteien hätten sich anschließend auf eine solche (im Grundsatz gemeinsame) Berechnungsmethode verständigt. Diese habe in ihren jeweiligen Schriftsätzen des diesem Rechtsstreit vorangegangen Schiedsverfahrens Eingang gefunden (Bezugnahme auf Antragsschriftsatz des Klägers zu 1 vom 09. April 2021, Seite 5 sowie Antragserwiderungs-Schriftsatz vom 19. Mai 2021, Seite 6 ff.). Hieraus werde dann klar, dass die Beklagte ihren Gestaltungsspielraum überschritten habe, indem sie eine nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen habe. Auch im gerichtlichen Verfahren habe die Beklagte eine Begründung für die Vergütungssteigerung von 14,09 % nicht nachgeholt.

 

Eine plausible Begründung, wie sie auf einen Wert von 14,09 % gekommen sei, habe die Beklagte nicht geliefert. Dies sei jedoch erforderlich, da sie nach § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X verpflichtet sei, in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen habe. Die Begründung entspreche nicht den vom BSG in ständiger Rechtsprechung geforderten Mindestanforderungen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 04.07.2018 [zur Mischpreisbildung], Az.: B 3 KR 21/17 R, juris Rn. 35 m. w. N.). Maßgeblich für eine ausreichende Begründung sei für das BSG, dass der Schiedsspruch erkennen lasse, „welches Gewicht den Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages (dort nach § 130b SGB V) beigemessen wurde." Die Schiedsstelle habe also auch eine Gewichtung der maßgeblichen Kriterien vorzunehmen, die im Gesetz vorgegeben seien. Die gerichtliche Kontrolle sei insoweit eröffnet, ob wesentliche tatsächliche oder für sie zwingende rechtliche Aspekte von der Schiedsstelle missachtet worden seien. Eine Benennung, Gegenüberstellung und ein Abgleich der maßgeblichen Faktoren zur Anpassung der Preise für die Leistungspositionen der Vergütungsvereinbarung um 14,09 % nach Ziffer 1 des Schiedsspruchs vom 21.07.2021 erfolge unter Ziffer II. 2.2 lit. e. gerade nicht. Vielmehr verweise die Beklagte lediglich darauf, dass sich aus den beiden Werten (Vollzeitäquivalente von 2,9 und Jahresleistungszeit der Therapeuten von 1.450 Stunden) auf der „Grundlage der im Übrigen bereits festgelegten Werte" eine Anpassung der am 01.07.2019 gültigen Bundespreise unter Berücksichtigung der Kostenanpassung zum 01.04.2021 „sowie aller weiteren Faktoren" um 14,09 % mit Wirkung zum 01.08.2021 ergebe. Da insbesondere aber die in die Berechnung der Beklagten aufgeführten „weiteren Faktoren" von ihr nicht inhaltlich benannt würden, lasse sich nicht ansatzweise erkennen, welche Faktoren zu Grunde gelegt worden seien und wie die Beklagte zu ihrer Entscheidung gekommen sei.

 

Eine Offenlegung der maßgeblichen Faktoren und deren Berücksichtigung, die im Rahmen der Entscheidung der Beklagten zu einer Anpassung der Bundespreise um 14,09 % geführt habe, sei zu spät erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden der Beklagten erfolgt. Die Festsetzung einer Schiedsstelle sei aber unter anderem dann rechtswidrig, wenn eine bestimmte Gewichtung maßgeblicher Kriterien vorgenommen worden sei, die mit dem Gesetz nicht im Einklang stünden. Ohne Offenlegung der maßgeblichen Faktoren sei es dem Gericht nicht möglich, diese gerichtliche Kontrolle vorzunehmen. Der Schiedsspruch vom 21. Juli 2021 genüge daher nicht den Mindestanforderungen, die in der Entscheidung des BSG vom 04. Juli 2018 aufgestellt worden seien. Weil sich die Begründung aus dem Schiedsspruch selbst nicht einmal ansatzweise ergebe, wozu jedenfalls die abstrakte Darstellung der Rechenschritte unter Benennung der maßgeblichen Faktoren und Zahlen erforderlich gewesen wäre, um die Berechnung ansatzweise nachvollziehbar und überprüfbar zu machen, liege ein Begründungsmangel vor, der dazu führe, dass der Schiedsspruch als rechtswidrig anzusehen sei. Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Begründung könne daran nichts mehr zu ändern, zumal diese nur zu Protokoll erfolgt sei und nicht wie vom BSG vorausgesetzt, durch einen Schriftsatz.

 

Die Entscheidung der Beklagten, die Entwicklung der Personalkosten an die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst statt an die tatsächliche Entwicklung der Gehälter gemäß den BGW-Zahlen zu koppeln, laufe dem Ziel einer Angleichung der im ambulanten und stationären Bereich gezahlten Bruttoarbeitsentgelte zuwider, wie anhand eines Rechenbeispiels für das Jahr 2022 verdeutlicht werden könne. Mit jeder Anpassung der Personalkosten um die Tarifanpassung des TVöD-Bund vergrößere sich die Differenz der Arbeitsentgelte zwischen dem ambulanten und stationären Bereich. Die Orientierung an den Zahlen des TVöD-Bund missachte zudem die notwendige Transparenz nach § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V.

 

Die Beklagte habe ferner ihrer Entscheidung fehlerhafte Tatsachen zugrunde gelegt, weil sie davon ausgegangen sei, außer der Zahl der VZÄ und der zugrunde zu legenden durchschnittlichen Jahresleistungszeit eines angestellten Therapeuten keine weiteren für die Preisfestsetzung relevanten Faktoren mehr bestimmen zu müssen, weil diese bereits im ersten Schiedsspruch festgelegt worden seien. Aus Sicht der Kläger zu 2 bis 5 stellten sich weitere Parameter als für die Preisbildung relevant dar. Zwingend in die Vergütung einzubeziehen sei eine Risikoprämie, welche das unternehmerische Risiko abdecke. Eine Gleichbehandlung eines (im Krankenhaus) angestellten leitenden Physiotherapeuten mit einem selbstständig Tätigen verbiete bereits Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Als hierfür angemessen hätten die Kläger zu 2 bis 5 in ihre Berechnung einen Anteil von 5,5 % des Umsatzes eingestellt. Im Zuge eines Entgegenkommens sei die Forderung bereits auf 4 % reduziert worden (Bezugnahme auf Antragserwiderung vom 19. Mai 2021, Seite 10). Ein solcher Risikozuschlag sei vom Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IGES) als angemessen ermittelt worden (Anlage AG 6 zum Schriftsatz vom 19. Mai 2021, Anlage K 10 der Gerichtsakte S 122 KR 1252/22). Die Beklagte habe diese tatsächlichen Umstände nicht in ihre Ermittlung einfließen lassen. Sie habe lediglich alle übrigen gestellten Anträge zurückgewiesen bzw. abgelehnt. Soweit die Beklagte auf einen leitenden Angestellten abstelle, beachte sie nicht, dass auch ein solcher kein unternehmerisches Risiko trage. Maßgeblich seien nicht abstrakte Bewertungen, sondern die Einkalkulierung des tatsächlichen finanziellen Risikos als Ausfallrisiko, Marktrisiko sowie eines Liquiditätsrisikos. Insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen Ein-Personen-Praxen vor allem im ländlichen Gebiet sei dieses zusätzliche Risiko unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände in die Preisfindung einzubeziehen. Andernfalls werde der wirtschaftliche Anreiz, in ländlichen Gebieten eine Einzelpraxis zu gründen, bereits im Keim erstickt mit der Folge von Unterversorgung. Rechtswidrig sei es, dass die Beklagte bei den Sachkosten gänzlich unberücksichtigt gelassen habe, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Zahl der tätigen Physiotherapeuten und den in der Praxis anfallenden Sachkosten bestehe. Der Kläger zu 1 habe in den Verhandlungen (indirekt) dargelegt, dass die sonstigen Sachkosten pro Vollzeitäquivalent 7.183,00 € betrügen, die Kläger zu 2 bis 5 seien hingegen von 9.250,00 € ausgegangen. Die Beklagte habe keinen Wert innerhalb dieser Spanne zugrunde gelegt, sondern sich überhaupt nicht mit der Kopplung der Sachkosten an die VZÄ auseinandergesetzt.

 

Die Beklagte habe weiter eine fehlerhafte VZÄ pro Praxis angenommen. Der wahre Wert lasse sich einfach durch die Division der tatsächlich tätigen 121.000 Therapeuten (zwischen den Vertragspartnern unstreitig) durch die Zahl von 48.927 Praxen errechnen, welche den Erhebungen der BGW zu entnehmen sei. Statt den sich so aus eindeutigen Zahlen ergebenden 2,47 VZÄ/Praxis habe der Beklagte im Zuge einer Kompromissbildung einen Wert von 2,9 einfließen lassen, obwohl es angesichts der Eindeutigkeit der zur Verfügung stehenden Werte keinen Gestaltungsspielraum gegeben habe. Dass die Beklagte nicht den Annahmen der Kläger zu 2 bis 5 gefolgt sei, sei umso fragwürdiger, als sie ausdrücklich dem hierauf bezogenen Vortrag des Klägers zu 1 nicht gefolgt sei. Soweit die Beklagte die Auffassung vortrage, dass die Ableitung der VZÄ ein wertender Vorgang sei, fehlten die Gründe für diese Betrachtungsweise oder wertenden Überlegungen hierfür. Zu Unrecht habe die Beklagte weiter unberücksichtigt gelassen, dass es zwar viele Einzelpraxen gebe, daneben jedoch auch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Gemeinschaftspraxen. Rechtswidrig sei weiter eine VZÄ bezogen auf die Anzahl der Angestellten für die Verwaltung pro Praxis gänzlich unberücksichtigt geblieben, obgleich beide Vertragspartner Werte von 0,5 (Kläger zu 1, Schriftsatz vom 06. Juli 2021, Seite 15) bzw. – bereits als Kompromisscharakter – 1,0 (Kläger zu 2 bis 5) eingesetzt gehabt hätten (Antragserwiderung vom 19. Mai 2021, Seite 7). Die Beklagte habe die notwendige Verwaltungstätigkeit überhaupt nicht berücksichtigt, was ein Beleg für unrichtige bzw. unvollständige Tatsachen sei. Auch sei in der Begründung nicht dokumentiert, dass sich die Beklagte mit dem Vorbringen der Kläger zu 2 bis 5 in hinreichender Weise auseinandergesetzt habe.

 

Die Beklagte habe ihren Gestaltungsspielraum auch überschritten, in dem sie von einer Jahresleistungszeit eines angestellten Physiotherapeuten von 1.450 Stunden pro Jahr ausgegangen sei. Bei einer allseits anerkannten jährlichen Gesamtarbeitszeit von 1.550 Stunden (wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden) habe der Kläger zu 1 lediglich Reduktionen um Zeiten, die auf Fortbildungsmaßnahmen entfielen, vornehmen wollen und gehe von 1.535 Stunden/Jahr aus. Hingegen hätten die Kläger zu 2 bis 5 vertreten, dass zusätzlich weitere Zeiten, etwa für Teamsitzungen, Zeiten von Unterauslastung der Praxis inkl. Pufferzeiten sowie Ausfallzeiten, die infolge kurzfristiger Terminabsagen aufträten, zu berücksichtigen seien. Deshalb hätte diese 1.364,68 Stunden/Jahr angesetzt. Zwar liege der angesetzte Wert der Beklagten innerhalb dieses Korridors, jedoch habe sie zum einen unberücksichtigt gelassen, dass die Kläger zunächst nur 982 Stunden pro Jahr und Therapeut angesetzt hätten. Der Wert von 1.364,68 Stunden/Jahr sei lediglich ein Kompromissangebot gewesen. Es bestehe weiter kein sachlicher Grund, Zeiten für Teamsitzungen, Ausfallzeiten und Zeiten der Unterauslastung anders zu behandeln als Zeiten für Fortbildungsmaßnahmen. In all diesen Zeiten könne kein Umsatz generiert werden. Diesem Gedanken sei die Beklagte sogar im Wesentlichen gefolgt, indem sie in der Begründung des Schiedsspruches Seite 9 unten ausgeführt habe, überzeugt zu sein, dass Termine kurzfristig ausfielen und angestellte Therapeuten notwendigerweise nicht die gesamte Leistungszeit therapeutisch tätig sein könnten. Die getroffene Kompromisslösung überrasche deshalb, widerspreche sich im Ergebnis und sei willkürlich, in gewisser Weise treuwidrig. Zudem fehle eine auch nur andeutungsweise nachvollziehbare Begründung.

Fehlerhaft habe die Beklagte bei der Jahresleistungszeit des Praxisinhabers nur wöchentlich 11 Stunden für den administrativen Mehraufwand berücksichtigt, nicht hingegen die weiteren Zeiten, in denen auch der Praxisinhaber nicht therapeutisch tätig sein könne, wie den Ausfallzeiten und solchen der Unterauslastung. Die Kläger zu 2 bis 5 hätten im Verfahren vorgebracht, dass der Praxisinhaber 1.003,64 Stunden/Jahr therapeutisch tätig sein könne (Bezugnahme auf Antragserwiderung vom 19. Mai 2021). Diesen Wert habe die Beklagte verfehlt nicht zur Eingrenzung ihres „Entscheidungskorridors“ verwendet.

 

Zum Klageantrag zu 2.) berufen sich die Kläger zu 2 bis 5 zunächst auf die frühere Klagebegründung und bemängeln ergänzend, dass die vorübergehende Vergütungserhöhung von 26,67 % nicht auch nur andeutungsweise begründet sei.

Zum Antrag auf Aufhebung der Ziffer 4 S. 1 des Schiedsspruches vom 21. Juli 2021 führen die Kläger zu 2 bis 5 aus, dieser stehe untrennbar mit den Festsetzungen unter der Ziffer 1 im Zusammenhang.

Der Kläger zu 1 trägt vor, in formeller Hinsicht seien die Erläuterungen des Vorsitzenden der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2024 eine zulässige Ergänzung der Begründung des in Form eines Verwaltungsaktes ergangenen Schiedsspruchs vom 21. Juli 2021. Hierfür spreche zudem, dass die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genannten Zahlen den Vertragsparteien zumindest insoweit überwiegend bekannt gewesen seien, als sie bereits zum Gegenstand der Verhandlungen vor der Schiedsstelle gehört hätten.

 

In der Sache richte sich seine Klage im Wesentlichen gegen die Festsetzung der Preise der physiotherapeutischen Leistungspositionen (§ 125 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) und der daraus abgeleiteten Höhe der Zahlbeträge durch Ziffer 1 und 2 des Beschlusstenors des zweiten Schiedsspruches.

Bei der Festlegung der VZÄ in Höhe von 2,9 habe die Beklagte einen unzutreffend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt bzw. keine tragfähigen Tatsachenfeststellungen getroffen, um den von ihr gewollten Interessenausgleich mit Kompromisscharakter tatsächlich vornehmen zu können. Weder seien 82% der Praxen Ein-Personen-Praxen, noch sei bekannt, ob Ein-Personen-Praxen die Versorgung im ländlichen Raum sicherten. Sie selbst habe den klägerischen Antrag auf eine Praxisgröße von 3,5 VZÄ auf der Grundlage des IGES-Gutachten mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Gutachten die Ein-Personen-Praxen nicht berücksichtigt habe, obwohl der Anteil der Einzelpraxen ca. 82 % betrage. Damit habe die Beklagte die offensichtlich unzutreffende Annahme zugrunde gelegt, dass Einzelpraxen zugleich Ein-Personen-Praxen seien. Während mit dem Begriff Ein-Personen-Praxen zum Ausdruck gebracht werde, dass dort nur ein Therapeut, in der Regel der Praxisinhaber, tätig sei, beschreibe der Begriff Einzelpraxis die rechtliche Ausgestaltung der Praxisform (Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis). Eine Einzelpraxis habe stets nur einen Praxisinhaber, eine Gemeinschaftspraxis dagegen immer mehrere. Dies werde auch aus der Definition im WAT-Bericht deutlich, auf die sich die Beklagte beziehe. Die Anzahl der Praxisinhaber sage also nichts darüber aus, in welchem Umfang in der Praxis auch angestellte Therapeuten tätig seien. Die Mehrheit der Praxen mit einer Größe und Anzahl angestellter Therapeuten seien Einzelpraxen. Dementsprechend könne der prozentuale Anteil der Einzelpraxen an der Gesamtzahl der zugelassenen Praxen entgegen der Annahme der Beklagten keine Auskunft über den Anteil der Klein- und Kleinstpraxen an der Versorgung geben. Daraus folge wiederum, dass es für die Darlegung der Beklagten, sie habe für ihre Preiskalkulation mit 2,9 VZÄ eine Praxisgröße zugrunde gelegt, die den tatsächlichen Versorgungsverhältnissen besser entspreche, keine tragfähige Tatsachengrundlage gebe. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass sich die Kläger zu 2 bis 5 in ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2021 unter Bezugnahme auf den Qualitätsbericht zur Gesundheitspersonalberechnung (Seite 5) beriefen, und dies für überzeugend halte, sei dies falsch. In diesem Bericht finde sich der Begriff „Praxisinhaber“ gar nicht, sondern nur der des Selbstständigen. Damit könnten auch freie Mitarbeiter gemeint sein, welche in dem WAT-Bericht auch neben den angestellten Therapeuten gesondert aufgeführt seien (dort Seite 26). Aus dem WAT-Bericht ergebe sich im Übrigen für eine physiotherapeutische Praxis eine VZÄ von 2,9, die sich nur auf (angestellte und freiberufliche) therapeutische Mitarbeiter beziehe, ohne die Praxisinhaber einzubeziehen (WAT-Bericht S. 26 und 70). Auch dies spreche gegen die Annahme der Beklagten, ein VZÄ von 2,9 könne als Interessenausgleich mit Kompromisscharakter angesehen werden. Die dargestellten Unsicherheiten hinsichtlich der Berücksichtigung der Praxisinhaber hätte die Beklagte aufklären müssen. Die Feststellung, dass auch selbstständige Physiotherapeuten der Versicherungspflicht in der Unfallversicherung unterlägen, vermöge dies nicht zu ersetzen. Zum einen gehörten entsprechende Angaben aus der Unfallversicherung soweit ersichtlich nicht zu den Datenquellen, die bei der Gesundheitspersonalrechnung berücksichtigt seien. Zum anderen fordere eine eigene Versicherungs- und Beitragspflicht der als Unternehmer tätigen Physiotherapeuten nach § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII auch stets eine gesonderte Beitragsberechnung und einen gesonderten Beitragsbescheid. Auch habe die Beklagte keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen zu der Plausibilität der von den Organisationen der Leistungserbringer für ihre VZÄ-Berechnungen herangezogenen Anzahl an Praxen getroffen. Die Kläger zu 2 bis 5 hätten im Schiedsverfahren vorgetragen, es gebe insgesamt 49.011 zu berücksichtigende ambulante Praxen. Diese Zahl hätten sie aus zwei Aufstellungen der BGW (Ergebnis der Umlagerechnung 2019) übernommen, die gesondert 45.490 Praxen/Unternehmen der Physiotherapie/Krankengymnastik und 3.512 Praxen/Unternehmer der Massage, medizinische Bäder aufführten. Die Zahl von 49.011 Praxen weiche erheblich von der sich aus den Heilmittelleistungserbringerverzeichnis (Stand 2018) ergebenden Anzahl von insgesamt 41.172 Praxen ab. Gegen die Heranziehung der von den Organisationen der Leistungserbringer ohne erläuternde Angaben zur Methodik und den Datengrundlagen eingereichten Aufstellungen der Berufsgenossenschaft als Berechnungsgrundlage für die VZÄ pro Praxis bestünden erhebliche Bedenken. Denn diese Aufstellungen sollten als Beleg dafür dienen, dass es neben den Physiotherapie/Krankengymnastik-Praxen noch über 3.500 weitere gebe, in denen ausschließlich Masseure und medizinische Bademeister Maßnahmen der Physiotherapie erbrächten. Die aus dieser für den Leistungsbereich der Physiotherapie ungewöhnlichen Trennung abgeleitete Gesamtanzahl von Praxen lasse sich weder anhand der Gesundheitspersonalrechnung des Bundes noch des Heilmittelleistungserbringerverzeichnisses auch nur annähernd nachvollziehen. Die Beklagte hätte daher dem Vortrag der Kläger zu 2 bis 5 näher nachgehen müssen, um diesen als Grundlage für den von ihr beabsichtigten Interessenausgleich mit heranziehen zu dürfen. Aus der unzutreffenden Festlegung der ab dem 01. August 2021 geltenden Preise folge auch, dass die Beklagte über den Ausgleich für die verzögerte Preisfestsetzung neu zu entscheiden haben werde. Denn die Höhe habe die Beklagte aus der Differenz zwischen den zum 01. August 2021 festgesetzten Preisen und den zuvor ab dem 01. April 2021 geltenden ermittelt.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen der anderen Kläger trägt der Kläger zu 1 ergänzend vor, die Statistik der BGW sei maßgeblich für die Frage der Regelung eines gesonderten Punktes „Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer“ (§ 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V). Eine Orientierung an den BGW-Daten führe zu einer Preisspirale nach oben. § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V solle einzig gewährleisten, dass die Preisanpassungen auch auf die Gehälter der Beschäftigten im ambulanten Physiotherapie-Bereich durchgriffen.

 

Bei der mit dem Schiedsspruch vom 21. Juli 2021 erfolgten Festsetzung der Preise zum 1. August 2021 handele es sich nur für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 31. Juli 2021 um eine verzögerte Entscheidung im Sinne von § 125 Abs. 5 S. 3 SGB V. Denn der danach für das Vorliegen einer verzögerten Entscheidung erforderliche „Ablauf von drei Monaten" könne sich nach der Gesetzessystematik nur auf den in § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V genannten Zeitraum („innerhalb von drei Monaten") beziehen, innerhalb dessen die Beklagte im Fall einer fehlenden Einigung der Vertragsparteien die Preise festzusetzen gehabt habe. Dieser Zeitraum von drei Monaten wiederum habe nach § 125 Abs. 5 S.1 SGB V (in der Fassung des GPVG vom 22. Dezember 2020) mit dem 1. Januar 2021 begonnen und am 31. März 2021 geendet. Aus dem ebenfalls durch das GPVG eingefügten § 125 Abs. 5 S. 2 SGB V ergebe sich kein früherer Beginn des Dreimonatszeitraums, da dies ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich der Beklagten habe ermöglichen sollen, auch vor dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt (1. Januar 2021) tätig werden zu können. Damit sollte jedoch nicht der Zeitpunkt des Beginns des Dreimonatszeitraums nach § 125 Abs. 5 S. 1 und 3 SGB V verändert werden (Bezugnahme auf BT-Drs. 19/23483, Seite 29).

 

Die Kläger zu 2 bis 5 beantragen,

 

1. den Schiedsspruch der Beklagten vom 21. Juli 2021 aufzuheben, soweit er zur Vergütung unter den Ziffern 1., 2. und 4. S. 1 Festsetzungen trifft,

2. die Beklagte zu verpflichten, über den Inhalt des Vertrages gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Heilmittelbereich der Physiotherapie insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

3. die Beklagte zu verpflichten, Zahlbeträge zu beschließen, durch die Vergütungsausfälle ausgeglichen werden, die bei den Leistungserbringern im Zeitraum bereits ab dem 10. Januar 2021 durch die verzögerte Entscheidung der Beklagten entstanden sind,

 

Die Kläger zu 2 und 3 beantragen zusätzlich,

 

festzustellen, dass der Schiedsspruch vom 8. März 2021 in seinen Festsetzungen unter den Ziffern 2.1, 2.2 und 2.3 rechtswidrig gewesen ist.

 

Der Kläger zu 1 beantragt,

 

die Festsetzungen unter den Ziffern 1 und 2 des Schiedsspruchs der Beklagten vom 21. Juli 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

 

Die Beklagte beantragt,

 

zu den ursprünglichen Klageverfahren L 1 KR 135/21 KL bzw. S 76 KR 1568/21 die Fortsetzungsfeststellungklage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen,

zu dem ursprünglichen Klageverfahren L 14 KR 323/21 KL – S 122 KR 1252/22 die Klagen der Kläger zu 2 bis 5 gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 21. Juli 2021 als unzulässig abzuweisen, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen,

zu dem ursprünglichen Klageverfahren S 221 KR 1561/21 die Klage des Klägers zu 1 als unbegründet zurückzuweisen.

 

Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, der weiteren Klage der Verbände stehe der Einwand doppelter Rechtshängigkeit entgegen, da der zweite Schiedsspruch kraft Gesetz gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gegen den ersten Schiedsspruch geworden sei. Der zweite habe den ersten durch die Festsetzung der Preise vervollständigt bzw. ergänzt. Die Vorgabe an die Vertragsparteien, sich bis zum 01. April 2021 über die Preise zu verständigen, habe sich durch Zeitablauf bzw. auf andere Weise erledigt. Die Beschwer der klagenden Verbände haben sich vermindert, weil immerhin eine Preisregelung getroffen worden sei. Der Fortsetzungsfeststellungsklage fehle es zudem am Fortsetzungsfeststellungsinteresse, insbesondere an einer Wiederholungsgefahr. Der zweite Schiedsspruch habe die Preise auf einem Niveau angepasst, das über die im ersten Schiedsspruch festgesetzte Kostenentwicklung deutlich hinausgehe. Bei einer Kündigung des Vertrages bestünde für die Beteiligten keine im Wesentlichen unveränderte Situation, welche Voraussetzung für die Annahme einer Wiederholungsgefahr wäre.

 

Die Beklagte bezieht sich im Übrigen auf die Begründung des Schiedsspruches. In der Situation, in der wie hier die beklagte Schiedsstelle zunächst keine vollinhaltlich abschließende Entscheidung treffe und auch nicht treffen wolle und anschließend den noch fehlenden Teil in einer weiteren Entscheidung ergänze, werde der erste Schiedsspruch durch den weiteren als Zweitbescheid ergänzt. Die Klage sei im Übrigen auch unzulässig, wenn § 96 SGG nicht für einschlägig gehalten werde. Es läge dann jedenfalls Teilidentität der Streitgegenstände vor, weil die im ersten Schiedsspruch festgelegten Kriterien für die Preisbildung auch dem zweiten zugrunde gelegt worden seien. Im Übrigen müsste das zweite Klageverfahren ausgesetzt werden, was dementsprechend beantragt werde. Es dürfe nunmehr unstreitig sein, dass sich die Rechtswirkungen des ersten Schiedsspruches in seinen Nr. 2, 2.1 bis 2.4 durch Zeitablauf zum 31. März 2021 sowie die ergänzenden Festsetzungen des zweiten Schiedsspruches auf andere Weise erledigt habe. Insoweit sei die gesetzliche Entscheidungsbefugnis der Schiedsstelle wieder aufgelebt mit der Folge, dass sie auf Antrag erneut zur Entscheidung befugt gewesen sei.

 

Der Schiedsspruch bewege sich im Übrigen im Rahmen des Gestaltungsspielraumes und erfülle die Anforderungen an eine Begründung. Der Gestaltungsspielraum einer Schiedsstelle bestimme sich nach Inhalt und Umfang der Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner. Dies gelte auch für die Gestaltung des Verfahrens. Zur Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner gehöre es, zum Ausgleich divergierender Interessen Inhalte zu vereinbaren, die willkürlich seien. Auch dies sei Inhalt der Vertragsgestaltungsfreiheit. Zu berücksichtigen sei auch, dass Schiedsentscheidungen Mehrheitsentscheidungen aufgrund vertraulicher Beratungen seien, in denen unterschiedliche Interessen zum Ausdruck kämen und zu einem Kompromiss durch Mehrheitsentscheid geführt würden. Eine Schiedsstelle überschreite erst dann den Bereich ihrer weiten Gestaltungsfreiheit, wenn das Handeln der Schiedsstelle (als Normgeber) äußerste rechtliche Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschreite (Bezugnahme auf BSG, Beschluss vom 27. Januar 2021 – B 6 A 1/19 R – Rn. 11). Diese von der Rechtsprechung zum Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaussicht entwickelten Vorgaben seien auch auf die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der Selbstverwaltung anzuwenden. Aus diesem Zusammenhang ergäben sich schließlich auch die Anforderungen, welche an die Begründung einer Schiedsstellenentscheidung zu stellen seien. Die wesentlichen, nicht alle, tatsächlichen und rechtlichen Gründe müssten wenigstens andeutungsweise erkennbar sein. Andeutungsweise heiße, dass die Tatsachen und Gründe nicht immer ausdrücklich genannt sein müssten. Es reiche aus, dass sie erkennbar seien. Das sei auch dann der Fall, wenn sie nur aus dem Gesamtzusammenhang des Ergebnisses erschlossen werden könnten. Die Anforderungen bezögen sich dabei auf die Entscheidungsergebnisse insgesamt einschließlich der tragenden Gründe, nicht hingegen auf jede einzelne Feststellung bei der Ableitung der Anhebung der Preise. Letzteres überspanne die Anforderung an den Begründungsaufwand einer ehrenamtlich tätigen Schiedsstelle deutlich. Art. 19 Abs. 4 GG werde nur soweit tangiert, als dass den Gerichten möglich sein müsse, zu überprüfen, ob die Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Schiedsstelle eingehalten worden seien.

 

Insbesondere sei die Darlegung des Rechenweges in der Begründung des Schiedsspruchs vom 21. Juli 2021 nicht erforderlich gewesen. Das BSG habe vor einem vergleichbaren Hintergrund in einer seiner Entscheidungen zur Mischpreisbildung sinngemäß ausgeführt, dass der Gesetzgeber nicht allein auf die wenig konkreten materiell-rechtlichen Kriterien vertraue, sondern daneben auch der Struktur des Einigungs- und Aushandlungsprozesses besondere Bedeutung beigemessen habe. Weitergehende Begründungspflichten als die Mitteilung der wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Gründe ließen sich weder aus dem Gesetz noch dem untergesetzlichen Normprogramm ableiten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 21/17 R- Rn. 42). Teilrechenoperationen müssten nicht im Einzelnen in der Begründung der Schiedsstelle ausgewiesen sein. Es sei nicht erkennbar, warum diese Grundsätze nicht auch für die Bildung der Heilmittelpreise Anwendung finden sollten.

 

Hilfsweise sei zudem davon auszugehen, dass ein formeller Begründungsmangel durch den Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geheilt sei. Ein Schriftformerfordernis bestehe nicht. Ein förmliches Nachverfahren zur Heilung des Formfehlers sei nicht erforderlich. Zudem werde hilfsweise auf § 42 SGB X verwiesen. Eine weitergehende Begründungspflicht hätte die im Wege der Kompromissbildung herbeigeführte Mehrheitsentscheidung der Schiedsstelle nicht beeinflusst und auch nicht beeinflussen können. Bei den gleichbleibenden Faktoren der Preisbildung änderte eine Darlegung des Rechenweges in einer Ergänzung der Begründung nichts am Ergebnis der Preisbildung.

 

Soweit die Beklagte für die Festsetzung der Personalkostenentwicklung auf die des TVöD-Bund abgestellt habe, liege dies in ihrem weiten Gestaltungsspielraum. Das Gesetz gebe nicht vor, dass zur Festsetzung der Entwicklung der Personalkosten i. S. d. § 125 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB V zwingend und ausschließlich die Entwicklung der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte der angestellten Therapeuten in der Darstellung der Nachweise der Arbeitsentgelte der versicherten und der geleisteten Arbeitsstunden nach § 165 Abs. 1 SGB XII, § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V zugrunde zu legen sei. Der Zweck von § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V bestehe nach der Begründung darin, im Rahmen der Vertragsverhandlungen Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tatsächlich von den Praxisinhabern an ihre Arbeitnehmer gezahlten Arbeitsentgelte zu vereinbaren. Diese Vorgabe diene demnach vor allem der Transparenz in den Preisverhandlungen. Denn Preisentwicklung und Entgeltentwicklung könnten teilweise deutlich auseinanderfallen. Mit dem Gesetz sollte erreicht werden, dass Preisentwicklung und Entgeltentwicklung stärker im Gleichklang stünden. Mit den Vorgaben zur Feststellung der Personalkostenentwicklung und den Vorgaben zu transparenten Vergütungsstrukturen würden unterschiedliche Zwecke verfolgt, die sich zwar möglicherweise überschnitten, aber nicht identisch seien. Hieraus folge, dass die Entgeltwerte der BGW für die Bestimmung der Personalkostenentwicklung nach § 125 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB V zwar herangezogen werden könnten, aber nicht immer und ausschließlich zwingend heranzuziehen seien. Dies sei insbesondere dann nicht der Fall, wenn – wie hier – die Werte der BGW in der konkreten Entscheidungssituation der Schiedsstelle nicht oder nur eingeschränkt zur Abbildung der Personalkostenentwicklung geeignet seien. Unstreitig hätten die Entgeltwerte der BGW im Zeitpunkt der Entscheidung für das Jahr 2020 und 2021 noch nicht vorgelegen. Die Entgeltwerte für das Jahr 2019 seien nicht repräsentativ, da in das Jahresergebnis 2019 der deutliche Erhöhungseffekt der gesetzlichen Preisanpassung zum 01. Juli 2019 zumindest anteilig eingeflossen sei. Die zweite Halbjahresrate der BGW-Werte 2019 hätte also nur mit einem zu schätzenden Abschlag verwendet werden können. Vor diesem Hintergrund sei es im Gestaltungsermessen gewesen, im Interesse einer einheitlichen Rate auf die durchschnittliche Tarifentwicklung des TVöD-Bund zurückzugreifen, der auch in der stationären Versorgung zur Bemessung der Entgelte beschäftigter Therapeuten verwendet werde. Der Schiedsspruch verfolge damit das Ziel, die ambulanten Entgelte im Interesse der Wettbewerbsgleichheit an die stationären anzugleichen. Insoweit ergebe sich aus dem Gesetz keine Verpflichtung, die Entwicklung der Personalkosten allein und ausschließlich auf der Grundlage von BGW-Entgelten zu schätzen. Daraus folge auch, dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, ein weiteres sachverständiges Gutachten einzuholen. Auch abgesehen von dem Zeitaufwand habe mit der Tarifentwicklung eine taugliche Alternative zur Verfügung gestanden. In die ab 01. April 2021 vorläufig gezahlten erhöhten Preise sei die Tarifanpassung im TVöD zum 01. April 2021 eingeflossen.

Die Festsetzung der Entwicklung der Sachkosten anhand der Inflationsrate sei rechtmäßig und werde auch von den Klägern zu 2 bis 5 nicht in Frage gestellt. Auf die betragsmäßige Höhe komme es wegen der deutlich höheren Preisfestsetzung nicht mehr an.

Auch die Festsetzung der sogenannten Gemeinkosten sei rechtmäßig. Abgesehen von einem unsubstantiierten Vorwurf der Willkür trügen die Kläger zu 2 bis 5 nichts Weiteres vor. Deren Höhe sowie die Effekte der vorgenommenen Gewichtung der verschiedenen Kostenbestandteile seien wegen der Preisfestsetzung durch den zweiten Schiedsspruch unbeachtlich.

Die einzelnen Festsetzungen zur Anpassung der Preise bewegten sich jeweils im Rahmen des Vertretbaren. In keinem Falle werde die äußerste rechtliche Grenze der Rechtsetzungsbefugnis überschritten. Die Festsetzungen stünden in keinem Fall in einem groben Missverhältnis zu den mit ihnen verfolgten Zwecken und seien auch nicht schlechterdings unvertretbar und unverhältnismäßig. Die Festsetzungen bei der Ableitung der Preisbildung seien nicht willkürlich, erfolgten auf der Grundlage eines vollständigen und zutreffenden Sachverhaltes und verstießen auch nicht gegen die Denkgesetze und Grundsätze der Logik. Die Anhebung der am 01. Juli 2019 gültigen Bundeshöchstpreise für Behandlungen ab dem 01. August 2021 um 14,09% bewege sich im Korridor der Anträge. Ein Anspruch auf Festsetzung regelhaft des Mittelwertes bestehe nicht. Die der Bestimmung des Preises auf der Grundlage der zwischen den Parteien konsentierten Methodik zugrunde gelegten preisbildenden Faktoren sei rechtmäßig. Das Ansetzen der Zahl der VZÄ mit 2,9 sei kein Rechenvorgang, sondern ein wertender Vorgang im Kompromisswege. Dies sei schon daran erkennbar, dass die Frage der als Basis einzubeziehenden Praxen wegen der Bewertung der Einzelpraxen zwischen den Beteiligten bis zum Schluss streitig geblieben sei. Als hilfsweises Argument kämen die Ein-Personen-Praxen ins Spiel. Diese seien in dem vom Kläger zu 1 beauftragten IGES-Gutachten einfach herausgerechnet worden, obwohl dies nach diesem Gutachten rund 10.000 Praxen betreffe. Die Beklagte habe im zweiten Schiedsspruch ausdrücklich auf diese Angabe abgestellt. Das Gutachten spreche in den zitierten Stellen jeweils von Ein-Personen-Praxen und gerade nicht von Einzelpraxen mit mehreren therapeutisch tätigen Angestellten. Auch sofern auf die Rechtsform der Einzelpraxis abgestellt werde, sei die Berücksichtigung kleiner ländlicher Praxen bei der Festsetzung der VZÄ durch das IGES und damit den Kläger zu 1 nicht für Versorgungsaspekte ausreichend, da das IGES in seinem Gutachten von 3,5 therapeutischen VZÄ ausgehe. Daneben habe die Beklagte keine ganze oder halbe Stelle pauschal für die notwendigen Verwaltungstätigkeiten eingestellt, weil sie bereits im ersten Schiedsspruch bei der Jahresleistungszeit des Praxisinhabers 11 Stunden wöchentlich für den administrativen Mehraufwand mindernd berücksichtigt habe. Diese Entscheidung habe sich angesichts des sehr hohen Anteils an Einzelpraxen im Rahmen des rechtlich Vertretbaren gehalten.

 

Auch die Jahresleistungszeit der Therapeuten sei im Sinne eines Kompromisses mit 1.450 Stunden zugrunde gelegt worden. Aus dem Gleichbehandlungssatz ergebe sich nichts für die Beantwortung der Frage, ob Zeiten für Teamsitzungen abzuziehen seien oder nicht. Ausfallzeiten sowie Unterauslastungen seien dem Unternehmerrisiko des Praxisinhabers zuzuordnen, worauf in der Begründung hingewiesen worden sei (Schiedsspruch Seite 9). Bei der Bestimmung der Jahresleistungszeit des Praxisinhabers sei der Vortrag der Kläger zu 2 bis 5, dass neben den Absetzungen für den administrativen Aufwand auch weitere Zeiten abzusehen seien, nicht sachgerecht. Die Vorstellung, dass angestellte Therapeuten und der Praxisinhaber z.B. hinsichtlich der Absetzung von Fortbildungen rechtlich gleich zu behandeln seien, sei irrig.

 

Die angemahnte fehlende Begründung der prozentualen Anpassung der Vergütung in Höhe von 14,09 % ergebe sich aus der Ableitung der Vergütungsanpassung anhand der zuvor dargestellten wesentlichen Faktoren auf der Grundlage der Methodik, die zwischen den beiden Vertragsparteien konsentiert worden sei (Bezugnahme auf Klagebegründungsschriftsatz vom 15. Dezember 2021, Seite 21, 22). Auf die Schriftsätze sowie das IGES-Gutachten werde verwiesen. Eine Risikoprämie als Preisbildungsfaktor für das Unternehmerrisiko habe die Beklagte nicht eingestellt, weil für den Unternehmerlohn deutlich höhere Personalkosten nach dem TVöD (Entgeltgruppe 9 b/Stufe 4) einbezogen worden seien, als für die angestellten Therapeuten (Entgeltgruppe 7/Stufe 5) (Bezugnahme auf Schiedsspruch vom 05. März 2021, Seite 4). Diese Einstufung sei auch in den zweiten Schiedsspruch eingeflossen (dort Seite 7). Sie entspreche im Übrigen der Einstufung eines angestellten Physiotherapeuten in stationären Einrichtungen in leitender Stellung. Ein sachlicher Grund, zusätzlich eine Risikoprämie einzubeziehen, bestehe daher nicht, zumal das Unternehmerrisiko typischer Weise dem Inhaber einer Praxis zuzuordnen sei.

 

Der Verpflichtungsantrag Nr. 2 sei unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten, die erhöhten Preise für Behandlungen ab dem 01. August 2021 bis zum 30. November 2021 als Ausgleich für die verzögerte Preisfestsetzung in dem Zeitraum vom 01. April 2021 bis zum 31. Juli 2021 festzusetzen, sei rechtmäßig. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (BGBl I, Seite 646) habe den Termin für das Zustandekommen des Vertrages zunächst auf den 01. Juli 2020 festgesetzt. Das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27. März 2020 (BGBl I, Seite 520) habe dies auf den 01. Oktober 2010 verlagert, ohne allerdings den § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V zu verändern. Das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl I, Seite 3299) habe beide Termine auf den 01. Januar 2021 verlagert. Die Beklagte habe nach dieser erneuten Verschiebung im Rahmen ihres weiten Gestaltungsermessens den Zeitpunkt, innerhalb dessen die Entscheidung spätestens zu treffen gewesen sei, auf den 31. März 2021 bestimmt. Maßgeblich sei insoweit das in der Sitzung der Schiedsstelle am 13. Juli 2021 erzielte Gesamtergebnis.

Die Beteiligten haben unter dem 23. Februar 2023 (Kläger zu 1), 29. Februar 2024 (Kläger zu 2 bis 5) und 1. März 2024 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Auf die von den Beteiligten in den Schiedsverfahren und vor Gericht eingereichten Schriftsätzen samt Anlagen sowie die angeführten Dokumente wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der Erörterungen.

 

Entscheidungsgründe

 

Es konnte nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da sich alle Beteiligten mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.

 

Die Klagen sind überwiegend zulässig und teilweise begründet.

 

I.

 

1. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG für Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 125 Abs. 5 SGB V im ersten Rechtszug sachlich zuständig (vgl. Senatsurteil vom 08. Juni 2023 – L 1 KR 107/22 KL – juris Rn. 85 für die Schiedsstelle nach § 130b SGB V).

 

2. Soweit die Anträge der Kläger zu 2 bis 5 hinter den ursprünglich gestellten zurückbleiben, ist jeweils von Teilrücknahmen auszugehen.

 

3. Die (Fortsetzungs-)Feststellungsklagen der Kläger zu 2 und 3 sind nur teilweise zulässig.

 

Die Kläger zu 2 und 3 haben ursprünglich den Antrag angekündigt, die Festsetzungen des Schiedsspruches vom 08. März 2021 unter den Ziffern 2.1 bis 2.3 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, insoweit über den Inhalt des Vertrages gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Heilmittelbereich der Physiotherapie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

 

Diese Klagen haben sich als statthafte Teil-Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen dargestellt. Die jeweils angefochtenen Ziffern 2.1 bis 2.3 des ersten Schiedsspruches waren von den übrigen Tenorierungspunkten (Ziffer 1, Ziffer 2.4f und Ziffer 3) abtrennbare, eigenständige Regelungen.

 

Statthafte Klageart war die Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i. V. m. § 131 Abs. 2 S 2 und Abs. 3 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 42/16 R – Rn. 20 mit umfangreichen Nachweisen; Ernst-Wilhelm Luthe in: Hauck/Noftz SGB V, 10. Ergänzungslieferung 2023, § 134a SGB 5, Rn. 63). Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist. Gegenüber den einzelnen (zugelassenen) Physiotherapeuten und den Krankenkassen wirkt der Schiedsspruch hingegen normativ (Doppelnatur des Schiedsspruches, vgl. Schnapp/Düring Handbuch des sozialgerichtlichen Schiedsverfahrens 2. A. 2016 Rn. 45 mit weiteren Nachweisen).

 

Soweit der 1. Senat des BSG für die Landesschiedsstelle nach § 114 SGB V zu einem Vertrag nach § 112 SGB V nur die Anfechtungsklage für statthaft hält (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R –, BSGE 112, 156-170, juris Rn. 13 - 15, bestätigt im Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 16/13 R –, BSGE 115, 165-171, juris Rn. 21), weil dem Selbstverwaltungsrecht der Vertragspartner bzw. der Kompetenz der Schiedsstelle nur Rechnung getragen werde, wenn diese nach einer (Teil-)Aufhebung die Möglichkeit habe, es bei dem übrig bleibenden Regelwerk zu belassen, teilt der Senat diese Auffassung jedenfalls für die Schiedsstelle nach § 125 Abs. 6 SGB V nicht. Die Kläger als die Vertragsparteien des § 125 Abs. 1 SGB V haben verbunden mit ihrer gesetzlichen Pflicht, einen Vertrag mit dem vom Gesetz geforderten Regelungsinhalt und –umfang abzuschließen, das materielle und damit auch das prozessuale Recht, nach § 131 Abs. 2 und 3 SGG ein Verpflichtungs-/Neubescheidungsurteil auch gegen den Willen der beklagten Schiedsstelle zu erwirken (im Ergebnis ebenso bereits Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 107/22 KL – juris Rn. 88 für die gerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs nach § 130b Abs. 4 S. 1 SGB V unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. März 2019 - B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 24). Soweit, wie vom 1. Senat des BSG befürchtet, ein Bescheidungsurteil bei Entscheidungen über Normenverträge zu Unzuträglichkeiten und Rechtsunsicherheit führe, insbesondere weil höherrangigem Recht widersprechende Rechtsauffassungen einer Vorinstanz in Rechtskraft erwachsen könnten, wenn nur Teile der Rechtsauffassung im Streit verblieben oder durch die Rechtsauffassung der Vorinstanz begünstigte Rechtsmittelführer lediglich noch darüber hinausgehende Ansprüche verfolgten (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012, a. a. O., Rn. 15), ist dies als Folge der vom Gesetz gewollten Doppelnatur des Schiedsspruches in Kauf zu nehmen.

 

Der nunmehrige Antrag nach Ergehen des zweiten Schiedsspruches der Kläger zu 2 und 3 festzustellen, dass der erste in seinen Festsetzungen unter den Ziffern 2.1, 2.2 und 2.3 rechtswidrig gewesen ist, ist als Fortsetzungs-Feststellungsantrag statthaft, denn durch den zweiten Schiedsspruch hat sich der erste teilweise erledigt: Die dortige Verpflichtung zur Preisfestsetzung nach Maßgabe der Ziffern 2.1 bis 2.3 ist obsolet geworden, weil der zweite Schiedsspruch nunmehr Preise für die physiotherapeutischen Leistungen bestimmt hat.

 

Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen, § 125 Abs. 6 S. 13 SGB V. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamts, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgte auch ohne gesetzliche Regelung, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 5/16 R –, BSGE 123, 115-134, Rn. 24 mit weiteren Nachweisen).

 

Es fehlt jedoch ein berechtigtes Interesse der Kläger zu 2 und 3 an der Feststellung, dass die im ersten Schiedsspruch festgesetzten Berechnungsfaktoren rechtswidrig gewesen sind. Denn die Kläger greifen auch den zweiten Schiedsspruch an. Mit dem Begehren auf Aufhebung der nunmehr erfolgten Preisfestsetzung ist untrennbar die inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit der im ersten Schiedsspruch festgelegten Ausgangsfaktoren verbunden. Ein berechtigtes Interesse, über diese Inzidentprüfung hinaus die geltend gemachte Rechtswidrigkeit per se feststellen zu lassen, ist nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte in künftigen Verfahren die rechtlichen Erwägungen der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zu Grunde legen wird, auch wenn zu den Zwischenschritten keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen werden.

 

4. In dem ursprünglichen Klageantrag ist jedoch in der Gestalt der (Fortsetzungs-)Feststellungsklage (§ 131 Abs. 1 S. 3 SGG) als abtrennbarer Teil das Begehren enthalten feststellen zu lassen, dass es rechtswidrig war, im ersten Schiedsspruch nicht bereits konkrete Preise festzusetzen.

 

Soweit das Begehren als Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG) angesehen werden sollte, wäre die entsprechende Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, weil die Entscheidung sachdienlich ist, weil ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden kann und auch keine Verzögerungen zu befürchten sind (vgl. MKS/B. Schmidt, SGG 14. Auflage 2023, § 99 Rn. 10). Die Kläger zu 2 und 3 haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Sie weisen zutreffend daraufhin, dass eine Wiederholung der Situation auch in absehbarer Zeit nicht ausgeschlossen ist.

 

Die Kläger zu 2 und 3 sind klagebefugt (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG analog). Die Schiedssprüche stellen sich ihnen gegenüber - wie den anderen Klägern - als belastende Verwaltungsakte dar.

 

Die Beklagte ist richtiger Klagegegner. Sie ist beteiligungsfähig als gemeinsames Entscheidungsgremium von Leistungserbringern und Krankenkassen nach § 70 Nr. 4 SGG.

 

5. Die (zweite) Klage der Kläger zu 2 bis 5 sowie die des Klägers zu 1 gegen den ersten Schiedsspruch in der Gestalt des zweiten Schiedsspruches sind als Anfechtungs- und Bescheidungsklagen statthaft (§ 54 Abs. 1 SGG).

 

Die Klageanträge betreffen jeweils abtrennbare Festsetzungen. Dabei sind die eigentliche Preisfestsetzung in Ziffer 4 S. 1 des zweiten Schiedsspruches (Einführung der Vergütungsvereinbarung) und die Vergütungserhöhungsregel in Ziffer 1 als Einheit zu sehen, weil mit den konkreten Preisfestsetzungen die Regelung in Ziffer 1 umgesetzt wird.

 

Die Klagefrist (§ 87 Abs. 1 SGG) ist jeweils eingehalten. Sie beträgt hier nach § 66 Abs. 2 S. 1 SGG ein Jahr, da der zweite Schiedsspruch keine Rechtsmittelbelehrung aufweist, obgleich nur im Verhältnis der Beklagten zu den Klägern zu 2 und 3 bereits ein Klageverfahren als Hauptbeteiligte anhängig gewesen ist.

 

II.

 

Die Klagen sind teilweise begründet.

 

1. Die Feststellungsklage der Kläger zu 2 und 3 ist begründet.

 

Das anzuwendende Recht für die Überprüfung eines Schiedsspruchs richtet sich nach dem Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R Rn. 28 mit Bezugnahme auf BSGE <6. Senat> 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr. 1, Rn 24). Erlassen in diesem Sinne sind Schiedssprüche nicht erst mit der Zustellung der schriftlichen Fassung mit Begründung. Da es sich um eine Entscheidung eines Spruchkörpers handelt, muss vielmehr das Datum der Beschlussfassung am Schluss der letzten Verhandlung maßgeblich sein. Die schriftliche Begründung darf – wie bei einem Urteil – nur die am Tag der Entscheidung getroffenen Erwägungen wiedergeben, der auch nur die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt zu Grunde gelegen haben kann.

 

Der hier einschlägige § 125 SGB V gewann seine hier maßgebliche Form mit Wirkung vom 11. Mai 2019 durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom 6. Mai 2019 (BGBl I S. 646). Die bisherigen Regelungsebenen für die Vertragsbeziehungen zwischen Hilfsmittelerbringern und Krankenkassen der Empfehlungen und Verträge wurden abgeschafft und durch einen bundesweit für jeden Heilmittelbereich abzuschließenden Vertrag ersetzt. Vertragspartner sind der Spitzenverband Bund der Krankenversicherung und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer. Für den Fall einer Nichteinigung wird eine Schiedsstelle eingerichtet. (vgl. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 125 SGB V (Stand: 27.09.2021) Rn. 2).

 

Ursprünglich war für den Abschluss der Verträge eine Frist bis zum 1. Juli 2020 gesetzt, die durch das Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 580) bis zum 01. Oktober 2020 verlängert wurde, weil sich die Vertragsverhandlungen durch die Covid-19-Pandemie verzögerten und die Verträge zeitgleich mit dem ebenfalls zum 1. Oktober 2020 wirksam werdenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. September 2019 zur Änderung der Heilmittel-Richtlinie in Kraft treten sollten (vgl. BT-Drs. 19/18112, S. 34). Nach hier nicht relevanten Änderungen wurde durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl I 2020 S. 3299) rückwirkend ab dem 23. September 2020 die Frist für den Abschluss der Verträge ein weiteres Mal bis zum 01. Januar 2021 verlängert. Der Gesetzgeber hat dazu darauf verwiesen, dass auch das Inkrafttreten der neugefassten Heilmittel-Richtlinie vom Gemeinsamen Bundesausschuss auf den 01. Januar 2021 verschoben worden sei, weil die Hersteller von Praxissoftware ihre an die Neufassung angepassten Erzeugnisse nicht rechtzeitig von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hätten zertifizieren lassen (Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 125 SGB V [Stand: 27.09.2021], Rn. 15_1 mit Bezugnahme auf BT-Drs. 19/23483, S. 30). Auch die Frist für den (spätesten) Beginn eines Schiedsverfahrens nach § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V wurde auf den 1. Januar 2021 anpassend verschoben. Neu eingeführt wurde § 125 Abs. 5 S. 2 SGB V, der es den Vertragsparteien erlaubte, schon vor Fristablauf ein Schiedsverfahren einzuleiten.

 

Die Beschlussfassung des ersten wie des zweiten hier streitgegenständlichen Schiedsspruches fällt in diese Fassung des Gesetzes. Erneut geändert worden ist § 125 SGB V mit Wirkung vom 9. Juni 2021 durch das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz vom 03. Juni 2021 (BGBl I S. 1309). In Absatz 2 ist die Nr. 11 neu in die Vorschrift eingefügt worden, neu ist auch der Absatz 2a der Vorschrift. Die hier relevanten Regelungen sind dabei nicht abgeändert worden. Erst mit Wirkung vom 20. Juli 2021 und damit nach der Beschlussfassung des zweiten Schiedsspruches am 13. Juli 2021 erfolgten die weiteren Änderungen durch das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz vom 11. Juli 2021 (BGBl I S. 2754). Neu sind in Absatz 2 die Nr. 5a und in Absatz 5 S. 2 die Wörter „für den erstmaligen Abschluss der Verträge“ eingefügt worden.

 

Die Beklagte musste also nach § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V den Inhalt des Vertrages (nach § 125 Abs. 1 SGB V) und die Preise (nach Maßgabe der § 125 Abs. 2 und 3 SGB V) innerhalb von drei Monaten festsetzen. Das Schiedsverfahren beginnt vor dem in Satz 1 des § 125 Abs. 5 SGB V genannten Zeitpunkt, wenn mindestens eine Vertragspartei die Verhandlungen ganz oder teilweise für gescheitert erklärt und die Schiedsstelle anruft (S. 2). Soweit mit Wirkung ab 20. Juli 2021 in § 125 Abs. V SGB V der Beginn des Schiedsverfahrens durch Erklärung des Scheiterns nach Satz 2 bereits vor der Frist des Satzes 1 (1. Januar 2021) auf erstmalige Verträge beschränkt worden ist, führte auch die Maßgeblichkeit dieser Fassung zu keinem anderen Ergebnis. Vorliegend steht nämlich der erste verbindliche Vertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V für den Bereich Physiotherapie im Streit.

 

Trifft die Schiedsstelle erst nach Ablauf von drei Monaten ihre Entscheidung, sind neben der Festsetzung der Preise auch Zahlbeträge zu beschließen, durch die Vergütungsausfälle ausgeglichen werden, die bei den Leistungserbringern durch die verzögerte Entscheidung der Schiedsstelle entstanden sind (§ 125 Abs. 5 S. 3 SGB V). Der bisherige Vertrag oder die bisherigen Preise gelten bis zur Entscheidung durch die Schiedsstelle fort (§ 125 Abs. 5 S. 4 SGB V).

 

Vor der Reform waren die Preise in Verträgen nach § 125 Abs. 2 SGB V a.F. in besonderen Vergütungsvereinbarungen außerhalb der sogenannten Rahmenverträge vereinbart worden. Die zu vereinbarenden Preise gelten nunmehr allgemein und bundesweit.

 

Zuvor bestimmte § 125b Abs. 2 SGB V in der noch bis 11. Dezember 2021 geltenden Fassung vom 6. Mai 2019 (= § 125b SGB V a. F.):

„Ab dem 1. Juli 2019 gilt für jedes Bundesland und jede Kassenart der jeweils höchste Preis, der für die jeweilige Leistungsposition in einer Region des Bundesgebietes vereinbart worden ist. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat sich mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene auf die bundesweit geltenden Preise zu verständigen. § 71 findet keine Anwendung. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat die nach diesem Absatz festgesetzten Preise bis zum 30. Juni 2019 zu veröffentlichen.

Erfolgt keine Veröffentlichung der Preise bis zum Ablauf der in Satz 4 genannten Frist, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Preise festsetzen; es kann dazu die Übermittlung aller bis zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Preise oder der bereits abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen verlangen. Die Preise gelten mindestens bis zum 30. Juni 2020. Einer gesonderten Kündigung bedarf es nicht.“

 

§ 125b Abs. 1 SGB V a. F. normierte also, dass die vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 125 SGB V 2019 geschlossenen Verträge bis zum Inkrafttreten neuer Verträge in den einzelnen Heilmittelbereichen bzw. bis zur Entscheidung der Schiedsstelle nach § 125 Abs. 6 SGB V fortgalten. Dies galt allerdings mit der Maßgabe, dass die in diesen Verträgen geregelten Preise ab dem 01. Juli 2019 durch die nach § 125b Abs. 2 SGB V gebildeten Preise ersetzt werden. Die Regelung des § 125b Abs. 2 SGB V zielte darauf ab, die landesweit unterschiedlichen Preise zum Stichtag 01. Juli 2019 zu vereinheitlichen, um so eine Ausgangsbasis für die neu abzuschließenden Verträge nach § 125 SGB V zu schaffen (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 125b SGB V [Stand: 15.06.2020] Rn. 8). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass diese sogenannten Bundeshöchstpreise ab Juli 2019 nach § 125b Abs. 2 SGB V a. F. Ausgangspunkt der Preiserhöhungsvereinbarungen sind.

 

Vertragsinhalt müssen nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 SGB V unter anderem die Preise der einzelnen Leistungspositionen sowie einheitliche Regelungen für deren Abrechnung sein.

 

Bei der Anwendung der gesetzlichen Vorgaben steht der Beklagten ein umfangreicher Gestaltungsfreiraum zu, der nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist:

Schiedssprüche sind durch ihren Kompromisscharakter geprägt und stellen nicht immer die einzig sachlich vertretbaren Entscheidungen dar. Deshalb ist der Schiedsstelle ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist (Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 107/22 KL –, juris Rn. 149 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – Rn. 22 m. w. N.). Die Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Überprüfung Grenzen setzt, ist für die Schiedsstelle nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (vgl. z. B. BSG, Urteile vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – Rnr. 39, 4. Juli 2018 - B 3 KR 20/17 R – Rn. 22 m. w. N und 10. Mai 2017 - B 6 KA 14/16 R – Rn. 51 m. w. N.; zur Schiedsstelle nach § 76 SGB XI: Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – Rn. 18). Die Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 5/16 R – Rn. 30 mit weiteren Nachweisen).

 

Soweit die Beklagte allerdings die Auffassung vertritt, als Schiedsstelle dürfe sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben auch willkürliche Entscheidungen treffen, weil auch die Vertragspartner insoweit frei wären, verkennt sie, dass die rechtsgestaltende Wirkung von Verträgen auf übereinstimmenden Willenserklärungen beruht. Gegen den Willen einer Vertragspartei kann die Vereinbarung nicht zustande kommen. Hingegen setzt die Beklagte die rechtsgestaltende Wirkung gegenüber den Verhandlungspartnern gerade einseitig fest.

 

Die Entscheidungen der Schiedsstelle unterliegen zwar nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Sie sind aber daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Sicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten hat. Die Grenzen der Gestaltungsmacht ergeben sich aus denselben rechtlichen Vorgaben wie die Vereinbarungen, die sie ersetzen (Schnapp/ Düring Rdnr. 161 zu Schiedsamt nach § 89 SGB V). Eine Obergrenze bilden die Sachanträge der Verhandlungspartner (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 1 KR 376/14 KL – juris Rn. 30). Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, das heißt insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten (BSG, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 42/16 R –, SozR 4-2500 § 87a Nr. 5, Rn. 25 mit weiteren Nachweisen).

 

Zusammenfassend ist der Beklagten eine Entscheidungsprärogative einzuräumen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf reduziert, ob die Interessen der am Schiedsverfahren Beteiligten sowie alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände ermittelt worden sind, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden ist und ob die materiellen gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidungsfindung beachtet worden sind (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V § 130b Rn. 72; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn. 134).

 

Zwingende Aufgabe der Beklagten war es nach § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V, auf Antrag der Vertragsparteien die noch streitigen Preise festzusetzen. Für ihre Auffassung, stattdessen nur einzelne Faktoren für die noch zu erfolgenden weiteren Preisverhandlungen festsetzen zu können, kann sie sich nicht auf die Vertragsfreiheit berufen. Der Kläger zu 1 und die Verbände hätten zwar einen solchen Zwischenvergleich abschließen können. Sie konnten sich aber hier gerade nicht einigen. Das Gesetz räumt der Beklagten die Kompetenz ein und gibt zwingend verpflichtend vor, die streitigen Preise in einem (einzigen) Schiedsverfahren selbst zu bestimmen.

 

Das Argument der Beklagten in der Begründung des zweiten Schiedsspruches, auch Gerichte dürften Teilurteile erlassen, ist nicht stichhaltig. Prozessual erlaubt sind nur Zwischenfeststellungsurteile, die – anders als die Beklagte bezweckt hat – zu einem Aussetzen des Rechtsstreites hinsichtlich des restlichen Streitstoffes bis zur Rechtskraft des Zwischenurteils führen sollen. Ein Urteil als Zwischenentscheidung einer Stufenklage setzt einen entsprechenden Antrag voraus. Die Dispositionsmaxime ist zu beachten. Der Beklagten ist es auch verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die Kontrahenten zu wenig ernsthaft verhandelt hätten, also noch kein Grund für ihre Anrufung bestanden hätte. Ihre Anrufung war nämlich nicht davon abhängig, dass die Beteiligten zuvor "mit der gebotenen Ernsthaftigkeit" verhandelt haben mussten (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R –, BSGE 116, 280-302, juris Rn. 31 zu § 89 SGB V mit Nachweisen der Gegenauffassung). Wie in § 89 Abs. 1 S. 1 SGB V lässt sich bereits dem Wortlaut des § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass es auf die Gründe des Scheiterns der Verhandlungen ankommen könnte oder dass als Verfahrensvoraussetzung Anforderungen an die Intensität der dem Schiedsspruch vorausgehenden Verhandlungen zu stellen wären. Ausschlaggebend ist nach dem Wortlaut des Gesetzes alleine, dass ein Vertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V ganz oder teilweise nicht bis zum 1. Januar 2021 oder bis zum Ablauf einer von den Vertragspartnern vereinbarten Vertragslaufzeit zustande kommt oder sich die Vertragspartner nicht bis zum Ablauf dieser Fristen auf die Preise für die einzelnen Leistungspositionen oder eine Anpassung dieser Preise einigen können. Es darf nämlich nicht sein, dass eine Seite, die kein Interesse am zeitnahen Zustandekommen einer Vereinbarung hat, die Durchführung des Schiedsverfahrens verzögern könnte (BSG a. a. O.).

 

Auch der vom Gesetz vorgegebene Zeitdruck verbot hier die Festsetzung bloßer Einsatzfaktoren für die eigentliche Preisfestlegung. Denn dadurch wurde zwangsläufig die Pflicht nach § 125 Abs. 5 S. 1 SGB V verletzt, innerhalb von nur drei Monaten zu entscheiden.

 

2. Den Anfechtungs- und Bescheidungsklagen der Kläger zu 1 bis 5 bleibt in der Sache Erfolg versagt, soweit sie die Preisfestsetzung angreifen.

 

a) Soweit die Kläger zu 2 bis 5 hinsichtlich des zweiten Schiedsspruches in formeller Hinsicht eine mangelhafte Begründung rügen, folgt dem der Senat nicht. Der Schiedsspruch vom 21. Juli 2021 ist formal rechtmäßig und enthält insbesondere eine hinreichende Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB X.

 

Untrennbar mit den soeben skizzierten Überprüfungsmaßstäben nach der Rechtsprechung des BSG ist verknüpft, dass der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lassen muss. Hohe Anforderungen an die Begründung der Abwägungsentscheidung können dabei grundsätzlich nicht gestellt werden. Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise erkennbar sein. Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde, da anderenfalls eine Art 19 Abs. 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob der Gestaltungsspielraum eingehalten ist, nicht möglich wäre (BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 5/16 R –, BSGE 123, 115-134, Rn. 31 mit weiteren Nachweisen, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 42/16 R – Rn. 26).

 

Hier ergibt sich der Rechenweg, aus dem die Beklagte das Ergebnis einer Preiserhöhung um 14,09% herleitet, jedenfalls insbesondere vor dem Hintergrund der zuvor von den Klägern bei der Beklagten gestellten Anträge und diese begründenden Schriftsätze mit den darin enthaltenen Rechenmodellen ansatzweise aus der Begründung des Schiedsspruches, auch wenn der genaue Rechenweg bis heute nicht in allen einzelnen Rechenschritten erläutert wurde und nicht sämtliche einzelne Faktoren eingestellt sind.

 

Die Begründung des Schiedsspruches hat die Beklagte in zulässiger Weise in ihren Schriftsätzen und insbesondere am 12. Januar 2024 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung) nachträglich ergänzt. Da der Schiedsspruch im Verhältnis zu den Klägern ein Verwaltungsakt darstellt, gelten die formellen Voraussetzungen des SGB X. Die nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderliche Begründung kann nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialrechtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. BSG, Urteil vom 04. Juli 2018 - B 3 KR 21/17 R - Rn. 43 m. w. N.). Im Falle der Schiedssprüche muss die ansatzweise Herleitung also spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein. Dass dazu die Schriftform erforderlich wäre – wie dies die Kläger zu 2 bis 5 vortragen -, setzen rein formal weder § 125 Abs. 5 SGB V noch die allgemeine Regelung für Verwaltungsakte des § 33 Abs. 2 SGB X voraus, weil bereits der Schiedsspruch selbst nicht formbedürftig gewesen ist (vgl. für den umgekehrten Fall Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 41 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 47).

 

Die auch jetzt (immer) noch fehlenden Zwischenrechnungsschritte müssen nicht zusätzlich dokumentiert sein, also zum Beispiel der Teilschritt 1.336,55 Jahresleistungsstunden/VZÄ= (1.121 Jahresleistungsstunden Praxisinhaber + 1,9 x Jahresleistungsstunden Therapeut)/ 2,9 VZÄ oder Personalkosten Therapeut 99.298,56 € = 52.262,40 € * (2,9 VZÄ ./. 1 VZÄ). Die sonstigen Sachkosten pro VZÄ sind vom Beklagten aus den Angaben des Klägers zu 1 bzw. dem IGES-Gutachten übernommen (dortiger Wert von 25142,12 € / 3,5 VZÄ * 2,9 VZÄ= 20.832.04 €). Erstmals aus der im Protokoll erklärten Ergänzung ergibt sich ferner, dass der Beklagte doch einen Wert für die Verwaltungskosten angesetzt hat.

 

Folgerichtig kann damit auch die speziellere Begründungsdefizit-Rüge der Kläger zu 2 bis 5, dass eine Begründung im Schiedsspruch für den Steigerungssatz 14,09 % als Wert innerhalb des Korridors der Anträge 4,4 % und 59,8 % fehle, nicht durchgreifen.

 

Auch die Annahme eines allgemeinen Verfahrensfehlers in Form eines Begründungsdefizits, die Beklagte habe nicht dargelegt, inwieweit (tatsächlich) die Erhöhung zum 01. April 2021 um 1,51 % in die Festlegung der Steigerungsrate eingeflossen sei, geht per se ins Leere. Denn aus der Begründung des Schiedsspruchs vom 21. Juli 2021 unter 2.2 e S. 1 ergibt sich, dass die Anpassung um 14,09% die bereits zum 1. April 2021 erfolgte Preisanpassung um 1,51% einschließt.

 

b) Den Klagen bleibt auch Erfolg versagt, soweit sowohl der Kläger zu 1 als auch die Kläger zu 2 bis 5 der Beklagten eine rechtswidrige Preisfestsetzung vorwerfen.

 

Dies gilt zunächst, soweit sie dem Beklagten eine fehlerhafte Zugrundelegung der maßgeblichen VZÄ vorwerfen.

 

Neben den Preisen der einzelnen Leistungspositionen sowie der Regelungen für die Abrechnung nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 SGB V enthalten § 125 Abs. 2 Nr. 1a bis 10 SGB V weitere Vorgaben zum Inhalt der Verträge. Zwingend zu regeln sind dabei aufgrund § 125 Abs. 2 Nr. 4, 9 und Nr. 10 SGB V:

 

(Nr. 4:)

Der Inhalt der einzelnen Maßnahmen des jeweiligen Heilmittels einschließlich der Regelleistungszeit, die sich aus der Durchführung der einzelnen Maßnahme und der Vor- und Nachbereitung einschließlich der erforderlichen Dokumentation zusammensetzt,

(Nr. 9:)

Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte; zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf dessen Anforderung eine Statistik über die im Rahmen von § 165 des Siebten Buches erfolgten Meldungen zu übersenden, die insbesondere die Anzahl der Arbeitnehmer, deren geleistete Arbeitsstunden sowie die geleisteten Entgelte enthalten soll, sowie

(Nr. 10:)

personelle, räumliche und sachliche Voraussetzungen, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nummer 2 gewährleisten, wobei insbesondere im Hinblick auf die räumlichen Voraussetzungen Richtwerte vereinbart werden können.

 

Als inhaltliche Vorgaben bestimmte und bestimmt zudem § 125 Abs. 3 SGB V:

 

„Die Vertragspartner haben zu beachten, dass die auszuhandelnden Preise eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermöglichen. Sie haben bei der Vereinbarung der Preise für die einzelnen Leistungspositionen unter Zugrundelegung eines wirtschaftlich zu führenden Praxisbetriebes insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:

1. die Entwicklung der Personalkosten,

2. die Entwicklung der Sachkosten für die Leistungserbringung sowie

3. die durchschnittlichen laufenden Kosten für den Betrieb der Heilmittelpraxis.

§ 71 findet keine Anwendung.“

 

Unter Anwendung der oben skizzierten Grundsätze hält sich die Beklagte nach Auffassung des Senats bei der Ermittlung der durchschnittlichen Anzahl therapeutisch tätiger Kräfte in einer Physiotherapiepraxis (VZÄ) innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes. Deren These, dass dieser Wert nicht einfach aus den von den Vertragspartnern gelieferten statistischen Materialien ohne Gestaltungsfreiraum abgeleitet werden kann, ist tragfähig.

 

Da die Entscheidung des Beklagten in Form eines Verwaltungsaktes ergeht, gilt zwar grundsätzlich der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X, dies allerdings nur in einer an das Schiedsverfahren angepassten Ausprägung. Das Amtsermittlungsprinzip findet seine Grenze in den Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten. Trotz Amtsermittlung endet die Ermittlungspflicht dort, wo die Beteiligten ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 20/14 R –, BSGE 119, 43-57, juris Rn. 38, Ricken NZS 2020, 825, 827 beck-online). Aus den von den Verhandlungspartnern jeweils angeführten Gutachten selbst ergibt sich bereits, dass die Durchschnitts-VZÄ nicht aus objektiv feststehenden Daten ohne Bewertungen hergeleitet werden kann, dass vielmehr jeweils Annahmen und Vorgaben eingeflossen sind, welche die gefundenen Werte nur als vertretbare Ansätze erscheinen lassen.

 

Im IGES-Gutachten, auf das sich der Kläger zu 1 beruft, heißt es (S. 23), die Kosten einer durchschnittlichen Physiotherapiepraxis sollten als Soll-Modell nur simuliert werden. Es sei nicht versucht worden, die Ist-Kosten für GKV-Leistungen zu ermitteln. Je größer eine Praxis sei, desto höher der Umsatz und desto stärker skalierten sich die Gemeinkosten und umso größer sei der Ertrag und damit der Unternehmerlohn des Inhabers. Die Daten der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gäben „im Vergleich zu den Praxiszahlen des Heilmittelerbringerverzeichnisses bessere Anhaltspunkte für betriebswirtschaftlich agierende Physiotherapiepraxen (Praxen mit DGUV-relevanten Angestellten)“ (S. 15). Der Ergebniswert von 3,5 VZÄ pro Praxis sei „auf Grundlage verschiedener Datenquellen bestimmt“, weil die durchschnittliche VZÄ pro Praxis nicht als Statistik vorliege (S. 65). Für den Durchschnittswert wurden die Zahl der VZÄ Physiotherapie in ambulanten Einrichtungen aus der Gesundheitspersonalrechnung des Bundes (GBE) von 111.000 durch die Anzahl physiotherapeutischer Unternehmen nach dem Heilmittelleistungserbringerverzeichnis (2018) von 41.712 abzüglich der Anzahl der Ein-Personen-Praxen nach dem Heilmittelerbringerverzeichnis von 10 215 geteilt. Alle diese Einsatzfaktoren beinhalten ausweislich des Gutachtens selbst Ungenauigkeiten (vgl. im Einzelnen S. 65ff). Zum Ausschluss der Ein-Personen-Praxen heißt es lapidar, dass „auch hier für die Physiotherapie der Bezug zu den Praxen mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten hergestellt und somit die VZÄ der Ein-Personen-Praxen von der Gesamtanzahl der VZÄ nach GBE abgezogen“ worden seien. Dies kann und muss letztlich nur so verstanden werden, dass die Ein-Personen-Praxen von vornherein als unwirtschaftlich ausgenommen worden sind. Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Annahme des Klägers zu 1 nicht sachfremd, dass sich die Beklagte den Ausschluss der Ein-Personen-Praxen nicht zu eigen gemacht hat. Eine letztlich relevante Verwechslung der Begriffe Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis, Praxisgemeinschaft und Ein-Personen-Praxen ist dabei nicht ersichtlich. Es handelt sich zur Überzeugung des Senats lediglich um Unschärfen bei der Verwendung der Begrifflichkeiten.

 

Der von den Verbänden zu Grunde gelegte WAT-Bericht beruht auf einer für repräsentativ erachteten Umfrage (vgl. S. 10ff), deren Repräsentativität und Validität durchaus hinterfragt wurde (S. 17ff). Es bestehe laut dem Bericht (S. 22) möglicherweise eine Verzerrung, weil davon auszugehen sei, dass sich eher die großen Praxen an der Umfrage beteiligt hätten, gerade die kleinen – mit nur einem Therapeuten - jedoch nicht vernachlässigt werden dürften. Auch wird die Durchschnitts-VZÄ durch den (rein) gegriffenen Wert von 38,5 Wochenarbeitsstunden für Angestellte ermittelt. Außerdem wirft der Kläger zu 1 dem WAT-Bericht nicht zu Unrecht vor, bei der Ermittlung des Durchschnittswerts die selbst therapeutisch tätigen Praxisinhaber vergessen zu haben.

 

Da beide Gutachten aus sich heraus auf die jeweils problematischen gegriffenen Parameter hinweisen, bedurfte es keiner besonderen Begründung der Beklagten für die Annahme, eine eigene Bewertung der Zahlenwerte durchführen zu können. Damit erweist sich gleichzeitig die Annahme der Beklagten, dass die Einzelpraxen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, als nicht sachfremd. Gleichzeitig können die Kläger zu 2 bis 5 nicht mit Erfolg einen (allgemeinen) Verfahrensfehler rügen, keine tragfähigen Tatsachenfeststellungen getroffen zu haben, weil es widersprüchlich sei, einerseits den WAT-Bericht für untauglich zu halten, das IGES-Gutachten andererseits jedoch nicht.

 

Eine zwingende Verpflichtung der Beklagten, ein eigenes Sachverständigengutachten zu beauftragen, bestand nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das Gesetz eine Preisfestsetzung innerhalb von drei Monaten nach Anrufung der Beklagten vorgegeben hat. Diese kurze Zeitspanne verbietet es von vornherein, umfangreiche eigene Ermittlungen anzustellen bzw. in Auftrag zu geben. Die Beklagte konnte sich vielmehr auf das von den Klägern eingereichte Material stützen.

 

c) Soweit die Beklagte zur Ermittlung der Personalkosten bzw. deren Anstiegs lediglich auf Werte des TVöD-Bund abgestellt hat, hält sich dies im Rahmen des Festlegungsfreiraums bei der Preisfestsetzung nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 SGB V und verletzt insoweit nicht die Vorgabe des Gesetzes nach § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V, Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte zu regeln und als Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte eine Statistik der BGW als Nachweis heranzuziehen.

 

Zum einen haben nach § 125 Abs. 3 S. 2 SGB V die Vertragspartner – und damit die Beklagte – bei der Preisregelung die Entwicklung der Personalkosten lediglich „zu berücksichtigen“. Keinesfalls musste deshalb die Beklagte ausschließlich auf die tatsächlichen Arbeitsentgelte ausweislich der eingeholten Statistiken abstellen. Allerdings setzt ein Berücksichtigen an sich voraus, dass die tatsächlichen Arbeitsentgelte als Nachweis der tatsächlichen Personalkosten der Berechnung zumindest teilweise oder jedenfalls als Vergleichsmöglichkeit zugrunde gelegt werden. § 125 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB V zielt damit darauf ab, die Preisentwicklung nicht nur abstrakt, sondern zur Wahrung des Transparenzgebotes ausgehend von der Wirklichkeit zu erfassen.

 

Zum anderen jedoch verlangt das Gesetz die Berücksichtigung speziell der BGW-Daten ausschließlich im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Regelung von Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer selbstständig tätiger Heilmittelerbringer (zum Beispiel Vergabe einer Einzelleistungsvergütung, Komplex- und Pauschalvergütung) nach § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V. Der Gesetzgeber hat zwar im Zusammenhang mit den Vorgaben zu den Vergütungsstrukturen bewusst eine Transparenzvorgabe für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte bestimmt (vgl. BT-Drucksache 19/8351, S. 198). Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung:

„Weil die Umsetzung in der Praxis zu erheblichen Problemen geführt hat, wird nunmehr vorgegeben, dass zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte eine von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zu erstellende Statistik zu verwenden ist. Diese Statistik basiert auf den Meldungen, die die Arbeitgeber an die Berufsgenossenschaften im Rahmen der Umlage nach § 165 Siebtes Buch für die Berechnung der Beiträge vorzunehmen haben. Die Statistik muss die Anzahl der Arbeitnehmer, deren geleistete Arbeitsstunden sowie die geleisteten Entgelte, enthalten. Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen oder Arbeitnehmer lässt die Statistik nicht zu. Die Statistik hat der Spitzenverband Bund und der Krankenkassen bei der Berufsgenossenschaft für Wohlfahrtspflege anzufordern.“

 

Dies ändert aber nichts daran, dass die Verpflichtung zur Preisbestimmung nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht im Zusammenhang mit der jetzigen zur Regelung von Vergütungsstrukturen für Arbeitnehmer besteht, sondern hiervon unabhängig ist. Die Annahme der Beklagten, den Zweck des § 125 Abs. 2 Nr. 9 SGB V primär darin zu sehen, für Transparenz in der Preisverhandlungen zu sorgen, weil Preis- und Entgeltentwicklung auseinanderfallen könnten, aber nicht als zwingende Vorgabe für die Preisfestsetzung, diese unter Berücksichtigung der BGW-Entgeltdaten vorzunehmen, steht damit mit dem Gesetz in Einklang. Die weitere Prämisse, die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden BGW-Werte für bestenfalls eingeschränkt zur Abbildung der Personalkostenentwicklung zu erachten, hält sich im Bewertungsspielraum der Beklagten.

 

d) Soweit diese allerdings allgemeiner eine Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch eine Vermutung der Auskömmlichkeit der bisherigen Regelungen aus Entscheidungen des BSG zur vertragsärztlichen Gesamtvergütung herleiten will, ist eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze der vertragsärztlichen Vergütung für den Bereich der Heilmittelvergütung speziell in der Situation nach 2019 nicht übertragbar. Wie sich insbesondere aus der Aussetzung der Vorschriften zur Zuwachsbegrenzung (§ 125 Abs. 3 S. 3 SGB V) ergibt, geht das Gesetz gerade nicht davon aus, dass die bisherige Vergütung ausreichend gewesen ist.

 

e) Eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben des § 125 Abs. 3 SGB V durch die Beklagte ist auch nicht festzustellen, soweit die Beklagte für die Ablehnung weitergehender Anträge der Kläger zu 2 bis 5 maßgeblich auf die aufgrund der Vergütungserhöhungen auf die Krankenkassen zukommenden Mehrausgaben abgestellt hat.

 

Wie bereits ausgeführt, haben die Verhandlungspartner nach § 125 Abs. 3 S. 1 SGB V Preise auszuhandeln, die eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung und wirtschaftlich zu führende Praxisbetriebe ermöglichen (Satz 2). Nach § 125 Abs. 3 Satz 3 SGB V findet § 71 SGB V zwar ausdrücklich keine Anwendung. Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 19/8351, Seite 199) sollte die zur Wahrung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in § 71 Abs. 3 SGB V bestimmte Beschränkung des Spielraumes für Vergütungserhöhungen auf die durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder keine Anwendung finden, damit insbesondere die gesamten Kosten eines wirtschaftlich zu führenden Praxisbetriebes und die realen Kostenentwicklungen berücksichtigt werden könnten, die sich so in der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V nicht abbilde. Auch wenn damit theoretisch unbeschränkte Preiserhöhungen hätten vereinbart werden können, verbietet es die Norm dem Kläger zu 1 keinesfalls, für die nachfragende Seite auf möglichst geringe Steigerungen zu dringen. Denn das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V hat in diesem Zusammenhang weiterhin Geltung. Eine Verletzung der Norm könnte nur vorliegen, wenn auch unter Beachtung des dem Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraumes bei der Frage, wann ein Praxisbetrieb wirtschaftlich zu führen ist bzw. eine wirtschaftliche Versorgung gewährleistet ist, ein Schiedsergebnis getroffen worden wäre, bei welchem eine wirtschaftliche Führung ausgeschlossen ist. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

 

f) Soweit die Kläger zu 2 bis 5 ferner rügen, dass die Beklagte im Zuge der Festsetzung unter 2.2 des ersten Schiedsspruches bei der Festsetzung des Faktors für die Preissteigerung bei den Sachkosten sachwidrig nur den Anstieg der Inflationsrate im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019 im Jahresschnitt zu Grunde gelegt hat, obgleich der Anstieg der Sachkosten nicht nur im Laufe des Jahres 2020, sondern auch bereits ab dem 2. Halbjahr 2019 bis zum 31. März berücksichtigt hätte werden müssen, trifft dies vom Ansatz her zu.

 

Von dieser Zeitspanne geht auch die Beklagte aus, indem sie im ersten Schiedsspruch (dort Seite 9) ausführt, die Preisentwicklung sei für den Zeitraum vom 01. Juli 2019 bis 31. März 2021 zu ermitteln. Allerdings hat die Beklagte im Gerichtsverfahren darauf hingewiesen, die Sachkosten im zweiten Schiedsspruch nicht nach den Vorgaben für die Kläger in der Festsetzung der ersten Stufe im ersten Schiedsspruch vorgenommen zu haben. Vielmehr ist die gesamte Festsetzung zu 2.1 des ersten Schiedsspruchs obsolet geworden, da die Beklagte im zweiten Schiedsspruch ihre gesamte Kalkulation logisch konsequent an das Kostenniveau am 1. Juli 2019 angeknüpft hat (vgl. II 2.2 der Gründe). Für die Sachkosten hat sie ausweislich der ergänzenden Begründung die vom Kläger zu 1 eingeführten Werte des IGES-Gutachten verwendet (sonstige Sachkosten 20.832,04 € = 25.142,12 € / 3,5 VZÄ * 2,9 VZÄ). Eine Überschreitung des Gestaltungsspielraumes der Beklagten ist damit nicht erfolgt. Sachfremde oder unlogische Erwägungen liegen nicht alleine deshalb vor, weil sich die Beklagte das Vorbringen der einen Vertragsseite, hier des Klägers zu 1, zu Eigen gemacht hat.

 

g) Durch die konkrete Preisfestsetzung nach dem angenommenen Maßstab auskömmlicher Festlegungen erübrigt sich auch die von den Klägern zu 2 bis 5 aufgeworfene Frage, in welchem Verhältnis die Personal-, die Sachkosten für die Leistungserbringung sowie die durchschnittlich laufenden Kosten für den Betrieb der Heilmittelpraxis in die Gesamtkosten einfließen.

 

h) Der zweite Schiedsspruch hält sich schließlich auch im Rahmen des Gestaltungsfreiraums der Beklagten, soweit dort (konkludent) die Einsetzung eines Betrages für das Unternehmerrisiko nicht als berücksichtigungsnotwendiger Faktor angesehen worden ist. Insoweit bliebe nur ein etwaiges Begründungsdefizit. Die Beklagte hat im Gerichtsverfahren ausdrücklich klargestellt, den zugrunde gelegten Tariflohn eines leitenden Physiotherapeuten auch angesichts des Unternehmerrisikos für adäquat zu halten. Sie hat auch „alle übrigen Anträge“ abgelehnt und damit wenigstens im Ansatz die Ablehnung eines Unternehmerrisikos bereits im Schiedsspruch erläutert.

 

i) Auch die ebenfalls nur konkludente Annahme, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen den Sach- und Raumkosten und der Anzahl der therapeutisch tätigen Physiotherapeuten gebe, hält sich im Gestaltungsspielraum. Die Sachkosten und die Raumkosten sind als Faktoren beim zweiten Schiedsspruch nicht unberücksichtigt geblieben.

 

j) Ohne Erfolg rügen die Kläger zu 2 bis 5, dass die Beklagte keinen Wert für eine Verwaltungs-VZÄ eingepreist hat, obwohl beide Vertragsseiten Werte hierfür in ihre Rechenwerke eingesetzt hatten. Wie jedenfalls die nachträgliche Erläuterung der Beklagten zeigt, berücksichtigt die Lösung des Beklagten einen Ansatz von 11 Stunden wöchentlich für den Praxisinhaber für Verwaltungstätigkeit bzw. setzt einen Wert von jährlich 18.040,65 € an. Die Prämisse, keine weiteren Verwaltungstätigkeiten zu berücksichtigen, hält sich im Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle.

 

k) Auch die Ansicht der Beklagten, bei der Errechnung der Jahresleistungszeit der angestellten Therapeuten einen Abzug nur für Fortbildung vorzusehen und nicht auch für weitere Zeiten, in denen keine therapeutische Arbeit geleistet werden kann (Besprechungen, Ausfallzeiten, Unterauslastung), ist vom Gestaltungsfreiraum gedeckt. Sie konnte diese Gesichtspunkte vielmehr als Unternehmerrisiko außen vor lassen. Der Schiedsspruch enthält insoweit auch eine jedenfalls andeutungsweise Begründung.

 

3. Der Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag der Kläger zu 2 bis 5 zu 2. hat hingegen Erfolg. Gleiches gilt formal auch für den entsprechenden Klageantrag des Klägers zu 1. Die Festsetzung eines Zuschlages lediglich für die Zeit ab 1. April 2021 bis zum 31. Juli 2021 anstelle bereits ab 10. Januar 2021 bis 31. Juli 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger zu 2 bis 5 in ihren Rechten.

 

a) Die Rüge, es fehle insoweit an einer auch nur andeutungsweisen Begründung, weshalb die vorübergehende Erhöhung auf gerade 26,67 % festgesetzt wurde, ist allerdings nicht stichhaltig. Auch ohne ausdrückliche Erläuterung erschließt sich bereits aus dem reinen Zahlenwert, dass vorübergehend eine Verdoppelung vorgenommen werden sollte, reduziert um die bereits zwischenzeitlich erfolgte Erhöhung um 1,51% (26,67 % = 14,09 % * 2 ./. 1,51 %).

 

b) Die Auffassung der Beklagten und des Klägers zu 1, auch bei einem früheren Beginn des Schiedsverfahrens als dem 1. Januar 2021 seien Zahlbeträge i. S. d. § 125 Abs. 5 S. 3 zum Ausgleich der verzögerten Entscheidung der Schiedsstelle frühestens für die Zeit ab 01. April 2021 – wie im zweiten Schiedsspruch geschehen – zu beschließen, weil erst dann die vom Gesetz vorausgesetzten drei Monate abgelaufen seien, ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren.

 

Die Dreimonatsfrist beginnt vielmehr ohne Interpretationsspielraum nach § 125 Abs. 5 S. 2 SGB V mit dem Beginn des Schiedsverfahrens bereits vor den in Satz 1 genannten Zeitpunkten (regelmäßig 1. Januar 2021), wenn einer der Vertragspartner das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Schiedsstelle anruft. Wie oben bereits dargestellt, ist dieser Regelungssatz mit dem GPVG vom 22. Dezember 2020 rückwirkend zum 23. September 2020 eingeführt worden. Hier begann die Frist am 10. Oktober 2020, weil die Kläger zu 2 bis 5 am 9. Oktober 2020 das Schiedsverfahren angerufen haben. Sie endete am 9. Januar 2021.

 

Die Beklagte ist damit verpflichtet, auf den Antrag der Kläger zu 2 bis 5 über einen Ausgleich der Vergütungsausfälle bereits für die Zeit ab 10. Januar 2021 zu entscheiden. Die konkrete Ausgestaltung dieses (weiteren) Ausgleichs, insbesondere ob sie sich hinsichtlich der Methodik der Festsetzung des Zahlbetrags an dem von ihr bislang angewandten Verfahren orientiert, liegt hingegen im Beurteilungsspielraum der Beklagten. Vorgaben des Gerichts wären Eingriffe in diesen gestalterischen Freiraum, zumal der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben für die Festsetzung des Zahlbetrags gemacht hat.

 

III.

Die (einheitliche) Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

IV.

 

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Rechtskraft
Aus
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